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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.06.1996
Aktenzeichen: C-2/94
Rechtsgebiete: Richtlinie 69/335/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 69/335/EWG Art. 10
Richtlinie 69/335/EWG Art. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, der im Rahmen des Verbotes indirekter Steuern, die die gleichen Merkmale wie die Gesellschaftsteuer aufweisen, die Erhebung von Steuern oder Abgaben auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, verbietet, ist auf eine Abgabe, die jährlich aufgrund der Eintragung eines Unternehmens bei einer Industrie- und Handelskammer zu entrichten ist, auch dann nicht anwendbar, wenn dieser Vorgang zugleich als Eintragung der Kapitalgesellschaft gilt, die gegebenenfalls Inhaber des Unternehmens ist, sofern mit dieser Formalität keine Erhöhung der fraglichen Abgabe verbunden ist.

Die Abgabenpflicht wird nämlich nicht durch die Eintragung der Gesellschaft, die Inhaber eines Unternehmens ist, sondern durch die Eintragung des Unternehmens selbst ausgelöst, wobei die Abgabe von der Rechtsform des Inhabers des Unternehmens, für das sie zu entrichten ist, unabhängig ist. Die fragliche Abgabe stehe daher nicht mit Formalitäten in Zusammenhang, denen Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden können.


Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juni 1996. - Denkavit International BV, Galveston BV, Heklicht Scheepvaartbelangen BV, C. Roeleveld Beheer BV u. a., R. J. Schippefelt, Sigarenhandel Ben Sterk vof und H. van Werkhoven Holding Maarssen BV gegen Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Midden-Gelderland, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor 's-Gravenhage, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam und Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Utrecht en Omstreken. - Ersuchen um Vorabentscheidung: College van Beroep voor het Bedrijfsleven - Niederlande. - Richtlinie 69/335/EWG - Handelsregisterbeitrag. - Rechtssache C-2/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven hat mit Urteil vom 23. November 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Januar 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen den Firmen Denkavit Internationaal (im folgenden: Firma Denkavit), Galveston, Heklicht Scheepvaartbelangen, C. Röleveld Beheer u. a., R. J. Schippevelt, Sigarenhandel Ben Sterk vof und J. H. Werkhoven Holding Maarssen einerseits und den Beklagten der Ausgangsverfahren andererseits, bei denen es sich um die Industrie- und Handelskammern von Midden-Gelderland, Den Haag, Amsterdam und Utrecht handelt, über die Zahlung des Handelsregisterbeitrags.

3 Aus den Akten der Ausgangsverfahren ergibt sich, daß den Industrie- und Handelskammern in den Niederlanden nach Artikel 1 der Handelsregisterwet (Handelsregistergesetz, im folgenden: Gesetz) vom 26. Juli 1918 in ihrer geltenden Fassung die Aufgabe übertragen ist, das Handelsregister für ihren jeweiligen Bezirk zu führen.

4 Nach Artikel 1 Absatz 1 des Gesetzes werden in das Handelsregister alle Unternehmen eingetragen, die

a) in den Niederlanden ansässig sind oder

b) in den Niederlanden eine Zweigniederlassung haben oder

c) in den Niederlanden durch einen bevollmächtigten Handelsagenten vertreten werden.

Die Unternehmen werden in das Handelsregister eingetragen, das von der Industrie- und Handelskammer geführt wird, in deren Bezirk sie ansässig sind oder eine Zweigniederlassung haben.

5 Nach Artikel 1 Absatz 7 des Gesetzes sind einzutragen alle Aktiengesellschaften (naamloze vennootschappen), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (besloten vennootschappen met beperkte aansprakelijkheid), Genossenschaften (coöperaties), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (onderlinge waarborgmaatschappijen) und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) (ABl. L 199, S. 1), die ihren satzungsmässigen Sitz in den Niederlanden haben.

6 Artikel 9c des Gesetzes lautet: "Ist eine in Artikel 1 Absatz 7 aufgeführte juristische Person Inhaber eines Unternehmens, das bei der Industrie- und Handelskammer eingetragen ist, in deren Bezirk diese juristische Person ihren satzungsmässigen Sitz hat, so gilt die Eintragung des Unternehmens bei dieser Kammer auch als Eintragung dieser juristischen Person."

7 Es gibt kein eigenes Register für Gesellschaften. Deshalb erfuellt das Handelsregister in den Niederlanden zwei Aufgaben: Zum einen soll es als Gesellschaftsregister der Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968, der Ersten Richtlinie zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8), hinsichtlich der Offenlegung und Eintragung der Rechtsakte der Gesellschaften genügen; zum anderen stellt es als Unternehmensregister ein Verzeichnis und eine Quelle wirtschaftlicher Informationen über die im jeweiligen Bezirk der einzelnen Industrie- und Handelskammern niedergelassenen Unternehmen dar.

8 Nach Artikel 22 des Gesetzes erheben die Industrie- und Handelskammern von den Unternehmen jährlich einen Beitrag für deren Eintragung, dessen Höhe von der zuständigen Kammer festgelegt wird. Die Unternehmen werden nach Maßgabe des in das Unternehmen eingebrachten Kapitals unter Abzug der Verluste in Gruppen eingeteilt. Die Industrie- und Handelskammer kann keinen höheren als den durch allgemeine Verwaltungsanordnung für die betreffende Gruppe von Unternehmen bestimmten Betrag festsetzen. Sie kann jedoch ein Unternehmen in eine Gruppe einstufen, für die ein höherer Betrag als für die Gruppe gilt, zu der das Unternehmen nach eigener Erklärung gehört, wenn sie der Ansicht ist, daß das Unternehmen zur erstgenannten Gruppe gehört oder daß seine Bedeutung diese Einstufung rechtfertigt.

9 Nach Artikel 22 Absatz 6 des Gesetzes ist für die Eintragung einer in Artikel 1 Absatz 7 aufgeführten juristischen Person für jedes Kalenderjahr, in dem die juristische Person eingetragen ist oder eingetragen sein müsste, ein durch allgemeine Verwaltungsanordnung festzusetzender Betrag an die betreffende Kammer zu entrichten, der auf 61 HFL festgesetzt worden ist. Das gilt nicht, wenn die Eintragung des Unternehmens der juristischen Person aufgrund von Artikel 9c als Eintragung der juristischen Person gilt.

10 Nach Artikel 26 des Gesetzes wird der Beitrag von demjenigen, dem das Unternehmen gehört, oder, wenn es sich um die Eintragung einer in Artikel 1 Absatz 7 aufgeführten juristischen Person handelt, von dieser geschuldet. Gehört das Unternehmen mehreren Personen, so haften diese für den Beitrag als Gesamtschuldner.

11 Die Kläger der Ausgangsverfahren, von denen keiner den Pauschalbetrag von 61 HFL zu entrichten hat, erhoben jeweils beim vorlegenden Gericht Klage, nachdem die Industrie- und Handelskammern ihre Beschwerden gegen die Entscheidungen zurückgewiesen hatten, mit denen sie zur Zahlung des Handelsregisterbeitrags verpflichtet worden waren.

12 Dem vorlegenden Gericht stellt sich zunächst die Frage, ob der Handelsregisterbeitrag unter Berücksichtigung insbesondere des Urteils vom 20. April 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-71/91 und C-178/91 (Ponente Carni und Cispadana Costruzioni, Slg. 1993, I-1915) mit den Bestimmungen der Richtlinie 69/335 vereinbar ist.

13 Weiter stellt sich ihm für den Fall, daß die Richtlinie 69/335 vom Gerichtshof so ausgelegt wird, daß sie der Erhebung eines Beitrags wie des hier streitigen entgegensteht, angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere des Urteils vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-208/90 (Emmott, Slg. 1991, I-4269), die Frage, ob eine Industrie- und Handelskammer einer Firma, die die Rückzahlung der ihrer Ansicht nach rechtswidrig erhobenen Abgaben verlangt, die Einhaltung einer Frist von dreissig Tagen entgegenhalten kann, wie sie in der Wet administratieve rechtspraak bedrijfsorganisatie (Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Wirtschaftsorganisation) für die Einlegung von Beschwerden und die Erhebung von Klagen vorgesehen ist. Aus dem Vorlageurteil geht nämlich hervor, daß diese Frist bei Einlegung der Beschwerde der Firma Denkavit bereits abgelaufen war.

14 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven hat demgemäß nach Artikel 177 EG-Vertrag das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1.a) Fällt ausser einer Abgabe auf die Eintragung der in Artikel 10 der Richtlinie 69/335/EWG genannten Gesellschaften, Personenvereinigungen und juristischen Personen auch ein Beitrag, der jährlich aufgrund der ° zwingenden ° Eintragung eines Unternehmens bei einer Industrie- und Handelskammer zu entrichten ist und der sich nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens bemisst, die ° in erster Linie ° in dem im Unternehmen arbeitenden Vermögen zum Ausdruck kommt, ohne weiteres unter das in diesem Artikel niedergelegte Verbot, selbst wenn zwischen der Verpflichtung zur Eintragung des Unternehmens und der Rechtsform dessen, dem das Unternehmen gehört, kein Zusammenhang besteht?

b) Falls diese Frage verneint wird:

Ist, wenn mit einer Eintragung im Sinne von Frage 1 a für den Inhaber des Unternehmens zugleich die in Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG beschriebene Formalität erfuellt wird, die von diesem Inhaber wegen der Eintragung des Unternehmens erhobene Abgabe als eine Abgabe im Sinne dieses Artikels anzusehen, auch wenn damit keine Erhöhung der in Frage 1 a genannten Abgabe verbunden ist?

2. Bei Bejahung (einer) der vorigen Fragen:

Kann unter den in Artikel 12 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG verwendeten Begriff der "Abgaben mit Gebührencharakter" auch eine von einer Industrie- und Handelskammer erhobene Abgabe fallen, die ausser zur Deckung der Kosten, die der Kammer durch die Vornahme von Eintragungen in das von ihr geführte Handelsregister entstanden sind, zugleich zur Finanzierung von Aufgaben und Tätigkeiten dient, die die Kammer im Interesse aller in ihrem Einzugsbereich niedergelassenen Unternehmen wahrnimmt bzw. ausübt, wobei die Kosten dieser Aufgaben und Tätigkeiten nach Maßgabe der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens, die ° in erster Linie ° in dem im Unternehmen arbeitenden Vermögen zum Ausdruck kommt, auf die Unternehmen umgelegt werden?

3. Kann, wenn von der Rechtswidrigkeit einer Abgabe, wie sie in den vorigen Fragen bezeichnet ist, ausgegangen werden muß, dem Bürger, der sich im Rahmen eines Rechtsstreits vor einem nationalen Gericht unter Hinweis auf die Richtlinie 69/335/EWG auf diese Rechtswidrigkeit beruft, die Überschreitung der nach nationalem Recht vorgeschriebenen Rechtsbehelfsfristen nicht entgegengehalten werden, solange die der Erhebung der Abgabe zugrunde liegenden, mit dieser Richtlinie unvereinbaren nationalen Rechtsvorschriften nicht aufgehoben wurden?

15 Zweck und Inhalt der Richtlinie 69/335 sind im Urteil Ponente Carni dargestellt.

16 Die Richtlinie 69/335 will, wie aus ihren Begründungserwägungen hervorgeht, den freien Kapitalverkehr fördern, der als wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt angesehen wird. Die Verfolgung dieses Ziels setzt hinsichtlich der Steuern auf die Ansammlung von Kapital voraus, daß die in den Mitgliedstaaten bisher geltenden indirekten Steuern aufgehoben und durch eine innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur einmal und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Höhe erhobene Steuer ersetzt werden.

17 Demgemäß sieht die Richtlinie 69/335 eine Abgabe auf Kapitalzuführungen vor, die nach ihrer sechsten und siebten Begründungserwägung zur Vermeidung von Störungen des Kapitalverkehrs nicht nur hinsichtlich ihrer Sätze, sondern auch hinsichtlich ihrer Struktur innerhalb der Gemeinschaft harmonisiert werden muß (Urteil vom 27. Juni 1979 in der Rechtssache 161/78, Conradsen, Slg. 1979, 2221, Randnr. 11). Für diese Gesellschaftsteuer gelten die Artikel 2 bis 9 der Richtlinie.

18 In Artikel 3 sind die Kapitalgesellschaften aufgeführt, für die die Richtlinie 69/335 gilt. Dazu gehören insbesondere die naamloze vennootschap (Aktiengesellschaft), die commanditaire vennootschap op aandelen (Kommanditgesellschaft auf Aktien) und die personenvennootschap met beperkte aansprakelijkheid (Gesellschaft mit beschränkter Haftung).

19 In den Artikeln 4, 8 (in der Fassung der Änderungsrichtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985, ABl. L 156, S. 23) und 9 sind, vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 7, die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge sowie bestimmte Vorgänge aufgeführt, die die Mitgliedstaaten von der Gesellschaftsteuer befreien können. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a gehört die Gründung einer Kapitalgesellschaft zu den der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgängen.

20 Die Richtlinie 69/335 schreibt entsprechend ihrer letzten Begründungserwägung auch die Beseitigung anderer indirekter Steuern vor, die die gleichen Merkmale wie die Gesellschaftsteuer oder die Wertpapiersteuer aufweisen und deren Beibehaltung die mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden würde. Diese indirekten Steuern, deren Erhebung untersagt ist, sind in den Artikeln 10 und 11 der Richtlinie aufgeführt. In Artikel 10 heisst es:

"Abgesehen von der Gesellschaftsteuer erheben die Mitgliedstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf:

a) die in Artikel 4 genannten Vorgänge;

b)...

c) die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann."

21 Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 69/335 enthält eine abschließende Liste der anderen keine Gesellschaftsteuer darstellenden Steuern oder Abgaben, die abweichend von den Artikeln 10 und 11 von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit den in den Artikeln 10 und 11 genannten Vorgängen erhoben werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 36/86, Dansk Sparinvest, Slg. 1988, 409, Randnr. 9). Artikel 12 der Richtlinie erwähnt in Absatz 1 Buchstabe e insbesondere die "Abgaben mit Gebührencharakter". Nach Artikel 12 Absatz 2 sind bei den in Absatz 1 genannten Steuern und Abgaben bestimmte Formen der Diskriminierung untersagt.

Zur ersten Frage

22 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Abgabe wie der niederländische Handelsregisterbeitrag, der jährlich aufgrund der Eintragung eines Unternehmens bei einer Industrie- und Handelskammer zu entrichten ist, wobei diese Eintragung zugleich als Eintragung der Kapitalgesellschaft gilt, die gegebenenfalls Inhaber des Unternehmens ist, ohne daß mit dieser Formalität eine Erhöhung des betreffenden Beitrags verbunden wäre, unter Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 fällt.

23 Artikel 10 der Richtlinie 69/335 verbietet nach deren letzter Begründungserwägung namentlich die indirekten Steuern, die die gleichen Merkmale aufweisen wie die Gesellschaftsteuer. Es werden also u. a. ungeachtet ihrer Form Steuern erfasst, die wegen der Gründung einer Kapitalgesellschaft und der Erhöhung ihres Kapitals (Artikel 10 Buchstabe a) oder im Hinblick auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität zu entrichten sind, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (Artikel 10 Buchstabe c). Wie der Generalanwalt in Nummer 44 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist dieses Verbot dadurch gerechtfertigt, daß die fraglichen Abgaben zwar nicht auf die Kapitalzuführungen als solche, wohl aber wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des Instruments zur Kapitalansammlung, erhoben werden, so daß die Beibehaltung dieser Abgaben auch die von der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden würde.

24 Im vorliegenden Fall wird, wie das vorlegende Gericht hervorhebt, die Abgabenpflicht nach niederländischem Recht nicht durch die Eintragung der Gesellschaft oder der juristischen Person, die Inhaber eines Unternehmens ist, sondern durch die Eintragung des Unternehmens selbst ausgelöst. Es handelt sich um eine Belastung, die nach Maßgabe ihres Vermögens alle wirtschaftlichen Einheiten trifft, die ausserhalb bestimmter Sektoren am Wirtschaftsleben teilhaben und einen Erwerbszweck verfolgen.

25 Diese Abgabe ist von der Rechtsform des Inhabers des Unternehmens, für das sie zu entrichten ist, unabhängig. Es kommt nicht darauf an, ob es sich dabei um eine natürliche oder eine juristische Person, um eine Personengesellschaft oder um eine Kapitalgesellschaft handelt. Umgekehrt schuldet eine Gesellschaft, der kein Unternehmen gehört, die Abgabe nicht; eine Gesellschaft, der im Bezirk der Industrie- und Handelskammer, in dem sie ihren satzungsmässigen Sitz hat, kein Unternehmen gehört, braucht an diese Kammer keine Abgabe zu zahlen.

26 Die streitige Abgabe steht daher nicht mit Formalitäten in Zusammenhang, denen Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden können. So ist ein Unternehmen, dessen Inhaber im Laufe des Jahres die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft wählt, nicht zur erneuten Entrichtung der fraglichen Abgabe verpflichtet. Wenn darüber hinaus diese neue juristische Person im folgenden Jahr ihren Beitrag nicht zahlt, verliert sie deshalb noch nicht ihre Eintragung als Gesellschaft.

27 Der streitige niederländische Beitrag unterscheidet sich somit von der italienischen Konzessionsabgabe, um die es im Urteil Ponente Carni ging. Diese wurde nämlich speziell bei der Eintragung von Gesellschaften im Register für Handelsgesellschaften und danach jedes Jahr als Gegenleistung allein für die Aufrechterhaltung dieser Eintragung erhoben.

28 Dieser Auslegung steht nicht entgegen, daß die Eintragung eines Unternehmens bei einer Industrie- und Handelskammer nach niederländischem Recht immer dann auch als Eintragung der juristischen Person, die Inhaber des Unternehmens ist, gilt, wenn sich deren satzungsmässiger Sitz im Bezirk derselben Kammer befindet. Diese Bestimmung, die in das niederländische Recht nur zur Umsetzung der Richtlinie 68/151 eingeführt wurde, ändert nämlich für sich allein den die streitige Abgabe auslösenden Tatbestand nicht und wandelt diese nicht in eine aufgrund der Eintragung der eignenden juristischen Person geschuldete Abgabe um, zumal mit ihr keine Erhöhung des fraglichen Beitrags verbunden ist.

29 Dem steht auch nicht der von den Klägern der Ausgangsverfahren vorgetragene und von der Regierung der Niederlande nicht bestrittene Umstand entgegen, daß von jeder Kapitalgesellschaft vermutet wird, daß sie Inhaber eines Unternehmens im Sinne der maßgeblichen niederländischen Rechtsvorschriften sei. Zum einen erstreckt sich diese Vermutung nicht auf Firmenmäntel, also auf Gesellschaften, die über keine Aktiva verfügen und somit keine Tätigkeit mehr ausüben. Zum anderen stellen die Kläger der Ausgangsverfahren nicht in Abrede, daß jede Gründung einer Gesellschaft grundsätzlich auf den Betrieb eines Unternehmens abzielt; sie leiten vielmehr aus dem Zusammenhang zwischen der Gründung einer Gesellschaft und dem Betrieb eines Unternehmens ab, daß der streitige Beitrag wegen der Eintragung der Gesellschaft selbst geschuldet sei. Der Umstand aber, daß jede Kapitalgesellschaft grundsätzlich Inhaber eines Unternehmens ist, ändert nicht den die Abgabe auslösenden Tatbestand, der auch in diesem Fall in der Eintragung des Unternehmens selbst besteht.

30 Die Firma Denkavit macht hilfsweise geltend, ihre Tätigkeiten als Holdinggesellschaft beschränkten sich auf die Verwaltung und Finanzierung ihrer Tochtergesellschaften. Sie sei der streitigen Abgabe daher als Gesellschaft unterworfen, da feststehe, daß Holdinggesellschaften keine Unternehmenstätigkeiten im eigentlichen Sinn ausübten. Die Firma Denkavit hat sich in der mündlichen Verhandlung insbesondere auf die Urteile des Gerichtshofes vom 20. Juni 1991 in der Rechtssache C-60/90 (Polysar Investments Netherlands, Slg. 1991, I-3111) und vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-333/91 (Sofitam, Slg. 1993, I-3513) berufen.

31 In diesen beiden Urteilen hat der Gerichtshof jedoch entschieden, daß der blosse Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ° Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im folgenden: Sechste Richtlinie) ist. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die der Beteiligungsgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafterin zustuenden, mit einem unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaften einhergehe, an denen die Beteiligung bestehe. Jedenfalls betrifft diese Auslegung nur die Sechste Richtlinie. Sie kann für die Mitgliedstaaten insbesondere nicht in einem Bereich gelten, in dem das Gemeinschaftsrecht keine spezifische Bestimmungen enthält, die auf einen Ausschluß oder eine Beschränkung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gerichtet wären. Wie die Beklagten der Ausgangsverfahren und die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, fällt die Definition des Begriffs Unternehmen im Sinne der streitigen Rechtsvorschriften in die Zuständigkeit des niederländischen Gesetzgebers.

32 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 eine Abgabe, die jährlich aufgrund der Eintragung eines Unternehmens bei einer Industrie- und Handelskammer zu entrichten ist, auch dann nicht verbietet, wenn dieser Vorgang zugleich als Eintragung der Kapitalgesellschaft gilt, die gegebenenfalls Inhaber des Unternehmens ist, sofern mit dieser Formalität keine Erhöhung der fraglichen Abgabe verbunden ist.

Zur zweiten und zur dritten Frage

33 Angesichts der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich die Beantwortung der zweiten und der dritten Frage.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Die Auslagen der niederländischen, der dänischen, der griechischen und der Regierung des Vereinigtes Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom College van Beroep voor het Bedrijfsleven mit Urteil vom 23. November 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital verbietet eine Abgabe, die jährlich aufgrund der Eintragung eines Unternehmens bei einer Industrie- und Handelskammer zu entrichten ist, auch dann nicht, wenn dieser Vorgang zugleich als Eintragung der Kapitalgesellschaft gilt, die gegebenenfalls Inhaber des Unternehmens ist, sofern mit dieser Formalität keine Erhöhung der fraglichen Abgabe verbunden ist.

Ende der Entscheidung

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