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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: C-193/03
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83, SGB V


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern Art. 34
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 Art. 22 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 Art. 31
SGB V § 13 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 14. Oktober 2004. - Betriebskrankenkasse der Robert Bosch GmbH gegen Bundesrepublik Deutschland. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Sozialgericht Stuttgart - Deutschland. - Soziale Sicherheit - Erstattung in einem anderen Mitgliedstaat entstandener Krankheitskosten - Artikel 34 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 - Krankenkasse, die bei Rechnungen über geringfügige Beträge ein vereinfachtes Verfahren der vollständigen Erstattung anwendet. - Rechtssache C-193/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-193/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Sozialgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. März 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Mai 2003, in dem Verfahren

Betriebskrankenkasse der Robert Bosch GmbH

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet (Berichterstatter) sowie der Richter J.P. Puissochet und S. von Bahr,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, dieses vertreten durch K. Schmidt als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 34 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 74, S. 1), in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1399/1999 des Rates vom 29. April 1999 (ABl. L 164, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Betriebskrankenkasse der Robert Bosch GmbH (im Folgenden: Klägerin) und dem Bundesversicherungsamt (im Folgenden: BVA) über die Entscheidung des BVA, mit der angeordnet wird, dass die Klägerin die Praxis, in anderen Mitgliedstaaten angefallene Krankheitskosten in voller Höhe zu erstatten, soweit sie 200 DM nicht übersteigen, aufzugeben hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Unter der Überschrift Erstattung der bei Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Kosten durch den zuständigen Träger eines Mitgliedstaats sieht Artikel 34 der Verordnung Nr. 574/72 vor:

(1) Konnten die Formvorschriften nach Artikel 20 Absätze 1 und 4 sowie nach den Artikeln 21, 23 und 31 der Durchführungsverordnung während des Aufenthalts im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates nicht eingehalten werden, so sind die entstandenen Kosten auf Antrag des Arbeitnehmers oder Selbständigen vom zuständigen Träger nach den für den Träger des Aufenthaltsorts maßgebenden Sätzen zu erstatten.

(2) Der Träger des Aufenthaltsorts erteilt dem zuständigen Träger auf dessen Verlangen die erforderlichen Auskünfte über diese Sätze.

Sind der Träger des Aufenthaltsorts und der zuständige Träger durch ein Abkommen gebunden, das entweder den Verzicht auf jegliche Erstattung oder eine pauschale Erstattung der nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer i) und Artikel 31 der Verordnung gewährten Leistungen vorsieht, so ist der Träger des Aufenthaltsorts außerdem verpflichtet, dem zuständigen Träger den Betrag zu überweisen, welcher der betreffenden Person nach Absatz 1 zu erstatten ist.

...

(4) Abweichend von der Regelung in den Absätzen 1, 2 und 3 kann der zuständige Träger die Erstattung der verauslagten Kosten nach den für ihn maßgebenden Erstattungssätzen vornehmen, sofern nach diesen Sätzen eine Erstattung möglich ist, die zu erstattenden Kosten einen bestimmten, von der Verwaltungskommission festgelegten Betrag nicht übersteigen und der Arbeitnehmer, der Selbständige oder der Rentner mit der Anwendung dieser Bestimmung einverstanden ist. Auf keinen Fall darf der Erstattungsbetrag die tatsächlich entstandenen Kosten übersteigen.

(5) Sehen die Rechtsvorschriften des Aufenthaltsstaats keine Erstattungssätze vor, so kann der zuständige Träger die Erstattung nach Maßgabe von Absatz 4 vornehmen, ohne dass das Einverständnis des Betreffenden erforderlich ist.

4. In Nummer 1 des Beschlusses Nr. 176 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 24. Juni 1999 betreffend die Erstattung der bei Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat verauslagten Kosten durch den zuständigen Träger eines Mitgliedstaats nach dem in Artikel 34 Absatz 4 der Verordnung Nr. 574/72 angegebenen Verfahren (ABl. 2000, L 243, S. 42) wird der Hoechstbetrag der verauslagten Kosten, auf den Artikel 34 Absatz 4 Bezug nimmt, auf 1 000 Euro festgesetzt.

5. Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 in der Fassung der Verordnung Nr. 1399/1999 geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1478/71) bestimmt:

(1) Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Artikels 18, erfuellt und

a) dessen Zustand während eines Aufenthalts im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats unverzüglich Leistungen erfordert

...

hat Anspruch auf:

i) Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers vom Träger des Aufenthalts- oder Wohnorts nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften, als ob er bei diesem versichert wäre; die Dauer der Leistungsgewährung richtet sich jedoch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates;

...

6. Artikel 31 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:

Ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zum Bezug einer Rente oder nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zum Bezug von Renten berechtigt ist und nach den Rechtsvorschriften eines dieser Staaten Anspruch auf Leistungen hat, sowie seine Familienangehörigen erhalten während ihres Aufenthalts im Gebiet eines anderen als des Mitgliedstaats, in dem sie wohnen:

a) Sachleistungen vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zu Lasten des Trägers des Wohnorts des Rentners;

...

Nationale Regelung

7. § 13 Absatz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (im Folgenden: SGB V) sieht in Abweichung von der nach diesen Vorschriften normalerweise geltenden Erstattungsregelung vor:

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8. Als bundesunmittelbare (Kranken-)Versicherungsträgerin ist die Klägerin der Aufsicht des BVA unterworfen.

9. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und Erklärungen ergibt sich, dass die Klägerin nach ihren internen Vorschriften über die Erstattung von Krankheitskosten die ihren Versicherten entstandenen Kosten in voller Höhe erstattet, wenn der Betrag, den diese für eine Behandlung während eines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat verauslagt haben, 200 DM nicht übersteigt (im Folgenden: die streitige Praxis).

10. Nach Angaben der Klägerin kommt es häufig vor, dass die Sozialversicherten die bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat angefallenen Krankheitskosten unmittelbar entrichten. Oft würden die von der Krankenkasse im Hinblick auf die Behandlung im Ausland ausgestellten Dokumente von den Leistungserbringern nicht anerkannt, oder die Sozialversicherten seien nicht im Besitz dieser Dokumente. Nach den Geboten der Verwaltungsvereinfachung und der Kostenersparnis sei es daher gerechtfertigt, dass der zuständige Träger geringfügige Krankheitskosten voll erstatte, anstatt sich den langen, komplexen und nach der Erfahrung der Klägerin wenig praktikablen Verfahren des Artikels 34 der Verordnung Nr. 574/72 zu unterziehen.

11. Mit Entscheidung vom 31. Januar 2001 ordnete das BVA an, dass die Klägerin die streitige Praxis, die seiner Ansicht nach gegen diesen Artikel 34 Absatz 4 verstößt, aufzugeben hat.

12. Zur Begründung ihrer Klage gegen diese Entscheidung hat die Klägerin geltend gemacht, dass diese ermessenfehlerhaft sei und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

13. Das Sozialgericht Stuttgart scheint der Ansicht zu sein, dass die streitige Praxis tatsächlich Effizienzvorteile biete, dass sie kostensparend sei und dass sie wegen der zeitnahen Erstattung versichertenfreundlich sei. Das Gericht führt außerdem aus, dass Artikel 34 Absatz 4 der Verordnung Nr. 574/72 und die darauf beruhenden Beschlüsse, mit denen der Betrag, bis zu dem die zuständigen Träger unter bestimmten Voraussetzungen ihre eigenen Erstattungssätze anstelle derjenigen des Trägers des Aufenthaltsorts anwenden könnten, auf 500 und dann auf 1 000 Euro festgesetzt worden sei, ähnliche Bedenken widerspiegelten, wie sie der streitigen Praxis zugrunde lägen.

14. Das Sozialgericht Stuttgart hat daher das Verfahren ausgesetzt und beschlossen, dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Schließt Artikel 34 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 bei der Durchführung von § 13 Absatz 3 SGB V eine pauschalisierende Erstattungspraxis durch den Versicherungsträger in Anlehnung an ähnliche Kleinbetragsvorschriften für Fälle von Kostenerstattung aufgrund ärztlicher Heilbehandlung in einem anderen Gemeinschaftsland aus?

Zur Vorlagefrage

15. Wie sich aus Randnummer 9 des vorliegenden Urteils ergibt, besteht die streitige Praxis, die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung beanstandet wird, darin, dass die den Sozialversicherten bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Krankheitskosten in voller Höhe erstattet werden, wenn sie einen Betrag von 200 DM nicht übersteigen.

16. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht daher im Wesentlichen wissen, ob Artikel 34 der Verordnung Nr. 574/72 dahin auszulegen ist, dass er der nach einer internen Regelung verfolgten Praxis einer Krankenkasse entgegensteht, wonach diese die ihren Versicherten bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Krankheitskosten in voller Höhe erstattet, wenn sie einen Betrag von 200 DM nicht übersteigen.

17. Für die Beantwortung der auf diese Weise umformulierten Frage ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung Nr. 574/72 ergibt, die Erstattungsregelung dieses Artikels dann anwendbar ist, wenn die Formvorschriften nach Artikel 20 Absätze 1 und 4 und den Artikeln 21, 23 und 31 der Verordnung während des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat nicht eingehalten werden konnten.

18. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Einhaltung dieser Formvorschriften es den Sozialversicherten im Regelfall ermöglichen soll, bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat unter den in den Artikeln 22 und 31 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Voraussetzungen Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zu erhalten, als ob er bei diesem versichert wäre.

19. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sollen die durch diese Vorschriften eingeräumten Rechte dazu beitragen, die Freizügigkeit der Sozialversicherten zu erleichtern (vgl. Urteile vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C 368/98, Vanbraekel u. a., Slg. 2001, I 5363, Randnr. 32, vom 25. Februar 2003 in der Rechtssache C 326/00, IKA, Slg. 2003, I 1703, Randnrn. 38 und 51, und vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache C 56/01, Inizan, Slg. 2003, I0000, Randnr. 21).

20. Das Gleiche gilt demnach für die Erstattungsregelung des Artikels 34 der Verordnung Nr. 574/72, mit der, da sie nur ersatzweise anwendbar ist, wenn die nach den Artikeln 22 und 31 der Verordnung Nr. 1408/71 garantierten Sachleistungen mangels Einhaltung der vorgesehenen Formalitäten nicht erlangt werden konnten, gewährleistet werden soll, dass der Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten nach den letztgenannten Vorschriften nicht von bloßen Formerfordernissen abhängt.

21. Darüber hinaus hat der Gerichtshof zu Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeführt, dass diese Vorschrift nicht die Erstattung der bei einer Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Kosten durch die Mitgliedstaaten zu den im Mitgliedstaat der Versicherungszugehörigkeit geltenden Sätzen regeln soll und die Mitgliedstaaten daher nicht an einer solchen Erstattung hindert, wenn die Rechtsvorschriften des Versicherungsmitgliedstaats eine derartige Erstattung vorsehen und sich die nach diesen Rechtsvorschriften angewandten Sätze als günstiger erweisen als diejenigen, die in dem Mitgliedstaat praktiziert werden, in dem die Behandlung erfolgt ist (vgl. insbesondere Urteil Vanbraekel u. a., Randnr. 36).

22. Die gleiche Betrachtungsweise muss für eine Vorschrift gelten, die - wie Artikel 34 der Verordnung Nr. 574/72 - in dem in Randnummer 20 des vorliegenden Urteils genannten Sinne lediglich darauf abzielt, eine Erstattungsregelung zu errichten, die ersatzweise anwendbar ist, wenn ein Sozialversicherter nicht nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i oder Artikel 31 der Verordnung Nr. 1408/71 unmittelbar vom Träger des Aufenthaltsorts Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers erhalten konnte.

23. Im konkreten Fall besteht die streitige Praxis, wie sich aus Randnummer 9 des vorliegenden Urteils ergibt, darin, dass die dem Versicherten bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Krankheitskosten auf der Grundlage des nationalen Rechts in voller Höhe erstattet werden, wenn sie einen Betrag von 200 DM nicht übersteigen.

24. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass allein dadurch, dass die Erstattung in voller Höhe erfolgt, gewährleistet ist, dass der Betrag, der dem Sozialversicherten erstattet wird, zumindest gleich hoch, wenn nicht höher ist als der, den er erhalten hätte, wenn die Erstattung unter den Voraussetzungen des Artikels 34 der Verordnung Nr. 574/72 erfolgt wäre.

25. Diese Vorschrift steht daher einer Praxis, die wie die streitige dem Sozialversicherten eine Erstattung in voller Höhe sichert, nicht entgegen.

26. Die Frage, ob eine solche Praxis tatsächlich auf die geltende interne Regelung gestützt werden kann, fällt nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes.

27. Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 34 der Verordnung Nr. 574/72 dahin auszulegen ist, dass er der nach einer internen Regelung verfolgten Praxis einer Krankenkasse nicht entgegensteht, wonach diese die ihren Versicherten bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Krankheitskosten in voller Höhe erstattet, wenn sie einen Betrag von 200 DM nicht übersteigen

Kostenentscheidung:

Kosten

28. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 34 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1399/1999 des Rates vom 29. April 1999 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, dass er der nach einer internen Regelung verfolgten Praxis einer Krankenkasse nicht entgegensteht, wonach diese die ihren Versicherten bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Krankheitskosten in voller Höhe erstattet, wenn sie einen Betrag von 200 DM nicht übersteigen

Ende der Entscheidung

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