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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.06.1996
Aktenzeichen: C-205/94
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die durch Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

In dieser Hinsicht sind die Verordnungen Nrn. 2198/90 und 3797/90 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr gefrorener Erdbeeren nicht unzureichend begründet, denn aus ihren Begründungserwägungen geht klar hervor, daß die Kommission das System der Einfuhrmindestpreise wegen der Gefahr von Marktstörungen infolge der Nichteinhaltung der mit den Lieferländern vereinbarten Preise, des deutlichen Anstiegs der Einfuhrmengen und der erheblich niedrigeren Preise der eingeführten Erzeugnisse im Vergleich zu den Gemeinschaftserzeugnissen erlassen und beibehalten hat.

2. Auf dem Sektor der Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse stellten die Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr gefrorener Erdbeeren mit Ursprung in Polen, die durch die Verordnungen Nrn. 2198/90 und 3797/90 eingeführt und beibehalten wurden, in einer Situation, in der ernsthafte Störungen des Marktes in der Gemeinschaft drohten, die die in Artikel 39 des Vertrages festgesetzten Ziele gefährden konnten, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit dar.

Erstens hat die Kommission nämlich diesen Grundsatz nicht verletzt, als sie im Rahmen der Verordnung Nr. 2198/90 einen Mindestpreis bei der Einfuhr vorschrieb, der nicht die Qualität der eingeführten Erdbeeren berücksichtigte, sondern nur die Art und Weise ihrer Verarbeitung, da sich die polnischen Behörden zum einen vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung dazu verpflichtet hatten, daß ihre Exporteure einen Durchschnittspreis bei der Ausfuhr einhielten, der für jedes Wirtschaftsjahr vereinbart und für gefrorene Erdbeeren insgesamt, ohne Unterscheidung nach der Qualität, festgelegt wurde, und da die polnischen Behörden bis zum Inkrafttreten der Verordnung Nr. 3797/90 nicht in der Lage waren, insbesondere durch die Ausstellung von Ausfuhrbescheinigungen eine Qualitätskontrolle für ausgeführte Erdbeeren zu gewährleisten, so daß die Zollbehörden der Gemeinschaft bis zu diesem Zeitpunkt keine wirksame und einheitliche Kontrolle der Mindestpreise für eingeführte Erdbeeren je nach Qualitätsklasse sicherstellen konnten.

Zweitens hat sie diesen Grundsatz auch nicht verletzt, als sie die Umrechnung des in ECU ausgedrückten Mindestpreises in nationale Währungen zu den in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1676/85 geregelten landwirtschaftlichen Umrechnungskursen vorsah, denn zum einen schreibt diese Bestimmung gerade die Verwendung dieser Kurse bei den Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik vor, zum anderen überschritt der Einfuhrpreis, der sich aus der nach dieser Methode vorgenommenen Umrechnung ergab, nicht die für die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen notwendige Höhe.

Schließlich kann auch die Geltungsdauer der Verordnung Nr. 3797/90 nicht als übermässig lang angesehen werden, denn während dieses Zeitraums haben sich die Bedingungen des Marktes in der Gemeinschaft und insbesondere die Bedingungen der Einfuhr gefrorener Erdbeeren aus Drittländern nicht wesentlich geändert.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 13. Juni 1996. - Binder GmbH & Co. International gegen Hauptzollamt Stuttgart-West. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Baden-Württemberg - Deutschland. - Gefrorene Erdbeeren - Schutzmaßnahmen. - Rechtssache C-205/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat mit Beschluß vom 6. Juli 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juli 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen zum einen nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 2198/90 der Kommission vom 27. Juli 1990 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von gefrorenen und vorläufig haltbar gemachten Erdbeeren sowie von gefrorenen und haltbar gemachten Himbeeren mit Ursprung in Polen (ABl. L 198, S. 53) und zum anderen nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 3797/90 der Kommission vom 21. Dezember 1990 über Schutzmaßnahmen für die Einfuhr von halbverarbeitetem rotem Beerenobst mit Ursprung in Polen und Jugoslawien (ABl. L 365, S. 22) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Binder GmbH & Co. International (Antragstellerin) gegen das Hauptzollamt Stuttgart-West um Ausgleichsabgaben, die bei der Klägerin wegen der Einfuhr gefrorener Erdbeeren aus Polen erhoben wurden.

3 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 426/86 des Rates vom 24. Februar 1986 über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. L 49, S. 1) wurde ein System von Produktionsbeihilfen und zur Regulierung des Handelsverkehrs mit Drittländern eingeführt, um die Wettbewerbsfähigkeit der Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse aus der Gemeinschaft zu erhöhen. Gemäß Artikel 1 gilt diese Verordnung insbesondere für gefrorene Früchte ohne Zusatz von Zucker.

4 Artikel 18 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung lautet:

"Wird der Markt in der Gemeinschaft für eines oder mehrere der in Artikel 1 genannten Erzeugnisse aufgrund von Einfuhren oder Ausfuhren ernstlichen Störungen ausgesetzt oder von ernstlichen Störungen bedroht, die die Ziele des Artikels 39 des Vertrages gefährden, so können im Handel mit Drittländern geeignete Maßnahmen angewandt werden, bis die tatsächliche oder drohende Störung behoben ist."

5 Nach Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 521/77 des Rates vom 14. März 1977 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen für die Schutzmaßnahmen für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. L 73, S. 28), der für die Anwendung der Verordnung Nr. 426/86 beibehalten wurde, werden für die Beurteilung, ob eine solche Störung vorliegt, insbesondere berücksichtigt:

"a) der Umfang der getätigten bzw. voraussichtlichen Einfuhren oder Ausfuhren;

b) die verfügbaren Mengen auf dem Markt der Gemeinschaft;

c) die auf dem Markt der Gemeinschaft für einheimische Erzeugnisse angewandten Preise oder deren voraussichtliche Entwicklung, insbesondere ihre Tendenz zu einem übermässigen Preisrückgang oder zu einer überhöhten Preissteigerung gegenüber den Preisen der letzten Jahre;

d) die auf dem Markt der Gemeinschaft festgestellten und auf vergleichbarer Grundlage berechneten Preise für Erzeugnisse mit Herkunft aus dritten Ländern, insbesondere ihre Tendenz zu einem übermässigen Rückgang, wenn die eingangs genannte Lage aufgrund von Einfuhren eintritt."

6 Zu den möglichen Schutzmaßnahmen gehört die Einführung eines Systems von Mindestpreisen bei der Einfuhr mit Ausgleichsabgaben (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 521/77). Diese Maßnahmen "dürfen nur in dem Umfang und für die Zeit getroffen werden, die unbedingt notwendig sind... Sie können auf Einfuhren mit Herkunft aus oder Ursprung in bestimmten Ländern, Ausfuhren nach bestimmten Ländern, bestimmte Qualitäten oder Aufmachungen beschränkt werden..." (Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung).

7 Gestützt auf diese Bestimmungen erließ die Kommission die streitigen Verordnungen.

8 Die Verordnung (EWG) Nr. 2198/90 setzte einen Einfuhrmindestpreis u. a. für gefrorene Erdbeeren ohne Zusatz von Zucker mit Ursprung in Polen fest und sah vor, daß bei der Einfuhr dieser Erzeugnisse zu einem Preis unter dem Mindestpreis eine Ausgleichsabgabe erhoben wurde. Die Verordnung galt bis zum 31. Dezember 1990.

9 Die Verordnung (EWG) Nr. 3797/90 behielt das Einfuhrmindestpreissystem mit Ausgleichsabgabe bis zum 31. März 1991 bei. Sie setzte jedoch unterschiedliche Mindestpreise fest, je nachdem, ob es sich um ganze Früchte handelte oder nicht.

10 Die Geltung dieser Verordnung wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 810/91 der Kommission vom 27. März 1991 (ABl. L 82, S. 49) bis zum 31. Juli 1991 und dann durch die Verordnung (EWG) Nr. 2152/91 der Kommission vom 22. Juli 1991 (ABl. L 200, S. 16) bis zum 25. September 1991 verlängert.

11 Die Antragstellerin führte von November 1990 bis September 1991 gefrorene Erdbeeren ohne Zusatz von Zucker aus Polen ein. Aufgrund einer Prüfung gelangte das Hauptzollamt Stuttgart-West zu der Ansicht, daß die Antragstellerin die durch die Gemeinschaftsregelung vorgeschriebenen Einfuhrmindestpreise nicht eingehalten habe. Es setzte daher gegen sie Ausgleichsabgaben fest.

12 Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht Baden-Württemberg die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Festsetzung dieser Abgaben. Sie machte geltend, daß die Verordnungen Nrn. 2198/90 und 3797/90 aus folgenden Gründen ungültig seien: Erstens sei der Markt weder Störungen ausgesetzt noch von Störungen bedroht, wie sich aus den von ihr zu den Akten gereichten Unterlagen ergebe; zweitens seien die angefochtenen Verordnungen nicht hinreichend begründet, und drittens wahrten die ergriffenen Schutzmaßnahmen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht. Zu diesem letzten Gesichtspunkt macht die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens geltend, daß die Verordnung Nr. 2198/90 nicht zwischen verschiedenen Erdbeersorten unterscheide, daß sie eine verdeckte Erhöhung der Einfuhrmindestpreise durch Anknüpfung an den "grünen" ECU herbeiführe und daß die Dauer der streitigen Maßnahmen über das notwendige Maß hinausgehe.

13 Um dieses Vorbringen würdigen zu können, hat das Finanzgericht Baden-Württemberg dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Verordnung (EWG) Nr. 2198/90 der Kommission vom 27. Juli 1990 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von gefrorenen und vorläufig haltbar gemachten Erdbeeren sowie von gefrorenen und haltbar gemachten Himbeeren mit Ursprung in Polen (ABl. L 198, S. 53) in ihrem gesamten Geltungsbereich bis 31. Dezember 1990 ungültig?

2. Ist die Verordnung (EWG) Nr. 3797/90 der Kommission vom 21. Dezember 1990 über Schutzmaßnahmen für die Einfuhr von halbverarbeitetem rotem Beerenobst mit Ursprung in Polen und Jugoslawien (ABl. L 365, S. 22) in ihrem ursprünglichen Geltungsbereich bis 31. Dezember 1991 sowie in ihrem verlängerten Geltungsbereich bis 31. Juli 1991 und danach bis 25. September 1991 (Verordnungen [EWG] Nrn. 810/91 und 2152/91 der Kommission vom 27. März 1991 bzw. vom 22. Juli 1991, jeweils zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 3797/90 [ABl. L 82, S. 49; L 200, S. 16]) ungültig?

14 Mit diesen beiden Fragen, die gemeinsam geprüft werden können, begehrt das vorlegende Gericht Auskunft über die Gültigkeit der Verordnungen Nrn. 2198/90 und 3797/90 in Anbetracht der verschiedenen Argumente, die die Antragstellerin im Verfahren vor ihm vorgetragen hat. Daher sind diese Argumente nacheinander zu behandeln.

Das Vorliegen einer ernstlichen Marktstörung

15 Die Antragstellerin trägt vor, nach den in Artikel 1 der Verordnung Nr. 521/77 festgelegten Kriterien sei der Markt in der Gemeinschaft für gefrorene Erdbeeren im fraglichen Zeitraum keinen ernstlichen Störungen ausgesetzt und nicht von ernstlichen Störungen bedroht gewesen. Unter Berufung auf ein Gutachten der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft GmbH macht die Antragstellerin geltend, daß die 1990 eingetretene Steigerung der Einfuhren gefrorener Erdbeeren darauf zurückzuführen sei, daß der Bedarf der Verarbeitungsindustrie in der Gemeinschaft an Erdbeeren der Sorte Senga Sengana, die in der Gemeinschaft praktisch nicht angebaut worden sei, nicht habe befriedigt werden können. Die in der Gemeinschaft erzeugten und zur Verarbeitung bestimmten Mengen Erdbeeren seien seinerzeit gering gewesen, da es auf dem Markt für frische Früchte nicht mehr wie in den drei Vorjahren Überschüsse gegeben habe. Auch sei der Preis dieser Erzeugnisse in den Jahren 1989 bis 1993 weitgehend stabil geblieben, und der Durchschnittspreis für aus Polen eingeführte gefrorene Erdbeeren sei 1990 und 1991 höher als 1989 gewesen.

16 Die Kommission und die spanische Regierung machen hingegen geltend, zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnungen hätten ernsthafte Marktstörungen gedroht. Seit 1989 seien die polnischen Behörden nicht mehr in der Lage gewesen, die Ausfuhren gefrorener Erdbeeren und somit die Einhaltung der zwischen Polen und der Gemeinschaft geschlossenen Selbstbeschränkungsabkommen zu kontrollieren. Die Einfuhren gefrorener Erdbeeren aus Polen seien daher im ersten Halbjahr 1990 stark gestiegen, was zu einem deutlichen Verfall der Preise auf dem Gemeinschaftsmarkt geführt habe. Nach Ansicht der Kommission sind die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen, die nur eine einzige Erdbeersorte beträfen, nicht geeignet, dieses Ergebnis, das die Gesamtlage auf dem Markt für gefrorene Erdbeeren und nicht willkürlich bestimmte Sorten berücksichtige, zu widerlegen.

17 Nach ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 12. April 1984 in der Rechtssache 345/82, Wünsche, Slg. 1984, 1995, Randnr. 21, und vom 29. Februar 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-296/93 und C-307/93, Frankreich und Irland/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32) ist zu prüfen, ob die Kommission die Lage auf dem fraglichen Markt offensichtlich fehlerhaft beurteilt hat.

18 Die Antragstellerin bestreitet nicht, daß das zwischen Polen und der Gemeinschaft für das Wirtschaftsjahr 1989/90 geschlossene Selbstbeschränkungsabkommen für Ausfuhren gefrorener Erdbeeren nicht eingehalten wurde und daß für das Wirtschaftjahr 1990/91 kein solches Abkommen geschlossen werden konnte.

19 Aus den von der Kommission vorgelegten offiziellen Statistiken geht hervor, daß die Einfuhren gefrorener Erdbeeren in die Gemeinschaft schon am Ende des ersten Halbjahres 1990 etwa den Umfang der Einfuhren jedes der beiden vorangegangenen Jahre erreicht hatten. Dieser Anstieg der eingeführten Mengen, der fast ausschließlich auf Einfuhren aus Polen zurückzuführen ist, ging einher mit einem deutlichen Rückgang ° in einer Grössenordnung von 30 % ° des Einfuhrpreises im selben Zeitraum.

20 Die Unterlagen, die die Antragstellerin zu den Akten gereicht hat, erbringen nicht den Beweis, daß der Anstieg der Einfuhren aus Polen im wesentlichen oder gar ausschließlich darauf zurückzuführen gewesen wäre, daß die Gemeinschaftserzeugung den Bedarf der Verarbeitungsindustrie in der Gemeinschaft nicht hätte befriedigen können. Zum einen erweist sich nicht, daß die in der Gemeinschaft erzeugten und die aus Polen eingeführten Erdbeeren aus der Sicht der Verarbeiter nicht untereinander austauschbar gewesen wären. Zum anderen lässt sich zwar, wie der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge ausführt, der Anstieg der Einfuhren mit der unzureichenden Erzeugung in der Gemeinschaft erklären, nicht jedoch der Rückgang des Einfuhrpreises, der im ersten Halbjahr 1990 verzeichnet wurde. Eher wäre zu erwarten gewesen, daß die niedrigen Einfuhrpreise die Verarbeiter veranlasst hätten, sich verstärkt den eingeführten Erzeugnissen zuzuwenden.

21 Die Antragstellerin kann sich für ihre Ansicht, daß die Voraussetzungen für den Erlaß der Schutzmaßnahmen nicht erfuellt gewesen seien, auch nicht auf die Entwicklung der Preise nach dem Inkrafttreten der Schutzmaßnahmen berufen. Im übrigen war, wie der Generalanwalt in Nummer 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Durchschnittspreis für aus Polen eingeführte gefrorene Erdbeeren entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin 1990 und 1991 niedriger als 1989.

22 Unter diesen Umständen hat die Kommission die Lage auf dem Markt nicht offensichtlich fehlerhaft beurteilt, als sie feststellte, daß ernsthafte Störungen des Marktes in der Gemeinschaft drohten, die die in Artikel 39 EG-Vertrag festgesetzten Ziele gefährden konnten.

Die Begründung der angefochtenen Verordnungen

23 Die Antragstellerin macht geltend, daß aus den Begründungserwägungen der Verordnungen nicht hervorgehe, aus welchen Gründen die Mindestpreise eingeführt worden seien, und daß diese nicht erkennen ließen, ob die Kommission die in Artikel 1 der Verordnung Nr. 521/77 genannten Kriterien geprüft habe.

24 Die Kommission und die spanische Regierung vertreten die Ansicht, daß in den Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnungen die Gründe angegeben seien, aus denen die streitigen Maßnahmen eingeführt und später beibehalten worden seien.

25 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteil Frankreich und Irland/Kommission, a. a. O., Randnr. 72) muß die durch Artikel 190 EWG-Vertrag vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

26 Aus den Begründungserwägungen der streitigen Verordnungen geht klar hervor, daß die Kommission das System der Einfuhrmindestpreise wegen der Gefahr von Marktstörungen infolge der Nichteinhaltung der mit den Lieferländern vereinbarten Preise, des deutlichen Anstiegs der Einfuhrmengen und der erheblich niedrigeren Preise der eingeführten Erzeugnisse im Vergleich zu den Gemeinschaftserzeugnissen erlassen und beibehalten hat.

27 Die streitigen Verordnungen sind daher nicht unzureichend begründet.

Die Verhältnismässigkeit der erlassenen Maßnahmen

28 Die Antragstellerin macht erstens geltend, daß die Kommission beim Erlaß der Verordnung Nr. 2198/90 den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht beachtet habe, da sie entgegen der Verordnung Nr. 3797/90 keine unterschiedlichen Einfuhrmindestpreise für die verschiedenen Qualitätsklassen gefrorener Erdbeeren vorgesehen habe.

29 Die Kommission und die spanische Regierung entgegnen, daß die Gemeinschaftsbehörden Schutzmaßnahmen für den gesamten Markt und nicht willkürlich für die eine oder andere Sorte Erdbeeren hätten ergreifen müssen. Die Kommission fügt hinzu, eine Differenzierung sei nicht möglich gewesen, da die polnischen Behörden nicht in der Lage gewesen seien, Ausfuhrbescheinigungen auszustellen, die eine Kontrolle der Qualität der eingeführten gefrorenen Erdbeeren ermöglicht hätten. Sowie die polnischen Behörden ein Kontrollsystem eingeführt hätten, das diese Differenzierung erlaubt habe, sei diese jedoch vorgenommen worden.

30 Aus den Akten geht hervor, daß sich die polnischen Behörden vor dem Inkrafttreten der Schutzmaßnahmen dazu verpflichtet hatten, daß ihre Exporteure einen Durchschnittspreis bei der Ausfuhr einhielten, der für jedes Wirtschaftsjahr vereinbart und für gefrorene Erdbeeren insgesamt, ohne Unterscheidung nach der Qualität, festgelegt wurde. Die polnischen Behörden waren bis zum 1. Januar 1991 nicht in der Lage, insbesondere durch die Ausstellung von Ausfuhrbescheinigungen eine Qualitätskontrolle für ausgeführte Erdbeeren zu gewährleisten, so daß die Zollbehörden der Gemeinschaft bis zu diesem Zeitpunkt keine wirksame und einheitliche Kontrolle der Mindestpreise für eingeführte Erdbeeren je nach Qualitätsklasse sicherstellen konnten. Unter diesen Umständen durfte die Kommission ohne Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit einen Mindestpreis bei der Einfuhr vorschreiben, der nicht die Qualität der eingeführten Erdbeeren berücksichtigte, sondern nur die Art und Weise ihrer Verarbeitung.

31 Die Antragstellerin macht zweitens geltend, daß die Mindestpreise in Ecu ausgedrückt und auf der Grundlage der in Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1676/85 des Rates vom 11. Juni 1985 über den Wert der Rechnungseinheit und die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik anzuwendenden Umrechnungskurse (ABl. L 164, S. 1) definierten Agrarwechselkurse in nationale Währung umgerechnet worden seien. Die Verwendung dieser Umrechnungskurse habe zu einer willkürlichen Erhöhung der in nationaler Währung ausgedrückten Einfuhrmindestpreise im Vergleich zu den Preisen geführt, die sich ergeben hätten, wenn die Umrechnung anhand des für die nationale Währung gegenüber dem Ecu festgesetzten Leitkurses erfolgt wäre.

32 Die Kommission macht zunächst geltend, daß die Verwendung der Agrarwechselkurse gemäß Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 2 der Verordnung Nr. 1676/85 geboten gewesen sei. Diese Berechnungsweise, die tatsächlich zu einer Erhöhung der Einfuhrpreise von 13 % bis 14 % geführt habe, sei durch die Notwendigkeit gerechtfertigt gewesen, die Einfuhrpreise anzupassen, die im Rahmen der zwischen der Kommission und Polen geschlossenen Selbstbeschränkungsabkommen zwei Jahre lang unverändert geblieben seien.

33 Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1676/85 erfolgt bei die gemeinsame Agrarpolitik betreffenden Rechtsakten ° zu denen Rechtsakte gehören, die sich mittelbar oder unmittelbar auf Artikel 43 EWG-Vertrag stützen (siehe Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1676/85) ° die Umrechnung von in Ecu ausgedrückten Beträgen in die Landeswährung eines Mitgliedstaats zu den landwirtschaftlichen Umrechnungskursen. Daher mussten die durch die streitigen Verordnungen festgesetzten Einfuhrmindestpreise zu den landwirtschaftlichen Umrechnungskursen in die Währung des Einfuhrmitgliedstaats umgerechnet werden.

34 Im übrigen ist unter Berücksichtigung der in den Selbstbeschränkungsabkommen für die vorhergehenden Wirtschaftsjahre festgesetzten Durchschnittspreise (845 ECU/t für das Wirtschaftsjahr 1986/87, 860 ECU/t für das Wirtschaftsjahr 1987/88 und 880 ECU/t für die Wirtschaftsjahre 1988/89 und 1989/90) und des Schutzcharakters der streitigen Maßnahmen nicht dargetan, daß der Betrag von 88 ECU/100 kg, der durch die Verordnung Nr. 2198/90 für gefrorene Erdbeeren ohne Zusatz von Zucker festgesetzt wurde, oder auch derjenige von 92 ECU/100 kg, der durch die Verordnung Nr. 3797/90 festgesetzt wurde, die für die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme notwendige Höhe überschritten hätten, wie es die Rechtsprechung des Gerichtshofes verlangt (vgl. Urteil vom 11. Februar 1988 in der Rechtssache 77/86, National Dried Fruit Trade Association, Slg. 1988, 757, Randnr. 22).

35 Die Antragstellerin vertritt drittens die Ansicht, daß die Geltungsdauer der Schutzmaßnahmen unverhältnismässig lang gewesen sei. Der Einfuhrwert habe die Preise auf dem Markt der Gemeinschaft schon Ende 1990 überstiegen, so daß die Schutzmaßnahmen mit Wirkung vom 1. Januar 1991 hätten aufgehoben werden müssen.

36 Die Kommission und die spanische Regierung machen geltend, es treffe zwar zu, daß die Einfuhrpreise den Marktpreis in der Gemeinschaft überstiegen hätten, die Gefahr von Marktstörungen habe jedoch bis Ende 1991 bestanden, denn die Erzeugungs- und Ausfuhrbedingungen der Drittländer hätten sich nicht geändert. Die Kommission führt insbesondere aus, daß in diesem Zeitraum mit den Behörden der Ausfuhrländer kein Abkommen geschlossen worden sei.

37 Die Antragstellerin rügt die Beibehaltung der streitigen Maßnahmen nur für die Zeit nach Ende 1990. Ihr Vorbringen stellt somit die Verordnung Nr. 2198/90, die nach diesem Zeitpunkt nicht mehr galt, nicht in Frage. Während der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 3797/90, die zweimal verlängert wurde, haben sich die Bedingungen des Marktes in der Gemeinschaft und insbesondere die Bedingungen der Einfuhr gefrorener Erdbeeren aus Drittländern nicht wesentlich geändert. Insbesondere gelang es den Gemeinschaftsbehörden noch nicht, mit den Drittländern Abkommen über die Bedingungen der Einfuhr dieser Erzeugnisse in die Gemeinschaft zu schließen. Aus den Akten geht im übrigen hervor, daß sich der Anstieg der Einfuhren aus Polen im gesamten in Rede stehenden Zeitraum fortsetzte und daß der Preis dieser Erzeugnisse deutlich unter demjenigen der Erzeugnisse aus der Gemeinschaft blieb. Unter diesen Umständen kann die Dauer der Schutzmaßnahmen nicht als übermässig lang angesehen werden.

38 Daher ist festzustellen, daß die Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 2198/90 und der Verordnung Nr. 3797/90 beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Die Auslagen der spanischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Baden-Württemberg mit Beschluß vom 6. Juli 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 2198/90 der Kommission vom 27. Juli 1990 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von gefrorenen und vorläufig haltbar gemachten Erdbeeren sowie von gefrorenen und haltbar gemachten Himbeeren mit Ursprung in Polen und der Verordnung (EWG) Nr. 3797/90 der Kommission vom 21. Dezember 1990 über Schutzmaßnahmen für die Einfuhr von halbverarbeitetem rotem Beerenobst mit Ursprung in Polen und Jugoslawien beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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