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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: C-196/05
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2658/87, Verordnung (EG) Nr. 1832/2002


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 Anhang I
Verordnung (EG) Nr. 1832/2002
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)

8. Juni 2006

"Gemeinsamer Zolltarif - Tarifierung - Kombinierte Nomenklatur - Unterposition 0406 10 (Frischkäse) - Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1832/2002 - Tarifierung von zur Verwendung als Pizzakäse bestimmtem Blockmozzarella, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei niedriger Temperatur gelagert wurde"

Parteien:

In der Rechtssache C-196/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Februar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Mai 2005, in dem Verfahren

Sachsenmilch AG

gegen

Oberfinanzdirektion Nürnberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský sowie der Richter S. von Bahr und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Sachsenmilch AG, vertreten durch die Rechtsanwälte O. Dörfler und W. Haarmann sowie Berater M. Hundebeck,

- der Oberfinanzdirektion Nürnberg, vertreten durch S. Junker als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Hottiaux als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Unterposition 0406 10 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: "KN") im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1832/2002 der Kommission vom 1. August 2002 (ABl. L 290, S. 1).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sachsenmilch AG (im Folgenden: Sachsenmilch) und der Oberfinanzdirektion Nürnberg (im Folgenden: Oberfinanzdirektion) über die Einreihung von zur Verwendung als Pizzakäse bestimmtem Blockmozzarella, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei niedriger Temperatur gelagert wurde, in die KN.

Rechtlicher Rahmen

3 Die durch die Verordnung Nr. 2658/87 eingeführte KN beruht auf dem weltweiten Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation, ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen eingeführt wurde, das im Namen der Gemeinschaft mit dem Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) genehmigt wurde. Die KN übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS; nur die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen. Die KN ist ebenso wie die autonomen und vertragsmäßigen Zollsätze und die zusätzlichen Einheiten für statistische Zwecke in Anhang I der genannten Verordnung enthalten.

4 Die in Abschnitt I Kapitel 4 des Teils II des Anhangs I dieser Verordnung enthaltene Position 0406 der KN betrifft "Käse und Quark/Topfen". Diese Position enthält u. a.:

- die Unterposition 0406 10 betreffend "Frischkäse (nicht gereifter Käse), einschließlich Molkenkäse, und Quark/Topfen", die die Unterposition 0406 10 20 betreffend jene "mit einem Fettgehalt von 40 GHT oder weniger" enthält;

- die Unterposition 0406 90 betreffend "andere Käse", die die Unterposition 0406 90 87 betreffend andere Käse, mit einem Wassergehalt in der fettfreien Käsemasse von "mehr als 52 bis 62 GHT" enthält.

5 Anhang 7 der KN mit der Überschrift "WTO[Welthandelsorganisation]-Zollkontingente, die von den zuständigen Stellen den Gemeinschaft zu eröffnen sind" reiht unter der laufenden Nummer 36 "Pizza-Käse, gefroren, in Stücken von 1 g oder weniger, in Behältnissen mit einem Netto-Inhalt von 5 kg oder mehr, mit einem Wassergehalt von 52 GHT und einem Fettgehalt in der Trockenmasse von 38 GHT oder mehr" in die Unterposition 0406 10 der KN ein. Unter der laufenden Nummer 44 dieses Anhangs wird "Frischkäse (nicht gereifter Käse), einschließlich Molkenkäse, und Quark, anderer als Pizza-Käse der lfd. Nr. 36" in dieselbe Unterposition der KN eingereiht.

6 In der die Position 0406 betreffenden Erläuterung zum HS heißt es: "Frischkäse ist ein ungereifter Käse, der kurz nach seiner Herstellung verzehrt werden kann (z. B. Ricotta, Broccio, Hüttenkäse, Rahmkäse, Mozzarella)."

Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfragen

7 Am 7. Juni 1999 wurde Sachsenmilch eine verbindliche Zolltarifauskunft erteilt, wonach zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Blockmozzarella, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 ºC gelagert wurde, im Hinblick auf den Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der damals geltenden Fassung in die Unterposition 0406 90 87 der KN eingereiht wurde. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Warenbeschreibung folgendermaßen lautet: Wassergehalt: 47 GHT oder weniger; Fettgehalt: weniger als 40 GHT; Wassergehalt in der fettfreien Käsemasse: mehr als 52, jedoch nicht mehr als 62 GHT.

8 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2003 widerrief die Oberfinanzdirektion diese Zolltarifauskunft, weil die Voraussetzungen für eine Einreihung in die Unterposition 0406 90 87 der KN nicht gegeben gewesen seien.

9 Auf den Einspruch von Sachsenmilch hin erhielt die Oberfinanzdirektion am 8. Juni 2004 diesen Bescheid mit folgender Begründung aufrecht: "Der Untersuchungsbefund der Prüfung der Beschaffenheit 'weißer Abschnitt eines Käseblocks ohne Lochung' rechtfertigt nicht die Einreihung in die Unterpos[ition] 0406 90 [der] KN. Die Feststellung der geschmacklichen Merkmale der Mozzarella-Probe ist gänzlich unterblieben, so dass die Einreihung unter Heranziehung eines unvollständigen Sachverhaltes erfolgt ist. Der im Rahmen der organoleptischen Prüfung festgestellte Geschmackseindruck stellt das wesentliche Kriterium für die Abgrenzung von nicht gereiftem Mozzarella der Unterpos[ition] 0406 10 [der KN] und von gereiftem Mozzarella der Unterpos[ition] 0406 90 [der KN] dar."

10 Sachsenmilch erhob am 7. Juli 2004 Klage gegen diese Einspruchsentscheidung beim Finanzgericht München. Sie macht geltend, dass der zur Verwendung als Pizzakäse bestimmte Blockmozzarella eine Trockenmasse von 51,5 bis 53,5 % habe und mindestens vier Monate haltbar sei, da er für die Pizzaindustrie bestimmt sei. Für den Konsum bestimmter Mozzarella sei hingegen ein typisches Frischprodukt mit einer Haltbarkeit von nur vier Wochen und einer um etwa 10 % niedrigeren Trockenmasse. Folglich habe der zur Verwendung als Pizzakäse bestimmte Blockmozzarella spezielle funktionelle Eigenschaften, sei raffelfähig sowie schmelzfähig und elastisch. Er sei daher kein Frischkäse (nicht gereifter Käse). In den Niederlanden und im Vereinigten Königreich sei er im Übrigen in die Gruppe der gereiften Käse eingereiht worden.

11 Nach Auffassung der Oberfinanzdirektion weist der Blockmozzarella hingegen nach einer Lagerung von etwa zwei Wochen bei einer Temperatur zwischen 2 und 4 °C immer noch die Merkmale eines Frischkäses auf. Die biochemischen Prozesse während der Lagerzeit führten nämlich zu äußerst geringen Veränderungen. Da es keine genormten chemischen oder physikalisch-chemischen Verfahren zur Bestimmung des Fett- und Eiweißabbaus gebe, sei sensorischen Prüfverfahren, die als objektive Analysemethoden anerkannt und in nationalen (Methode L.00.90/36 in Deutschland) und internationalen (DIN 10964) Normen niedergelegt seien, gegenüber chemischen Methoden und Angaben der Reifezeit der Vorrang einzuräumen. Mit der sensorischen Prüfung könne erst nach einer Lagerung von zwölf Wochen eine Veränderung der Beschaffenheit des Mozzarellas festgestellt werden, nämlich ein leicht bitterer und leicht käsiger Geschmack. Die Trockenmasse sei hingegen kein objektives Einreihungskriterium. Daher handle es sich bei zur Verwendung als Pizzakäse bestimmtem Blockmozzarella nur dann um einen gereiften Käse, wenn er sich in seiner Beschaffenheit deutlich von einem Frischkäse unterscheide, was eine ausreichend lange Reifung erfordere. Sowohl in der deutschen Regelung als auch im Entwurf der Codex-alimentarius-Kommission der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation von 2003 werde Mozzarella im Übrigen als nicht gereifter Käse beschrieben.

12 In seiner Entscheidung stellt das vorlegende Gericht fest, dass sich aus organoleptischen Prüfungen und den Umständen der Herstellung und Lagerung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Mozzarellas ergebe, dass dieser nach einer Lagerung von ein bis zwei Wochen noch keine Veränderung in der Weise erfahren habe, dass er seine Beschaffenheit als Frischkäse verloren hätte. Die Umstände der Lagerung verhinderten oder verlangsamten vielmehr den Reifeprozess. Der streitige Mozzarella könne unmittelbar nach seiner Herstellung verzehrt werden. Er werde deshalb erst nach zweiwöchiger Lagerung verarbeitet, weil erst dann seine Eigenschaften des Schmelzens und der Elastizität und seine Färbung optimiert seien. Die Erläuterungen zum HS führten zudem Mozzarella als Beispiel für Frischkäse auf, und der Anhang 7 der KN reihe "Pizza-Käse" ebenso in diese Kategorie ein. Da die Kommission der Europäischen Gemeinschaften jedoch seit Jahren ein Nebeneinander verschiedener Einreihungen des genannten Mozzarellas je nach Mitgliedstaat mit dem Ergebnis dulde, dass Hersteller mit Sitz in Staaten, in denen Mozzarella als Frischkäse eingereiht werde, einen Wettbewerbsnachteil hinsichtlich der Ausfuhrerstattungen erlitten, sei es angebracht, dass der Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens entscheide, damit es zu einer einheitlichen Einreihungspraxis im Binnenmarkt komme.

13 Daher hat das Finanzgericht München beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist die KN in der Fassung des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September 2003 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 (ABl. L 281, S. 1) dahin auszulegen, dass in Unterposition 0406 10 Pizzakäse (Mozzarella), der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 °C lagerte, einzureihen ist?

2. Kann die Prüfung, ob ein Frischkäse im Sinne der Unterposition 0406 10 der KN vorliegt, in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung aufgrund von organoleptischen Merkmalen durchgeführt werden?

Zu den Vorabentscheidungsfragen

Vorbemerkungen

14 In der mündlichen Verhandlung hat Sachsenmilch erstmals die Erheblichkeit der ersten Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits bestritten. Sie hat geltend gemacht, dass die Anrufung des Gerichtshofes nach Artikel 234 EG ihren Ursprung in dem Bescheid habe, mit dem die Oberfinanzdirektion im Jahr 2003 die Zolltarifauskunft widerrufen habe, die ihr 1999 über zur Verwendung als Pizzakäse bestimmten Blockmozzarella, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 °C gelagert worden sei, erteilt worden sei. Da dieser Bescheid mit dem Umstand, dass die Auskunft erteilt worden sei, ohne dass ihr eine organoleptische Prüfung vorausgegangen sei, begründet worden sei, sollte der Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Verfahren allein die zweite Vorlagefrage beantworten.

15 Insoweit ist daran zu erinnern, dass das in Artikel 234 EG vorgesehene Verfahren nach ständiger Rechtsprechung ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten die Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen. Folglich ist es allein Sache der nationalen Gerichte, die mit dem Rechtsstreit befasst sind und in deren Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der einzelnen Rechtssache sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Rechtserheblichkeit der Fragen, die sie dem Gerichtshof stellen, zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 11. Januar 2001 in der Rechtssache C-403/98, Monte Arcosu, Slg. 2001, I-103, Randnr. 21, und vom 16. Februar 2006 in der Rechtssache C-500/04, Proxxon, I-0000, Randnr. 17).

16 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das mit dem Ausgangsverfahren befasste Gericht entgegen dem Vorbringen von Sachsenmilch der Auffassung ist, dass es zur Entscheidung dieses Verfahrens nicht nur erforderlich sei, zu prüfen, ob die organoleptischen Merkmale von zur Verwendung als Pizzakäse bestimmtem Blockmozzarella ein sachdienliches Kriterium für seine zolltarifliche Einreihung sind, sondern auch allgemein festzustellen, ob dieser Mozzarella als Frischkäse in die Unterposition 0406 10 der KN einzureihen ist. Der Gerichtshof hat sich daher nicht auf die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage zu beschränken.

Zur Auslegung der Unterposition 0406 10 der KN

17 Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen danach, ob zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Mozzarella, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 °C gelagert wurde, als Frischkäse in die Unterposition 0406 10 der KN einzureihen ist und ob insoweit die organoleptischen Merkmale dieses Mozzarellas ein sachdienliches Kriterium darstellen.

18 Zunächst ist zu bemerken, dass diese Fragen, wie die Kommission zutreffend festgestellt hat, nicht anhand der Verordnung Nr. 1789/2003, wie es der Wortlaut der ersten Vorlagefrage nahelegt, zu prüfen sind, sondern anhand der Verordnung Nr. 1832/2002, da die nationale Entscheidung, mit der die angefochtene Tarifierung festgesetzt wurde, unter der Geltung dieser Verordnung erlassen wurde. Die einschlägigen Bestimmungen der beiden Verordnungen sind jedoch hinsichtlich der fraglichen Unterpositionen der KN im Wesentlichen identisch.

19 Sodann ist zu unterstreichen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der Tarifierung Aufgabe des Gerichtshofes ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren richtig in die KN einreihen kann, nicht aber, diese Einreihung selbst vorzunehmen, zumal er nicht immer über die hierfür erforderlichen Angaben verfügt. Das nationale Gericht ist hierzu jedenfalls besser in der Lage (Urteile vom 7. November 2002 in den Rechtssachen C-260/00 bis C-263/00, Lohmann und Medi Bayreuth, Slg. 2002, I-10045, Randnr. 26, und Proxxon, Randnr. 23).

20 Die vorgelegten Fragen sind deshalb dahin zu verstehen, dass mit ihnen in Erfahrung gebracht werden soll, welches die Kriterien sind, die für die Bestimmung zugrunde zu legen sind, ob ein Erzeugnis wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende zur Verwendung als Pizzakäse bestimmte Blockmozzarella als Frischkäse in die Unterposition 0406 10 der KN eingereiht werden kann.

21 Es ist festzustellen, dass die Position 0406 "Käse und Quark/Topfen" umfasst und im Ausgangsverfahren nicht bestritten wird, dass zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Blockmozzarella unter diese Position fällt. Während jedoch die Oberfinanzdirektion wie das vorlegende Gericht und die Kommission der Auffassung ist, dass dieser Mozzarella in die Unterposition 0406 10 der KN mit der Überschrift "Frischkäse (nicht gereifter Käse), einschließlich Molkenkäse, und Quark/Topfen" einzureihen sei, vertritt Sachsenmilch die Ansicht, dass er unter die Unterposition 0406 90 der KN mit der Überschrift "andere Käse" falle.

22 Nach ständiger Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (Urteile vom 16. September 2004 in der Rechtssache C-396/02, DFDS, Slg. 2004, I-8439, Randnr. 27, und vom 8. Dezember 2005 in der Rechtssache C-445/04, Possehl Erzkontor, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 19).

23 Die Erläuterungen zur KN und diejenigen zum HS tragen jeweils erheblich zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen bei, ohne jedoch rechtsverbindlich zu sein (Urteil Possehl Erzkontor, Randnr. 20).

24 Im vorliegenden Fall enthalten die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln keinen Hinweis zur zolltariflichen Einreihung von zur Verwendung als Pizzakäse bestimmtem Blockmozzarella.

25 Auch wenn dieser Mozzarella nicht spezifisch vom Wortlaut einer der einschlägigen Unterpositionen der KN erfasst wird, so ergibt sich doch aus dem Wortlaut der Unterposition 0406 10 mit der Überschrift "Frischkäse (nicht gereifter Käse) ...", dass sich der Begriff "Frischkäse" mit dem Begriff "nicht gereifter Käse" deckt.

26 Eine solche Unterposition, die spezifischer ist als die "andere Käse" betreffende Unterposition 0406 90 der KN, muss, wie der Gerichtshof bereits zu der der Unterposition 0406 10 der KN benachbarten Unterposition 0406 20 der KN, "Käse aller Art, gerieben oder in Pulverform", entschieden hat, grundsätzlich der Unterposition 0406 90 vorgehen (vgl. Urteil vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-164/95, Eru Portuguesa, Slg. 1997, I-3441, Randnr. 17).

27 Es ist daher festzustellen, ob zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Blockmozzarella ein nicht gereifter Käse im Sinne der Unterposition 0406 10 der KN sein kann, was eine Präzisierung des Begriffes "Reifung" erfordert.

28 Zwar enthalten die Erläuterungen zur KN insoweit keinen Hinweis, im Umkehrschluss ergibt sich jedoch aus den Erläuterungen zum HS, dass die Reifung ein Zurreifebringen durch Lagerung für eine bestimmte Zeit impliziert, da ein gereifter Käse nicht "kurz" nach seiner Herstellung verzehrt werden kann.

29 Insoweit ist zu bemerken, dass nach der allgemeinen Norm für Käse (Codex Stan A-6-1978, rev. 1-1999, geändert im Jahr 2003), die im Codex alimentarius festgelegt wurde, der Hinweise zur Beschreibung der Beschaffenheit bestimmter Lebensmittel liefern soll (vgl. Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache 286/86, Deserbais, Slg. 1988, 4907, Randnr. 15), gereifter Käse ein Käse ist, der für eine bestimmte Zeit bei geeigneter Temperatur und unter den Bedingungen gelagert werden muss, die erforderlich sind, damit die biochemischen und physischen Veränderungen des Käses eintreten, die charakteristisch für ihn sind.

30 Daraus ergibt sich, dass der Begriff Reifung voraussetzt, dass der betreffende Käse im Laufe der Lagerung über eine bestimmte Zeit und bei einer bestimmten Temperatur einen Transformationsprozess durchläuft, der bewirkt, dass er dadurch ein oder mehrere neue objektive Beschaffenheitsmerkmale, insbesondere in der Zusammensetzung, dem Aussehen und dem Geschmack, erlangt.

31 Hierzu ist festzustellen, dass Anhang 7 der Verordnung Nr. 1832/2002 "Pizza-Käse" ausdrücklich in die Unterposition 0406 10 der KN betreffend Frischkäse einreiht und dass Mozzarella in den Erläuterungen zum HS beispielhaft als Frischkäse genannt wird, ohne dass eine Unterscheidung nach den Arten von Mozzarella vorgenommen würde.

32 Aus der Gemeinschaftsregelung über die KN ergibt sich somit, dass die Tatsache, dass zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Blockmozzarella, der ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 ºC gelagert wurde, nicht zwangsläufig geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines gereiften Käses zu verleihen, es sei denn, diese Lagerung reicht dazu aus, dass er einen Transformationsprozess durchläuft, durch den er ein oder mehrere neue objektive Beschaffenheitsmerkmale, insbesondere in der Zusammensetzung, dem Aussehen und dem Geschmack, erlangt.

33 Unter Berücksichtigung der in Randnummer 19 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist es jedoch nicht Aufgabe des Gerichtshofes, im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens durch Würdigung der vor dem vorlegenden Gericht vorgetragenen Tatsachen festzustellen, ob diese Bedingungen erfüllt sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts - das im Übrigen in seiner Entscheidung festgestellt hat, dass zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Blockmozzarella seine Beschaffenheit als Frischkäse nicht verliere, da die Lagerung, der er unterzogen werde, den Reifungsprozess verlangsame, wenn nicht gar verhindere - diese Kriterien anzuwenden, um den Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden.

34 Zu diesem Zweck ist es dem vorlegenden Gericht entgegen dem Vorbringen von Sachsenmilch nicht verwehrt, objektive sensorische Analysen, sofern vorhanden, zu berücksichtigen, die nationalen oder internationalen Normen unterliegen, denn solche Normen erlauben es, festzustellen, ob ein Käse einen Transformationsprozess durchlaufen hat, der eines seiner objektiven Beschaffenheitsmerkmale eines Frischkäses beeinflusst hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-233/88, Van de Kolk, Slg. 1990, I-265, Randnr. 13). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass es derartige Normen für die Analyse von zur Verwendung als Pizzakäse bestimmtem Blockmozzarella gibt.

35 Dagegen stellen die Dauer und die Temperatur der Lagerung, der andere gereifte Käse unterliegen, entgegen dem nicht mit entsprechenden Nachweisen einhergehenden Vorbringen der Kommission nicht notwendigerweise sachdienliche Kriterien dar, um zu bestimmen, ob zur Verwendung als Pizzakäse vorgesehener Blockmozzarella ein gereifter Käse ist. Wie Sachsenmilch nämlich insoweit unwidersprochen hervorgehoben hat, kann z. B. die Dauer der Lagerung je nach der Sorte der betreffenden Käse erheblich variieren. So ist nicht bestritten worden, dass bei Brie und Camembert die Dauer der Reifung zehn Tage nicht übersteigt, obwohl sie in die Unterposition 0406 90 der KN fallen.

36 Der von Sachsenmilch angeführte Umstand, dass zur Verwendung als Pizzakäse bestimmter Blockmozzarella nach seiner Lagerung objektive Beschaffenheitsmerkmale wie Schmelz- und Reibefähigkeit aufweise, die sich von denen des unveränderten Konsummozzarellas unterschieden, der unstreitig ein Frischkäse ist, ist als solcher nicht entscheidend. Denn unterstellt, dies sei dargetan, ist damit keineswegs bewiesen, dass dieser Mozzarella zwangsläufig die objektiven Beschaffenheitsmerkmale erlangt hat, die ausreichen, um ihn als gereiften Käse qualifizieren zu können.

37 Daher ist auf die Vorabentscheidungsfragen zu antworten, dass die Unterposition 0406 10 der KN im Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87, geändert durch die Verordnung Nr. 1832/2002, in dem Sinne auszulegen ist, dass sie auf zur Verwendung als Pizzakäse bestimmten Blockmozzarella Anwendung findet, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 ºC gelagert wurde, es sei denn, diese Lagerung reicht dazu aus, dass er einen Transformationsprozess durchläuft, durch den er ein oder mehrere neue objektive Beschaffenheitsmerkmale, insbesondere in der Zusammensetzung, dem Aussehen und dem Geschmack, erlangt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese Bedingungen erfüllt sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Die Unterposition 0406 10 der Kombinierten Nomenklatur im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1832/2002 der Kommission vom 1. August 2002, ist in dem Sinne auszulegen, dass sie auf zur Verwendung als Pizzakäse bestimmten Blockmozzarella Anwendung findet, der nach seiner Herstellung ein bis zwei Wochen bei 2 bis 4 ºC gelagert wurde, es sei denn, diese Lagerung reicht dazu aus, dass er einen Transformationsprozess durchläuft, durch den er ein oder mehrere neue objektive Beschaffenheitsmerkmale, insbesondere in der Zusammensetzung, dem Aussehen und dem Geschmack, erlangt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese Bedingungen erfüllt sind.



Ende der Entscheidung

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