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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: C-190/02
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 2
EGV Art. 3 Abs. 1 Buchst. a
EGV Art. 3 Abs. 1 Buchst. b
EGV Art. 3 Abs. 1 Buchst. c
EGV Art. 23
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist nur möglich, wenn dieses den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Des Weiteren ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt. Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen einzureichen. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden.

( vgl. Randnrn. 14-16 )


Beschluss des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 8. Oktober 2002. - Viacom Outdoor Srl gegen Giotto Immobilier SARL. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Giudice di pace di Genova-Voltri - Italien. - Vorabentscheidungsersuchen - Unzulässigkeit. - Rechtssache C-190/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-190/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Giudice di Pace Genua-Voltri (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Viacom Outdoor Srl

gegen

Giotto Immobilier SARL

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 2 EG, 3 Absatz 1 Buchstaben a, b und c EG, 23 EG, 27 Buchstaben a, b und d EG, 31 Absätze 1 und 3 EG, 49 EG, 50 EG, 81 EG, 82 EG, 86 EG und 87 EG,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter P. Jann und A. Rosas (Berichterstatter),

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: R. Grass

nach Anhörung des Generalanwalts,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Der Giudice di Pace Genua-Voltri hat mit Beschluss vom 9. April 2002, der Kanzlei des Gerichtshofes am 22. Mai zugegangen, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 EG, 3 Absatz 1 Buchstaben a, b und c EG, 23 EG, 27 Buchstaben a, b und d EG, 31 Absätze 1 und 3 EG, 49 EG, 50 EG, 81 EG, 82 EG, 86 EG und 87 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen einer vertragsrechtlichen Streitigkeit zwischen der Viacom Outdoor Srl (im Folgenden: Viacom) mit Sitz in Mailand (Italien) und der Giotto Immobilier SARL (im Folgenden: Giotto) mit Sitz in Menton (Frankreich).

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

3 Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass Viacom vor dem Giudice di Pace gegen Giotto Klage auf Zahlung von 2 082 235 ITL, d. h. 1 075,38 Euro, für dieser erbrachte Werbedienstleistungen in Form der Anbringung von Werbeplakaten im Gemeindegebiet von Genua sowie auf Schadensersatz in Höhe von 1 000 000 ITL, d. h. 516,46 Euro, erhoben hat.

4 Giotto bestreitet die Forderungen von Viacom mit der Begründung, dass in dem verlangten Betrag die kommunale Werbungssteuer in Höhe von 439 385 ITL, d. h. 226,92 Euro, sowie an die Stadt Genua gezahlte Steuern und Abgaben in Höhe von 277 850 ITL, d. h. 117,67 Euro, enthalten seien.

5 Giotto macht insbesondere geltend, dass diese zusätzlich zur Leistungsvergütung beanspruchten Beträge im Vertrag ihrer Natur nach nicht ausdrücklich beschrieben worden seien und Giotto auch nicht bekannt sein konnten, da es in Frankreich weder die Werbungssteuer noch die Steuern auf Plakatanschläge oder die anderen Abgaben zugunsten der Gemeinden gebe.

6 Giotto hat im Übrigen geltend gemacht, dass die einschlägigen Vorschriften des italienischen Rechts und insbesondere das Decreto legislativo Nr. 507 vom 15. November 1993 in geänderter Fassung, die mit ihm verbundenen Vorschriften sowie die in diesem Decreto legislativo vorgesehenen Rechtsverordnungen, die von den italienischen Gemeinden, insbesondere der Gemeinde Genua, in der die streitige Verpflichtung entstanden sei, erlassen worden seien, mit bestimmten Vorschriften des EG-Vertrags nicht übereinstimmten.

7 So stuenden die italienischen Rechtsvorschriften in offensichtlichem Widerspruch zu den Artikeln 49 EG und 50 EG, da sie den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft einschränkten.

8 Das Decreto legislativo Nr. 507/93 in geänderter Fassung und die in Anwendung seiner Vorschriften erlassenen Gemeindeverordnungen verstießen auch gegen die in den Artikeln 81 EG, 82 EG, 86 EG und 87 EG enthaltenen Wettbewerbsregeln.

9 Der Begriff des öffentlichen Unternehmens, wie er sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebe, erfasse die von den Gemeinden bei der Anbringung von Werbeplakaten ausgeübte Tätigkeit. Das italienische Gesetz verstoße somit gegen die Artikel 81 EG und 82 EG, da es den normalen Wettbewerb verfälsche, indem es die missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Position, die die Gemeinden bei der Ausübung dieser unternehmerischen Tätigkeit einnähmen, begünstige. Es verletze auch Artikel 86 EG, da es Letzteren unter Verstoß gegen die Bestimmungen des EG-Vertrags besondere und ausschließliche Rechte gewähre.

10 Giotto macht auch geltend, dass das italienische Gesetz, das die kommunale Werbungssteuer und die Steuer auf öffentliche Plakatanschläge regle, Artikel 87 EG verletze, da der italienische Staat über den Umweg dieser Steuer und der anderen im Ausgangsverfahren beanstandeten Abgaben eine verschleierte Finanzierung des kommunalen Unternehmens vornehme, auch wenn die Tätigkeit unmittelbar von hierzu eigens geschaffenen Stellen ausgeübt werde.

11 Der Giudice di Pace wirft darüber hinaus die Frage auf, ob die Artikel 2 EG, 3 Absatz 1 Buchstaben a, b und c EG, 23 EG, 27 Buchstaben a, b und d EG sowie 31 Absätze 1 und 3 EG dem im Ausgangsverfahren beanstandeten italienischen Gesetz entgegenstehen, das die Waren einer steuerähnlichen Abgabe, die zum Teil auch als Steuer bezeichnet wird, zu einem Zeitpunkt unterwirft, in dem die Waren bereitstehen, um mit der erforderlichen Werbung im italienischen Staatsgebiet zum Verkauf angeboten zu werden, während diese Abgabe nicht die im Übrigen Gemeinschaftsgebiet vertriebenen italienischen Waren trifft.

12 Vor diesem Hintergrund hat der Giudice di Pace Genua-Voltri dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verletzung der Artikel 49 EG und 50 EG

Steht die zutreffende Auslegung der Artikel 49 EG und 50 EG mit dem Gesetz des italienischen Staates in Widerspruch, das die kommunale Werbungssteuer und die Steuer auf öffentliche Plakatanschläge einführt, vorsieht und regelt und hierbei den italienischen Gemeinden das ausschließliche Recht zu der entsprechenden Tätigkeit vorbehält, und umfasst der in Artikel 50 EG enthaltene Begriff der Dienstleistungen die von den Kommunalbehörden oder von eigens für diesen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich geschaffenen Einrichtungen ausgeübte Tätigkeit?

Stellt die Tatsache, dass in den anderen Mitgliedstaaten der italienischen Regelung entsprechende Vorschriften fehlen, im Licht der Auslegung der vorgenannten Artikel des EG-Vertrages eine Beschränkung der konkreten und tatsächlichen Freiheit des Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft dar? Wird der freie Dienstleistungsverkehr beschränkt:

a) durch die Existenz einer Steuer wie der hier vorliegenden;

b) durch die Notwendigkeit der Einholung besonderer Genehmigungen, deren Vergabe von der Prüfung durch Kommissionen abhängig ist, in denen das Stimmrecht den bei der Kommune angestellten Mitgliedern vorbehalten ist und nicht auch der Wirtschaft zusteht, die zwar eigene Vertreter bestimmen kann, denen jedoch kein Stimmrecht zusteht,

c) durch Einschränkungen und Begrenzungen der zur Ausübung der Tätigkeit zur Verfügung stehenden Flächen und durch die Zahlung von Abgaben und Gebühren auch in den Fällen, in denen die Anschläge auf Flächen erfolgen, die im Privateigentum stehen.

2. Verletzung der Artikel 81 EG, 82 EG, 86 EG und 87 EG

Sind die vorgenannten Artikel in dem Sinne auszulegen, dass sie einer Gesetzesregelung entgegenstehen, die durch Einführung einer Steuer auf Außenwerbung oder einer Abgabe auf öffentliche Plakatanschläge zugunsten der Gemeinden, in deren Gebiet diese Geschäftstätigkeit entfaltet wird, und einer Regelung, die den Gemeinden das ausschließliche Recht vorbehält, Werbeplakate anzubringen, im Ergebnis eine verschleierte Finanzierung des kommunalen Werbeunternehmens betreibt? Der geltenden italienischen Gesetzesregelung scheint sich nämlich entnehmen zu lassen, dass die italienischen Gemeinden bei der Betätigung als Unternehmen, das sich mit der Anbringung von Plakaten befasst, im Staatsgebiet eine beherrschende Position auf dem Markt für Werbedienstleistungen einnehmen und sich der freien Konkurrenz entziehen. Da sich im Übrigen die fragliche Dienstleistung nicht als Dienstleistung von allgemeinem Interesse darstellt und auch der wesentliche, dem Gemeinschaftsinteresse dienende Zweck der den Gemeinden übertragenen Funktionen nicht in einer Geschäftstätigkeit wie der Anbringung von Werbeplakaten gesehen werden kann, bei der es sich offenkundig um eine unternehmerische Tätigkeit handelt, wird um die Auslegung der in Artikel 87 EG vorgesehenen Ausnahmen gebeten zur Beantwortung der Frage, ob die in der fraglichen italienischen Gesetzesregelung vorgesehenen Voraussetzungen und Sachverhalte als durch den EG-Vertrag zugelassene Ausnahmen angesehen werden können, und zwar auch im Licht des Urteils des Gerichtshofes vom 20. März 1985 in der Rechtssache C-41/83 [Italien/Kommission, Slg. 1985,873], in dem es heißt:[D]ie Anwendung des Artikels 90 Absatz 2 EWG-Vertrag [jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG] [ist] nicht dem Ermessen des Mitgliedstaats überlassen, der ein Unternehmen mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut. Nach Artikel 90 Absatz 3 (jetzt Artikel 86 Absatz 3 EG) kommt vielmehr der Kommission eine Überwachungsfunktion zu, die sie unter Aufsicht des Gerichtshofes ausübt"?

3. Verletzung der Artikel 2 EG, 3 Absatz 1 Buchstaben a, b und c EG, 23 EG, Artikel 27 Buchstaben a, b und d EG und 31 Absatz 1 und 3 EG

Können die betreffenden Artikel in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie dem Gesetz eines Mitgliedstaats - im vorliegenden Fall Italiens - entgegenstehen, das eine Werbungssteuer und die Erhebung einer Abgabe auf öffentliche Plakatanschläge, die die vorgenannte Steuer enthält, zugunsten der Gemeinden vorsieht, denen das ausschließliche Recht zusteht, die Plakatanschläge vorzunehmen?

Würdigung durch den Gerichtshof

13 Es ist zu prüfen, ob der Vorlagebeschluss die notwendigen Angaben enthält, um dem Gerichtshof nach Anhörung der in Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes genannten Beteiligten eine dem vorlegenden Gericht dienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu ermöglichen.

14 Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen einzureichen (Beschluss vom 2. März 1999 in der Rechtssache C-422/98, Colonia Versicherung u. a., Slg. 1999, I-1279, Randnr. 5). Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (Urteil vom 1. April 1982 in den Rechtssachen 141/81, 142/81 und 143/81, Holdijk u. a., Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, Beschluss vom 13. März 1996 in der Rechtssache C-326/95, Banco de Fomento e Exterior, Slg. 1996, I-1385, Randnr. 7, Urteil vom 13. April 2000 in der Rechtssache C-176/96, Lehtonen und Castors Braine, Slg. 2000, I-2681, Randnr. 23, und Beschluss vom 28. Juni 2000 in der Rechtssache C-116/00, Laguillaumie, Slg. 2000, I-4979, Randnr. 14).

15 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts nur möglich, wenn dieses den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. insbesondere Urteil vom 26. Januar 1993 in den Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnr. 6, Beschlüsse vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92, Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 4, vom 30. April 1998 in den Rechtssachen C-128/97 und C-137/97, Testa und Modesti, Slg. 1998, I-2181, Randnr. 5, vom 8. Juli 1998 in der Rechtssache C-9/98, Agostini, Slg. 1998, I-4261, Randnr. 4, Colonia Versicherung u. a., Randnr. 4, sowie Urteil Lehtonen und Castors Braine, Randnr. 22, und Beschluss Laguillaumie, Randnr. 15).

16 Des Weiteren hat der Gerichtshof die Notwendigkeit hervorgehoben, dass das nationale Gericht die genauen Gründe angibt, aus denen ihm die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint (Beschlüsse vom 25. Juni 1996 in der Rechtssache C-101/96, Italia Testa, Slg. 1996, I-3081, Randnr. 6, Testa und Modesti, Randnr. 15, sowie Agostini, Randnr. 6). So hat er entschieden, dass es unerlässlich ist, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (Beschluss vom 7. April 1995 in der Rechtssache C-167/94, Grau Gomis u. a., Slg. 1995, I-1023, Randnr. 9).

17 Der Vorlagebeschluss enthält jedoch keine diesen Anforderungen genügenden Angaben.

18 Insbesondere qualifiziert das vorlegende Gericht die Umstände, in denen möglicherweise Zölle oder Abgaben gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 23 EG, Beschränkungen im Sinne von Artikel 49 EG, der Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne der Artikel 82 EG und 86 EG oder staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 EG zu sehen sein könnten, als an die Stadt Genua gezahlte kommunale Werbungssteuer" und Abgaben und Gebühren". Es fehlt jedoch jede Angabe zu den Bedingungen, unter denen diese Steuer und diese Abgaben und Gebühren gezahlt werden müssen.

19 Da mithin keine Angaben zum Entstehungstatbestand der Steuer vorliegen, lässt sich nicht feststellen, ob sie deshalb erhoben wird, weil eine Ware die Grenze zwischen zwei Mitgliedstaaten überschreitet - Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 23 EG - oder ob sie geeignet ist, die Tätigkeiten eines in einem anderen Mitgliedstaat als Italien niedergelassenen Leistungserbringers oder Leistungsempfängers zu unterbinden oder zu stören (zur Diskriminierung eines Dienstleistenden, vgl. Urteil vom 29. November 2001 in der Rechtssache C-17/00, De Coster, Slg. 2001, I-9445, Randnr. 35).

20 Zudem gestattet das Fehlen von Angaben zum Schuldner dieser Beträge es nicht, den Wirtschaftsteilnehmer zu bestimmen, dessen Dienstleistung oder dessen Zugang zu einer solchen Leistung behindert sein könnte. Die fehlende Beschreibung des Gesamtzusammenhangs der beanstandeten Gesetzesregelung erlaubt auch keine sachdienlichen Feststellungen zum eventuellen Vorliegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls, z. B. finanzieller, städtebaulicher oder anderer Natur, die geeignet sein könnten, die behauptete Behinderung zu rechtfertigen.

21 Da es um die Anwendung der Wettbewerbsregeln geht, lässt das Fehlen von Angaben zur der vom Gesetz mit der Anbringung von Werbeplakaten in den Gemeinden beauftragten Einrichtung sowie ihrer Struktur und ihrer Finanzierung insbesondere keine Feststellung darüber zu, ob es sich erstens um ein Unternehmen" im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im Bereich des Wettbewerbs handelt, ob zweitens, wie das vorlegende Gericht meint, diese Einrichtung nicht Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" im Sinne von Artikel 86 EG erbringt, ob drittens die angewendeten Tarife den Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 81 EG darstellen können (vgl. hierzu Urteil vom 10. Dezember 1991, in der Rechtssache C-179/90, Merci convenzionali porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnrn. 16 und 20) und ob schließlich viertens seine Finanzierung den im Bereich der staatlichen Beihilfen anwendbaren Regeln widerspricht (vgl. hierzu Urteil vom 13 März 2001 in der Rechtssache C-379/98, Preussenelektra, Slg. 2001, I-2099, Randnrn. 58 bis 62).

22 Mangels ausreichender Angaben lässt sich nicht bestimmen, welche konkrete Auslegungsfrage die einzelnen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, um deren Auslegung das Gericht ersucht, aufwerfen könnten. Das Erfordernis der Genauigkeit in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Kontext gilt aber insbesondere im Bereich des Wettbewerbs, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (Beschluss Banchero, Randnr. 5, Urteil Lehtonen und Castors Braine, Randnr. 22, und Beschluss Laguillaumie, Randnr.19).

23 Das vorlegende Gericht hat zwar seinem Beschluss verschiedene Verfahrensunterlagen und insbesondere zahlreiche Gesetzes- und Verordnungstexte im Bereich der Plakatanschläge beigefügt.

24 Es obliegt jedoch dem nationalen Gericht, in der Vorlageentscheidung selbst den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsverfahrens, die Gründe, aus denen ihm die Auslegung bestimmter Gemeinschaftsvorschriften fraglich erscheint, und den Zusammenhang zu erläutern, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (Beschluss Laguillaumie, Randnr. 23).

25 Die Vorlageentscheidung dient als Grundlage des Verfahrens vor dem Gerichtshof. Wie in Randnummer 14 dieses Beschlusses festgestellt worden ist, wird im Übrigen nur diese Entscheidung den Beteiligten, insbesondere den Mitgliedstaaten, zusammen mit einer Übersetzung in die Amtssprache jedes Staates gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes zugestellt (Beschluss Laguillaumie, Randnr. 24).

26 Unter diesen Umständen ist gemäß den Artikeln 92 und 103 § 1 der Verfahrensordnung festzustellen, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsfragen offensichtlich unzulässig sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

beschlossen:

Das vom Guidice di Pace Genua-Voltri mit Beschluss vom 9. April 2002 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.

Ende der Entscheidung

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