Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.11.1993
Aktenzeichen: C-189/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinie 76/207/EWG vom 09.02.1976, KSchG


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
EWG-Vertrag Art. 92
Richtlinie 76/207/EWG vom 09.02.1976 Art. 2
Richtlinie 76/207/EWG vom 09.02.1976 Art. 5
KSchG § 23 Abs. 1 S. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Befreiung von Kleinbetrieben von einer nationalen Kündigungsschutzregelung für Arbeitnehmer, die bewirkt, daß diese nicht verpflichtet sind, bei sozial ungerechtfertigten Kündigungen Abfindungen zu zahlen oder Prozeßkosten zu tragen, die bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Kündigung von Arbeitnehmern entstehen, stellt keine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag dar.

Eine solche Maßnahme stellt nämlich keine unmittelbare oder mittelbare Übertragung staatlicher Mittel auf diese Unternehmen dar; sie ist lediglich Ausdruck des Willens des Gesetzgebers, für die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Kleinbetrieben einen besonderen rechtlichen Rahmen zu erstellen und zu verhindern, daß diesen finanzielle Lasten auferlegt werden, die ihre Entwicklung behindern können.

2. Der Grundsatz der Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer hinsichtlich der Entlassungsbedingungen im Sinne der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 steht der Anwendung einer nationalen Bestimmung nicht entgegen, die bei der Feststellung, ob ein Unternehmen der Kündigungsschutzregelung unterliegt, Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, die wöchentlich 10 Stunden oder monatlich 45 Stunden oder weniger arbeiten, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die der Regelung nicht unterliegenden Unternehmen erheblich mehr Frauen als Männer beschäftigen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte eine solche Regelung durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, soweit sie die den kleinen Unternehmen auferlegten Lasten erleichtern soll.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 30. NOVEMBER 1993. - PETRA KIRSAMMER-HACK GEGEN NURHAN SIDAL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: ARBEITSGERICHT REUTLINGEN - DEUTSCHLAND. - NATIONALE REGELUNG UEBER DEN KUENDIGUNGSSCHUTZ - AUSSCHLUSS KLEINER UNTERNEHMEN - STAATLICHE BEIHILFE - GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN. - RECHTSSACHE C-189/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Arbeitsgericht Reutlingen hat mit Beschluß vom 3. Mai 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juli 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 92 EWG-Vertrag sowie der Artikel 2 und 5 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen P. Kirsammer-Hack (Klägerin) und ihrer Arbeitgeberin, N. Sidal (Beklagte).

3 Nach den Akten war die Klägerin als zahnärztliche Helferin in der Zahnarztpraxis der Beklagten beschäftigt; die Belegschaft dieser Praxis bestand insgesamt aus zwei Arbeitnehmerinnen als Vollzeitarbeitskräften, zwei Arbeitnehmerinnen, die nicht Vollzeit, aber mehr als zehn Stunden wöchentlich arbeiteten ° einschließlich der Klägerin °, und vier teilzeitbeschäftigen Arbeitnehmerinnen, die weniger als 10 Stunden wöchentlich oder 45 Stunden monatlich arbeiteten.

4 Am 13. Februar 1991 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Begründung gekündigt, sie habe es an Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit fehlen lassen und die Qualität der von ihr geleisteten Arbeit habe nicht zufriedenstellen können.

5 Die Klägerin erhob hiergegen Klage beim Arbeitsgericht Reutlingen; ihre Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (BGBl. I S. 1317; im folgenden: KSchG).

6 Nach den §§ 9 und 10 KSchG ist der Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, wenn seine Kündigung nicht durch Gründe, die in seinem Verhalten liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Ergibt sich jedoch aus den Umständen des Falles, daß das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden kann, so kann das Gericht das Arbeitsverhältnis auflösen und dem Arbeitnehmer eine Abfindung zusprechen.

7 Im Ausgangsrechtsstreit macht die Beklagte geltend, daß diese Kündigungsschutzregelung auf ihre Zahnarztpraxis wegen § 23 Absatz 1 Satz 2 KSchG keine Anwendung finde.

8 Nach dieser Bestimmung gilt die in Rede stehende Kündigungsschutzregelung nicht

"für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 sind nur Arbeitnehmer zu berücksichtigen, deren regelmässige Arbeitszeit wöchentlich 10 Stunden oder monatlich 45 Stunden übersteigt."

9 Das vorlegende Gericht teilt die Ansicht der Beklagten, stellt sich jedoch die Frage, ob § 23 Absatz 1 KSchG nicht deshalb unanwendbar sei, weil diese Bestimmung eine nach Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstelle und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nach den Artikeln 2 und 5 der Richtlinie verstosse.

10 Das Arbeitsgericht hat dem Gerichtshof daher die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist die Herausnahme der sogenannten Kleinbetriebe aus dem Kündigungsschutz gemäß § 23 Absatz 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (in der Fassung des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 25. August 1969, BGBl. I S. 1317; KSchG) mit Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag vereinbar?

2) Stellt die Vorschrift des § 23 Absatz 1 Satz 3 KSchG (in der Fassung des Artikels 3 des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26. April 1985, BGBl. I S. 710 ff.) eine indirekte Frauendiskriminierung dar, die gegen die Artikel 5 und 2 der Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG) verstösst?

11 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Die den Kleinbetrieben gewährte Vergünstigung

12 Mit seiner ersten Frage begehrt das nationale Gericht Auskunft darüber, ob die Befreiung der Kleinbetriebe von der nationalen Kündigungsschutzregelung für Arbeitnehmer eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellt.

13 Zu dieser Frage trägt die Bundesregierung vorab vor, daß die Durchführung der Gemeinschaftsregelung über staatliche Beihilfen vorbehaltlich der nachträglichen Kontrolle durch den Gerichtshof Sache der Kommission sei und daß es der Klägerin daher nicht gestattet sei, sich vor dem vorlegenden Gericht auf die Unvereinbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften mit dieser Regelung zu berufen.

14 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes hindert die Zuständigkeit der Kommission einen einzelnen jedoch nicht daran, ein nationales Gericht zum Zweck der Feststellung anzurufen, daß eine staatliche Maßnahme, die nicht mitgeteilt wurde, gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag hätte mitgeteilt werden müssen, wobei dieses Gericht dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Begriffs der Beihilfe vorlegen kann (Urteil vom 17. März 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-72/91 und C-73/91, Sloman Neptun, Slg. 1993, I-887, Randnr. 12).

15 Das vorlegende Gericht führt aus, daß die Kleinbetriebe einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen erhielten, da sie nicht verpflichtet seien, bei sozial ungerechtfertigten Kündigungen Abfindungen zu zahlen oder Prozeßkosten zu tragen, die bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Kündigung von Arbeitnehmern entstuenden.

16 Es ist daran zu erinnern, daß nur solche Vorteile als Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag anzusehen sind, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die in dieser Bestimmung vorgenommene Unterscheidung zwischen "staatlichen" und "aus staatlichen Mitteln gewährten" Beihilfen bedeutet nämlich nicht, daß alle von einem Staat gewährten Vorteile unabhängig davon Beihilfen darstellen, ob sie aus staatlichen Mitteln finanziert werden, sondern dient dem Zweck, in den Beihilfebegriff nicht nur unmittelbar vom Staat gewährte Beihilfen, sondern auch jene Beihilfen einzubeziehen, die durch vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtungen gewährt werden (Urteil Sloman Neptun, a. a. O., Randnr. 19).

17 Im vorliegenden Fall stellt die Befreiung einer Gruppe von Unternehmen von der in Rede stehenden Schutzregelung keine unmittelbare oder mittelbare Übertragung staatlicher Mittel auf diese Unternehmen dar; sie ist lediglich Ausdruck des Willens des Gesetzgebers, für die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Kleinbetrieben einen besonderen rechtlichen Rahmen zu erstellen und zu verhindern, daß diesen finanzielle Lasten auferlegt werden, die ihre Entwicklung behindern können.

18 Daher stellt eine Maßnahme der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art kein Mittel dazu dar, unmittelbar oder mittelbar einen Vorteil aus staatlichen Mitteln zu gewähren.

19 Unter diesen Umständen ist auf die erste Frage zu antworten, daß die Befreiung von Kleinbetrieben von einer nationalen Kündigungsschutzregelung für Arbeitnehmer keine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellt.

Die Frage einer mittelbaren Diskriminierung von weiblichen Arbeitnehmern

20 Mit seiner zweiten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft darüber, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern in bezug auf die Entlassungsbedingungen, wie er sich aus den Artikeln 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie ergibt, der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie des § 23 Absatz 1 Satz 3 KSchG entgegensteht, die bei der Regelung der Frage, ob ein Unternehmen der Kündigungsschutzregelung unterliegt, Arbeitnehmer (im folgenden: teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer) nicht berücksichtigt, deren Arbeitszeit nicht mehr als wöchentlich 10 Stunden oder monatlich 45 Stunden beträgt.

21 Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, daß die genannte Bestimmung teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern den Kündigungsschutz nach der nationalen Regelung entziehe. Da beinahe 90 % aller teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland Frauen seien, bringe eine solche Bestimmung eine gegen die Richtlinie verstossende mittelbare Diskriminierung mit sich.

22 Nach ständiger Rechtsprechung enthält eine nationale Regelung dann eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer, wenn sie zwar neutral gefasst ist, jedoch tatsächlich prozentual erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt, sofern diese unterschiedliche Behandlung nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (Urteil vom 13. Juni 1989 in der Rechtssache 171/88, Rinner-Kühn, Slg. 1989, 2743, Randnr. 12).

23 Im vorliegenden Fall gilt nach § 23 Absatz 1 Satz 2 die Kündigungsschutzregelung nur für Unternehmen, in denen mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind, während nach Satz 3 teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer für die Anwendung von Satz 2 nicht berücksichtigt werden.

24 Dabei führt der blosse Umstand, daß teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bei der Entscheidung, ob das Unternehmen der nationalen Kündigungsschutzregelung unterliegt, nicht berücksichtigt werden, nicht zu einem Nachteil für diese Arbeitnehmer.

25 Erst aufgrund von § 23 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 KSchG werden Unternehmen, die eine geringere als die festgelegte Zahl von Arbeitnehmern beschäftigen, mit der Folge von der Kündigungsschutzregelung befreit, daß die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer von dieser Regelung ausgeschlossen sind.

26 Diese Regelung führt somit nicht zu einer Differenzierung zwischen Teilzeitbeschäftigten einerseits und den übrigen Beschäftigten andererseits, sondern zu einer Differenzierung zwischen einerseits allen denjenigen Arbeitnehmern, die in von der Kündigungsschutzregelung befreiten Kleinbetrieben beschäftigt sind, und andererseits allen denjenigen Arbeitnehmern, die in Unternehmen beschäftigt sind, die dieser Regelung unterliegen, weil sie eine grössere Zahl von Arbeitnehmern beschäftigen.

27 Die Herausnahme aus der nationalen Kündigungsschutzregelung betrifft daher nicht besonders die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, sondern unabhängig von ihrer Arbeitzeit, also davon, ob sie vollzeit-, halbzeit- oder teilzeitbeschäftigt sind, alle Arbeitnehmer in Unternehmen, die von der Regelung befreit sind.

28 So genießen Arbeitnehmer wie die Klägerin keinen Kündigungsschutz, obwohl sie nicht teilzeitbeschäftigt sind. Umgekehrt genießen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Kündigungsschutz, wenn sie in Unternehmen beschäftigt sind, die dieser Regelung unterliegen.

29 Somit lässt sich aus dem Frauenanteil unter den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Deutschland, den das vorlegende Gericht anführt, nicht folgern, daß die in Rede stehende Bestimmung eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer enthält, die gegen die Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie verstösst.

30 Eine solche Diskriminierung läge nur dann vor, wenn erwiesen wäre, daß die Kleinunternehmen einen erheblich höheren Prozentsatz Frauen als Männer beschäftigten.

31 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die dem Gerichtshof vorgelegten Angaben kein derartiges Mißverhältnis belegen.

32 Selbst wenn aber ein solches Mißverhältnis nachgewiesen wäre, wäre noch zu prüfen, ob die beanstandete Regelung durch objektive Faktoren gerechtfertigt wäre, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hätten.

33 Wie die Bundesregierung und die Kommission zu Recht ausführen, liegen solche Faktoren bei einer Regelung der vorliegenden Art vor, die zu einem Bündel von Maßnahmen gehört, die den Kleinunternehmen, die eine wesentliche Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinschaft spielen, die ihnen auferlegten Lasten erleichtern sollen.

34 Artikel 118a, der durch die Einheitliche Europäische Akte in das Kapitel Sozialvorschriften des EWG-Vertrags eingeführt worden ist, sieht vor, daß Richtlinien, die auf dem Gebiet der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer erlassen werden, keine verwaltungsmässigen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und Entwicklung von Klein- und Mittelbetrieben entgegenstehen. Das belegt, daß für diese Unternehmen besondere wirtschaftliche Regelungen getroffen werden können.

35 Daher ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer hinsichtlich der Entlassungsbedingungen im Sinne der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 23 Absatz 1 Satz 3 KSchG nicht entgegensteht, die bei der Feststellung, ob ein Unternehmen der Kündigungsschutzregelung unterliegt, Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, die wöchentlich 10 Stunden oder monatlich 45 Stunden oder weniger arbeiten, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die der Regelung nicht unterliegenden Unternehmen erheblich mehr Frauen als Männer beschäftigen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte eine solche Regelung durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, soweit sie die den kleinen Unternehmen auferlegten Lasten erleichtern soll.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der Bundesregierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Arbitsgericht Reutlingen mit Beschluß vom 3. Mai 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Befreiung von Kleinbetrieben von einer nationalen Kündigungsschutzregelung für Arbeitnehmer stellt keine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag dar.

2) Der Grundsatz der Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer hinsichtlich der Entlassungsbedingungen im Sinne der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 3. Februar 1976 steht der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 23 Absatz 1 Satz 3 des Kündigungsschutzgesetzes vom 25. August 1969 nicht entgegen, die bei der Feststellung, ob ein Unternehmen der Kündigungsschutzregelung unterliegt, Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, die wöchentlich 10 Stunden oder monatlich 45 Stunden oder weniger arbeiten, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die der Regelung nicht unterliegenden Unternehmen erheblich mehr Frauen als Männer beschäftigen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte eine solche Regelung durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, soweit sie die den kleinen Unternehmen auferlegten Lasten erleichtern soll.

Ende der Entscheidung

Zurück