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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Gutachten verkündet am 06.12.2001
Aktenzeichen: C-2/00 (1)
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 133
EG Art. 174 Abs. 4
EG Art. 175 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Gutachten des Gerichtshofes gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG kann namentlich zu Fragen eingeholt werden, die die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Abschluss eines bestimmten Abkommens mit Drittländern betreffen.

Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage hat verfassungsrechtliche Bedeutung. Da die Gemeinschaft nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, muss sie einen völkerrechtlichen Vertrag mit einer Bestimmung des EG-Vertrags verknüpfen, die sie ermächtigt, einen derartigen Rechtsakt zu genehmigen. Die Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage kann daher zur Ungültigkeit des Abschlussaktes selbst und damit der Zustimmung der Gemeinschaft führen, durch das von ihr geschlossene Abkommen gebunden zu sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vertrag der Gemeinschaft keine ausreichende Zuständigkeit zur Ratifizierung des gesamten Abkommens verleiht, so dass die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Abschluss des geplanten Abkommens mit Drittländern zu prüfen ist, oder wenn die für diesen Abschlussakt geeignete Rechtsgrundlage ein anderes als das von den Gemeinschaftsorganen tatsächlich angewandte Rechtsetzungsverfahren vorsieht. Wäre der Akt über den Abschluss des Abkommens wegen einer falschen Rechtsgrundlage unwirksam, so könnte dies nämlich sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch in der Völkerrechtsordnung zu Verwicklungen führen, die durch das in Artikel 300 Absatz 6 EG vorgesehene außergewöhnliche Verfahren einer vorherigen Anrufung des Gerichtshofes gerade verhindert werden sollen.

(vgl. Randnrn. 3, 5-6)

2. Der Akt, der zur Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrages ermächtigt, und der Akt, mit dem dessen Abschluss verkündet wird, sind zwei verschiedene Rechtsakte, die für die Betroffenen ganz unterschiedliche Verpflichtungen begründen, wobei der zweite Akt keineswegs die Bestätigung des ersten darstellt. Unter diesen Umständen steht die Tatsache, dass keine Klage auf Nichtigerklärung des erstgenannten Aktes erhoben wurde, der Erhebung einer solchen Klage gegen den Akt über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht entgegen und führt auch nicht zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Erstellung eines Gutachtens über die Vereinbarkeit dieses Aktes mit dem EG-Vertrag. Im Übrigen kann der Umstand, dass bestimmte Fragen im Rahmen anderer Verfahrensarten, insbesondere im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, behandelt werden können, nicht geltend gemacht werden, um die Möglichkeit auszuschließen, den Gerichtshof vorab nach Artikel 300 Absatz 6 EG zu befassen.

(vgl. Randnrn. 11-12)

3. Das Verfahren des Artikels 300 Absatz 6 EG dient nicht dazu, die Schwierigkeiten zu beheben, die mit der Umsetzung eines geplanten Abkommens verbunden sind, bezüglich dessen die Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilt sind.

(vgl. Randnr. 17)

4. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen ist sowohl bei der Aushandlung und dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages wie bei der Erfuellung der eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen, wenn sein Gegenstand teils in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und teils in die der Mitgliedstaaten fällt. Diese Pflicht zur Zusammenarbeit ergibt sich aus der Notwendigkeit einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Gemeinschaft.

(vgl. Randnr. 18)

5. Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft darf die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts - einschließlich des Rechtsakts, der im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages erlassen wird - nicht allein auf der Überzeugung seines Verfassers beruhen, sondern muss sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts. Ergibt die Prüfung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen verfolgt oder zwei Komponenten hat, und lässt sich eine davon als wesentliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur von untergeordneter Bedeutung ist, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die wesentliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert. Ist dargetan, dass mit dem Rechtsakt gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt werden, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass das eine im Verhältnis zum anderen zweitrangig ist und mittelbaren Charakter hat, so kann ein solcher Rechtsakt ausnahmsweise auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen gestützt werden.

(vgl. Randnrn. 22-23)

6. Selbst wenn die durch das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit geschaffenen Kontrollverfahren in den meisten Fällen oder zumindest, gemessen am Handelswert, überwiegend auf den Handelsverkehr mit lebenden veränderten Organismen angewandt werden sollten, ändert dies nichts daran, dass dieses Protokoll nach seinem Zusammenhang, seiner Zielsetzung und seinem Inhalt ein im Wesentlichen zur Ausschaltung biotechnologischer Risiken und nicht zur Förderung, Erleichterung oder Regelung des Handelsverkehrs bestimmtes Instrument ist. Der Umstand, dass mit zahlreichen völkerrechtlichen Handelsabkommen mehrere Ziele verfolgt werden, und die weite Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Handelspolitik in der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind nicht geeignet, die Feststellung in Frage zu stellen, dass das Protokoll ein hauptsächlich die Umweltpolitik betreffendes Instrument ist, selbst wenn die Sicherheitsmaßnahmen den Handel mit lebenden veränderten Organismen beeinträchtigen können.

Daraus folgt, dass der Abschluss des Protokolls im Namen der Gemeinschaft auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestützt werden muss, die sich speziell auf die Umweltpolitik bezieht.

Da sich das Protokoll von Cartagena nicht auf die Festlegung von.Einzelheiten der Zusammenarbeit" im Bereich des Umweltschutzes beschränkt, sondern u. a. genaue Regeln für die Kontrollverfahren im Bereich der grenzüberschreitenden Verbringung, der Risikobeurteilung und -bewältigung sowie von Handhabung, Transport, Verpackung und Identifizierung der lebenden veränderten Organismen aufstellt, ist Artikel 175 Absatz 1 EG die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss dieses Protokolls im Namen der Gemeinschaft.

Da die auf Gemeinschaftsebene im Geltungsbereich des Protokolls durchgeführte Harmonisierung diesen Bereich zudem nur ganz partiell abdeckt, ist die Zuständigkeit für den Abschluss des Protokolls zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt.

(vgl. Randnrn. 37, 40, 42-44, 46-47)


Gutachten des Gerichtshofes vom 6. Dezember 2001. - Protokoll von Cartagena - Abschluss - Rechtsgrundlage - Artikel 133 EG, 174 Absatz 4 EG und 175 Absatz 1 EG - Lebende veränderte Organismen - Umweltschutz - Gemeinsame Handelspolitik. - Gutachten 2/00.

Parteien:

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Antragsschrift, die am 27. Oktober 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, beim Gerichtshof einen Antrag gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG gestellt, der wie folgt lautet:

Der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat kann ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit diesem Vertrag einholen. Ist dieses Gutachen ablehnend, so kann das Abkommen nur nach Maßgabe des Artikels 48 des Vertrags über die Europäische Union in Kraft treten."

Inhaltsverzeichnis

I - Kontext des Antrags I -

A - Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt I -

B - Das Protokoll von Cartagena I -

II - Die Fragen der Kommission und das Verfahren vor dem Gerichtshof I -

A - Die Fragen der Kommission I -

B - Das Verfahren vor dem Gerichtshof I -

III - Die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten und der Organe I -

A - Zur Zulässigkeit des Antrags I -

B - Zur Sache I -

1. Zusammenfassung I -

2. Das Vorbringen im Einzelnen I -

Stellungnahme des Gerichtshofes I -

I - Zur Zulässigkeit des Antrags I -

II - Zur Sache I -

Entscheidungsgründe:

I - Kontext des Antrags

A - Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (im Folgenden: Übereinkommen) wurde von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten am 5. Juni 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), dem Umweltgipfel", in Rio de Janeiro (Brasilien) unterzeichnet und durch den Beschluss 93/626/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 (ABl. L 309, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigt. Dieser Beschluss erging auf der Grundlage von Artikel 130s EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 175 EG).

Die Ziele des Übereinkommens sind nach dessen Artikel 1 die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile..."

Zu diesem Zweck sind die Vertragsparteien nach dem Übereinkommen u. a. verpflichtet,

- nationale Strategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu entwickeln und diese Gesichtspunkte in ihre einschlägigen Pläne, Programme und Politiken einzubeziehen (Artikel 6);

- Bestandteile der biologischen Vielfalt und Risikofaktoren zu bestimmen und zu überwachen (Artikel 7);

- In-situ- und Ex-situ-Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen (Artikel 8 und 9);

- Maßnahmen zu ergreifen, die die nachhaltige Nutzung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt, wissenschaftliche Forschung und Ausbildung, Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit, die Prüfung der Verträglichkeit von Vorhaben mit der biologischen Vielfalt, den Zugang zu genetischen Ressourcen und zur Technologie (einschließlich der Biotechnologie) sowie den Informationsaustausch und die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit fördern (Artikel 10 bis 18).

Artikel 19 Absatz 3 des Übereinkommens lautet:

Die Vertragsparteien prüfen die Notwendigkeit und die näheren Einzelheiten eines Protokolls über geeignete Verfahren, insbesondere einschließlich einer vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage, im Bereich der sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch Biotechnologie hervorgebrachten lebenden modifizierten Organismen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können."

Artikel 34 des Übereinkommens sieht Folgendes vor:

(1) Dieses Übereinkommen und jedes Protokoll bedürfen der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Staaten und durch die Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration....

(2) Jede in Absatz 1 bezeichnete Organisation, die Vertragspartei dieses Übereinkommens oder eines Protokolls wird, ohne dass einer ihrer Mitgliedstaaten Vertragspartei ist, ist durch alle Verpflichtungen aus dem Übereinkommen beziehungsweise dem Protokoll gebunden. Sind ein oder mehrere Mitgliedstaaten einer solchen Organisation Vertragspartei des Übereinkommens oder des betreffenden Protokolls, so entscheiden die Organisation und ihre Mitgliedstaaten über ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erfuellung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen beziehungsweise dem Protokoll. In diesen Fällen sind die Organisation und die Mitgliedstaaten nicht berechtigt, die Rechte aufgrund des Übereinkommens oder des betreffenden Protokolls gleichzeitig auszuüben.

(3) In ihren Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden erklären die in Absatz 1 bezeichneten Organisationen den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen oder das betreffende Protokoll erfassten Angelegenheiten. Diese Organisationen teilen dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit."

B - Das Protokoll von Cartagena

Die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens hat am 17. November 1997 die Entscheidung II/5 getroffen, mit der die Vertragsparteien beauftragt werden, ein Protokoll zu erarbeiten, in dem der Schwerpunkt auf der grenzüberschreitenden Verbringung durch moderne Biotechnologie hervorgebrachter lebender veränderter Organismen liegt, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können, und in dem insbesondere ein Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung vorgeschlagen wird".

Als Ergebnis dieser Arbeiten wurde am 29. Januar 2000 in Montreal (Kanada) das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit (im Folgenden: Protokoll) erlassen, das am 15. Mai 2000 in Nairobi (Kenia) zur Unterzeichnung aufgelegt und am 24. Mai 2000 im Namen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde.

Das Protokoll besteht aus 40 Artikeln und drei Anhängen.

Artikel 1 des Protokolls lautet:

Im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip in Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung bezweckt dieses Protokoll die Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus bei der sicheren Übertragung, Handhabung und Verwendung der durch moderne Biotechnologie hervorgebrachten lebenden veränderten Organismen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit berücksichtigt werden und ein Schwerpunkt auf der grenzüberschreitenden Verbringung liegt."

Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung sieht Folgendes vor:

Zum Schutz der Umwelt wenden die Staaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten umfassend den Vorsorgeansatz an. Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben."

Nach Artikel 4 gilt das Protokoll vorbehaltlich besonderer Vorschriften für Arzneimittel und für die Durchfuhr lebender veränderter Organismen (im Folgenden: LVO) und deren Anwendung in geschlossenen Systemen für die grenzüberschreitende Verbringung, die Durchfuhr, Handhabung und Verwendung aller lebenden veränderten Organismen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können, wobei auch den Risiken für die menschliche Gesundheit Rechnung getragen wird".

Artikel 2 Absatz 2 des Protokolls lautet:

Die Vertragsparteien stellen sicher, dass bei Entwicklung, Handhabung, Transport, Verwendung, Übertragung und Freisetzung von lebenden veränderten Organismen Risiken für die biologische Vielfalt vermieden oder verringert werden, wobei auch den Risiken für die menschliche Gesundheit Rechnung zu tragen ist."

Zu diesem Zweck werden im Protokoll verschiedene Kontrollverfahren geschaffen, insbesondere das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung" (Artikel 7 bis 10 und 12), das Verfahren bei lebenden veränderten Organismen, die für die unmittelbare Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen sind" (Artikel 11), und das vereinfachte Verfahren" (Artikel 13).

Weitere Bestimmungen des Protokolls behandeln die Beurteilung und Bewältigung der mit der Verwendung, Handhabung und grenzüberschreitenden Verbringung von LVO verbundenen Risiken (Artikel 15 und 16), die unbeabsichtigte grenzüberschreitende Verbringung und Notmaßnahmen (Artikel 17) sowie Handhabung, Transport, Verpackung und Identifizierung von LVO (Artikel 18).

Artikel 19 des Protokolls betrifft die Benennung der zuständigen nationalen Behörden und der innerstaatlichen Anlaufstellen sowie die Verbreitung dieser Informationen durch das Sekretariat. Artikel 20 sieht ein System zum Informationsaustausch und die Errichtung einer Informationsstelle für biologische Sicherheit vor und legt deren Aufgaben fest. Artikel 21 behandelt den Schutz der Vertraulichkeit von Angaben, die nach den Verfahren des Protokolls gemacht werden. Artikel 22 bestimmt, dass die Vertragsparteien beim Auf- und/oder Ausbau personeller Mittel und der Institutionen im Bereich der biologischen Sicherheit in den Entwicklungsländern unter den Vertragsparteien zusammenarbeiten. Nach Artikel 23 sollen die Vertragsparteien die Sensibilisierung und Mitarbeit der Öffentlichkeit fördern und erleichtern. Artikel 24 betrifft die Beziehungen der Vertragsparteien zu Staaten, die das Protokoll nicht unterzeichnet haben. Artikel 25 behandelt die rechtswidrige grenzüberschreitende Verbringung und sieht vor, dass die Vertragsparteien Maßnahmen zu deren Verhütung und Bestrafung treffen. Artikel 26 gestattet es den Vertragsparteien, sozioökonomische Erwägungen zu berücksichtigen, die sich aus den Auswirkungen der LVO auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ergeben. Nach Artikel 27 sollen internationale Regeln und Verfahren für die Haftung und Wiedergutmachung für Schäden ausgearbeitet werden, die durch die grenzüberschreitende Verbringung von LVO entstanden sind. Artikel 28 betrifft den Finanzierungsmechanismus des Protokolls und die finanziellen Mittel für dessen Umsetzung.

Das Protokoll enthält auch Bestimmungen organisatorischer Art; so betrifft Artikel 29 die Konferenz der Vertragsparteien", Artikel 30 die Nebenorgane und Artikel 31 das Sekretariat.

Artikel 32 des Protokolls lautet: Die Bestimmungen des Übereinkommens in Bezug auf seine Protokolle gelten auch für dieses Protokoll, sofern dem keine Bestimmungen dieses Protokolls entgegenstehen."

Die Artikel 33 und 34 des Protokolls betreffen die Einhaltung der Verpflichtungen durch die Vertragsparteien (Berichterstattung, Beschluss von Verfahren und Mechanismen der Zusammenarbeit). Nach Artikel 35 soll die Konferenz der Vertragsparteien in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit des Protokolls bewerten.

Die Artikel 36 bis 40 des Protokolls enthalten Schlussbestimmungen über die Unterzeichnung, das Inkrafttreten, die Unzulässigkeit von Vorbehalten, den Rücktritt vom Protokoll und dessen verbindliche Fassungen.

II - Die Fragen der Kommission und das Verfahren vor dem Gerichtshof

A - Die Fragen der Kommission

Vor der Vorlage eines Vorschlags für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Protokolls hat die Kommission, vertreten durch A. Rosas, G. zur Hausen und M. Afonso als Bevollmächtigte, beim Gerichtshof gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG die Erstellung eines Gutachtens über die insoweit geeignetste Rechtsgrundlage beantragt, da bei den Beratungen und der Annahme des Beschlusses über die Unterzeichnung des Protokolls im Namen der Gemeinschaft durch den Rat Meinungsverschiedenheiten zwischen der Kommission und dem Rat aufgetreten sind. Während sich der Vorschlag der Kommission auf die Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG stützte, nahm der Rat den Beschluss am 15. Mai 2000 einstimmig allein auf der Grundlage von Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit der genannten Bestimmung von Artikel 300 EG an.

Da der Wegfall von Artikel 133 EG als Rechtsgrundlage des Beschlusses über den Abschluss des Protokolls nach Ansicht der Kommission gegen die der Gemeinschaft durch den EG-Vertrag im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik eingeräumte externe Zuständigkeit verstoßen würde, hat sie beschlossen, dem Gerichtshof folgende Fragen zu stellen:

1. Stellen die Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG die geeignete Rechtsgrundlage für das Instrument zum Abschluss des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit durch die Europäische Gemeinschaft dar?

2. Wenn die erste Frage mit ja beantwortet wird: Haben die Zuständigkeiten, über die die Mitgliedstaaten im Bereich des Umweltschutzes verfügen und die ihre Teilnahme am Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit rechtfertigen können, im Verhältnis zur überwiegenden Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Übernahme internationaler Verpflichtungen in den vom Protokoll behandelten Bereichen den Charakter einer Restzuständigkeit?

B - Das Verfahren vor dem Gerichtshof

Gemäß Artikel 107 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes ist der Gutachtenantrag dem Rat der Europäischen Union, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten zugestellt worden. Stellungnahmen haben eingereicht:

- die dänische Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,

- die hellenische Regierung, vertreten durch E. Samoni-Rantou, G. Karipsiadis und P. Patronos als Bevollmächtigte,

- die spanische Regierung, vertreten durch R. Silva de Lapuerta als Bevollmächtigte,

- die französische Regierung, vertreten durch R. Abraham, D. Colas und G. de Bergues als Bevollmächtigte,

- die italienische Regierung, vertreten durch U. Leanza und M. C. Ciciriello als Bevollmächtigte,

- die österreichische Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,

- die Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von R. Plender, QC,

- das Europäische Parlament, vertreten durch R. Passos und K. Bradley als Bevollmächtigte,

- der Rat der Europäischen Union, vertreten durch J.-P. Jacqué, R. Gosalbo Bono und G. Houttuin als Bevollmächtigte.

III - Die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten und der Organe

A - Zur Zulässigkeit des Antrags

Die Kommission rechtfertigt die Anrufung des Gerichtshofes damit, dass die Gemeinschaft nach Artikel 34 des Übereinkommens verpflichtet sei, bei Hinterlegung der Genehmigungsurkunde den Umfang ihrer Zuständigkeiten in den vom Protokoll umfassten Bereichen zu erklären. Der Vorschlag für einen Beschluss über den Abschluss des Protokolls, den die Kommission dem Rat gemäß Artikel 300 Absatz 2 EG vorlege, müsse daher eine Erklärung über die Zuständigkeiten der Gemeinschaft enthalten, in der gegebenenfalls die vom Protokoll umfassten Bereiche angegeben würden, die - wie der von Artikel 133 EG erfasste Bereich - in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fielen.

Die Kommission räumt ein, dass die Auseinandersetzung über die Rechtsgrundlage keine Auswirkungen auf das intern anwendbare Verfahren einschließlich der Teilnahme des Parlaments an diesem Verfahren habe. Unabhängig davon, ob der Beschluss über den Abschluss des Protokolls durch die Gemeinschaft aufgrund von Artikel 175 Absatz 1 EG oder aufgrund der Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG gefasst werde, beschließe der Rat in beiden Fällen mit qualifizierter Mehrheit nach Anhörung oder gegebenenfalls nach Zustimmung des Parlaments (vgl. Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG). Die Antwort des Gerichtshofes auf die gestellten Fragen würde jedoch bei der Durchführung des Protokolls und insbesondere bei der Ausübung des Stimmrechts für Rechtssicherheit sorgen (in diesem Sinne auch Urteil vom 19. März 1996 in der Rechtssache C-25/94, Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1469).

Die Ausübung einer geteilten Zuständigkeit werfe insoweit immer Probleme auf. Damit die Gemeinschaftsorgane in den vom Protokoll vorgesehenen Einrichtungen die im Namen der Gemeinschaft zu vertretenden Positionen festlegen könnten, müssten die Mitgliedstaaten anerkennen, dass sie weder einzeln noch selbst gemeinsam handelnd berechtigt seien, in den betreffenden Bereichen Verpflichtungen einzugehen. Gemäß Artikel 31 Absatz 2 des Übereinkommens, der nach Artikel 32 des Protokolls auf dieses anwendbar sei, übten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration... in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens oder des betreffenden Protokolls sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt."

Die spanische und die französische Regierung sowie der Rat halten den Antrag angesichts der in Artikel 300 Absatz 6 EG aufgestellten Voraussetzungen für unzulässig.

Die spanische Regierung trägt vor, nach dieser Bestimmung könne ein Gutachten des Gerichtshofes über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit dem Vertrag eingeholt werden. Aus den Gutachten des Gerichtshofes ergebe sich, dass diese Vereinbarkeit nicht nur von den materiellen Vorschriften abhängen könne, sondern auch von den Vorschriften über die Zuständigkeit, das Verfahren oder das institutionelle Gefüge der Gemeinschaft (vgl. Gutachten 1/75 vom 11. November 1975, Slg. 1975, 1355, 1360, 1/76 vom 26. April 1977, Slg. 1977, 741, Randnr. 10, und 1/78 vom 4. Oktober 1979, Slg. 1979, 2871, Randnr. 30), und dass ein Gutachten des Gerichtshofes namentlich zu Fragen der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten eingeholt werden könne (Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, Slg. 1994, I-5267, Randnr. 9).

Im vorliegenden Fall beantrage die Kommission aber nicht, dass sich der Gerichtshof zur Vereinbarkeit des Protokolls mit dem Vertrag oder zur Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten in Bezug auf das Protokoll äußere, sondern frage nur nach der geeigneten Rechtsgrundlage für dessen Abschluss.

Auch die französische Regierung bezweifelt, dass die von der Kommission gestellten Fragen die Voraussetzungen von Artikel 300 Absatz 6 EG nach dessen Auslegung durch den Gerichtshof erfuellten. Der Gerichtshof habe sich für zuständig erklärt, die Vereinbarkeit eines Vertrages im Hinblick auf die Schwierigkeiten zu prüfen, die sich aus den für das fragliche Abkommen gewählten Abschlussmodalitäten ergeben könnten.

Was die erste Frage anbelange, so bestreite die Kommission weder, dass die Gemeinschaft für den Abschluss des Protokolls zuständig sei, noch, dass die Mitgliedstaaten ausreichende Zuständigkeiten behielten, die ihre Teilnahme am Protokoll neben der Gemeinschaft rechtfertigten. Die Frage beziehe sich nur auf die Rechtsgrundlage, anhand deren die Gemeinschaft das Protokoll abschließen könne. So wie die erste Frage gestellt werde, komme daher ein ablehnendes Gutachten des Gerichtshofes nicht in Betracht.

Eine falsche Rechtsgrundlage stelle zwar einen Verfahrensfehler dar, der im Fall einer Nichtigkeitsklage oder eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Ungültigkeit der Entscheidung über den Abschluss des Protokolls führen könne. Dabei scheine es sich um einen Fall wie den zu handeln, in dem ein Abkommen wegen der Form seines Zustandekommens für unvereinbar mit dem Vertrag erklärt werde (Gutachten 3/94 vom 13. Dezember 1995, Slg. 1995, I-4577, Randnr. 17).

Hier könne davon jedoch keine Rede sein, denn selbst bei Heranziehung mehrerer Rechtsgrundlagen sei das Verfahren des Artikels 174 EG oder des Artikels 175 EG anzuwenden, da es die Rechte des Parlaments am besten schütze.

Mit der zweiten Frage werde ein rein theoretisches Problem aufgeworfen, das die Anerkennung der neuartigen Konzepte einer überwiegenden Zuständigkeit" der Gemeinschaft und einer Restzuständigkeit" der Mitgliedstaaten im Gemeinschaftsrecht betreffe. Es sei nicht erkennbar, aus welchem Grund die Anerkennung oder Nichtanerkennung des residualen Charakters der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten die Vereinbarkeit des Protokolls mit dem Vertrag in Frage stellen würde oder inwiefern das Verfahren zur Änderung des Vertrages von einer etwaigen Beantwortung dieser Frage durch den Gerichtshof betroffen wäre.

Der Rat vertritt einen ähnlichen Standpunkt. Er fügt hinzu, Ziel der Kommission sei es, die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik unter Außerachtlassung der spezifischen umweltbezogenen Vertragsbestimmungen auf den Umweltbereich auszudehnen, um die praktischen Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich aus dem Abschluss gemischter Übereinkommen ergäben. Mit einer solchen Argumentation könne aber keine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft begründet werden.

Der Rat frage sich daher, ob das von der Kommission angestrebte Ziel nicht mit einer Klage gemäß Artikel 230 EG auf Nichtigerklärung des Beschlusses über die Unterzeichnung des Protokolls hätte erreicht werden können. Der Gerichtshof habe zwar im Gutachten 2/92 vom 24. März 1995 (Slg. 1995, I-521, Randnr. 14) ausgeführt, die Tatsache, dass bestimmte Fragen im Rahmen anderer Verfahrensarten behandelt werden könnten, schließe deren Vorabprüfung aufgrund von Artikel 300 EG nicht aus. Würde der Antrag der Kommission im vorliegenden Fall für zulässig erklärt, so würde dies jedoch zu einer Umgehung der für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage vorgeschriebenen Frist führen; die Klage gegen den Beschluss über die Unterzeichnung des Protokolls hätte bis spätestens 15. Juli 2000 eingereicht werden müssen, während der Gutachtenantrag erst am 23. Oktober 2000 gestellt worden sei.

Das Parlament bejaht dagegen ausdrücklich die Zulässigkeit des Gutachtenantrags.

Im vorliegenden Fall beeinflusse die Wahl der Rechtsgrundlage die rechtliche Natur der Zuständigkeit der Gemeinschaft und damit die Zuständigkeitsverteilung zwischen ihr und den Mitgliedstaaten. Werde die Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik tätig, so sei sie ausschließlich zuständig, während sie sich die Zuständigkeit im Bereich des Umweltschutzes mit den Mitgliedstaaten teile. Es sei anerkannt, dass ein Gutachten des Gerichtshofes gemäß Artikel [300 Absatz 6 EG] namentlich zu Fragen eingeholt werden [kann], die... die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten betreffen" (Gutachten 2/92, Randnr. 13).

Im Übrigen wäre der Gerichtshof auch dann, wenn die Wahl der Rechtsgrundlage nicht die Art der Zuständigkeit der Gemeinschaft, sondern lediglich das zur Annahme des Rechtsakts, mit dem ein Übereinkommen geschlossen werde, durchzuführende Verfahren beträfe, für die Entscheidung über diese Frage gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG zuständig.

Die Wahl der Rechtsgrundlage eines völkerrechtlichen Abkommens könne sich auf dessen Vereinbarkeit mit dem Vertrag auswirken und deshalb im Rahmen eines Gutachtens geprüft werden, das der Gerichtshof gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG abgebe. Es liege auf der Hand, dass genau die Verwicklungen eintreten würden, die mit der Einrichtung des Verfahrens der Vorabkontrolle verhindert werden sollten, wenn der Beschluss des Rates über den Abschluss des Protokolls später für nichtig erklärt würde, weil er sich auf eine falsche Rechtsgrundlage stütze.

B - Zur Sache

1. Zusammenfassung

Die Kommission trägt vor, die Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG in Verbindung mit den maßgeblichen Bestimmungen des Artikels 300 EG stellten die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls durch die Gemeinschaft dar, die in den vom Protokoll erfassten Bereichen im Vergleich zu den Zuständigkeiten, die die Mitgliedstaaten in Bezug auf den Umweltschutz behielten, über eine überwiegende Zuständigkeit verfüge.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten, die schriftliche Stellungnahmen eingereicht haben, sowie der Rat sind dagegen der Auffassung, dass Artikel 175 Absatz 1 EG heranzuziehen sei. Unter diesen Umständen brauche die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

Auch das Parlament sieht in Artikel 175 Absatz 1 EG die angemessene Rechtsgrundlage für den Rechtsakt zum Abschluss des Protokolls. Da das Protokoll erhebliche Auswirkungen auf den Handel mit LVO habe, sei aber auch Artikel 133 EG heranzuziehen.

2. Das Vorbringen im Einzelnen

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass der Abschluss des Protokolls aufgrund von dessen Ziel und Inhalt im Wesentlichen in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft nach Artikel 133 EG falle. Die wirksame Verteidigung des Gesamtinteresses der Gemeinschaft und damit des Interesses aller Mitgliedstaaten verlange, dass das Protokoll auf der Grundlage dieser Bestimmung geschlossen werde.

Da im Protokoll jedoch bestimmte Bereiche behandelt würden, die nicht zur gemeinsamen Handelspolitik zählten, ohne dass die fraglichen Bestimmungen als Nebenbestimmungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes angesehen werden könnten, beruhe die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Übernahme der entsprechenden internationalen Verpflichtungen auf Artikel 174 Absatz 4 EG.

Die in den vom Protokoll erfassten Bereichen bei den Mitgliedstaaten verbleibenden Zuständigkeiten zum Erlass nationaler Vorschriften und zum Abschluss internationaler Vereinbarungen hätten im Vergleich zur überwiegenden Zuständigkeit der Gemeinschaft nur den Charakter einer Restzuständigkeit. Die Teilnahme der Mitgliedstaaten am Protokoll sei somit auf die Ausübung allein dieser Zuständigkeiten beschränkt; der Sache nach handele es sich ausschließlich um die Bestimmungen über die Anwendung ausreichender Sicherheitsregeln für die Entwicklung, den Transport, die Verwendung, die Übertragung und die Freisetzung von LVO außerhalb des internationalen Handels und über die unbeabsichtigte grenzüberschreitende Verbringung von LVO. Insoweit berühre die Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Zusammenarbeit und zum Abschluss von Übereinkommen mit Drittstaaten und internationalen Organisationen nach Artikel 174 Absatz 4 EG nicht die externe Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Deshalb sei es rechtlich angebracht, eine zweifache Rechtsgrundlage in Form der Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG zu wählen, ohne die Teilnahme der Mitgliedstaaten am Protokoll a priori auszuschließen. Bei der Abgabe der Zuständigkeitserklärung und im Rahmen der Durchführung des Protokolls müsse jedoch klar sein, dass die Gemeinschaft im überwiegenden Teil der betroffenen Bereiche nach Artikel 133 EG über eine ausschließliche Zuständigkeit verfüge, während die Mitgliedstaaten nur bei einer begrenzten Zahl von Fragen, nämlich denjenigen, die den Handel mit LVO zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten nicht berührten, konkurrierende Zuständigkeiten behielten.

Was speziell die Tragweite von Artikel 133 EG anbelange, so vertrete der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung seit langem eine weite Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Handelspolitik (vgl. Gutachten 1/78, Randnr. 45). Die Tatsache, dass mit einer den internationalen Handel mit bestimmten Erzeugnissen betreffenden Regelung im Wesentlichen nicht handelsbezogene Ziele - wie z. B. der Schutz der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit, die Entwicklungszusammenarbeit, außen- und sicherheitspolitische Zwecke oder agrarpolitische Ziele - verfolgt würden, könne nicht dazu führen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft entfalle und die Heranziehung z. B. von Artikel 175 EG gerechtfertigt sei. Mit Maßnahmen zur Regelung des internationalen Warenhandels würden in der Praxis häufig mehrere unterschiedliche Ziele verfolgt, was jedoch nicht bedeute, dass sie auf der Grundlage der verschiedenen Vertragsbestimmungen, die diesen Zielen gewidmet seien, angenommen werden müssten.

Nach ständiger Rechtsprechung fielen Maßnahmen, die speziell zur Regelung des internationalen Handels und damit des Außenhandels der Gemeinschaft dienten, unter die gemeinsame Handelspolitik, auch wenn mit ihnen mehrere Ziele verfolgt würden, und die Gemeinschaft sei für ihre Annahme allein zuständig, ohne dass ihr überwiegendes Ziel oder der Schwerpunkt" der fraglichen Maßnahmen bestimmt werden müsste (in diesem Sinne auch Urteile vom 29. März 1990 in der Rechtssache C-62/88, Griechenland/Rat, Slg. 1990, I-1527, Randnrn. 17 bis 20 [im Folgenden: Urteil Tschernobyl"], vom 26. März 1987 in der Rechtssache 45/86, Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493, Randnrn. 16 bis 20, vom 17. Oktober 1995 in den Rechtssachen C-70/94, Werner, Slg. 1995, I-3189, Randnrn. 8 bis 11, und C-83/94, Leifer u. a., Slg. 1995, I-3231, Randnrn. 8 bis 11, und vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-124/95, Centro-Com, Slg. 1997, I-81, Randnrn. 26 bis 29, sowie Gutachten 1/78, Randnrn. 41 bis 46, und 1/94, Randnrn. 28 bis 31).

Artikel 6 EG stehe voll und ganz im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Er sehe vor, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 EG genannten Politiken und Maßnahmen einbezogen werden müssten. Mehrere aktuelle Initiativen der Kommission zeugten von der Bedeutung, die sie der Einbeziehung nicht handelsbezogener Anliegen, insbesondere von Fragen des Umweltschutzes und des Schutzes der menschlichen Gesundheit, in die Wirtschafts- und Handelspolitik der Gemeinschaft beimesse. Nicht handelsbezogene Erwägungen seien im Übrigen bereits im Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO-Übereinkommen) und dessen Anhängen anerkannt und insbesondere in Artikel XX des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), in das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (im Folgenden: SPS-Übereinkommen) und in das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (im Folgenden: TBT-Übereinkommen) aufgenommen worden, ohne dass der Gerichtshof in Randnummer 34 seines Gutachtens 1/94 deswegen die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss aller multilateralen Handelsübereinkünfte gemäß Artikel 113 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 133 EG) verneint habe.

Überdies habe der Gerichtshof bereits festgestellt, dass Artikel 133 EG auch dann als geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss von Übereinkommen zum internationalen Warenhandel durch die Gemeinschaft anzusehen sei, wenn die internen Durchführungsmaßnahmen für die damit eingegangenen Verpflichtungen auf einer anderen Rechtsgrundlage zu treffen seien. So stützten sich interne Durchführungsmaßnahmen für internationale Verpflichtungen, die im Bereich der Landwirtschaft gemäß Artikel 133 EG eingegangen worden seien, auf Artikel 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) (vgl. Gutachten 1/94, Randnr. 29). Auch das Fehlen einer vollständigen innergemeinschaftlichen Harmonisierung in einem Bereich, der von internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft abgedeckt werde, schließe den Rückgriff auf Artikel 133 EG als einzige Rechtsgrundlage nicht aus, wenn das betreffende Übereinkommen unnötige Hemmnisse für den internationalen Warenhandel verhindern solle (Gutachten 1/94, Randnrn. 30 bis 33).

Angesichts der Vervielfachung von Übereinkommen, die dem internationalen Handelsverkehr zur Förderung so genannter nicht handelsbezogener Anliegen Beschränkungen auferlegten, würde die Heranziehung anderer Rechtsgrundlagen den Regelungsgehalt von Artikel 133 EG aushöhlen und die Kohärenz der Politik der Gemeinschaft gegenüber ihren Handelspartnern sowie das Gesamtinteresse der Gemeinschaft beeinträchtigen, da alle oder einige Mitgliedstaaten an derartigen Übereinkommen teilnähmen.

Was schließlich die Bestimmungen des Protokolls anbelange, deren Regelungsgehalt über den internationalen Handel mit LVO hinausgehe, so lasse sich dem Urteil vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-284/95 (Safety Hi-Tech, Slg. 1998, I-4301, Randnr. 43) nicht entnehmen, dass Artikel 175 Absatz 1 EG statt Artikel 174 Absatz 4 EG heranzuziehen sei. In der letztgenannten Bestimmung werde der Gemeinschaft ausdrücklich die Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkommen im Bereich des Umweltschutzes verliehen. Hinsichtlich der anzuwendenden Verfahrensregeln werde dort auf Artikel 300 EG verwiesen.

Die Mitgliedstaaten blieben nach Artikel 174 Absatz 4 EG nur insoweit für die Aushandlung und den Abschluss internationaler Übereinkommen im Bereich des Umweltschutzes zuständig, als diese mit dem Vertrag vereinbare verstärkte Schutzmaßnahmen darstellten und der Kommission notifiziert worden seien. Die strikte Einhaltung dieser Bedingungen sei zur Gewährleistung der Einheit des Binnenmarkts und der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts unerlässlich.

Im Ergebnis ersucht die Kommission den Gerichtshof, die beiden von ihr gestellten Fragen zu bejahen.

Die dänische Regierung trägt vor, Artikel 175 Absatz 1 EG stelle in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG die geeignete und ausreichende Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls durch die Gemeinschaft dar.

Sie verweist insoweit unter Nennung mehrerer Beispiele auf die frühere Praxis des Rates hinsichtlich der Wahl der Rechtsgrundlage für den Abschluss von Übereinkommen im Bereich des Umweltschutzes, auch wenn dies für sich genommen kein ausschlaggebendes Argument sei. Der Rat habe sich, abgesehen von einer Ausnahme, regelmäßig auf Artikel 130s EG-Vertrag oder auf Absatz 1 dieser Bestimmung gestützt und die verschiedenen Vorschläge der Kommission verworfen.

Diese Praxis stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteile vom 17. März 1993 in der Rechtssache C-155/91, Kommission/Rat, Slg. 1993, I-939 [im Folgenden: Urteil Abfallrichtlinie";], und vom 28. Juni 1994 in der Rechtssache C-187/93, Parlament/Rat, Slg. 1994, I-2857), der auf den Hauptgegenstand des fraglichen Rechtsakts - den Umweltschutz - abgestellt habe, während die Harmonisierung der Marktbedingungen innerhalb der Gemeinschaft mit einem solchen Rechtsakt nur nebenbei angestrebt werde.

Zur Ermittlung der geeigneten Rechtsgrundlage des Rechtsakts zum Abschluss des Protokolls sei nach ständiger Rechtsprechung zu prüfen, ob das Protokoll nach Ziel und Inhalt vor allem den Bereich des Umweltschutzes betreffe oder ob die wirtschaftlichen Aspekte darin eine gleichwertige oder sogar wichtigere Rolle spielten.

Das Protokoll gehöre zu einer Reihe von Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zum Schutz und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Auch das Übereinkommen betreffe im Wesentlichen die Umwelt, und die Gemeinschaft sei ihm gemäß Artikel 130s Absatz 1 EG-Vertrag beigetreten (vgl. dazu die Präambel des Protokolls und seine Artikel 1 und 4).

Dass in Artikel 1 des Protokolls der Schwerpunkt auf die grenzüberschreitende Verbringung gelegt werde, liege daran, dass die biologischen Bedingungen von einem Staat zum anderen erheblich voneinander abwichen, dass die Unterschiede im Entwicklungsstand der Staaten bei der modernen Biotechnologie besondere Bedrohungen für die biologische Vielfalt mit sich brächten und dass die Regelung der mit den LVO verbundenen Gefahren unvollständig wäre, wenn es keine Vorschriften über die grenzüberschreitende Verbringung gäbe. Daher sei bei der Ausarbeitung des Protokolls nicht die Menge oder der Wert der den Gegenstand solcher Verbringungen bildenden LVO ausschlaggebend gewesen, sondern die potenziellen Gefahren für die biologische Vielfalt. Es entspreche im Übrigen dem Wesen eines multilateralen Übereinkommens im Umweltbereich, dass der Schwerpunkt mehr auf grenzüberschreitende als auf innerstaatliche Aspekte gelegt werde. Die Komplexität der fraglichen Materie erkläre auch die Vielzahl von Artikeln, die speziell die grenzüberschreitende Verbringung beträfen. Dies bedeute jedoch nicht, dass die übrigen Bestimmungen des Protokolls völlig nebensächlich seien.

Die Regelung für grenzüberschreitende Verbringungen von LVO, die im Übrigen keine wirtschaftliche Zielsetzung habe, stelle daher nicht den Hauptinhalt des Protokolls dar. Es sei in erster Linie ein Übereinkommen im Umweltbereich, das zur Regelung der mit den LVO verbundenen Gefahren für die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit diene.

Es treffe zu, dass Artikel 133 EG in der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein weiter Anwendungsbereich zuerkannt worden sei und dass die gemeinsame Handelspolitik nicht nur die klassischen handelspolitischen Instrumente umfasse. Es müsse sich jedoch stets um Instrumente handeln, die an eine Regelung zur Förderung oder Erleichterung des Handels anknüpften. Dass der EG-Vertrag in seiner aktuellen Fassung die Einbeziehung des Umweltschutzes in die übrigen Gemeinschaftspolitiken vorsehe, könne nicht dahin ausgelegt werden, dass seine Umweltvorschriften in geringerem Maß als zuvor als Rechtsgrundlage für Übereinkommen heranzuziehen seien, die nach ihrer Zielsetzung und ihrem Inhalt in erster Linie den Umweltbereich beträfen.

Artikel 174 Absatz 4 EG könne nicht als Rechtsgrundlage für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge im Umweltbereich dienen. Darin würden nur die allgemeinen Ziele des Handelns der Gemeinschaft in diesem Bereich festgelegt (in diesem Sinne auch Urteil Safety Hi-Tech und Urteil vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-341/95, Bettati, Slg. 1998, I-4355). Schon nach ihrem Wortlaut verpflichte diese Bestimmung die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft nur, im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse" mit Drittländern und internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten.

Schließlich sprächen auch Argumente mehr politischer Art gegen den Standpunkt der Kommission. Es sei unverständlich, weshalb sie diese Gelegenheit genutzt habe, um ihre Abneigung gegenüber gemischten Übereinkommen zum Ausdruck zu bringen, da das Protokoll auf jeden Fall ein gemischtes Übereinkommen bleibe, auch wenn die von der Kommission befürwortete Rechtsgrundlage gewählt werde. Im vorliegenden Fall hätten die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle bei den schwierigen Verhandlungen über das Protokoll gespielt, die speziell im Hinblick auf den Abschluss eines gemischten Übereinkommens geführt worden seien. Diese Verhandlungen hätten klar gezeigt, dass die von der Kommission geltend gemachten Schwierigkeiten die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten nicht daran hinderten, bei der Aushandlung und dem Abschluss gemischter Übereinkommen eine bedeutende Rolle zu spielen.

Im Ergebnis ist die dänische Regierung der Auffassung, dass der Gerichtshof die erste Frage verneinen sollte und dass daher die zweite Frage nicht beantwortet zu werden brauche.

Die hellenische Regierung ist ebenfalls der Ansicht, dass das Protokoll eindeutig zum Umweltvölkerrecht gehöre.

Sie führt aus, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müsse sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände stützen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des gesamten Rechtsakts gehörten (vgl. Urteile vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-5755, Randnr. 25, und vom 3. Dezember 1996 in der Rechtssache C-268/94, Portugal/Rat, Slg. 1996, I-6177). Die bloße Tatsache, dass ein Übereinkommen im Umweltbereich handelspolitische Elemente enthalte, könne es nicht zu einem Handelsübereinkommen machen, wie auch Umweltfaktoren in einem Abkommen mit im Wesentlichen handelspolitischer Natur nichts an dessen Charakter als Handelsübereinkommen änderten.

Die Prüfung der Ziele des Protokolls und der allgemeinen Systematik seiner Bestimmungen führe zwingend zu dem Schluss, dass es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag handele, der vor allem umweltpolitischen Charakter habe.

Der Standpunkt der Kommission stehe im Übrigen nicht im Einklang mit der allgemeinen Vorgehensweise der Gemeinschaft in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung, die sie namentlich bei den Verhandlungen über das Protokoll vertreten habe. Er trage insoweit nicht der Bedeutung von Artikel 22 des Übereinkommens Rechnung, in dem es heiße: Dieses Übereinkommen lässt die Rechte und Pflichten einer Vertragspartei aus bestehenden völkerrechtlichen Übereinkünften unberührt, außer wenn die Wahrnehmung dieser Rechte und Pflichten die biologische Vielfalt ernsthaft schädigen oder bedrohen würde." Das Kriterium des Umweltschutzes sei daher für die Auslegung des Protokolls maßgebend (in diesem Sinne auch die Artikel 1, 2 Absatz 4, 4, 7 Absatz 4, 10 Absatz 6, 11 Absatz 8, 15, 16 Absatz 2, 17 und 26 des Protokolls). Wenn Artikel 133 EG als Rechtsgrundlage herangezogen und dem Protokoll ein im Wesentlichen handelspolitischer Charakter beigemessen würde, hätte dies aber verheerende" Auswirkungen auf seine künftige Auslegung und Anwendung.

Wenn das Protokoll in erster Linie zur Regelung des internationalen Handels dienen würde, wäre es im Rahmen der WTO geschlossen worden - wie es die Vereinigten Staaten von Amerika im Übrigen gewünscht hätten - und nicht im Rahmen des Übereinkommens.

Zu berücksichtigen sei auch, dass das Protokoll auf der Anwendung des Vorsorgeprinzips beruhe, das ein Grundprinzip des Umweltrechts sei.

Die These der Kommission, dass Artikel 133 EG nicht seiner Substanz beraubt werden dürfe, könnte im Übrigen gegen die von ihr vertretene Auslegung dieser Bestimmung sprechen, da diese darauf hinauslaufen würde, eine Reihe anderer Bestimmungen des Vertrages ihres Regelungsgehalts zu berauben.

Da das Protokoll auf den Artikeln 17 und 19 Absätze 3 und 4 des Übereinkommens beruhe (vgl. die zweite Begründungserwägung seiner Präambel), sei es rechtlich folgerichtig, dass die Gemeinschaft das Protokoll auf der Grundlage der gleichen Zuständigkeit genehmige, d. h. auf der Grundlage von Artikel 175 EG, auf den im Übrigen bei jeder Maßnahme im Umweltbereich zurückgegriffen werde.

Im Ergebnis ist die hellenische Regierung der Auffassung, dass Artikel 175 Absatz 1 EG die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls sei.

Sie fügt hinzu, die von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen der überwiegenden Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Restzuständigkeit der Mitgliedstaaten sei rechtlich inakzeptabel und lasse ein Werturteil hinsichtlich der gemischten Zuständigkeiten erkennen, deren Existenz der gegenwärtigen Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten entspreche. Aus dem gleichen Grund griffen die Erwägungen der Kommission zu den Schwierigkeiten bei Abschluss und Durchführung gemischter Übereinkommen nicht durch. Würde ihnen gefolgt, so würde dies darauf hinauslaufen, der Gemeinschaft allein deshalb eine ausschließliche Zuständigkeit für alle im Vertrag vorgesehenen Maßnahmen einzuräumen, weil die gemeinsame Ausübung von Zuständigkeiten mit den Mitgliedstaaten zu praktischen Schwierigkeiten führe.

Die spanische Regierung macht geltend, das Protokoll sei ein völkerrechtlicher Vertrag, dessen Inhalt im Wesentlichen der Umwelt gewidmet sei, so dass die einzige Rechtsgrundlage für seine Genehmigung Artikel 175 Absatz 1 EG sei.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könne die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts nicht von der Überzeugung eines Gemeinschaftsorgans abhängen, sondern müsse sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände stützen (vgl. u. a. Urteil Kommission/Rat vom 26. März 1987, Randnr. 11). Zu diesen Kriterien gehörten insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts (vgl. u. a. Urteil vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-271/94, Parlament/Rat, Slg. 1996, I-1689, Randnr. 14), wobei das rein akzessorische Ziel eines Rechtsakts nicht zur Rechtfertigung der Wahl einer Rechtsgrundlage dienen könne (vgl. z. B. Urteil Abfallrichtlinie";) und ein Organ, wenn seine Zuständigkeit auf zwei Bestimmungen des Vertrages beruhe, den fraglichen Rechtsakt auf der Grundlage beider Bestimmungen erlassen müsse, es sei denn, die Kumulierung der Rechtsgrundlagen würde die Rechte des Parlaments aushöhlen (vgl. Urteil vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-300/89, Kommission/Rat, Slg. 1991, I-2867 [im Folgenden: Urteil Titandioxid";]).

Im vorliegenden Fall betreffe das Protokoll nach Ziel und Inhalt speziell die Umweltpolitik und wirke sich nur nebenbei auf den internationalen Warenhandel aus. Wie sich aus Artikel 4 des Protokolls ergebe, habe es nicht die Regelung des Handels mit LVO zum Gegenstand, sondern den Erlass von Maßnahmen, die die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt gewährleisteten (in diesem Sinne auch die Artikel 2, 17, 20, 22, 23 und 26 des Protokolls). Die grenzüberschreitende Verbringung von LVO sei nur deshalb ebenso wie deren Durchfuhr, Handhabung und Verwendung Gegenstand einer Regelung, um nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu verhindern.

Es sei zwar richtig, dass der Gerichtshof eine weite Auslegung der Handelspolitik vertrete, die auch die Entwicklung der internationalen Handelsbeziehungen einschließe; dies bedeute aber keineswegs, dass ein völkerrechtlicher Vertrag, dessen Hauptziel der Schutz der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit sei, auf der Grundlage von Artikel 133 EG geschlossen werden müsse, weil er Auswirkungen auf den internationalen Handel haben könnte, denn damit würden die anderen Politiken der Gemeinschaft ihres Inhalts beraubt.

Im Übrigen seien die Schwierigkeiten bei der Durchführung und Anwendung eines gemischten Übereinkommens für die Frage der Rechtsgrundlage unerheblich.

Schließlich würden in Artikel 174 EG nur allgemeine Ziele aufgestellt (vgl. Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-379/92, Peralta, Slg. 1994, I-3453, Randnr. 57, sowie die Urteile Safety Hi-Tech, Randnr. 43, und Bettati, Randnr. 41), und zugleich werde in Absatz 4 die Existenz geteilter Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten im Bereich völkerrechtlicher Verträge über den Umweltschutz anerkannt, ohne dass jedoch das Verfahren für den Abschluss solcher Verträge festgelegt werde. Insoweit sei auf Artikel 175 EG zurückzugreifen. Dieser Artikel sei die einzige Bestimmung, die die Rechtsgrundlage für eine - interne oder externe - Umweltnorm darstellen könne.

Diese Auslegung werde durch die ständige Praxis der Gemeinschaft bestätigt.

Die französische Regierung trägt zunächst vor, mit dem Protokoll sollten die Ziele des Übereinkommens umgesetzt werden, das die Gemeinschaft auf der Grundlage von Artikel 130s EG-Vertrag geschlossen habe. Während der Verhandlungen, die zum Abschluss des Protokolls geführt hätten, habe die Gemeinschaft eine sehr aktive Rolle gespielt, und sie und ihre Mitgliedstaaten seien ganz geschlossen aufgetreten, so dass die Ziele der Europäischen Union angemessen berücksichtigt worden seien.

Allgemein sei allein Artikel 175 EG die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls; die Konzepte der Restzuständigkeit und der überwiegenden Zuständigkeit seien - falls sie im Gemeinschaftsrecht überhaupt existierten - im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Zur ersten Frage gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervor, dass Artikel 175 EG eine ausreichende Grundlage für den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages darstelle, der es der Gemeinschaft erlaube, Bestimmungen zum Umweltschutz zu erlassen, die Auswirkungen auf den internationalen Handel hätten, ohne dass sie ihn begünstigen oder auch nur regeln sollten. Diese Bestimmung dürfe nur dann zusammen mit Artikel 133 EG angewandt werden, wenn die betreffenden Maßnahmen in untrennbarer Weise auf den Schutz der Umwelt und die Förderung des internationalen Handels abzielten (vgl. zum Verhältnis zwischen der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarkts einerseits und dem Umweltschutz andererseits die Urteile Titandioxid"; und Abfallrichtlinie"). Hinzuweisen sei auch auf das Urteil Parlament/Rat vom 28. Juni 1994 und auf die Nummern 42 bis 44 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in dieser Rechtssache, in denen zwischen Maßnahmen, die zur Verwirklichung des Binnenmarkts beitrügen und für die Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) als Rechtsgrundlage heranzuziehen sei, und Maßnahmen unterschieden werde, die sich auf den Handelsverkehr auswirkten und für die eine solche Bestimmung keine erforderliche Rechtsgrundlage sei.

Wie Generalanwalt Jacobs ausgeführt habe, handele es sich bei einer Maßnahme, die - entsprechend dem Urteil Titandioxid"; - die Heranziehung einer den Binnenmarkt betreffenden Rechtsgrundlage erfordere, um eine Maßnahme zur Festlegung der Merkmale, die eine Ware aufweisen müsse, um innerhalb des Binnenmarkts frei in Umlauf sein zu können. Allein Artikel 175 EG erlaube dagegen den Erlass von Maßnahmen, die ein harmonisiertes System von Verfahren schüfen, durch die die Verbringung einer Ware zum Zweck des Umweltschutzes verhindert und kontrolliert werden könne.

Die französische Regierung verweist auch auf die Gemeinschaftspraxis der letzten Jahre und nennt eine Reihe von multilateralen Umweltübereinkommen" oder innerstaatlichen Rechtsakten zur Umsetzung solcher Übereinkommen, die auf Artikel 130s EG-Vertrag und nicht auf Artikel 113 EG-Vertrag gestützt worden seien, obwohl sie sich eindeutig sowohl auf den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten als auch auf den Handelsverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten ausgewirkt hätten.

Die von der Kommission zur Stützung ihrer These angeführten Beispiele beträfen nicht die Umweltpolitik, sondern die Entwicklungspolitik, die gemeinsame Agrarpolitik sowie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Bei diesen bestehe aber ein ganz anderer Zusammenhang mit der Handelspolitik als zwischen völkerrechtlichen Verträgen im Handelssektor und im Umweltbereich. Überdies seien die den Urteilen Titandioxid"; und Abfallrichtlinie" zugrunde liegenden Erwägungen des Gerichtshofes kaum auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Die Prüfung von Ziel und Inhalt des Protokolls - der objektiven, gerichtlich nachprüfbaren Umstände, auf die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Wahl der Rechtsgrundlage stützen müsse - bestätige, dass die Heranziehung allein von Artikel 175 EG richtig sei.

Mehrere Umstände zeigten, dass mit den im Protokoll vorgesehenen Maßnahmen ein umweltpolitisches Ziel verfolgt werde: das den Verhandlungsführern von der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens erteilte Mandat, der Titel des Protokolls, seine Präambel und seine Artikel 1 und 4.

Im Übrigen mache die bloße Tatsache, dass die genannten Maßnahmen die grenzüberschreitende Verbringung von LVO zum Gegenstand hätten, die Heranziehung von Artikel 133 EG als Rechtsgrundlage nicht erforderlich; das Protokoll falle nämlich nicht deshalb unter die gemeinsame Handelspolitik, weil es eine Regelung des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs enthalte. Der Handelsverkehr werde einbezogen, um ihn mit umweltpolitischer Zielsetzung zu kontrollieren oder sogar zu verhindern. Es gehe somit nicht darum, den Handel zu reglementieren, um ihn zu fördern.

Inhaltlich enthalte das Protokoll zwei verschiedene Arten von Bestimmungen:

- Zum einen sähen die Artikel 7 bis 14 die verschiedenen Stufen des für LVO geltenden Verfahrens der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung und der Sonderregeln für LVO vor, die als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen seien. Diese Bestimmungen stellten die für den Handelsverkehr oder den wissenschaftlichen Austausch geltende Regelung dar und enthielten die Modalitäten für eine Beurteilung des Risikos einer geplanten grenzüberschreitenden Verbringung von LVO für die Umwelt.

- Zum anderen trügen zahlreiche weitere Artikel zur Verwirklichung der Ziele des Protokolls bei und enthielten Verpflichtungen, die sich von den in den Artikeln 7 bis 14 aufgestellten unterschieden. Es handele sich um Bestimmungen über die Risikobeurteilung durch die Parteien (Artikel 15), die Risikobewältigung durch sie (Artikel 16), die unbeabsichtigte (z. B. zufällige) grenzüberschreitende Verbringung sowie Notmaßnahmen, die infolge einer solchen Verbringung erforderlich werden könnten (Artikel 17), Regeln für Handhabung, Transport, Verpackung und Identifizierung (Artikel 18), die Einrichtung einer Informationsstelle für biologische Sicherheit (Artikel 20), Maßnahmen zur Verhinderung rechtswidriger grenzüberschreitender Verbringungen (Artikel 25) und die Aufnahme internationaler Konsultationen zur Schaffung einer Regelung über die Haftung und Wiedergutmachung für Schäden, die durch eine grenzüberschreitende Verbringung von LVO verursacht worden seien (Artikel 27).

Es sei daher unzutreffend, das Protokoll auf die in seinen Artikeln 7 bis 14 enthaltenen Regeln zu beschränken. Auch diese Bestimmungen rechtfertigten keine Heranziehung von Artikel 133 EG, denn nach den Ausführungen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache 187/93, Parlament/Rat, könnten die dort vorgesehenen Verfahren als System harmonisierter Verfahren zur Verhinderung oder Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von LVO aus Gründen des Umweltschutzes eingestuft werden, keinesfalls aber als Festlegung der Merkmale, die LVO aufweisen müssten, um in der Gemeinschaft frei in Umlauf sein zu können.

Im Ergebnis zeigten Ziel und Inhalt des Protokolls - auch wenn es unbestreitbar erhebliche Auswirkungen auf den Handelsverkehr mit LVO habe -, dass sich als dessen Rechtsgrundlage allein Artikel 175 EG eigne.

Die wesentliche Zielsetzung des SPS- und des TBT-Übereinkommens, zu denen der Gerichtshof in den Randnummern 31 und 33 des Gutachtens 1/94 die Ansicht vertreten habe, dass ihr Abschluss auf Artikel 113 EG-Vertrag habe gestützt werden dürfen, bestehe darin, die negativen Auswirkungen auf den Handel zu begrenzen und somit den Handelsverkehr zu fördern, während das Protokoll ihn kontrollieren und gegebenenfalls sogar verhindern solle. Zudem schüfen diese beiden Übereinkommen einen institutionellen Rahmen, der dafür sorgen solle, dass die zur Bewältigung einer Gesundheits- oder anderen Gefahr getroffenen Maßnahmen keine unangemessenen Auswirkungen auf den Handel hätten, während das Protokoll von der Feststellung ausgehe, dass eine spezielle Gefahr für die Umwelt bestehe und dass diese Gefahr Gegenstand von Maßnahmen zu ihrer Kontrolle sein müsse.

Im Übrigen seien Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Kategorie völkerrechtlicher Verträge für die Wahl einer Rechtsgrundlage irrelevant. Im Bereich von Umweltübereinkommen werde der Grundsatz enger Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen dagegen in zufrieden stellender Weise umgesetzt.

Hinter den Erwägungen der Kommission zum Substanzverlust der gemeinsamen Handelspolitik stehe in Wirklichkeit die Befürchtung, dass die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft durch die Anwendung des Protokolls andere völkerrechtliche Verpflichtungen der Gemeinschaft und insbesondere das WTO-Übereinkommen verletzen würden. Diese Befürchtung erscheine völlig legitim, doch sei die Wahl einer ungeeigneten und ungerechtfertigten Rechtsgrundlage keine Strategie, die sie zerstreuen könnte.

Es gebe andere, geeignetere Möglichkeiten, um dafür zu sorgen, dass die Durchführung des Protokolls keine nachteiligen Auswirkungen auf die gemeinsame Handelspolitik habe. Sie könnten z. B. darin bestehen, in die Präambel der Entscheidung, mit der die Gemeinschaft zum Abschluss des Protokolls ermächtigt werde, einen Satz einzufügen, der deutlich mache, dass die Gemeinschaft alle übrigen völkerrechtlichen Verpflichtungen erfuellen werde, oder ein Verfahren zur systematischen Prüfung der Vereinbarkeit aller in Anwendung des Protokolls getroffenen Entscheidungen mit ihren übrigen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu schaffen oder besondere Koordinierungsmaßnahmen zwischen den verschiedenen betroffenen Dienststellen vorzusehen.

Was schließlich die Wahl zwischen den Artikeln 174 Absatz 4 EG und 175 Absatz 1 EG anbelange, so sei diese spezielle Frage selbst dann nicht zulässig, wenn der Gerichtshof die erste Frage der Kommission für zulässig erachten sollte. Sie beziehe sich jedenfalls auf eine gemischte Zuständigkeit und könne keine Auswirkungen auf das Verfahren haben. Es sei nicht ersichtlich, weshalb sich die Wahl einer bestimmten Rechtsgrundlage auf die Vereinbarkeit des Protokolls - und selbst der Entscheidung, mit der dessen Abschluss genehmigt werde - mit dem Vertrag auswirken würde.

Auch wenn man anerkenne, dass Artikel 174 Absatz 4 EG eine externe Rechtsgrundlage" darstellen könne, verfüge die Gemeinschaft jedenfalls über zwei Grundlagen zum Erlass völkerrechtlicher Akte:

- Artikel 174 Absatz 4 EG für Übereinkommen, die die Zusammenarbeit zwischen Drittstaaten und der Gemeinschaft in verschiedenen Bereichen der Umweltpolitik beträfen;

- Artikel 175 Absatz 1 EG für Übereinkommen mehr sektorieller Art, die auf internationaler Ebene zur Umsetzung von Zuständigkeiten dienten, die auf innerstaatlicher Ebene bereits ausgeübt würden (in diesem Sinne auch Urteil Safety Hi-Tech).

Das Protokoll gehöre eher zur letztgenannten Gruppe, da es die Anwendung von Regeln zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten ermögliche, die mit den zwischen den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Regeln vergleichbar seien.

Im Ergebnis ersucht die französische Regierung den Gerichtshof, die erste Frage, falls er sie für zulässig erachten sollte, wie folgt zu beantworten:

Die Gemeinschaft verfügt auf der Grundlage von Artikel 175 Absatz 1 EG über die erforderlichen und ausreichenden Zuständigkeiten, um neben den Mitgliedstaaten das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit abzuschließen.

Unter diesen Umständen werde die zweite Frage gegenstandslos.

Der Begriff einer überwiegenden Zuständigkeit" der Gemeinschaft sei jedenfalls im Gemeinschaftsrecht nicht anerkannt und komme in der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht vor. Der Gerichtshof unterscheide nur zwischen Übereinkommen, denen wegen der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft allein diese beitreten könne, und gemischten Übereinkommen, die teils in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und teils in die der Mitgliedstaaten fielen (vgl. u. a. Urteil Kommission/Rat vom 19. März 1996, Randnr. 48).

Da die Kommission nicht bestreite, dass das Protokoll selbst dann ein gemischtes Übereinkommen wäre, wenn es auf der Grundlage der Artikel 133 EG und 175 EG geschlossen würde, sei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Erfordernis einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen sowohl bei der Aushandlung und dem Abschluss als auch bei der Durchführung des Protokolls zu verweisen (vgl. u. a. Urteil Kommission/Rat vom 19. März 1996).

Die italienische Regierung trägt vor, das Protokoll enthalte eine die Umwelt betreffende Regelung, mit der, wie aus Artikel 1 hervorgehe, nachteilige Auswirkungen insbesondere der grenzüberschreitenden Verbringung von LVO auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sowie auf die menschliche Gesundheit bekämpft werden sollten. Aus der Analyse der Bestimmungen des Protokolls gehe klar hervor, dass dessen Gegenstand und Ziel die Schaffung eines verfahrensrechtlichen Rahmens für absichtliche grenzüberschreitende Verbringungen von LVO (Artikel 4 bis 16) und für unbeabsichtigte grenzüberschreitende Verbringungen sei, die wahrscheinlich wesentliche nachteilige Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hätten (Artikel 17).

Die Anliegen des Umweltschutzes und die Risiken für die menschliche Gesundheit würden insbesondere in den Artikeln 10 Absatz 6 und 11 Absatz 8 des Protokolls berücksichtigt, die regelten, unter welchen Umständen die Vertragsparteien restriktive Entscheidungen in Bezug auf die Einfuhr von LVO treffen könnten.

Es sei zwar richtig, dass die Gemeinschaft im Bereich des Handels sowohl intern als auch extern ausschließlich zuständig sei, doch müsse der wirtschaftliche Aspekt hinter den vom Gerichtshof anerkannten zwingenden Erfordernissen des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zurücktreten.

Nach Artikel 31 des Wiener Übereinkommens von 1969 über das Recht der Verträge sei der Zusammenhang heranzuziehen, in dem das Protokoll erlassen worden sei; dazu gehöre u. a. jede Übereinkunft, die sich auf den auszulegenden Vertrag beziehe, und jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz (Artikel 31 Absatz 2 Buchstabe a). Das Protokoll sei aber im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt erlassen worden.

Unter diesen Umständen müsse die Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des Protokolls in den Bestimmungen über die Umweltpolitik der Gemeinschaft gefunden werden.

Unabhängig davon, auf welchen Artikel der genannte Beschluss zu stützen sei - Artikel 174 Absatz 4 EG oder Artikel 175 EG -, werde der Beschluss jedenfalls mit qualifizierter Mehrheit und nach Anhörung des Parlaments gefasst.

Da es sich um eine zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit handele, nähmen diese am Protokoll teil, indem sie die Verpflichtungen für die Bereiche übernähmen, in denen sie eine Restzuständigkeit gegenüber der Zuständigkeit der Gemeinschaft behielten. Das Protokoll müsse deshalb zwangsläufig ein gemischtes Übereinkommen sein. Insoweit sei auf den Standpunkt des Gerichtshofes zur Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen sowohl bei der Aushandlung und dem Abschluss als auch bei der Erfuellung der eingegangenen Verpflichtungen zu verweisen (Gutachten 2/91 vom 19. März 1993, Slg. 1993, I-1061, Randnr. 38, und Gutachten 1/94, Randnr. 108).

Die österreichische Regierung macht allgemein geltend, bei dem Protokoll handele es sich nach seiner Entstehungsgeschichte, seinem Zweck und seinen Bestimmungen um ein multilaterales Umweltabkommen, das auf dem Vorsorgeprinzip basiere (Artikel 1 des Protokolls). Seine umweltpolitische Zielsetzung, die in seiner Präambel deutlich unterstrichen werde, gehe im Übrigen nicht zuletzt auf die Initiative der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zurück, wobei die Kommission - ebenso wie alle Mitgliedstaaten - diese Zielsetzung im Rahmen der Verhandlungen stets betont habe.

Ziel des Abkommens sei es, für ein angemessenes Schutzniveau bei der Handhabung von LVO zu sorgen, um mögliche negative Auswirkungen auf die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu vermeiden. Zu diesem Zweck werde ein umfangreiches Informationssystem geschaffen, das es jedem Staat ermöglichen solle, in Kenntnis der Sachlage Entscheidungen über die Zulässigkeit der Verwendung von LVO in seinem Hoheitsgebiet zu treffen.

Falsch sei insoweit der Standpunkt der Kommission, dass bestimmte Artikel des Protokolls - vor allem Artikel 11 - grundlegenden Charakter hätten und andere - wie die Vorschriften zur Finanzierung, zur Haftung, zu sozioökonomischen Aspekten, zur Informationsstelle und zum Kapazitätsaufbau - als Nebenbestimmungen einzustufen seien. Ohne die letztgenannten Bestimmungen wäre vor allem den Entwicklungsländern eine Umsetzung des Protokolls gar nicht möglich.

Die handelspolitischen Auswirkungen des Protokolls seien nur im Zusammenhang mit seiner umweltpolitischen Zielsetzung zu sehen. Der Begriff grenzüberschreitende Verbringung" sei im Übrigen nicht ausschließlich auf den Handelsbereich anzuwenden. Gerade bei den LVO sei die grenzüberschreitende Verbringung zu Forschungs- und Wissenschaftszwecken ein wesentlicher Aspekt des Protokolls.

Die Bezugnahme auf Artikel XX des GATT gehe ins Leere. Das GATT sei eindeutig ein Handelsabkommen, und sein Artikel XX sei als Ausnahmebestimmung anzusehen, die es den Vertragsparteien ermögliche, aus bestimmten Gründen Schutzmaßnahmen zu treffen.

Speziell zur Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage sei auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes hinzuweisen, nach der sich diese Wahl auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände stützen müsse. Die von der Kommission angeführten Gründe für die Heranziehung von Artikel 133 EG in Verbindung mit Artikel 174 Absatz 4 EG, nämlich eine vorgebliche legitime Besorgnis" über die Aushöhlung gemeinschaftlicher Kompetenzen oder die Komplexität bei der Handhabung gemischter Abkommen, seien für die Beantwortung der gestellten Fragen unerheblich.

Artikel 174 EG lege nur die bei der Verfolgung der Umweltpolitik der Gemeinschaft maßgeblichen Ziele und Grundsätze fest, schaffe aber keine eigenen Kompetenzen (vgl. Urteile Peralta, Randnr. 57, und Bettati, Randnr. 41). Erst Artikel 175 Absatz 1 EG stelle die Rechtsgrundlage für ein Handeln des Rates zur Erreichung der in Artikel 174 EG genannten Ziele dar. Diese Auslegung werde zum einen dadurch bestätigt, dass Maßnahmen gemäß Artikel 176 EG, d. h. verstärkte Schutzmaßnahmen, nur dann ergriffen werden könnten, wenn die fraglichen Regelungen auf der Grundlage von Artikel 175 getroffen würden, und zum anderen durch die konsequente Praxis des Rates, internationale Abkommen auf Artikel 175 Absatz 1 EG und nicht auf Artikel 174 Absatz 4 EG zu stützen.

Schließlich würden durch die Wahl von Artikel 175 Absatz 1 EG als Rechtsgrundlage die Mitentscheidung des Parlaments, dessen Rolle im Umweltbereich besonders wichtig sei, sowie die Begutachtung durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen sichergestellt, während das Parlament im Verfahren nach Artikel 133 EG lediglich informiert und im Verfahren nach Artikel 174 Absatz 4 EG nur angehört werde.

Im Ergebnis ist die österreichische Regierung der Ansicht, dass das Protokoll kein handelspolitisches, sondern ein umweltpolitisches Abkommen darstelle. Handelsaspekte beträfen nur einige Bestimmungen des Protokolls wie z. B. Artikel 11, der sich mit der Verbringung von Waren befasse, die für die unmittelbare Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen seien. Es handele sich daher bei den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten nicht um Restkompetenzen"; vielmehr fielen zentrale Bestimmungen des Protokolls in ihren Zuständigkeitsbereich.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs trägt vor, die zutreffende Rechtsgrundlage für das Instrument zum Abschluss des Protokolls sei Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 EG. Wie die übrigen Mitgliedstaaten, die Stellungnahmen eingereicht haben, verweist auch die Regierung des Vereinigten Königreichs insoweit auf die ständige Praxis des Rates.

Im vorliegenden Fall würden mit dem Protokoll offensichtlich die ersten beiden der in Artikel 174 Absatz 1 EG aufgezählten Ziele - Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität und Schutz der menschlichen Gesundheit - verfolgt. Auch das dritte dieser Ziele - die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen" - werde mit dem Protokoll verfolgt, da es von dem Grundsatz ausgehe, dass die biologische Vielfalt eine natürliche Ressource sei. Das vierte der genannten Ziele werde eindeutig ebenfalls verfolgt, da das Protokoll eine Maßnahme auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme darstelle.

Das in Artikel 174 Absatz 2 EG erwähnte Vorsorgeprinzip spiele unter den Zielen des Protokolls eine entscheidende Rolle (vgl. z. B. die vierte Begründungserwägung seiner Präambel sowie seine Artikel 1, 10 Absatz 6 und 11 Absatz 8). Zudem würden im Protokoll im Einklang mit Artikel 174 Absatz 2 EG der Grundsatz der Vorbeugung und der Grundsatz beachtet, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen (vgl. z. B. die vierte und die siebte Begründungserwägung seiner Präambel sowie seine Artikel 3, 7 und 15 bis 18); nach Artikel 27 seien dem Verursacherprinzip entsprechende völkerrechtliche Regeln für die Wiedergutmachung von Schäden auszuarbeiten, die durch die grenzüberschreitende Verbringung von LVO entstanden seien.

Im Einklang mit Artikel 174 Absatz 3 EG würden im Protokoll die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten, die Umweltbedingungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien sowie die Vorteile und die Belastungen aufgrund des Tätigwerdens oder eines Nichttätigwerdens berücksichtigt. Im Einklang mit Artikel 174 Absatz 4 EG sehe das Protokoll die Zusammenarbeit mit Drittländern und den zuständigen internationalen Organisationen vor (vgl. z. B. die zweite, die dritte und die achte Begründungserwägung seiner Präambel sowie seine Artikel 6, 10, 14 bis 16, 20, 22 und 29).

Artikel 175 EG biete aber gerade eine Rechtsgrundlage für die Verwirklichung der in Artikel 174 EG genannten Ziele.

Im Übrigen müsse sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Wahl der Rechtsgrundlage eines von einem Gemeinschaftsorgan zu erlassenden Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände stützen. Zu diesen Umständen gehörten das Ziel und der Inhalt dieses Rechtsakts.

Im vorliegenden Fall komme das umweltpolitische Ziel des Protokolls in seiner Präambel und seinen Artikeln 1 und 2 zum Ausdruck. Der Inhalt des Protokolls entspreche diesem Ziel: Darin sei ein Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung vor der ersten absichtlichen grenzüberschreitenden Verbringung von LVO vorgesehen; nach Artikel 15 seien Risikobeurteilungen streng wissenschaftlich durchzuführen und mindestens auf die gemäß dem genannten Verfahren der vorherigen Zustimmung gemachten Angaben und andere verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse zu stützen; nach Artikel 16 setzten die Vertragsparteien Mechanismen zur Bewältigung der mit der Verwendung, Handhabung und grenzüberschreitenden Verbringung von LVO verbundenen Risiken ein und entwickelten diese weiter; nach den Artikeln 20 und 22 beteiligten sie sich an einem Informationsaustausch und an der Informationsstelle für biologische Sicherheit und arbeiteten beim Auf- und Ausbau personeller Mittel und der Institutionen im Bereich der biologischen Sicherheit zusammen.

Auch wenn sich das Protokoll inzident auf den Handel mit Drittländern auswirke, sei seine hauptsächliche oder überwiegende Komponente die Fortsetzung des Umweltprogramms der Gemeinschaft gemäß Artikel 175 Absatz 1 EG. Artikel 133 EG stelle daher keine geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls dar.

Mit der Verwendung des Begriffes Verbringung" hätten die Verfasser des Protokolls versucht, andere als handelsbezogene Vorgänge zu erfassen, wie z. B. die unbeabsichtigte Verbringung von LVO, die rechtswidrige grenzüberschreitende Verbringung und die Verbringung solcher Organismen zu karitativen, im öffentlichen Interesse liegenden, privaten oder anderen nicht handelsbezogenen Zwecken.

Das Protokoll ziele auch gar nicht auf die Beseitigung der Beschränkungen des internationalen Handelsverkehrs und den Abbau der Zollschranken ab. Selbst wenn es den Handel beeinträchtigen sollte, diene es zur Kontrolle oder Überwachung der grenzüberschreitenden Verbringung von LVO (vgl. Urteil Parlament/Rat vom 28. Juni 1994; in dieser Rechtssache hätten der Generalanwalt und der Gerichtshof darauf abgestellt, dass der fragliche Rechtsakt die Liberalisierung des Handelsverkehrs nicht begünstige; dies habe es ermöglicht, Artikel 113 EG-Vertrag als Grundlage heranzuziehen).

Das WTO-Übereinkommen und insbesondere die in eine Reihe von Anhängen dieses Übereinkommens, u. a. in Artikel XX des GATT, in das SPS-Übereinkommen und in das TBT-Übereinkommen - das von der Gemeinschaft, wie der Gerichtshof bestätigt habe, auf der Grundlage von Artikel 113 EG-Vertrag habe geschlossen werden dürfen -, aufgenommenen nicht handelsbezogenen Erwägungen sprächen nicht für Artikel 133 EG als Rechtsgrundlage des Protokolls, da dessen Schwerpunkt" nicht die Förderung des Handels sei, sondern der Umweltschutz.

Im Übrigen biete Artikel 174 Absatz 4 EG keine geeignete verbundene Rechtsgrundlage, da er keine Zuständigkeit für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge verleihe. Er verpflichte die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft nur, im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse" mit dritten Ländern und internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten. In Artikel 174 Absatz 4 Unterabsatz 2 EG heiße es sogar ausdrücklich, dass Unterabsatz 1 nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten berühre, in internationalen Gremien zu verhandeln und internationale Abkommen zu schließen.

In dieser Bestimmung würden nur die allgemeinen umweltpolitischen Ziele der Gemeinschaft festgelegt, während über die zur Verwirklichung dieser Ziele zu treffenden Maßnahmen nach Artikel 175 EG der Rat zu entscheiden habe (vgl. Urteile Peralta, Randnr. 57, und Safety Hi-Tech, Randnr. 43, sowie Nr. 76 der Schlussanträge von Generalanwalt Léger in den Rechtssachen Safety Hi-Tech und Bettati; vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-187/93, Parlament/Rat)

Schließlich könnten auch die Schwierigkeiten bei der Durchführung und Anwendung eines gemischten Übereinkommens die These der Kommission nicht stützen. Die Kommission überschätze jedenfalls diese Schwierigkeiten. Gemischte Übereinkommen seien bekannte Phänomene, die zweifellos fortbestehen würden, solange die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten zum Abschluss von Verträgen befugt seien. Seitdem durch die Einheitliche Europäische Akte ein Titel über die Umwelt in den EG-Vertrag eingefügt worden sei, werde die gemischte Zuständigkeit in diesem Bereich ausdrücklich anerkannt. Die Kommission weise selbst darauf hin, dass die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten während der schwierigen Verhandlungen über das Protokoll, die sich über vier Jahre erstreckt hätten, eine wichtige Rolle gespielt hätten. Sie hätte diese Rolle kaum spielen können, wenn die Hindernisse so groß gewesen wären, wie sie jetzt behaupte. Überdies seien die angeblichen Schwierigkeiten für den Gerichtshof irrelevant, da er seine Entscheidung auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände stützen müsse.

Im Ergebnis ist die Regierung des Vereinigten Königreichs der Ansicht, dass die Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG nicht die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls im Namen der Europäischen Gemeinschaft darstellten. Die zweite Frage brauche daher nicht beantwortet zu werden.

Hilfsweise führt die Regierung des Vereinigten Königreichs zur zweiten Frage aus, bisher habe die Gemeinschaft im Bereich der biologischen Sicherheit relativ wenige gemeinsame Vorschriften erlassen. Die wichtigsten Maßnahmen in diesem Bereich seien die Richtlinie 90/219/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (ABl. L 117, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 98/81/EG des Rates vom 26. Oktober 1998 (ABl. L 330, S. 13) und die Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15).

Keine dieser Richtlinien solle zur Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus bei der sicheren Übertragung, Handhabung und Verwendung der durch moderne Biotechnologie hervorgebrachten LVO beitragen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben könnten, wobei... ein Schwerpunkt auf der grenzüberschreitenden Verbringung liegt" (Artikel 1 des Protokolls). Es sei daher auf der Basis des Grundsatzes in foro interno, in foro externo" unmöglich, eine überwiegende oder gar ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss des Protokolls zu begründen (in diesem Sinne auch Urteil vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnr. 17 [im Folgenden: Urteil AETR";]).

Das Parlament weist zunächst darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Gutachten 1/91 vom 14. Dezember 1991 (Slg. 1991, I-6079, Randnr. 14) festgestellt habe, dass nach Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist". Wenn ein Übereinkommen in engem Zusammenhang mit einem oder mehreren bereits angenommenen Instrumenten oder Initiativen stehe, könne davon ausgegangen werden, dass diese Instrumente oder Initiativen Teil des Zusammenhangs seien, in dem die Bestimmungen des Übereinkommens auszulegen seien; dies erweise sich im vorliegenden Fall als besonders hilfreich, da es einen engen Zusammenhang zwischen dem Protokoll und dem Übereinkommen gebe.

In Anbetracht dieses engen Zusammenhangs könne nicht geltend gemacht werden, dass das Protokoll aus Gründen, die mit dem internationalen Handel von LVO zusammenhingen, ausgehandelt und unterzeichnet worden sei. Die grenzüberschreitende Verbringung dieser Produkte sei vielmehr nicht deshalb vorrangig behandelt worden, um den Handel mit ihnen zu regeln, sondern deshalb, weil ihre Verbringung und die damit verbundenen Tätigkeiten ein besonderes Risiko für die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt darstellten.

Die These der Kommission scheine die wichtigste Erkenntnis aus dem Gutachten 1/94 und insbesondere dessen Randnummer 42 unberücksichtigt zu lassen, nach der der Umfang der gemeinsamen Handelspolitik, wie weit er grundsätzlich auch sein möge, durch das System des Vertrages in seiner Gesamtheit" und insbesondere dadurch beschränkt sei, dass es speziellere Vorschriften gebe, die die Zuständigkeiten der Gemeinschaft in anderen Bereichen regelten.

Bei Heranziehung der Kriterien, auf die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts stützen müsse, ergebe sich aus Ziel und Inhalt des Protokolls, dass es sich speziell auf LVO beziehe und nicht auf den internationalen Handel.

Das umweltpolitische Ziel des Protokolls stehe somit außer Zweifel (vgl. dessen Artikel 1).

Was den Inhalt des Protokolls anbelange, so ergebe sich sowohl aus der dritten Begründungserwägung seiner Präambel als auch aus seinen materiellen Bestimmungen (Artikel 1, 2 Absätze 2 und 4, 14, 22, 23, 25, 27 und 28) das umweltpolitische Anliegen seiner Verfasser.

Insbesondere zwei Elemente belegten die Bedeutung des Protokolls für den Umweltschutz. Zum einen werde darin, vielleicht zum ersten Mal in einem völkerrechtlichen Vertrag, ausdrücklich anerkannt, dass LVO einer besonderen Regelung bedürften und dass sie aus Gründen des Umweltschutzes nicht wie jedes andere Erzeugnis behandelt werden könnten. Zum anderen werde im Protokoll in ganz konkreter Weise das Vorsorgeprinzip - eines der Grundprinzipien der Politik der Gemeinschaft im Bereich des Umweltschutzes - angewandt, um den genauen Umfang der Verpflichtungen der Importländer festzulegen. So heiße es sowohl in Artikel 10 Absatz 6 als auch in Artikel 11 Absatz 8: Selbst wenn... der Umfang potentieller negativer Auswirkungen eines [LVO] auf die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt... nicht mit wissenschaftlicher Sicherheit nachweisbar ist, ist [die einführende] Vertragspartei... berechtigt, hinsichtlich der Einfuhr des betreffenden [LVO]... eine den Umständen entsprechende Entscheidung zu treffen..." Nach der Formulierung in diesen Bestimmungen rechtfertige das Vorsorgeprinzip die Verweigerung der Einfuhrgenehmigung, um derartige mögliche schädliche Auswirkungen zu verhindern oder auf ein Minimum zu reduzieren".

Damit habe man sich bei der Abfassung des Protokolls für eine rigorosere Anwendung des Prinzips entschieden, was für Abkommen im Bereich des Umweltschutzes typisch sei, während das zurückhaltendere Vorgehen eher in verschiedenen Handelsabkommen anzutreffen sei, u. a. in Artikel 5 Absatz 7 des SPS-Übereinkommens. Durch die letztgenannte Bestimmung sollten die Bedingungen eingeschränkt werden, unter denen sich ein Mitglied auf das Vorsorgeprinzip berufen könne, wenn es die Einfuhr von Produkten beschränke.

Im Übrigen ließen sich die vom Gerichtshof in seinem Urteil Parlament/Rat vom 28. Juni 1994 angestellten Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragen. Das von der Kommission zugunsten ihrer Auslegung angeführte Urteil Tschernobyl" stütze dagegen ihre These nicht, da es eine klassische" Maßnahme der Handelspolitik betreffe. Die in der Rechtssache, die zum Urteil Tschernobyl" geführt habe, angefochtene Verordnung habe lediglich das Verbringen bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse in den freien Verkehr von der Einhaltung von Hoechstwerten an Radioaktivität abhängig gemacht, auch wenn ihr Erlass aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit erfolgt sei. Wie der Gerichtshof in Randnummer 16 des genannten Urteils entschieden habe, habe diese Verordnung den Handel zwischen der Gemeinschaft und Drittländern zum Gegenstand; damit gehört sie zur gemeinsamen Handelspolitik im Sinne des Artikels 113 EWG-Vertrag". Das Protokoll sei daher nicht, wie die Kommission behaupte, ein Abkommen zur Regelung des internationalen Handels mit LVO", sondern ein Übereinkommen, das die Erhaltung, den Schutz und die Verbesserung der Umwelt bezwecke und hierzu insbesondere im Bereich des Verfahrens Mindestnormen für Tätigkeiten aufstelle, die gewisse Risiken für die Erhaltung der biologischen Vielfalt darstellten.

Selbst wenn die Umweltkomponente des Protokolls überwiege, müsse man doch zugestehen, dass es auch Auswirkungen auf den Handel mit LVO haben werde. Soweit dargelegt worden sei, dass diese Wirkungen ein wesentlicher Zusatz zu dem in Artikel 175 Absatz 1 EG vorgesehenen Umweltschutz seien, könnte das Protokoll daher als Instrument im Rahmen des internationalen Handels angesehen werden, was die Erwähnung von Artikel 133 EG bei der Rechtsgrundlage des Aktes zu seinem Abschluss erfordern würde.

Das Parlament vertrete keine restriktive Auffassung von Handelspolitik. In seinen Vorschlägen für die letzte Regierungskonferenz sei es - mit mäßigem Erfolg - für eine beträchtliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Artikel 133 EG eingetreten. Den anderen im Vertrag vorgesehenen Rechtsgrundlagen einschließlich derjenigen in Bezug auf den Umweltschutz müsse aber der ihnen gebührende Platz eingeräumt werden. Wenn gesagt werde, dass ein Übereinkommen von überragender Bedeutung für den Umweltschutz auf internationaler Ebene nicht in den Bereich der Handelspolitik falle, so bedeute dies nicht, den Regelungsgehalt des Artikels 133 [EG] auszuhöhlen". Der Wunsch der Kommission, die mit der Teilung von Zuständigkeiten verbundenen praktischen Schwierigkeiten zu vermeiden, sei zwar verständlich, doch könnten derartige Überlegungen die Wahl der Rechtsgrundlage nicht beeinflussen. Der Gerichtshof habe insbesondere in Randnummer 107 seines Gutachtens 1/94 festgestellt, dass das Problem der Verteilung der Zuständigkeit nicht nach Maßgabe eventueller Schwierigkeiten geregelt werden [kann], die bei der Durchführung auftreten können".

Was schließlich die Wahl zwischen Artikel 174 Absatz 4 EG und Artikel 175 Absatz 1 EG anbelange, so könne die erstgenannte Bestimmung, die vorsehe, dass die Gemeinschaft mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammen[arbeitet]", als spezifischer erscheinen als die letztgenannte, wenn es um die Begründung der materiellen Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss des Protokolls gehe. Der Gerichtshof habe jedoch in seinem Urteil vom 30. Januar 2001 in der Rechtssache C-36/98 (Spanien/Rat, Slg. 2001, I-779, Randnrn. 42 und 43) entschieden, dass zu prüfen sei, ob den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechende interne Gemeinschaftsvorschriften auf der Grundlage von Artikel 175 Absatz 1 oder Absatz 2 EG zu erlassen wären, da die Wahl der einen oder der anderen dieser Bestimmungen für das Verfahren der Annahme des Rechtsakts und insbesondere für die Modalitäten der Abstimmung innerhalb des Rates ausschlaggebend sei. Außerdem sei nach Randnummer 9 des Urteils des Gerichtshofes vom 26. März 1987 in der Rechtssache Kommission/Rat eine ausdrückliche Bezugnahme [auf die Rechtsgrundlage] unerlässlich, wenn die Betroffenen und der Gerichtshof ansonsten über die genaue Rechtsgrundlage im Unklaren gelassen würden". Deshalb sei nicht ersichtlich, welches Interesse die Kommission mit der von ihr vorgeschlagenen Lösung verfolge, als Rechtsgrundlage nur Artikel 174 Absatz 4 EG zu nennen, da die Betroffenen und der Gerichtshof dann nicht wüssten, warum der Rat einen Beschluss einstimmig und nicht mit qualifizierter Mehrheit oder umgekehrt gefasst habe.

Im Ergebnis schlägt das Parlament dem Gerichtshof vor, auf die Fragen zu antworten, dass Artikel 175 Absatz 1 EG die angemessene Rechtsgrundlage für den Rechtsakt zum Abschluss des Protokolls durch die Gemeinschaft sei und dass es, soweit die Auswirkungen des Protokolls auf den internationalen Handel über den Rahmen von Artikel 175 Absatz 1 EG hinausgingen, sachgerecht wäre, der Rechtsgrundlage dieses Rechtsakts eine Bezugnahme auf Artikel 133 EG hinzuzufügen.

Der Rat macht geltend, um zu ermitteln, ob die aus den Artikeln 133 EG und 174 Absatz 4 EG bestehende zweifache Rechtsgrundlage angemessen sei, müsse nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes geprüft werden, ob das Protokoll nach Ziel und Inhalt die Umwelt und zugleich den Handel betreffe - wobei beiden Aspekten gleiche Bedeutung zukomme -, so dass für die Ermächtigung zum Abschluss des Protokolls durch die Gemeinschaft zwei Rechtsgrundlagen erforderlich seien, oder ob es sich nur nebenbei auf die Umweltpolitik oder die Handelspolitik auswirke, so dass eine Rechtsgrundlage als Ermächtigung genüge.

In der Präambel des Protokolls werde auf die Artikel 19 Absätze 3 und 4, 8 Buchstabe g und 17 des Übereinkommens sowie auf die Entscheidung II/5 der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens verwiesen. Es gehöre somit zu einem Bündel von Maßnahmen, die von der internationalen Gemeinschaft zum Schutz und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt getroffen worden seien.

Hinzuweisen sei ferner auf die Artikel 1 und 2 Absatz 2 des Protokolls, die deutlich machten, dass es auf den Umweltschutz abziele.

Das Protokoll sei unbestreitbar mit dem vorrangigen Ziel ausgehandelt worden, Mittel wie die Schaffung des in Artikel 19 Absatz 3 des Übereinkommens vorgesehenen Verfahrens der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage" einzuführen, um die Risiken für die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu kontrollieren, die mit der Nutzung und Freisetzung der durch Biotechnologie hervorgebrachten LVO verbunden seien.

Das Ziel des Protokolls decke sich in vollem Umfang mit der Politik der Gemeinschaft im Umweltbereich, deren Ziele in Artikel 174 EG angegeben seien.

Auch der Inhalt des Protokolls zeuge vom Überwiegen der auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt abzielenden Elemente, während die Handelsaspekte den Bestimmungen über den Schutz der Umwelt - wie denen zum Vorsorgeprinzip und zur Risikobeurteilung nach erprobten wissenschaftlichen Methoden - untergeordnet seien.

Nach Inhalt und Ziel fielen somit das Protokoll und damit der Rechtsakt über dessen Abschluss in den Rahmen der Umweltpolitik der Gemeinschaft. Folglich sei der Beschluss über den Abschluss des Protokolls auf Artikel 175 Absatz 1 EG zu stützen.

Die letztgenannte Bestimmung sei die einzige mögliche Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des Protokolls, während Artikel 133 EG nicht in Frage komme, da es sich bei der im Sinne des Urteils Parlament/Rat vom 28. Juni 1994 hauptsächlichen oder vorwiegenden Komponente des Protokolls um den Umweltschutz handele.

Die Rechtsprechung, auf die die Kommission zur Stützung einer weiten Auslegung des Geltungsbereichs der gemeinsamen Handelspolitik verweise, betreffe klassische" handelspolitische Maßnahmen (vgl. Urteil Tschernobyl", Randnrn. 18 und 19, sowie Gutachten 1/94, Randnr. 31, in dem der Gerichtshof in Bezug auf das SPS-Übereinkommen die Ansicht vertreten habe, dass ein Abkommen nur dann rein handelspolitischen Charakter habe, wenn seine hauptsächliche oder vorwiegende Komponente den Handel betreffe). Wie mehrere Beispiele zeigten, seien zahlreiche Umweltabkommen, die Aspekte der internationalen Handelspolitik umfassten, zu der Zeit, als es im Vertrag keine spezielle Rechtsgrundlage für den Umweltschutz gegeben habe, vom Gemeinschaftsgesetzgeber auf der Grundlage von Artikel 130s EG-Vertrag oder von Artikel 235 EG-Vertrag (jetzt Artikel 308 EG) geschlossen worden.

Zu der Frage, ob als sachbezogene Rechtsgrundlage des Beschlusses über den Abschluss des Protokolls - im Gegensatz zur verfahrensbezogenen" Rechtsgrundlage, nämlich Artikel 300 EG - Artikel 175 Absatz 1 EG oder Artikel 174 Absatz 4 EG heranzuziehen sei, sei erneut auf die Zweifel an der Zulässigkeit des Gutachtenantrags zu verweisen. Mit dem Verfahren des Artikels 300 Absatz 6 EG solle die Vereinbarkeit eines Abkommens mit dem Vertrag festgestellt werden, wozu auch Fragen der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten gehörten, nicht aber die Bestimmung der geeigneten Rechtsgrundlage für eine Entscheidung über den Abschluss eines solchen Abkommens.

Diese Frage sei jedenfalls durch die Urteile Safety Hi-Tech und Bettati geklärt worden.

Was die zweite Frage an den Gerichtshof anbelange, so seien ihre Tragweite und Relevanz schwer zu erkennen. Ungeachtet der von der Kommission angesprochenen Problematik der gemischten Abkommen erkenne sie jedenfalls an, dass für das Protokoll eine gemischte Zuständigkeit bestehe. Die Ermittlung des Umfangs der Zuständigkeit - Restzuständigkeit oder nicht - der Mitgliedstaaten richte sich nach dem Stand der innergemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Abschlusses des Protokolls. Bisher würden die Verpflichtungen aus dem Protokoll von den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften nur sehr partiell erfasst.

Im Ergebnis ersucht der Rat den Gerichtshof, den Antrag auf Erstellung eines Gutachtens für unzulässig zu erklären, hilfsweise, sofern der Gutachtenantrag für zulässig erklärt werde, auf die erste Frage zu antworten, dass

Artikel 133 EG und Artikel 174 Absatz 4 EG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG nicht die geeignete Rechtsgrundlage für den Rechtsakt über den Abschluss des Protokolls durch die Europäische Gemeinschaft darstellen und dass dieser Rechtsakt auf Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG gestützt werden muss.

Hoechst hilfsweise, sofern der Gerichtshof die erste Frage gleichwohl bejahen sollte, ersucht ihn der Rat,

zu erklären, dass die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zum Abschluss des Protokolls im Verhältnis zur Zuständigkeit der Gemeinschaft nicht den Charakter einer Restzuständigkeit haben.

Stellungnahme des Gerichtshofes

I - Zur Zulässigkeit des Antrags

1 Aus den gestellten Fragen geht hervor, dass der Gerichtshof im Wesentlichen aufgefordert wird, sich zum einen zur Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage des Rechtsakts zu äußern, mit dem der Rat das Protokoll abschließen möchte, und insbesondere zu der Frage, ob die Zustimmung der Gemeinschaft, durch das Protokoll gebunden zu sein, auf die Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG zu stützen ist, und zum anderen zu prüfen, ob die Zuständigkeiten, die die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Teilnahme am Protokoll neben der Gemeinschaft weiterhin ausüben, in Anbetracht der erfassten Bereiche im Verhältnis zu den Zuständigkeiten der Gemeinschaft den Charakter einer Restzuständigkeit oder einer überwiegenden Zuständigkeit haben.

2 Nach Ansicht der spanischen und der französischen Regierung sowie des Rates fallen solche Fragen nicht unter Artikel 300 Absatz 6 EG, da sie weder die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit dem Vertrag noch die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten in Bezug auf dieses Abkommen beträfen.

3 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Gutachten des Gerichtshofes gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG namentlich zu Fragen eingeholt werden, die die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Abschluss eines bestimmten Abkommens mit Drittländern betreffen (vgl. u. a. Gutachten 1/75, speziell S. 1360, 1/78, Randnr. 30, 2/91, Randnr. 3, und 1/94, Randnr. 9). Artikel 107 § 2 der Verfahrensordnung bestätigt diese Auslegung.

4 Im vorliegenden Fall bezweifeln weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten, die Stellungnahmen eingereicht haben, der Rat oder das Parlament, dass die Gemeinschaft für die Genehmigung des Protokolls zuständig ist. Auch die Vereinbarkeit der materiellen Bestimmungen des Protokolls mit dem Vertrag wird vor dem Gerichtshof nicht in Frage gestellt. Streitig ist nur, welche Grundlage die Zuständigkeit der Gemeinschaft hat, ob sie ausschließlich oder geteilt ist und wie sie gegen die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten abzugrenzen ist.

5 Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage hat verfassungsrechtliche Bedeutung. Da die Gemeinschaft nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, muss sie das Protokoll mit einer Bestimmung des EG-Vertrags verknüpfen, die sie ermächtigt, einen derartigen Rechtsakt zu genehmigen. Die Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage kann daher zur Ungültigkeit des Abschlussaktes selbst und damit der Zustimmung der Gemeinschaft führen, durch das von ihr geschlossene Abkommen gebunden zu sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vertrag der Gemeinschaft keine ausreichende Zuständigkeit zur Ratifizierung des gesamten Abkommens verleiht, so dass die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Abschluss des geplanten Abkommens mit Drittländern zu prüfen ist, oder wenn die für diesen Abschlussakt geeignete Rechtsgrundlage ein anderes als das von den Gemeinschaftsorganen tatsächlich angewandte Rechtsetzungsverfahren vorsieht.

6 Wäre der Akt über den Abschluss des Abkommens wegen einer falschen Rechtsgrundlage unwirksam, so könnte dies nämlich sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch in der Völkerrechtsordnung zu Verwicklungen führen, die durch das in Artikel 300 Absatz 6 EG vorgesehene außergewöhnliche Verfahren einer vorherigen Anrufung des Gerichtshofes gerade verhindert werden sollen (vgl. Gutachten 1/75, S. 1360 und 1361, sowie Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759, Randnrn. 3 bis 6).

7 Die Zulässigkeit des Gutachtenantrags ist daher anhand der vorstehenden Erwägungen zu beurteilen.

8 Was die erste Frage anbelangt, so ist bei einer ersten Prüfung des Gutachtenantrags nicht auszuschließen, dass der Abschluss des Protokolls nach Artikel 133 EG in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt.

9 In diesem Stadium der Prüfung des Gutachtenantrags ist daher festzustellen, dass die erste Frage, die sich auf die Wahl der Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls bezieht, das Bestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik für die Entscheidung über den Abschluss betrifft und dass die Antwort auf diese Frage Auswirkungen auf das anzuwendende Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft haben könnte. Diese Feststellung reicht aus, um die Zulässigkeit der ersten Frage zu begründen.

10 Der Rat fügt jedoch hinzu, die Kommission hätte Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 15. Mai 2000 über die Unterzeichnung des Protokolls im Namen der Gemeinschaft erheben und dabei die dort gewählte Rechtsgrundlage in Frage stellen müssen, so dass sie daran gehindert sei, aus demselben Grund den Rechtsakt anzufechten, den der Rat im Hinblick auf die Genehmigung des Protokolls erlassen wolle.

11 Hierzu genügt die Feststellung, dass der Akt, der zur Unterzeichnung des völkerrechtlichen Vertrages ermächtigt, und der Akt, mit dem dessen Abschluss verkündet wird, zwei verschiedene Rechtsakte sind, die für die Betroffenen ganz unterschiedliche Verpflichtungen begründen, wobei der zweite Akt keineswegs die Bestätigung des ersten darstellt. Unter diesen Umständen steht die Tatsache, dass keine Klage auf Nichtigerklärung des erstgenannten Aktes erhoben wurde, der Erhebung einer solchen Klage gegen den Akt über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht entgegen und führt auch nicht zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Erstellung eines Gutachtens über die Vereinbarkeit dieses Aktes mit dem EG-Vertrag.

12 Im Übrigen kann der Umstand, dass bestimmte Fragen im Rahmen anderer Verfahrensarten, insbesondere im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, behandelt werden können, nicht geltend gemacht werden, um die Möglichkeit auszuschließen, den Gerichtshof vorab nach Artikel 300 Absatz 6 EG zu befassen (vgl. Gutachten 2/92, Randnr. 14).

13 Die zweite Frage geht von der Hypothese aus, dass die Gemeinschaft nach Artikel 133 EG nicht über eine ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss des gesamten Protokolls verfügt, sondern auf der Grundlage von Artikel 133 EG in Verbindung mit Artikel 174 Absatz 4 EG Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsparteien eingeht. In diesem Fall würde das Protokoll sowohl von der Gemeinschaft im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Bereich der Handelspolitik und des Umweltschutzes als auch von den Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen im letztgenannten Bereich verbleibenden Zuständigkeiten geschlossen. Die Kommission möchte daher wissen, welchen Einfluss der Umfang der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten auf die Durchführung des Protokolls haben könnte.

14 Nach Ansicht der französischen Regierung ist diese Frage rein theoretischer Art und hat keinen Einfluss auf die Vereinbarkeit des Protokolls mit dem EG-Vertrag. Sie sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

15 Da das Bestehen der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten im Bereich des Umweltschutzes feststeht, kann der Umfang dieser Zuständigkeiten als solcher keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss des Protokolls oder, allgemeiner betrachtet, auf dessen materielle Gültigkeit oder formelle Ordnungsmäßigkeit im Hinblick auf den EG-Vertrag haben.

16 Es steht zwar außer Frage, dass der Umfang der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in den Bereichen, auf die sich das Protokoll erstreckt, den Umfang ihrer jeweiligen Verantwortung für die Erfuellung der dem Protokoll zu entnehmenden Verpflichtungen bestimmt. Artikel 34 Absätze 2 und 3 des Übereinkommens trägt genau dieser Erwägung Rechnung, indem namentlich die Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei des Übereinkommens oder eines Protokolls sind, aufgefordert werden, in ihren Genehmigungsurkunden den Umfang ihrer Zuständigkeiten zu erklären und dem Verwahrer jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mitzuteilen.

17 Diese Erwägung ist jedoch für sich genommen nicht geeignet, den Rückgriff auf das Verfahren des Artikels 300 Absatz 6 EG zu rechtfertigen, das - wie schon in Randnummer 6 dieses Gutachtens ausgeführt - die Verwicklungen verhindern soll, die sowohl auf internationaler Ebene als auch auf Gemeinschaftsebene entstehen könnten, wenn sich nach dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages durch die Gemeinschaft herausstellt, dass er mit dem EG-Vertrag nicht vereinbar ist. Dieses Verfahren dient nicht dazu, die Schwierigkeiten zu beheben, die mit der Umsetzung eines geplanten Abkommens verbunden sind, bezüglich dessen die Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilt sind.

18 Im Übrigen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen sowohl bei der Aushandlung und dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages wie bei der Erfuellung der eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen, wenn sein Gegenstand teils in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und teils in die der Mitgliedstaaten fällt. Diese Pflicht zur Zusammenarbeit ergibt sich aus der Notwendigkeit einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Gemeinschaft (vgl. Beschluss 1/78 vom 14. November 1978, Slg. 1978, 2151, Randnrn. 34 bis 36, Gutachten 2/91, Randnr. 36, und Gutachten 1/94, Randnr 108).

19 Nach den vorstehenden Erwägungen ist der vorliegende Antrag auf Erstellung eines Gutachtens nur insoweit zulässig, als er die Frage betrifft, ob das Protokoll in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt oder ob dafür eine zwischen ihr und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit besteht.

II - Zur Sache

20 Nach Ansicht der Kommission fällt das Protokoll im Wesentlichen unter Artikel 133 Absatz 3 EG; sie schließt aber nicht aus, dass bestimmte speziell den Umweltschutz betreffende Bereiche über den Rahmen dieser Bestimmung hinausgingen. Sie macht daher geltend, dass die Artikel 133 EG und 174 Absatz 4 EG die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls darstellten.

21 Der Rat und die Mitgliedstaaten, die Stellungnahmen eingereicht haben, wenden sich gegen diese Auslegung. Sie sind der Auffassung, der Abschluss des Protokolls könne vor allem wegen dessen Zweck und Inhalt nur auf Artikel 175 Absatz 1 EG gestützt werden. Auch das Parlament macht geltend, dass diese Bestimmung die angemessene Rechtsgrundlage für den Akt zum Abschluss des Protokolls darstelle, schließt aber eine ergänzende Heranziehung von Artikel 133 EG nicht aus, soweit dargetan sei, dass die Auswirkungen des Protokolls auf den Handel mit LVO ein wesentlicher Zusatz zum Umweltschutz, dem Hauptzweck des Protokolls, seien.

22 Nach ständiger Rechtsprechung darf die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts - einschließlich des Rechtsakts, der im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages erlassen wird - nicht allein auf der Überzeugung seines Verfassers beruhen, sondern muss sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts (vgl. Urteil Portugal/Rat, Randnr. 22, Urteil vom 4. April 2000 in der Rechtssache C-269/97, Kommission/Rat, Slg. 2000, I-2257, Randnr. 43, und Urteil Spanien/Rat, Randnr. 58).

23 Ergibt die Prüfung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen verfolgt oder zwei Komponenten hat, und lässt sich eine davon als wesentliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur von untergeordneter Bedeutung ist, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die wesentliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert (vgl. Urteil Abfallrichtlinie";, Randnrn. 19 und 21, Urteil vom 23. Februar 1999 in der Rechtssache C-42/97, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-869, Randnrn. 39 und 40, sowie Urteil Spanien/Rat, Randnr. 59). Ist dargetan, dass mit dem Rechtsakt gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt werden, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass das eine im Verhältnis zum anderen zweitrangig ist und mittelbaren Charakter hat, so kann ein solcher Rechtsakt ausnahmsweise auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen gestützt werden (in diesem Sinne auch Urteile Titandioxid";, Randnrn. 13 und 17, und Parlament/Rat vom 23. Februar 1999, Randnr. 38).

24 Zur Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist".

25 Im vorliegenden Fall ist in Anwendung dieser Beurteilungskriterien zu fragen, ob das Protokoll nach seinem Zusammenhang, seiner Zielsetzung und seinem Inhalt ein hauptsächlich im Bereich des Umweltschutzes geschlossener Vertrag ist, der Nebenwirkungen auf den Handel mit LVO haben kann, ob es umgekehrt den Charakter eines Vertrages im Bereich der internationalen Handelspolitik hat, bei dem ergänzend bestimmte Umwelterfordernisse berücksichtigt wurden, oder ob es in untrennbarer Weise sowohl den Umweltschutz als auch den internationalen Handel betrifft.

26 Das Protokoll wurde aufgrund der Entscheidung II/5 der gemäß Artikel 19 Absatz 3 des Übereinkommens abgehaltenen Konferenz der Vertragsparteien ausgearbeitet; nach Artikel 19 Absatz 3 sollten die Vertragsparteien prüfen, ob es angebracht ist, im Bereich der sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch Biotechnologie hervorgebrachten lebenden modifizierten Organismen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können", insbesondere Maßnahmen verfahrenstechnischer Art zu treffen.

27 Das Übereinkommen, das im Übrigen von der Gemeinschaft auf der Grundlage von Artikel 130s EG-Vertrag abgeschlossen wurde, ist unstreitig ein Rechtsakt, der zum Bereich des Umweltschutzes gehört. Es ist das Ergebnis der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), die im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Nach Artikel 1 des Übereinkommens sind dessen Ziele die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile".

28 Gemäß Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge sind unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt Zielsetzung und Gegenstand des Protokolls zu ermitteln, das in der zweiten und der dritten Begründungserwägung auf bestimmte Vorschriften des Übereinkommens, namentlich auf dessen Artikel 19 Absatz 3, und auf die Entscheidung II/5 der Konferenz der Vertragsparteien Bezug nimmt. Zahlreiche Bestimmungen des Protokolls, insbesondere dessen Artikel 3, 7, 16, 18, 20, 22, 27 bis 35 und 37, verweisen ebenfalls auf das Übereinkommen oder die Konferenz der Vertragsparteien.

29 Zur Zielsetzung des Protokolls geht aus dessen Artikel 1, der auf Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung Bezug nimmt, zweifelsfrei hervor, dass mit ihm ein umweltpolitisches Ziel verfolgt wird; dies wird durch die Bezugnahme auf das in Artikel 174 Absatz 2 EG genannte Vorsorgeprinzip bestätigt, das ein tragender Grundsatz des Umweltschutzes ist.

30 Das Ziel, ein angemessenes Schutzniveau" bei der sicheren Übertragung, Handhabung und Verwendung von LVO sicherzustellen, geht auch aus dem Titel des Protokolls klar hervor, in dem ausdrücklich von der biologischen Sicherheit" die Rede ist, sowie aus seiner fünften bis achten Begründungserwägung, in denen hervorgehoben wird, dass die Biotechnologie Risiken für die menschliche Gesundheit mit sich bringen könnte, dass ihre Verwendung mit angemessenen Sicherheitsvorkehrungen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit einhergehen muss und dass Länder, aus denen viele Arten stammen, und solche mit großer genetischer Vielfalt für die Menschheit von entscheidender Bedeutung sind".

31 Was schließlich den Inhalt des Protokolls anbelangt, so kommt in der den Vertragsparteien durch Artikel 2 Absatz 2 auferlegten grundlegenden Verpflichtung, bei Entwicklung, Handhabung, Transport, Verwendung, Übertragung und Freisetzung von LVO Risiken für die biologische Vielfalt zu vermeiden oder zu verringern, die umweltpolitische Zielsetzung des Protokolls deutlich zum Ausdruck.

32 Auch aus Artikel 4 des Protokolls, wonach dieses für alle LVO gilt, die nachteilige Auswirkungen [hinsichtlich] der biologischen Vielfalt haben können, wobei auch den Risiken für die menschliche Gesundheit Rechnung getragen wird", kann geschlossen werden, dass der eigentliche Gegenstand des Protokolls der Umweltschutz ist.

33 In diesem Sinne werden mit dem Protokoll, um den Vertragsparteien die Erfuellung ihrer in Artikel 2 Absatz 2 aufgestellten grundlegenden Verpflichtung zu ermöglichen, mehrere Kontrollverfahren geschaffen (vgl. die Artikel 7 bis 13), darunter das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung", das ein typisches Instrument der Umweltpolitik darstellt (vgl. zur Umsetzung eines Systems der vorherigen Notifizierung und Genehmigung im Bereich der Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten Urteil Parlament/Rat vom 28. Juni 1994, Randnrn. 23, 25 und 26). Das Protokoll behandelt auch die Beurteilung und Bewältigung der mit der Verwendung, Handhabung und grenzüberschreitenden Verbringung von LVO verbundenen Risiken (Artikel 15 und 16), die unbeabsichtigte grenzüberschreitende Verbringung und Notmaßnahmen (Artikel 17) sowie Handhabung, Transport, Verpackung und Identifizierung von LVO (Artikel 18). Schließlich gelten die Artikel 19 bis 28 des Protokolls, deren Gegenstand im Bericht zum Gutachtenantrag kurz dargestellt wurde, für alle Formen grenzüberschreitender Verbringung und sollen es den Vertragsparteien im Wesentlichen ebenfalls ermöglichen, ihrer in Artikel 2 Absatz 2 des Protokolls vorgesehenen grundlegenden Verpflichtung nachzukommen.

34 Aus der Prüfung des Zusammenhangs, der Zielsetzung und des Inhalts des Protokolls in den Randnummern 26 bis 33 des vorliegenden Gutachtens folgt somit, dass die wesentliche Zielsetzung oder Komponente des Protokolls der Schutz der biologischen Vielfalt vor den schädlichen Auswirkungen ist, die sich aus Tätigkeiten ergeben könnten, bei denen mit LVO umgegangen wird; dies gilt insbesondere für deren grenzüberschreitende Verbringung.

35 Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass das Protokoll im Wesentlichen dem Bereich der Regelung des internationalen Handels zuzuordnen sei. Sie verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, der seit langem eine weite Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Handelspolitik vertrete (vgl. Gutachten 1/78, Randnr. 45). Die Tatsache, dass mit einer den internationalen Handel mit bestimmten Erzeugnissen betreffenden Regelung im Wesentlichen nicht handelsbezogene Ziele - wie z. B. der Schutz der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit, die Entwicklungszusammenarbeit, außen- und sicherheitspolitische Zwecke oder agrarpolitische Ziele - verfolgt würden, könne nicht dazu führen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft entfalle und die Heranziehung z. B. von Artikel 175 EG gerechtfertigt sei, wenn die fraglichen Maßnahmen speziell zur Regelung des Außenhandels der Gemeinschaft dienten (in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Rat vom 26. März 1987, Randnrn. 16 bis 20, Urteil Tschernobyl", Randnrn. 17 bis 20, Urteil Werner, Randnrn. 8 bis 11, Urteil Leifer u. a., Randnrn. 8 bis 11, Urteil Centro-Com, Randnrn. 26 bis 29, sowie Gutachten 1/78, Randnrn. 41 bis 46, und 1/94, Randnrn. 28 bis 34). Mit Maßnahmen zur Regelung des internationalen Warenhandels würden in der Praxis häufig mehrere unterschiedliche Ziele verfolgt, was jedoch nicht bedeute, dass sie auf der Grundlage der verschiedenen Vertragsbestimmungen, die diesen Zielen gewidmet seien, angenommen werden müssten.

36 Sie fügt hinzu, in das WTO-Übereinkommen und dessen Anhänge, insbesondere in Artikel XX des GATT, in das SPS-Übereinkommen und in das TBT-Übereinkommen seien nicht handelsbezogene Erwägungen aufgenommen worden, ohne dass der Gerichtshof in Randnummer 34 seines Gutachtens 1/94 die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss aller multilateralen Handelsübereinkünfte gemäß Artikel 113 EG-Vertrag verneint habe.

37 Insoweit trifft es zu, dass nach dem Wortlaut von Artikel 1 des Protokolls das angestrebte angemessene Schutzniveau" u. a. die Übertragung" der LVO betrifft und dass ein Schwerpunkt" auf deren grenzüberschreitender Verbringung" liegt. Es trifft auch zu, dass sich zahlreiche Bestimmungen des Protokolls gerade auf die Kontrolle dieser Verbringung beziehen - vor allem wenn die LVO zur unmittelbaren Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen sind -, um es den nationalen Behörden zu ermöglichen, die mit ihnen verbundenen Risiken für die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit auszuschalten oder zu verringern. Selbst wenn, wie die Kommission behauptet, die durch das Protokoll geschaffenen Kontrollverfahren in den meisten Fällen oder zumindest, gemessen am Handelswert, überwiegend auf den Handelsverkehr mit LVO angewandt werden sollten, ändert dies nichts daran, dass das Protokoll - wie die Prüfung in den Randnummern 26 bis 33 des vorliegenden Gutachtens ergeben hat - nach seinem Zusammenhang, seiner Zielsetzung und seinem Inhalt ein im Wesentlichen zur Ausschaltung biotechnologischer Risiken und nicht zur Förderung, Erleichterung oder Regelung des Handelsverkehrs bestimmtes Instrument ist.

38 Erstens ist nämlich nach Artikel 3 Buchstabe k des Protokolls die grenzüberschreitende Verbringung" die Verbringung eines lebenden veränderten Organismus aus dem Gebiet einer Vertragspartei in das einer anderen Vertragspartei; für die Zwecke der Artikel 17 und 24 ist die grenzüberschreitende Verbringung auch die Verbringung zwischen Vertragsparteien und Nichtvertragsparteien". Diese ausgesprochen weite Definition erstreckt sich auf jede Form des zwischenstaatlichen Transports von LVO unabhängig davon, ob mit ihm handelsbezogene Zwecke verfolgt werden. Erfasst wird dabei nicht nur die Verbringung von LVO zu landwirtschaftlichen Zwecken, d. h. für die unmittelbare Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung", sondern auch die rechtswidrige und die unbeabsichtigte" Verbringung sowie die Verbringung zu karitativen, wissenschaftlichen oder im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken.

39 Auch das Nebeneinander der Begriffe Übertragung", Handhabung" und Verwendung" der LVO in den Artikeln 1 und 2 Absatz 2 des Protokolls zeigt, dass die Vertragsparteien jede Form des Umgangs mit LVO erfassen wollten, um ein angemessenes Schutzniveau" der biologischen Vielfalt zu gewährleisten.

40 Zweitens sind der Umstand, dass mit zahlreichen völkerrechtlichen Handelsabkommen mehrere Ziele verfolgt werden, und die weite Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Handelspolitik in der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht geeignet, die Feststellung in Frage zu stellen, dass das Protokoll ein hauptsächlich die Umweltpolitik betreffendes Instrument ist, selbst wenn die Sicherheitsmaßnahmen den Handel mit LVO beeinträchtigen können. Folgte man der Auslegung der Kommission, so würden die besonderen Bestimmungen des EG-Vertrags zur Umweltschutzpolitik eines Großteils ihrer Substanz beraubt, denn sobald feststuende, dass die Maßnahme der Gemeinschaft Auswirkungen auf den Handelsverkehr haben kann, müsste das geplante Abkommen zu der Kategorie von Abkommen gezählt werden, die unter die gemeinsame Handelspolitik fallen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Umweltpolitik in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe l EG ebenso ausdrücklich erwähnt wird wie die gemeinsame Handelspolitik in Buchstabe b dieser Bestimmung.

41 Drittens können die praktischen Schwierigkeiten bei der Durchführung gemischter Abkommen, auf die sich die Kommission zur Rechtfertigung der Heranziehung von Artikel 133 EG - der der Gemeinschaft eine ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik verleiht - beruft, nicht als relevant für die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts der Gemeinschaft angesehen werden (vgl. Gutachten 1/94, Randnr. 107).

42 Aus allen vorstehenden Erwägungen folgt vielmehr, dass der Abschluss des Protokolls im Namen der Gemeinschaft auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestützt werden muss, die sich speziell auf die Umweltpolitik bezieht.

43 Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden (vgl. Urteile Peralta, Randnr. 57, und Safety Hi-Tech, Randnr. 43), dass Artikel 174 EG die im Rahmen der Umweltpolitik zu verfolgenden Ziele festlegt, während Artikel 175 EG die Rechtsgrundlage darstellt, auf der die Rechtsakte der Gemeinschaft erlassen werden. Artikel 174 Absatz 4 EG sieht zwar ausdrücklich vor, dass die Einzelheiten der Zusammenarbeit der Gemeinschaft" mit dritten Ländern und internationalen Organisationen Gegenstand von Abkommen... sein [können], die nach Artikel 300 ausgehandelt und geschlossen werden". Im vorliegenden Fall beschränkt sich das Protokoll jedoch nicht auf die Festlegung von Einzelheiten der Zusammenarbeit" im Bereich des Umweltschutzes, sondern stellt u. a. genaue Regeln für die Kontrollverfahren im Bereich der grenzüberschreitenden Verbringung, der Risikobeurteilung und -bewältigung sowie von Handhabung, Transport, Verpackung und Identifizierung der LVO auf.

44 Folglich ist Artikel 175 Absatz 1 EG die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss des Protokolls im Namen der Gemeinschaft.

45 Daher ist noch zu prüfen, ob die Gemeinschaft gemäß Artikel 175 EG über eine ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss des Protokolls verfügt, weil im Rahmen der Gemeinschaft Akte abgeleiteten Rechts erlassen wurden, die den Bereich der biologischen Sicherheit abdecken und die beeinträchtigt werden könnten, wenn die Mitgliedstaaten am Verfahren zum Abschluss des Protokolls mitwirkten (vgl. Urteil AETR";, Randnr. 22).

46 Hierzu genügt, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und der Rat zutreffend ausgeführt haben, die Feststellung, dass die auf Gemeinschaftsebene im Geltungsbereich des Protokolls durchgeführte Harmonisierung diesen Bereich jedenfalls nur ganz partiell abdeckt (vgl. die Richtlinien 90/219 und 90/220 sowie die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt [ABl. L 106, S. 1], durch deren Artikel 36 Absatz 1 die Richtlinie 90/220 aufgehoben wird).

47 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Zuständigkeit für den Abschluss des Protokolls zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt ist.

Tenor:

Abschließend äußert sich

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann, der Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric, des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, J.-P. Puissochet, L. Sevón, M. Wathelet (Berichterstatter), R. Schintgen und V. Skouris,

nach Anhörung des Ersten Generalanwalts S. Alber sowie der Generalanwälte F. G. Jacobs, P. Léger, D. Ruiz-Jarabo Colomer, J. Mischo, A. Tizzano, L. A. Geelhoed und C. Stix-Hackl,

gutachtlich wie folgt:

Die Zuständigkeit für den Abschluss des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit ist zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt.

Ende der Entscheidung

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