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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.12.1992
Aktenzeichen: C-194/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 482/74 vom 27.02.1974


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 482/74 vom 27.02.1974 Art. 1 S. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Nach Artikel 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 482/74 über die Einreihung von Waren in die Tarifstelle 23.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs fallen Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung auch dann unter diese Tarifstelle, wenn darin neben Rückständen von der Gewinnung des Maiskeimöls im eigentlichen Sinne auch andere Bestandteile, die insbesondere von der ganzen Maispflanze, anderen Getreidearten oder Soja stammen, enthalten sind, sofern diese Fremdbestandteile in sehr geringen Mengen vorhanden sind und es nachweislich technisch unmöglich ist, ihr Auftreten unter normalen Bedingungen der Herstellung, der Verarbeitung, der Beförderung, des Umladens und der Lagerung zu vermeiden, ohne daß Kosten entstehen, die ausser Verhältnis zum Handelswert der fraglichen Rückstände stehen. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber keine obere Toleranzgrenze für Fremdbestandteile festgelegt hat, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits die zulässige Menge von Fremdbestandteilen festzulegen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 16. DEZEMBER 1992. - FIRMA JOHN FRIEDRICH KROHN GMBH & CO KG GEGEN HAUPTZOLLAMT HAMBURG-JONAS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT HAMBURG - DEUTSCHLAND. - TARIFSTELLE 23.04 B - RUECKSTAENDE VON DER GEWINNUNG DES MAISKEIMOELS, DIE INSBESONDERE MAISSPINDELTEILE SOWIE ANTEILE AN ANDEREN GETREIDEARTEN SOWIE SOJA ENTHALTEN. - RECHTSSACHE C-194/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 8. März 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 1 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 482/74 der Kommission vom 27. Februar 1974 über die Einreihung von Waren in die Tarifstelle 23.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs (ABl. L 57, S. 23, im folgenden: Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Krohn (Klägerin) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (Beklagter) über die Tarifierung von Waren, die die Klägerin aus den Vereinigten Staaten von Amerika in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt hat.

3 Diese Waren wurden als Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung nach der Tarifstelle 23.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs angemeldet, die insbesondere die Rückstände von der Gewinnung pflanzlicher Öle umfasst und von Eingangsabgaben freistellt.

4 Den auf Ersuchen der deutschen Zollbehörden vorgenommenen Analysen zufolge stellten die gezogenen Proben jedoch keine reinen Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung dar, sondern enthielten Maisspindelteile sowie Fragmente von Weizen, anderen Getreidearten und Soja.

5 Die Zollbehörden reihten daraufhin die eingeführten Waren in die Tarifstelle 23.07 B I c 1 als Tierfutter ein. Da diese Waren der Einfuhrabschöpfung unterlagen, erhoben die nationalen Behörden von der Klägerin Einfuhrabschöpfungen und Währungsausgleichsbeträge nach.

6 Das von der Klägerin angerufene vorlegende Gericht fragt sich, ob die streitigen Einfuhren unter Artikel 1 der Verordnung fallen, wonach insbesondere Rückstände, die bei der Gewinnung des Maiskeimöls anfallen, nicht andere als vom Maiskorn stammende Anteile aufweisen dürfen.

7 Deshalb hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof ersucht, über folgende Fragen vorab zu entscheiden:

1) Ist Artikel 1 letzter Satz der Verordnung (EWG) Nr. 482/74 der Kommission vom 27. Februar 1974 dahin auszulegen, daß die Ware auch dann unter die Tarifstelle 23.04 B fällt, wenn neben den dort erwähnten Rückständen aus dem Maiskorn auch andere Bestandteile wie Maisspindeln oder andere Getreidearten beziehungsweise Teile davon in der Ware enthalten sind?

2) Im Falle der Bejahung der Frage zu 1: Wie hoch darf der Anteil an Fremdbestandteilen sein, gegebenenfalls um welche Fremdbestandteile darf es sich handeln?

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Die Fragen des vorlegenden Gerichts gehen dahin, ob Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung auch dann unter die Tarifstelle 23.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs fallen, wenn darin neben Rückständen aus dem Maiskorn selbst auch andere Bestandteile enthalten sind, die namentlich von der Maispflanze, anderen Getreidearten oder Soja stammen; weiter soll der Gerichtshof entscheiden, wie hoch der Anteil an Fremdbestandteilen sein darf.

10 Bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sind nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und ihr Sinn und Zweck zu beachten.

11 Zwar dürfen nach dem Wortlaut des Artikels 1 Satz 2 der Verordnung die Rückstände von der Gewinnung des Maiskeimöls nur vom Maiskorn selbst stammende Anteile aufweisen, was andere Teile der Maispflanze sowie nicht von der Maispflanze stammende Bestandteile ausschließt.

12 Aus den Begründungserwägungen der Verordnung geht jedoch hervor, daß diese in Wirklichkeit sicherstellen soll, daß die Rückstände von der Gewinnung des Maiskeimöls ausschließlich aus Stoffen bestehen, die nach dem eigentlichen Vorgang des Ausziehens des Öls übrigbleiben. Die Verordnung soll weiterhin Rückstände von der Gewinnung des Maiskeimöls dann von der Einreihung in die Tarifstelle 23.04 B ausschließen, wenn sie zum Zweck der Herstellung von Mischprodukten oder Mischfutter, die im wesentlichen unter die Tarifnummer 23.07 fallen, mit anderen Rückständen oder Erzeugnissen der Maisindustrie oder mit Rückständen aus der Gewinnung anderer pflanzlicher Erzeugnisse vermischt sind.

13 In der dritten Begründungserwägung der Verordnung heisst es dazu, daß Erzeugnisse, die Bestandteile (abgesehen von unwesentlichen Mengen) aufweisen, die nicht entölt und den tatsächlichen Rückständen zugesetzt worden sind, nicht als Rückstände gelten.

14 Da das absichtliche Zusetzen einer unwesentlichen Menge dieser Bestandteile zu den Rückständen von der Gewinnung des Maiskeimöls die Einreihung dieser letzteren in die Tarifstelle 23.04 B nicht berührt, kann auch das unbeabsichtigte Vorhandensein einer unwesentlichen Menge von Fremdbestandteilen diese Einreihung nicht berühren.

15 Ausserdem ergibt sich aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, daß die heutige Technik der Gewinnung des Maiskeimöls, auf die in der sechsten Begründungserwägung der Kommission Bezug genommen wird, es nicht erlaubt, das unbeabsichtigte Vorhandensein von Bestandteilen der ganzen Maispflanze in den Rückständen von der Gewinnung des Maiskeimöls völlig auszuschließen.

16 Auch können die in der zweiten Begründungserwägung genannte Agglomeration dieser Rückstände in Form von "Pellets", das Umladen der Rückstände, ihre Beförderung zu Land, mit der Eisenbahn oder auf Flüssen sowie ihre Lagerung offensichtlich zum zufälligen Auftreten von Verunreinigungen führen, die insbesondere deshalb von anderen Getreidearten oder von Soja herrühren können, weil die Ölmühlen verschiedene Ölsaaten verarbeiten und auch die Beförderung und die Lagerung verschiedene Arten von Erzeugnissen betreffen.

17 Die Einreihung der Rückstände von der Gewinnung des Maiskeimöls in die Tarifstelle 23.04 B setzt jedoch voraus, daß die Fremdbestandteile in sehr geringen Mengen vorhanden sind und daß es nachweislich technisch unmöglich ist, ihr Auftreten unter den normalen Bedingungen der Herstellung, der Verarbeitung, des Umladens, der Beförderung und der Lagerung zu vermeiden, ohne daß Kosten entstehen, die ausser Verhältnis zum Handelswert der Rückstände stehen.

18 Auf die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ist somit zu antworten, daß nach Artikel 1 Satz 2 der Verordnung Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung auch dann unter die Tarifstelle 23.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs fallen, wenn darin neben Rückständen von der Gewinnung des Maiskeimöls im eigentlichen Sinne auch andere Bestandteile, die namentlich von der ganzen Maispflanze, anderen Getreidearten oder Soja stammen, enthalten sind, sofern diese Fremdbestandteile in sehr geringen Mengen vorhanden sind und es nachweislich technisch unmöglich ist, ihr Auftreten unter den normalen Bedingungen der Herstellung, der Verarbeitung, der Beförderung, des Umladens und der Lagerung zu vermeiden, ohne daß Kosten entstehen, die ausser Verhältnis zum Handelswert der fraglichen Rückstände stehen. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber keine obere Toleranzgrenze für Fremdbestandteile festgelegt hat, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits anhand der vorstehend vom Gerichtshof gegebenen Hinweise die zulässige Menge von Fremdbestandteilen festzulegen.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Hamburg mit Beschluß vom 8. März 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Nach Artikel 1 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 482/74 der Kommission vom 27. Februar 1974 über die Einreihung von Waren in die Tarifstelle 23.04 B des Gemeinsamen Zolltarifs fallen Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung auch dann unter diese Tarifstelle, wenn darin neben Rückständen von der Gewinnung des Maiskeimöls im eigentlichen Sinne auch andere Bestandteile, die insbesondere von der ganzen Maispflanze, anderen Getreidearten oder Soja stammen, enthalten sind, sofern diese Fremdbestandteile in sehr geringen Mengen vorhanden sind und es nachweislich technisch unmöglich ist, ihr Auftreten unter normalen Bedingungen der Herstellung, der Verarbeitung, der Beförderung, des Umladens und der Lagerung zu vermeiden, ohne daß Kosten entstehen, die ausser Verhältnis zum Handelswert der fraglichen Rückstände stehen. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber keine obere Toleranzgrenze für Fremdbestandteile festgelegt hat, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits anhand der vorstehend vom Gerichtshof gegebenen Hinweise die zulässige Menge von Fremdbestandteilen festzulegen.

Ende der Entscheidung

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