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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: C-195/05
Rechtsgebiete: Richtlinie 75/442/EWG, Richtlinie 91/156/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 75/442/EWG
Richtlinie 91/156/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

18. Dezember 2007(*)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Umwelt - Richtlinien 75/442/EWG und 91/156/EWG - Abfallbegriff - Nahrungsabfälle, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammen und für die Herstellung von Futtermitteln bestimmt sind - Aus der Zubereitung von Speisen stammende Rückstände, die für Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind"

Parteien:

In der Rechtssache C-195/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 2. Mai 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Konstantinidis als Bevollmächtigten im Beistand von G. Bambara, avvocato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Fiengo, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter U. Lõhmus, J. N. Cunha Rodrigues und A. Ó Caoimh (Berichterstatter) sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2007,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. März 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie

- für ihr gesamtes Hoheitsgebiet gültige Durchführungsanweisungen erlassen hat, die insbesondere im Runderlass des Umweltministeriums vom 28. Juni 1999 mit Auslegungshinweisen zur Definition des Begriffs "Abfall" (im Folgenden: Runderlass vom Juni 1999) und in der Mitteilung des Gesundheitsministeriums vom 22. Juli 2002 von Leitlinien zu der Regelung über Gesundheit und Hygiene betreffend die Verwendung von aus dem Produktions- und Wirtschaftskreislauf der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammenden Materialien und Nebenprodukten für Futterzwecke (GURI Nr. 180 vom 2. August 2002, berichtigt in GURI Nr. 245 vom 18. Oktober 2002; im Folgenden: Mitteilung von 2002) ausführlich dargestellt sind, nach denen Nahrungsabfälle, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammen und für die Herstellung von Futtermitteln bestimmt sind, von der Regelung über Abfälle ausgenommen sind, und

- durch Art. 23 des Gesetzes Nr. 179 vom 31. Juli 2002 betreffend umweltrechtliche Vorschriften (GURI Nr. 189 vom 13. August 2002; im Folgenden: Gesetz Nr. 179/2002) die aus der Zubereitung fester, gekochter oder roher Speisen aller Art stammenden Rückstände, die nicht in den Vertrieb gelangt und die für Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind, von der Regelung über Abfälle ausgenommen hat,

gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39) in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Nach Art. 1 Buchst. a und c der Richtlinie bedeutet im Sinne der Richtlinie:

"a) 'Abfall': alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

Die Kommission erstellt nach dem Verfahren des Artikels 18 spätestens zum 1. April 1993 ein Verzeichnis der unter die Abfallgruppen in Anhang I fallenden Abfälle. Dieses Verzeichnis wird regelmäßig überprüft und erforderlichenfalls nach demselben Verfahren überarbeitet;

...

c) 'Besitzer': der Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person, in deren Besitz sich die Abfälle befinden".

3 In Art. 1 Buchst. e und f der Richtlinie sind die Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" jeweils definiert als alle in Anhang II A bzw. Anhang II B der Richtlinie aufgeführten Verfahren.

4 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie führt die Abfälle auf, für die die Richtlinie nicht gilt, "soweit für [sie] bereits andere Rechtsvorschriften gelten".

5 In Anhang I der Richtlinie 75/442 sind unter der Überschrift "Abfallgruppen" als Gruppe Q 14 "Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden (z. B. in der Landwirtschaft, den Haushaltungen, Büros, Verkaufsstellen, Werkstätten usw.)", und als Gruppe Q 16 "Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören", aufgeführt.

6 Am 20. Dezember 1993 erließ die Kommission die Entscheidung 94/3/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 75/442 (ABl. 1994, L 5, S. 15). Dieses Verzeichnis wurde durch die Entscheidung 2000/532/EG der Kommission vom 3. Mai 2000 zur Ersetzung der Entscheidung 94/3 und der Entscheidung 94/904/EG des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle (ABl. L 226, S. 3) erneuert. Das durch die Entscheidung 2000/532 aufgestellte Europäische Abfallverzeichnis wurde wiederholt geändert, zuletzt durch die Entscheidung 2001/573/EG des Rates vom 23. Juli 2001 (ABl. L 203, S. 18). In diesem Verzeichnis sind die Abfälle nach ihrer Herkunft eingeteilt. Die Überschrift des Kapitels 2 lautet: "Abfälle aus Landwirtschaft, Gartenbau, Teichwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei sowie der Herstellung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln".

Nationale Regelung

7 Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Decreto legislativo Nr. 22 vom 5. Februar 1997 zur Umsetzung der Richtlinie 91/156/EWG über Abfälle, der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle und der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 38 vom 15. Februar 1997, im Folgenden: DL Nr. 22/97) bestimmt:

"Im Sinne dieses Dekrets bedeutet:

a) 'Abfall': alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang A aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

..."

8 Nach Art. 8 Abs. 1 des DL Nr. 22/97 sind bestimmte Stoffe und Materialien vom Anwendungsbereich des Dekrets ausgenommen, sofern für sie besondere Rechtsvorschriften gelten; hierzu gehören nach Buchst. c "Tierkörper und folgende Abfälle aus der Landwirtschaft: Fäkalien und sonstige ungefährliche, natürliche Stoffe, die innerhalb der Landwirtschaft verwendet werden".

9 Durch Art. 23 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes Nr. 179/2002 wurde in Art. 8 Abs. 1 des DL Nr. 22/97 ein Punkt c-a eingefügt. Danach sind vom Anwendungsbereich des Dekrets ausgeschlossen "die aus der Zubereitung fester, gekochter oder roher Speisen aller Art stammenden Rückstände und Überschüsse, die nicht in den Vertrieb gelangt und die in Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften für Haustierasyleinrichtungen im Sinne des Gesetzes Nr. 281 vom 14. August 1991 in der geänderten Fassung bestimmt sind".

10 Im Runderlass vom Juni 1999 wird die Definition des in Art. 6 des DL Nr. 22/97 verwendeten Begriffs "Abfall" präzisiert; in Buchst. b Abs. 3 heißt es:

"Die bei Herstellungs- oder Vorverbrauchszyklen anfallenden Materialien, Stoffe und Gegenstände, deren sich ihr Besitzer nicht entledigt, nicht entledigen muss und nicht entledigen will und die von ihrem Besitzer daher nicht zum Zwecke der Verwertung oder Beseitigung der Abfalleinsammlung, der Abfallbeförderung oder der Abfallbewirtschaftung zugeführt werden, unterliegen den Vorschriften über Rohstoffe und nicht den Abfallregelungen, wenn sie die Eigenschaften sekundärer Rohstoffe im Sinne des ministeriellen Dekrets vom 5. Februar 1998 [über die Bestimmung von ungefährlichen Abfällen, die dem vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Art. 31 und 33 des DL Nr. 22/97 (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 88 vom 16. April 1998)] aufweisen sowie objektiv und tatsächlich unmittelbar zur Verwendung in einem Herstellungszyklus bestimmt sind."

11 Die Mitteilung von 2002 bestimmt:

"...

Vorbehaltlich der Einhaltung der Gesundheits- und Hygienevorschriften sind Materialien und Nebenprodukte, die bei Bearbeitungsvorgängen in der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung anfallen, 'Rohstoffe für Futtermittel', wenn der Erzeuger sie im tierzüchterischen Nahrungsmittelzyklus verwenden will.

In derartigen Fällen unterliegen diese Materialien nicht den abfallrechtlichen Vorschriften, sondern den Bestimmungen über die Erzeugung und Vermarktung von Futtermitteln sowie, falls es sich um Erzeugnisse tierischen Ursprungs oder Erzeugnisse mit Inhaltsstoffen tierischen Ursprungs handelt, den einschlägigen geltenden Hygienevorschriften.

...

Liegen die genannten schriftlichen Nachweise über den tatsächlichen Verwendungszweck als Futtermittel nicht vor, müssen die im Produktions- und Wirtschaftskreislauf der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung anfallenden Materialien und Nebenprodukte den abfallrechtlichen Vorschriften unterworfen werden. ...

..."

Vorverfahren

12 Mit Schreiben vom 11. und 19. Juni, 28. August und 6. November 2001 sowie 10. April 2002 beantworteten die italienischen Behörden ein Mahnschreiben der Kommission an Italien vom 22. Oktober 1999 und eine erste mit Gründen versehene Stellungnahme vom 11. April 2001, in denen die Kommission die Auffassung vertreten hatte, die Italienische Republik habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen, dass sie verbindliche Durchführungsanweisungen über die Anwendung der italienischen Rechtsvorschriften über Abfall erlassen habe, nach denen bestimmte Nahrungsrückstände und -überschüsse, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung, aus Kantinen und Restaurants stammten und für die Verwendung als Futtermittel bestimmt seien, von der Regelung über Abfälle ausgenommen seien.

13 Aufgrund der von den italienischen Behörden übermittelten Informationen gelangte die Kommission zu der Ansicht, dass es zur Anpassung der italienischen Vorschriften an die Anforderungen dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme Änderungen des materiellen Rechts bedürfe. Sie übersandte deshalb am 19. Dezember 2002 ein erneutes Mahnschreiben, zu dem sich die italienischen Behörden mit Schreiben vom 13. Februar 2003 äußerten.

14 Die Kommission gab daraufhin am 11. Juli 2003 eine weitere mit Gründen versehene Stellungnahme ab und setzte der Italienischen Republik eine Frist von zwei Monaten ab Eingang dieser Stellungnahme, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.

15 Da die italienischen Behörden mit Schreiben vom 4. November 2003 die Argumentation der Kommission weiterhin anzweifelten, hat diese beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

16 Die Kommission macht mit ihrer Klage im Wesentlichen geltend, die streitige nationale Regelung gehe über die Vorgaben hinaus, die der Rechtsprechung für die Fälle zu entnehmen seien, in denen ein Material, das bei einem nicht hauptsächlich zu seiner Gewinnung bestimmten Herstellungsprozess entstehe, nicht als Abfall anzusehen sei.

Nahrungsabfälle, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammen und für die Herstellung von Futtermitteln bestimmt sind

17 Die Kommission trägt vor, die Durchführungsanweisungen im Runderlass von Juni 1999 und in der Mitteilung von 2002 liefen darauf hinaus, dass zur Herstellung von Futtermitteln verwendete Nahrungsabfälle bei Beachtung spezifischer Gesundheits- und Hygienevorschriften von der nationalen Abfallregelung ausgenommen seien. Nach diesen Anweisungen sei für den dauerhaften Ausschluss eines Rückstands der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung von der Abfallregelung lediglich erforderlich, dass er ausweislich der offenkundigen Absicht des Besitzers für die Herstellung von Futtermitteln bestimmt sei.

18 Dass ein Produktionsrückstand ohne Erfordernis einer vorherigen Behandlung wiederverwendbar sei, könne nicht der entscheidende Gesichtspunkt sein, um auszuschließen, dass sich der Besitzer dieses Rückstands im Sinne der Richtlinie entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse.

19 Zwar habe der Gerichtshof - nur für Nebenprodukte - anerkannt, dass, wenn diese für den Besitzer einen wirtschaftlichen Vorteil böten, gefolgert werden könne, dass er sich ihrer nicht im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie "entledigen" werde. Doch sei in Anbetracht der Verpflichtung, den Begriff "Abfall" weit auszulegen, die Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie nur zulässig, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien, die zu der Annahme berechtigten, dass die Wiederverwendung nicht nur möglich, sondern ohne vorherige Bearbeitung in Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens gewiss sei.

20 Zudem müsse die Wahrscheinlichkeit, dass ein Material wiederverwendet werde, sowie vor allem die Frage beurteilt werden, ob die Wiederverwendung im gleichen Gewinnungsverfahren erfolgen solle. Anders als von der Italienischen Republik vorgetragen, könne, wenn Nahrungsabfälle tatsächlich für die Verwendung als Futtermittel bestimmt seien, von einem einheitlichen Gewinnungsverfahren keine Rede sein. Bereits die Übergabe dieser Abfälle von dem Gewerbetreibenden, der sie hergestellt habe, an den, der sie verwenden werde, bringe nämlich eine Reihe von Vorgängen (Lagerung, Bearbeitung, Beförderung) mit sich, deren Regelung die Richtlinie gerade bezwecke.

21 Die italienische Regierung macht geltend, die bei Gewinnungsverfahren in der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung anfallenden Materialien und Nebenprodukte seien vorbehaltlich der Einhaltung bestimmter Gesundheits- und Hygienevorschriften "Rohstoffe für Futtermittel" im Sinne der Mitteilung von 2002, wenn der Erzeuger sie im tierzüchterischen Nahrungsmittelzyklus verwenden wolle. Eine derartige Absicht in Kombination mit der Gewissheit, dass diese Nebenprodukte wiederverwendet würden, sei hinreichender Beweis dafür, dass der Besitzer sich des fraglichen Materials nicht im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie "entledigen" wolle.

22 Nach Ansicht der italienischen Regierung würden mit der Ausnahme nach den Durchführungsanweisungen aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammende Nahrungsabfälle keinesfalls von vornherein von der nationalen Abfallregelung ausgeschlossen, da dieser Ausnahmetatbestand vielmehr an Voraussetzungen geknüpft sei; Vorbedingung sei nicht nur die offenkundige Absicht des Besitzers der fraglichen Abfälle, sie im Futtermittelproduktionskreislauf zu verwenden, sondern auch die Gewissheit ihrer Wiederverwendung.

23 In diesem Fall unterlägen die fraglichen Abfälle nicht den abfallrechtlichen Vorschriften, sondern den Bestimmungen über die Erzeugung und Vermarktung von Futtermitteln, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) und, falls es sich um Nebenprodukte tierischen Ursprungs handelt, der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl. L 273, S. 1).

24 Außerdem kämen die Vorschriften über die sogenannte HACCP (hazard analysis and critical control points, Gefahrenanalyse und Bestimmung der kritischen Kontrollpunkte) zur Anwendung, die vorgesehen seien in

- den Verordnungen (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139, S. 1), Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139, S. 55) und Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs (ABl. L 139, S. 206);

- der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene (ABl. L 35, S. 1) sowie

- der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165, S. 1).

25 Diese Verordnungen über Nahrungsmittel dienten ebenso wie die Richtlinie zur Regelung der Lagerungs-, Bearbeitungs- und Beförderungsvorgänge und seien, indem sie angemessenen Gesundheitsschutz gewährleisteten, ebenfalls dazu geeignet, die Umwelt zu schützen.

26 Angesichts der Art der Kontrollen, die innerhalb der Nahrungsmittelkette durchgeführt würden, um insbesondere die Verfolgbarkeit der Erzeugnisse und Rohstoffe für Futtermittel ab der erzeugenden Einheit sicherzustellen, müsse diese Kette als ein einheitlicher Herstellungsprozess betrachtet werden. Ferner seien in Italien die Tätigkeiten in den Sektoren der landwirtschaftlichen Nahrungsmittel und der Futtermittel genehmigungspflichtig; zur Erteilung der Genehmigung müsse anhand geeigneter Unterlagen nachgewiesen sein, dass sowohl die Antragsteller als auch die Einrichtungen und Beförderungsmittel die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllten.

27 Die Kommission wolle der abfallrechtlichen Regelung, die allgemein gelte, aber Auffangfunktion habe, Vorrang vor den materiell-rechtlichen und spezifischen Vorschriften für Nahrungsmittel einräumen.

28 Im Übrigen führe der Ansatz der Kommission zu dem Ergebnis, dass die Verwendung von Nahrungsnebenerzeugnissen in der Futtermittelherstellung verhindert werde, weil sie nämlich nach den italienischen Vorschriften für Nahrungsmittel den Futtermittelherstellern nicht angeliefert werden könnten, da sie als Abfall einzustufen und folglich in dafür zugelassenen Fahrzeugen zu transportieren seien. Die Auslegung der Kommission hätte daher eine vermehrte Erzeugung und Beseitigung von Nahrungsabfällen zur Folge, weil deren Wiederverwendung als Futtermittel verhindert würde.

Aus der Zubereitung von Speisen stammende Rückstände und Überschüsse, die für Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind

29 Die Kommission trägt vor, Art. 23 des Gesetzes Nr. 179/2002 habe zur Folge, dass "die aus der Zubereitung fester, gekochter oder roher Speisen aller Art stammenden Rückstände und Überschüsse, die nicht in den Vertrieb gelangt und die für Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind", vom Anwendungsbereich des DL Nr. 22/97 ausgenommen seien. Für solche Abfälle sei unbestreitbar, dass sich der Besitzer ihrer zu entledigen suche, was im Übrigen dadurch bestätigt werde, dass sie in Art. 8 des DL Nr. 22/97 genannt seien.

30 Nach Auffassung der Italienischen Republik muss der Besitzer auch im Kontext der von der Kommission im zweiten Teil ihrer Klage beanstandeten Regelung nachweisen, dass er sich der Nahrungsrückstände und -überschüsse nicht entledigen wolle, sondern dass sie tatsächlich für nach der nationalen Regelung zulässige Haustierasyleinrichtungen bestimmt seien. Im Übrigen gehe es bei dem Ausschluss von der Regelung über Abfälle tatsächlich wiederum um Nahrungsüberschüsse und nicht um "Rückstände" aus der Herstellung. Eine Rechtsvorschrift, die dies klarstelle, sei in Vorbereitung.

Würdigung durch den Gerichtshof

31 Es ist unstreitig, dass die mit der Klage angefochtene italienische Regelung zum einen Nahrungsabfälle, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammen, und zum anderen aus der Zubereitung von Speisen stammende Rückstände und Überschüsse, die nicht in den Vertrieb gelangt sind (alles zusammen im Folgenden: fragliche Materialien), von der nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie ausnimmt, sofern diese Materialien für die Herstellung von Futtermitteln oder unmittelbar zur Fütterung in Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind.

32 Mit beiden Teilen ihrer Klage, die gemeinsam zu prüfen sind, macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass die genannte Regelung insofern gegen den in Art. 1 Buchst. a der Richtlinie definierten Begriff "Abfall" verstoße, als im nationalen Abfallrecht eine zu allgemeine Abweichung eingeführt werde, die dazu führe, dass die fraglichen Materialien stets und zu Unrecht von den Bestimmungen über die Abfallbewirtschaftung, wie sie sich aus der Richtlinie ergäben, ausgenommen seien.

33 Die Italienische Republik entgegnet im Wesentlichen, dass die fraglichen Materialien, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der mit der Klage angefochtenen Regelung erfüllt seien, nicht unter den Begriff "Abfall" im Sinne der Richtlinie, wie er vom Gerichtshof ausgelegt werde, fielen.

34 Hierzu ist festzustellen, dass "Abfall" nach Art. 1 Buchst. a Abs. 1 der Richtlinie bedeutet: "alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss". Der genannte Anhang erläutert und verdeutlicht diese Definition durch die Aufstellung eines Verzeichnisses von Stoffen und Gegenständen, die als Abfälle eingestuft werden können. Dieses Verzeichnis hat jedoch nur Hinweischarakter, da sich die Einstufung als Abfall vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des Ausdrucks "sich entledigen" ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie, C-129/96, Slg. 1997, I-7411, Randnr. 26, vom 7. September 2004, Van de Walle u. a., C-1/03, Slg. 2004, I-7613, Randnr. 42, und vom 10. Mai 2007, Thames Water Utilities, C-252/05, Slg. 2007, I-3883, Randnr. 24).

35 Der genannte Ausdruck "sich entledigen" ist nicht nur im Licht der Hauptzielsetzung der Richtlinie, die nach ihrem dritten Erwägungsgrund im "Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen" besteht, sondern auch im Licht von Art. 174 Abs. 2 EG auszulegen. Dieser bestimmt: "Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung ..." Daher kann der Ausdruck "sich entledigen" und damit der Begriff "Abfall" im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie nicht eng ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 15. Juni 2000, ARCO Chemie Nederland u. a., C-418/97 und C-419/97, Slg. 2000, I-4475, Randnrn. 36 bis 40, sowie Thames Water Utilities, Randnr. 27).

36 Bestimmte Umstände können Anhaltspunkte dafür darstellen, dass der Besitzer sich eines Stoffes oder eines Gegenstands im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie entledigt, entledigen will oder entledigen muss (Urteil ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 83). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der verwendete Stoff ein Produktions- oder Verbrauchsrückstand ist, d. h. ein Erzeugnis, das nicht als solches angestrebt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 84, sowie vom 11. November 2004, Niselli, C-457/02, Slg. 2004, I-10853, Randnr. 43).

37 Im Übrigen ist die Methode der Behandlung oder die Art der Verwendung eines Stoffes nicht entscheidend dafür, ob dieser Stoff als Abfall einzustufen ist (vgl. Urteile ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 64, und vom 1. März 2007, KVZ retec, C-176/05, Slg. 2007, I-1721, Randnr. 52).

38 So hat der Gerichtshof zum einen festgestellt, dass die Durchführung eines der in Anhang II A oder Anhang II B der Richtlinie aufgeführten Verfahren der Beseitigung oder der Verwertung für sich allein nicht erlaubt, einen Stoff oder einen Gegenstand, der einem solchen Verfahren unterzogen wird, als Abfall einzustufen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil Niselli, Randnrn. 36 und 37), und zum anderen, dass Stoffe und Gegenstände, die zur wirtschaftlichen Wiederverwendung geeignet sind, nicht vom Abfallbegriff ausgenommen sind (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 25. Juni 1997, Tombesi u. a., C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95, Slg. 1997, I-3561, Randnrn. 47 und 48). Das durch die Richtlinie 75/442 eingeführte System der Überwachung und Bewirtschaftung soll nämlich alle Gegenstände und Stoffe erfassen, deren sich ihr Besitzer entledigt, auch wenn sie einen Handelswert haben und gewerbsmäßig zum Zweck der Verwertung, Rückgewinnung oder Wiederverwendung eingesammelt werden (vgl. u. a. Urteil vom 18. April 2002, Palin Granit und Vehmassalon kansanterveystyön kuntayhtymän hallitus, C-9/00, Slg. 2002, I-3533, im Folgenden: Urteil Palin Granit, Randnr. 29).

39 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht jedoch hervor, dass in bestimmten Situationen ein Gegenstand, ein Material oder ein Rohstoff, die bei einem nicht hauptsächlich zu ihrer Gewinnung bestimmten Abbau oder Herstellungsverfahren entstehen, möglicherweise keine Rückstände, sondern Nebenerzeugnisse darstellen, deren sich der Besitzer nicht im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie "entledigen" will, sondern die er unter Umständen, die für ihn vorteilhaft sind, in einem späteren Vorgang nutzen oder vermarkten will - einschließlich gegebenenfalls für Zwecke anderer Wirtschaftsteilnehmer als des Erzeugers des fraglichen Gegenstands, Materials oder Rohstoffs -, vorausgesetzt, diese Wiederverwendung ist gewiss, erfordert keine vorherige Bearbeitung und erfolgt in Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens (vgl. in diesem Sinne Urteile Palin Granit, Randnrn. 34 bis 36, vom 11. September 2003, AvestaPolarit Chrome, C-114/01, Slg. 2003, I-8725, Randnrn. 33 bis 38, Niselli, Randnr. 47, sowie vom 8. September 2005, Kommission/Spanien, C-416/02, Slg. 2005, I-7487, Randnrn. 87 und 90, und Kommission/Spanien, C-121/03, Slg. 2005, I-7569, Randnrn. 58 und 61).

40 Daher ist neben dem Kriterium, ob ein Stoff ein Produktionsrückstand ist, der Grad der Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendung dieses Stoffes ohne vorherige Bearbeitung ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob es sich um Abfall im Sinne der Richtlinie handelt. Ist die Wiederverwendung des Stoffes nicht nur möglich, sondern darüber hinaus für den Besitzer wirtschaftlich vorteilhaft, so ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wiederverwendung hoch. In diesem Fall kann der betreffende Stoff nicht mehr als Last betrachtet werden, deren sich der Besitzer "zu entledigen" sucht, sondern hat als echtes Erzeugnis zu gelten (vgl. Urteile Palin Granit, Randnr. 37, und Niselli, Randnr. 46).

41 Erfordert eine solche Wiederverwendung jedoch Lagerungstätigkeiten, die dauerhaft sein und damit eine Belastung für den Besitzer darstellen und möglicherweise Umweltschäden verursachen können, die die Richtlinie gerade begrenzen soll, so kann sie nicht als gewiss eingestuft werden und ist nur mehr oder weniger langfristig vorstellbar, so dass der fragliche Stoff grundsätzlich als Abfall anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Palin Granit, Randnr. 38, und AvestaPolarit Chrome, Randnr. 39).

42 Ob es sich tatsächlich um Abfall im Sinne der Richtlinie handelt, ist somit anhand sämtlicher Umstände zu prüfen; dabei ist die Zielsetzung der Richtlinie zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihre Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. Urteile ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 88, und KVZ retec, Randnr. 63, sowie Beschluss vom 15. Januar 2004, Saetti und Frediani, C-235/02, Slg. 2004, I-1005, Randnr. 40).

43 Da die Richtlinie kein Kriterium festlegt, aus dem sich der Wille des Besitzers, sich eines bestimmten Stoffes oder Gegenstands zu entledigen, ergibt, können die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung frei wählen, in welcher Form der Beweis für das Vorliegen der verschiedenen Tatbestandsmerkmale, die in den von ihnen umgesetzten Richtlinien aufgestellt werden, zu erbringen ist, soweit dies die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt (vgl. Urteile ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 41, sowie Niselli, Randnr. 34). So können die Mitgliedstaaten z. B. verschiedene Abfallgruppen festlegen, insbesondere um die Organisation und die Kontrolle der Abfallbewirtschaftung zu erleichtern, vorausgesetzt, die Verpflichtungen aus der Richtlinie oder anderen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über Abfälle werden eingehalten und der etwaige Ausschluss einzelner Gruppen vom Anwendungsbereich der Vorschriften zur Umsetzung der Verpflichtungen aus der Richtlinie entspricht deren Art. 2 Abs. 1 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2004, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-62/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 12).

44 In der vorliegenden Rechtssache meint die Italienische Republik im Wesentlichen, die oben in den Randnrn. 39 und 40 angeführte Rechtsprechung sei anwendbar, weil die nach der mit der Klage angefochtenen Regelung geltenden Ausnahmen nicht nur die offenkundige Absicht des Besitzers der fraglichen Materialien, sie für die Verwendung als Futtermittel vorzusehen, sondern auch die Gewissheit ihrer Wiederverwendung voraussetzten, so dass diese Materialien nicht als Rückstand, sondern als Nebenerzeugnis eingestuft werden könnten, dessen sich der Besitzer aufgrund seiner offenkundigen Wiederverwendungsabsicht nicht im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie "entledigen" wolle. Im Übrigen kämen in solchen Fällen andere Regelungen, insbesondere jene über die Sicherheit von Nahrungsmitteln zur Anwendung. Auch diese Regelungen beträfen die Kontrolle der Lagerung, die Bearbeitung und den Transport der fraglichen Materialien und seien geeignet, durch die Förderung des Gesundheitsschutzes die Umwelt entsprechend der Richtlinie zu schützen.

45 Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass, wie das Verzeichnis der Abfallgruppen in Anhang I der Richtlinie und die in deren Anhängen II A und II B aufgeführten Beseitigungs- und Verwertungsverfahren zeigen, der Abfallbegriff grundsätzlich keine Art von Rückständen oder sonstigen aus Produktionsprozessen stammenden Stoffen ausschließt (vgl. Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 28).

46 Zudem ist in Anbetracht der oben in Randnr. 35 genannten Verpflichtung, den Abfallbegriff weit auszulegen, und der Anforderungen der oben in den Randnrn. 36 bis 41 angeführten Rechtsprechung eine Argumentation, wie sie die italienische Regierung vorträgt, die auf Nebenprodukte, deren sich der Besitzer nicht entledigen will, abhebt, auf die Sachverhalte zu begrenzen, bei denen die Wiederverwendung eines Gegenstands, eines Materials oder eines Rohstoffs, einschließlich für Zwecke anderer Wirtschaftsteilnehmer als des Erzeugers des fraglichen Gegenstands, Materials oder Rohstoffs, nicht nur möglich, sondern gewiss ist, keine vorherige Bearbeitung erfordert und in Fortsetzung des Gewinnungs- oder Nutzungsverfahrens erfolgt.

47 Aus dem oben in Randnr. 21 dargestellten Vorbringen der Italienischen Republik geht jedoch hervor, dass die mit der Klage angefochtene Regelung es zulässt, die fraglichen Materialien von den nationalen Vorschriften über Abfälle auch dann auszunehmen, wenn sie den im geltenden Gemeinschafts- oder nationalen Recht vorgesehenen Bearbeitungsvorgängen unterzogen werden.

48 Im Übrigen ist, selbst wenn sich sicherstellen ließe, dass die fraglichen Materialien als Futtermittel tatsächlich wiederverwendet werden - wobei aber die alleinige Absicht, solche Materialien für die Verwendung als Futtermittel vorzusehen, selbst wenn sie vorher schriftlich bestätigt wird, nicht ihrer tatsächlichen Verwendung für diesen Zweck gleichgesetzt werden kann -, wie aus den Randnrn. 36 und 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Art und Weise der Verwendung eines Stoffes nicht entscheidend dafür, ob dieser Stoff als Abfall einzustufen ist. Folglich kann allein aus dem Umstand, dass die fraglichen Materialien wiederverwendet werden, noch nicht abgeleitet werden, dass sie kein "Abfall" im Sinne der Richtlinie sind.

49 Was in Zukunft mit einem Gegenstand oder einem Stoff geschieht, ist nämlich für sich allein nicht entscheidend für seine Abfalleigenschaft, die gemäß Art. 1 Buchst. a der Richtlinie davon abhängt, ob sich der Besitzer des Gegenstands oder des Stoffes seiner entledigt, entledigen will oder entledigen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 64, sowie KVZ retec, Randnr. 52).

50 Die mit der Klage angefochtene Regelung scheint daher in Wirklichkeit eine Vermutung aufzustellen, dass in den von ihr erfassten Sachverhalten die fraglichen Materialien für ihren Besitzer aufgrund seiner Absicht, sie für eine Wiederverwendung vorzusehen, einen wirtschaftlichen Wert oder Vorteil als Nebenprodukt darstellen und keine Last, deren er sich zu entledigen sucht.

51 Diese Annahme mag zwar in bestimmten Fällen der Wirklichkeit entsprechen, doch kann keine allgemeine Vermutung dafür bestehen, dass ein Besitzer der fraglichen Materialien aus ihrer Bestimmung für eine Wiederverwendung einen Vorteil zieht, der in mehr besteht als der bloßen Tatsache, dass er sich ihrer entledigen kann.

52 Folglich ist festzustellen, dass die genannte Regelung dazu führt, dass Rückstände nach italienischem Recht nicht als Abfall eingestuft werden, obwohl sie der Definition in Art. 1 Buchst. a der Richtlinie entsprechen.

53 In dieser letztgenannten Bestimmung wird nicht nur der Begriff "Abfall" im Sinne der Richtlinie definiert, sondern sie legt außerdem in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie deren Anwendungsbereich fest. In Art. 2 Abs. 1 wird nämlich angegeben, welche Arten von Abfällen unter welchen Voraussetzungen von der Richtlinie ausgenommen sind oder ausgenommen werden können, während grundsätzlich alle Abfälle, die der genannten Definition entsprechen, von der Richtlinie erfasst sind. Jede Bestimmung des innerstaatlichen Rechts, die die Tragweite der Verpflichtungen aus der Richtlinie allgemein über das in deren Art. 2 Abs. 1 zugelassene Maß hinaus einschränkt, verkennt zwangsläufig den Anwendungsbereich der Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 11) und beeinträchtigt damit die Wirksamkeit von Art. 174 EG (vgl. in diesem Sinne Urteile ARCO Chemie Nederland u. a., Randnr. 42).

54 Zu den oben in den Randnrn. 23 bis 25 genannten gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsvorschriften, auf die die Italienische Republik ihr Vorbringen stützt, der gesamte Rahmen der gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsvorschriften über die Anforderungen der Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln lasse es nicht zu, die fraglichen Materialien als Abfall einzustufen, genügt der Hinweis, dass diese Materialien grundsätzlich nicht unter die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie genannten Stoffe und Gegenstände fallen, so dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme von der Anwendung der Richtlinie sie nicht betreffen kann. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie keinen Hinweis darauf enthält, dass sie nicht die Beseitigungs- oder Verwertungsverfahren, die Bestandteil eines industriellen Produktionsprozesses sind, betrifft, wenn diese keine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 30).

55 Im Übrigen kann die Richtlinie entgegen der Auffassung der Italienischen Republik nicht als nachrangig gegenüber den gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsvorschriften über die Sicherheit von Nahrungsmitteln angesehen werden. Zwar können sich die Zielsetzungen von Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet mit denen der Richtlinie teilweise überschneiden, doch bleiben sie deutlich verschieden. Zudem enthält die Richtlinie abgesehen von den in Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich genannten Fällen keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie nicht kumulativ mit anderen Rechtsvorschriften anzuwenden wäre.

56 Was schließlich die Argumentation der Italienischen Republik angeht, die Wiederverwendung von Nahrungsrückständen für Futtermittel würde durch die Anwendung der Richtlinie verhindert, weil die Rückstände in für die Beförderung von Abfällen zugelassenen Fahrzeugen transportiert werden müssten, die nicht den erforderlichen Hygieneanforderungen entsprächen, hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Situation auf die italienischen Rechtsvorschriften und nicht auf die Bestimmungen der Richtlinie zurückzuführen ist.

57 Unter diesen Umständen ist der Klage der Kommission stattzugeben.

58 Daher ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie

- für ihr gesamtes Hoheitsgebiet gültige Durchführungsanweisungen erlassen hat, die insbesondere im Runderlass vom Juni 1999 und in der Mitteilung von 2002 ausführlich dargestellt sind, nach denen Nahrungsabfälle, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammen und für die Herstellung von Futtermitteln bestimmt sind, von der Regelung über Abfälle ausgenommen sind, und

- durch Art. 23 des Gesetzes Nr. 179/2002 die aus der Zubereitung fester, gekochter oder roher Speisen aller Art stammenden Rückstände, die nicht in den Vertrieb gelangt und die für Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind, von der Regelung über Abfälle ausgenommen hat,

gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Buchst. a der Richtlinie verstoßen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Italienischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch, dass sie

- für ihr gesamtes Hoheitsgebiet gültige Durchführungsanweisungen erlassen hat, die insbesondere im Runderlass des Umweltministeriums vom 28. Juni 1999 mit Auslegungshinweisen zur Definition des Begriffs "Abfall" und in der Mitteilung des Gesundheitsministeriums vom 22. Juli 2002 von Leitlinien zu der Regelung über Gesundheit und Hygiene betreffend die Verwendung von aus dem Produktions- und Wirtschaftskreislauf der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammenden Materialien und Nebenprodukten für Futterzwecke ausführlich dargestellt sind, nach denen Nahrungsabfälle, die aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung stammen und für die Herstellung von Futtermitteln bestimmt sind, von der Regelung über Abfälle ausgenommen sind, und

- durch Art. 23 des Gesetzes Nr. 179 vom 31. Juli 2002 betreffend umweltrechtliche Vorschriften die aus der Zubereitung fester, gekochter oder roher Speisen aller Art stammenden Rückstände, die nicht in den Vertrieb gelangt und die für Haustierasyleinrichtungen bestimmt sind, von der Regelung über Abfälle ausgenommen hat,

gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 geänderten Fassung verstoßen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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