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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.05.2003
Aktenzeichen: C-193/01 P
Rechtsgebiete: Beschluss 1999/284/EG, Beschluss 93/731/EG


Vorschriften:

Beschluss 1999/284/EG
Beschluss 93/731/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die vollständige Kenntnis der Endgültigkeit einer Entscheidung und der nach Artikel 230 EG geltenden Klagefrist schließt als solche nicht aus, dass ein Rechtsbürger einen entschuldbaren Irrtum geltend machen kann, der geeignet ist, die Verspätung seiner Klage zu rechtfertigen, da ein solcher Irrtum insbesondere dann eintreten kann, wenn das betroffene Gemeinschaftsorgan ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich genommen oder aber maßgeblich geeignet war, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen. Wenn diese Bedingungen erfuellt sind, kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass sich der Irrtum auf andere Umstände als die Endgültigkeit der angefochtenen Entscheidung oder auf die Art und Weise der Erhebung der verschiedenen im Vertrag vorgesehenen Klagearten bezieht.

( vgl. Randnrn. 24-25 )


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 15. Mai 2003. - Athanasios Pitsiorlas gegen Rat der Europäischen Union und Banque centrale européenne. - Rechtsmittel - Beschluss 93/731/EG - Zugang zu Ratsdokumenten - Beschluss 1999/284/EG - Zugang zu den Dokumenten und zu den Archiven der Europäischen Zentralbank - 'Basel/Nyborg-Vereinbarung' über die Stärkung des Europäischen Währungssystems - Verweigerung des Zugangs - Verspätete Klage gegen diese ablehnende Entscheidung - Entschuldbarer Irrtum. - Rechtssache C-193/01 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-193/01 P

Athanasios Pitsiorlas, wohnhaft in Thessaloniki (Griechenland), Prozessbevollmächtigter: D. Papafilippou, dikigoros,

Rechtsmittelführer,

betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Erste Kammer) vom 14. Februar 2001 in der Rechtssache T-3/00 (Pitsiorlas/Rat und EZB, Slg. 2001, II-717) wegen Aufhebung dieses Beschlusses,

andere Verfahrensbeteiligte:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und D. Zachariou als Bevollmächtigte,

und

Europäische Zentralbank,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), D. A. O. Edward, P. Jann und A. Rosas,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 30. Mai 2002, in der A. Pitsiorlas durch I. Mathioudakis, dikigoros, und der Rat durch M. Bauer und D. Zachariou vertreten waren,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2002

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Rechtsmittelführer hat mit Rechtsmittelschrift, die am 3. Mai 2001 per Telefax bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist und am 7. Mai 2001 bei der Kanzlei eingereicht worden ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 14. Februar 2001 in der Rechtssache T-3/00 (Pitsiorlas/Rat und EZB, Slg. 2001, II-717, im Folgenden: angefochtener Beschluss) eingelegt, das die von ihm erhobene Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung des Rates der Europäischen Union vom 30. Juli 1999, mit der ihm der Zugang zu einem Dokument verweigert wurde (im Folgenden: Entscheidung des Rates), als unzulässig abgewiesen hat.

Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen des Rechtsstreits

2 Der rechtliche und der tatsächliche Rahmen des Rechtsstreits wird in folgenden Worten in dem angefochtenen Beschluss dargelegt:

1 Der Kläger promoviert an der Universität Thessaloniki (Griechenland) über ein rechtswissenschaftliches Thema.

2 Mit Schreiben vom 6. April 1999, das am 9. April 1999 beim Generalsekretariat des Rates einging, beantragte er gemäß dem Beschluss 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43) in der Fassung des Beschlusses 96/705/Euratom, EGKS, EG des Rates vom 6. Dezember 1996 (ABl. L 325, S. 19) Zugang zu der ,Basel/Nyborg-Vereinbarung über die Stärkung des Europäischen Währungssystems (EWS), der der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister bei seinem informellen Treffen in Nyborg (Dänemark) am 12. September 1987 zugestimmt habe.

3 Das Generalsekretariat des Rates antwortete mit Schreiben vom 11. Mai 1999, das dem Kläger am 15. Mai 1999 zuging, wie folgt:

,Das Generalsekretariat hat Ihren Antrag sorgfältig geprüft; da das Dokument jedoch nicht aufgefunden werden konnte, gehen wir davon aus, dass es sich sehr wahrscheinlich um ein Dokument der [Europäischen Zentralbank] handelt. Es wäre daher besser, wenn Sie sich unmittelbar an diese wenden würden...

4 Mit Schreiben vom 8. Juni 1999, das am 10. Juni 1999 in das Register des Generalsekretariats des Rates eingetragen wurde, stellte der Kläger einen Zweitantrag gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses 93/731.

5 Mit Schreiben vom 5. Juli 1999 teilte das Generalsekretariat des Rates dem Kläger mit, dass es nicht möglich sei, innerhalb der in Artikel 7 Absatz 3 des Beschlusses 93/731 vorgeschriebenen Frist von einem Monat eine Entscheidung zu treffen, und dass daher beschlossen worden sei, diese Frist gemäß Absatz 5 dieses Artikels zu verlängern. Dieser lautet:

,In Ausnahmefällen kann der Generalsekretär nach vorheriger Unterrichtung des Antragstellers die in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 festgelegten Fristen um einen Monat verlängern.

6 Gleichzeitig beantragte der Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 1999 an die Direktion für externe Beziehungen der Europäischen Zentralbank (EZB) Zugang zu dem vorgenannten Dokument gemäß dem Beschluss 1999/284/EG der EZB vom 3. November 1998 über den Zugang der Öffentlichkeit zur Dokumentation und zu den Archiven der Europäischen Zentralbank (ABl. 1999, L 110, S. 30). Nachdem dieser Antrag mit Schreiben vom 6. Juli 1999 abgelehnt worden war, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 1999 eine erneute Prüfung auf der Grundlage von Artikel 23.3 der Geschäftsordnung der EZB vom 7. Juli 1998 (ABl. 1998, L 338, S. 28) in der geänderten Fassung vom 22. April 1999 (ABl. 1999, L 125, S. 34).

7 Mit Schreiben vom 2. August 1999, das dem Kläger am 8. August 1999 zugestellt wurde, teilte das Generalsekretariat des Rates dem Kläger die Entscheidung des Rates vom 30. Juli 1999 mit, mit der sein Zweitantrag abgelehnt wurde... In dieser Entscheidung heißt es:

,Nach eingehender Prüfung haben wir festgestellt, dass das in Ihrem Antrag genannte Dokument den ,Bericht des Ausschusses der Präsidenten über die Stärkung des EWS betrifft, den der Ausschuss der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der EWG in Nyborg am 8. September 1987 veröffentlicht hat.

Die Vorschriften über das verwaltungstechnische Funktionieren des EWS waren nie Bestandteil des Gemeinschaftsrechts; der Rat hatte daher insoweit nie eine Entscheidung zu treffen.

Da das gewünschte Dokument von den Präsidenten der Zentralbanken erstellt worden ist, empfehlen wir Ihnen, Ihren Antrag unmittelbar an die Präsidenten der Zentralbanken oder an die EZB zu richten.

8 Im selben Schreiben wies das Generalsekretariat den Kläger auch auf die Artikel 195 EG und 230 EG hin, soweit sie die Bedingungen für die Befassung des Bürgerbeauftragten und die Rechtmäßigkeitskontrolle der Handlungen des Rates durch den Gerichtshof betreffen.

9 Mit Schreiben vom 8. November 1999, das dem Kläger am 13. November 1999 zugestellt wurde, wurde ihm die Entscheidung des EZB-Rates mitgeteilt, ihm keinen Zugang zu dem in Rede stehenden Dokument zu gewähren (im Folgenden: Entscheidung der EZB)."

3 Aus den Akten ergibt sich, dass die EZB dem Rechtsmittelführer zwar durch diese Entscheidung den Zugang zu den Archiven des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im Folgenden: Ausschuss der Präsidenten) verwehrt hat, ihm aber mitgeteilt hat, dass die Basel/Nyborg-Vereinbarung genau gesagt nicht ein einziges Dokument [ist], das in der Form einer Vereinbarung zwischen den Parteien abgefasst [wurde], sondern lediglich in Form von Berichten und Protokollen existiert, deren Urheber der Ausschuss der Präsidenten und der Währungsausschuss sind".

Das Verfahren vor dem Gericht

4 Da der Rechtsmittelführer unter diesen Umständen der Auffassung war, dass er vom Rat irregeleitet worden sei, der ihm insbesondere die Existenz eines Berichts des gemäß Artikel 105 Absatz 2 EWG-Vertrag errichteten Währungsausschusses, dessen Satzung der Rat mit Beschluss vom 18. März 1958 (ABl. L 17, S. 390) erlassen hat (im Folgenden: Währungsausschuss), verschwiegen habe, erhob er am 20. Januar 2000 beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung zum einen der Entscheidung des Rates und zum anderen der Entscheidung der EZB.

5 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhob der Rat mit gesondertem Schriftsatz eine Einrede der Unzulässigkeit gegen die Klage des Rechtsmittelführers. Er machte insoweit geltend, dass die Klage, soweit sie die Entscheidung des Rates betreffe, abzuweisen sei, da sie erst nach Ablauf der in Artikel 230 Absatz 5 EG vorgesehenen Frist von zwei Monaten erhoben worden sei, und dass die Ausschlusswirkung dieser Verspätung nicht aufgrund eines entschuldbaren Irrtums entfallen könne. Zum einen ergebe sich nämlich schon aus dem Wortlaut dieser Entscheidung, dass sie nicht geeignet gewesen sei, beim Kläger eine verständliche Verwirrung hervorzurufen, da sie klar als endgültige Entscheidung erkennbar gewesen sei, die mit einer Klage anfechtbar sei. Zum anderen sei nicht zu leugnen, dass der Kläger gerade als Rechtsanwalt und Doktorand der Rechtswissenschaften imstande gewesen sei, zu begreifen, dass die Entscheidung des Rates habe angefochten werden müssen, ohne die Entscheidung der EZB abzuwarten.

6 Ohne die Verspätung seiner gegen die Entscheidung des Rates erhobenen Klage zu leugnen, machte der Rechtsmittelführer geltend, dass diese Verspätung einem geheimen Zusammenwirken der betroffenen Gemeinschaftsorgane zuzuschreiben sei, soweit er durch diese dazu veranlasst worden sei, vor Anfechtung der Entscheidung des Rates die Entscheidung der EZB abzuwarten. Dazu trug der Rechtsmittelführer vor, dass es nicht sehr sinnvoll gewesen wäre, ein Verfahren bei der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit einzuleiten, da der Rat ihm doch zweimal versichert habe, dass er nicht der Urheber des gesuchten Dokuments sei und niemals Entscheidungen im Rahmen des EWS zu treffen gehabt habe. Er habe erst bei der Lektüre der Entscheidung der EZB und dann ihrer Klagebeantwortung, ins Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen am 15. Mai 2000, die Situation in ihrer Gesamtheit verstanden und insbesondere erkannt, dass es neben dem Bericht des Ausschusses der Präsidenten einen Bericht des Währungsausschusses, eines Beratungsorgans des Rates, mit dem Titel Die Stärkung des EWS - Bericht des Präsidenten des Währungsausschusses anlässlich des informellen Treffens der Finanzminister, Nyborg, am 12. September 1987" gebe.

Der angefochtene Beschluss

7 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Gericht den Anträgen des Rates stattgegeben. Es hat die Klage, mit der es befasst war, als unzulässig abgewiesen, soweit sie die Entscheidung des Rates betraf, sowie dem Rechtsmittelführer seine eigenen Kosten und die des Rates hinsichtlich der Einrede der Unzulässigkeit auferlegt.

8 Die Abweisung dieser Klage beruht auf einer zweifachen Begründung.

9 Zum einen stellt das Gericht in den Randnummern 19 bis 21 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die Klage verspätet erhoben worden sei, da die Entscheidung des Rates dem Rechtsmittelführer am 8. August 1999 mitgeteilt worden sei und seine Klage erst am 20. Januar 2000 eingereicht worden sei, d. h. mehr als drei Monate nach Ablauf der in Artikel 230 Absatz 5 EG für die Erhebung der Nichtigkeitsklage vorgesehenen, um die Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängerten Frist; diese Frist sei im vorliegenden Fall am Montag, dem 18. Oktober 1999, um Mitternacht abgelaufen.

10 Zum anderen erkannte das Gericht zwar in Randnummer 22 des angefochtenen Beschlusses an, dass ein entschuldbarer Irrtum unter außergewöhnlichen Umständen durchaus bewirken [kann], dass kein Fristversäumnis des Klägers eintritt... insbesondere dann..., wenn das betroffene Gemeinschaftsorgan ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich genommen oder aber maßgeblich geeignet war, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen (vgl. Urteile [des Gerichts vom 16. März 1993 in den Rechtssachen T-33/89 und T-74/98,] Blackman/Parlament, [Slg. 1993, II-249,] Randnr. 34, und [des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P,] Bayer/Kommission, [Slg. 1994, I-5619,] Randnr. 26)". In Randnummer 23 des Beschlusses stellte es dann aber fest, im vorliegenden Fall habe der Kläger... keinen Beweis für sein Vorbringen erbracht, der Rat habe ein solches Verhalten an den Tag gelegt".

11 In derselben Randnummer 23 führte das Gericht vielmehr aus, dass der Kläger durch das Schreiben des Generalsekretariats, mit dem ihm die Entscheidung des Rates mitgeteilt wurde, gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Beschlusses 93/731 auch über den Inhalt der Artikel 195 EG und 230 EG unterrichtet wurde, soweit sie die Bedingungen für die Befassung des Bürgerbeauftragten und die Rechtmäßigkeitskontrolle der Handlungen des Rates durch den Gerichtshof betreffen," und dass [e]in durchschnittlich sorgfältiger Rechtsbürger... daher weder in Bezug auf die Endgültigkeit dieser Entscheidung noch in Bezug auf die Klagefrist nach Artikel 230 EG Zweifel hegen [konnte]".

12 Demgemäß hat das Gericht in Randnummer 24 des angefochtenen Beschlusses der vom Rat erhobenen Einrede stattgegeben und die Klage gegen dessen Entscheidung als unzulässig abgewiesen, da die vom Kläger geltend gemachten Umstände nicht als außergewöhnliche Umstände anzusehen sind, die einen entschuldbaren Irrtum begründen".

Das Rechtsmittel

13 Mit seinem Rechtsmittel ersucht der Rechtsmittelführer den Gerichtshof, seinem Rechtsmittel stattzugeben und den angefochtenen Beschluss aufzuheben, allen seinen Anträgen im ersten Rechtszug stattzugeben oder hilfsweise die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und dem Rat die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen.

14 Ohne einen Antrag durch gesonderten Schriftsatz im Sinne von Artikel 91 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes zu stellen, hat sich der Rat in seiner Rechtsmittelbeantwortung darauf beschränkt, die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit der Begründung zu bestreiten, dass es nicht fristgemäß eingelegt worden sei. Er macht hierzu geltend, dass die Rechtsmittelschrift erst am 7. Mai 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sei, d. h. vier Tage nach dem Tag, an dem die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels durch den Rechtsmittelführer abgelaufen sei, da diesem der angefochtene Beschluss am 23. Februar 2001 zugestellt worden sei.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

15 Insoweit genügt es, festzustellen, dass die Verwendung eines Fernkopierers nach den Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die dieser mit Beschluss vom 28. November 2000 (ABl. L 322, S. 1) erlassen hat und die am 1. Februar 2001 in Kraft getreten sind, ausdrücklich zu den zulässigen Formen der Übermittlung von Dokumenten an den Gerichtshof zählt.

16 Nach Artikel 37 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 112 § 1 Absatz 2 dieser Verfahrensordnung auf Rechtsmittel Anwendung findet, ist der Tag, an dem eine Kopie der unterzeichneten Urschrift eines Schriftsatzes... mittels Fernkopierer oder sonstiger beim Gerichtshof vorhandener technischer Kommunikationsmittel bei der Kanzlei eingeht, für die Wahrung der Verfahrensfristen maßgebend, sofern die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes und die in [Artikel 37] § 1 Absatz 2 genannten Anlagen und Abschriften spätestens zehn Tage danach bei der Kanzlei eingereicht werden".

17 Im vorliegenden Fall steht fest, dass diese Voraussetzung erfuellt ist, da die Rechtmittelschrift des Rechtsmittelführers am 3. Mai 2001, dem letzten zur Einlegung seines Rechtsmittels geeigneten Tag, per Telefax bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist und die unterschriebene Urschrift dieser Rechtsmittelschrift nebst Anlagen und den erforderlichen Abschriften am 7. Mai 2001 eingereicht worden ist.

18 Das Rechtsmittel ist somit zulässig.

Zur Begründetheit des Rechtsmittels

19 Der Rechtsmittelführer macht fünf Rechtsmittelgründe geltend. Sie beziehen sich erstens auf einen Verstoß gegen Artikel 114 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts, zweitens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit, drittens auf eine fehlerhafte Auslegung der Entscheidung des Rates durch das Gericht, viertens auf eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung sowie selektive und daher mangelhafte Subsumtion des Sachverhalts und schließlich auf eine Nichtanwendung oder hilfsweise eine übertrieben enge Anwendung der Rechtsprechung zum entschuldbaren Irrtum.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

20 Mit seinem fünften Rechtsmittelgrund, der zuerst zu prüfen ist, macht der Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht die Rechtsprechung zum entschuldbaren Irrtum nicht berücksichtigt oder zumindest übertrieben eng angewandt habe.

21 Von vornherein zurückzuweisen ist das Vorbringen des Rechtsmittelführers, dass das Gericht es abgelehnt habe, die Rechtsprechung zum entschuldbaren Irrtum zu berücksichtigen.

22 Schon aus dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses ergibt sich nämlich klar, dass sich das Gericht ausdrücklich auf diese Rechtsprechung gestützt hat, um zu prüfen, welche Folge der vom Rat erhobenen Einrede der Unzulässigkeit beizulegen ist, und um in Randnummer 24 des Beschlusses zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die gegen die Entscheidung des Rates gerichtete Klage mit der Begründung als unzulässig abzuweisen sei, da die vom Rechtsmittelführer geltend gemachten Umstände nicht als außergewöhnliche Umstände angesehen werden könnten, die einen entschuldbaren Irrtum begründeten.

23 Dazu hat sich das Gericht insbesondere auf den Umstand gestützt, dass der Rechtsmittelführer durch das Schreiben des Generalsekretariats, mit dem ihm die Entscheidung des Rates mitgeteilt wurde, auch über den Inhalt der Artikel 195 EG und 230 EG unterrichtet wurde, soweit sie die Bedingungen für die Befassung des Bürgerbeauftragten und die Rechtmäßigkeitskontrolle der Handlungen des Rates durch den Gerichtshof betreffen. Es hat daraus den Schluss gezogen, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Rechtsbürger weder in Bezug auf die Endgültigkeit dieser Entscheidung noch in Bezug auf die Klagefrist nach Artikel 230 EG Zweifel habe hegen können.

24 Es ist jedoch festzustellen, dass das Gericht, um zu solch einer Schlussfolgerung zu gelangen, den Begriff des entschuldbaren Irrtums, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofes entwickelt wurde, übertrieben eng ausgelegt hat. Die vollständige Kenntnis der Endgültigkeit einer Entscheidung und der nach Artikel 230 EG geltenden Klagefrist schließt nämlich als solche nicht aus, dass ein Rechtsbürger einen entschuldbaren Irrtum geltend machen kann, der geeignet ist, die Verspätung seiner Klage zu rechtfertigen, da nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil Bayer/Kommission, Randnr. 26) ein solcher Irrtum insbesondere dann eintreten kann, wenn das betroffene Gemeinschaftsorgan ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich genommen oder aber maßgeblich geeignet war, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen.

25 Es kann daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass sich der Irrtum auf andere Umstände als die Endgültigkeit der angefochtenen Entscheidung oder auf die Art und Weise der Erhebung der verschiedenen im Vertrag vorgesehenen Klagearten bezieht, sofern nur dieser Irrtum Folge einer durch das Verhalten des betreffenden Organs hervorgerufenen Verwirrung ist und der Kläger gutgläubig war und alle Sorgfalt aufgewendet hat, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist. In diesem Zusammenhang sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

26 Im vorliegenden Fall weist der angefochtene Beschluss genau die Gesichtspunkte auf, die der Rechtsmittelführer geltend gemacht hat, um darzutun, dass diese Voraussetzungen erfuellt sind und mithin sein Irrtum entschuldbar ist.

27 Zum einen ergibt sich aus dem Beschluss, dass der Rechtsmittelführer sich zweimal an den Rat gewandt hat, um das gesuchte Dokument über die Stärkung des EWS zu erhalten.

28 Zum anderen geht aus dem angefochtenen Beschluss auch hervor, dass der Rat mit seinem ersten Schreiben vom 11. Mai 1999, das dem Rechtsmittelführer am 15. Mai 1999 zugestellt wurde, diesem antwortete, dass er das gesuchte Dokument nicht aufgefunden habe, während er ihn mit seinem Schreiben vom 2. August 1999, das dem Rechtsmittelführer am 8. August 1999 zugestellt wurde, darüber unterrichtete, dass dieses Dokument einen Bericht betreffe, den der Ausschuss der Präsidenten am 8. September 1987 in Nyborg veröffentlicht habe, und dass er selbst insoweit niemals eine Entscheidung zu treffen gehabt habe.

29 Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist festzustellen, dass das Gericht den Begriff des entschuldbaren Irrtums dadurch falsch ausgelegt hat, dass es einem engen Begriffsverständnis, wie in Randnummer 23 dieses Urteils wiedergegebenen, den Vorzug gegeben hat, indem es in Randnummer 23 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass der Rechtsmittelführer keinen Beweis zur Stützung seines Vorbringens erbracht habe, der Rat habe ein Verhalten an den Tag gelegt, das geeignet gewesen sei, bei ihm eine verständliche Verwirrung hervorzurufen.

30 Folglich ist der angefochtene Beschluss aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass eine Prüfung der weiter geltend gemachten Rechtsmittelgründe erforderlich wäre.

Zur Einrede der Unzulässigkeit und zur Begründetheit der Klage

31 Nach Artikel 61 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

32 Der Gerichtshof ist zwar in diesem Stadium des Verfahrens nicht in der Lage, über die Begründetheit der vor dem Gericht erhobenen Klage zu entscheiden; er verfügt jedoch über die erforderlichen Angaben, um endgültig über die vom Rat im Verfahren des ersten Rechtszugs erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden.

33 In Anbetracht der in den Randnummern 27 und 28 dieses Urteils aufgeführten Umstände ist nämlich das Vorbringen des Rates zurückzuweisen, dass der Rechtsmittelführer den Beweis nicht erbracht habe, dass ein Verhalten an den Tag gelegt worden sei, das für sich genommen oder aber maßgeblich geeignet gewesen sei, beim Rechtsmittelführer im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum entschuldbaren Irrtum eine verständliche Verwirrung hervorzurufen.

34 Wie der Generalanwalt in den Nummern 23 bis 25 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hatte der Rechtsmittelführer nämlich angesichts der Angaben des Rates keinen Grund, eine Entscheidung anzufechten, die den Zugang zu einem Dokument verwehrte, dessen Existenz im Grunde verneint worden war. Der Rechtsmittelführer wurde erst am 13. November 1999, also fast vier Wochen nach Ablauf der Frist für eine Klage gegen die Entscheidung des Rates, von der EZB darüber informiert, dass die Basel/Nyborg-Vereinbarung" Berichte und Protokolle umfasst, deren Urheber der Ausschuss der Präsidenten und der Währungsausschuss sind.

35 Da der Rechtsmittelführer seine Klage gegen die Entscheidung des Rates am 20. Januar 2000, d. h. innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er von dieser Information durch die EZB hatte Kenntnis erlangen können, erhoben hat, ist die Verspätung dieser Klage als entschuldbar anzusehen.

36 Daher ist die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit gegen die vom Rechtsmittelführer vor dem Gericht erhobene Klage zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Beschluss des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Februar 2001 in der Rechtssache T-3/00, Pitsiorlas/Rat und EZB, wird aufgehoben.

2. Die vom Rat der Europäischen Union vor dem Gericht erster Instanz erhobene Einrede der Unzulässigkeit wird zurückgewiesen.

3. Die Sache wird an das Gericht erster Instanz zur Entscheidung über die Anträge des Rechtsmittelführers zurückverwiesen, die Entscheidung des Rates vom 30. Juli 1999 und die Entscheidung der Europäischen Zentralbank vom 8. November 1999, mit denen ihm der Zugang zu einem Dokument verweigert wurde, für nichtig zu erklären.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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