Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: C-207/04
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 76/207/EWG


Vorschriften:

EG Art. 141 Abs. 1
EG Art. 141 Abs. 2
Richtlinie 76/207/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 21. Juli 2005. - Paolo Vergani gegen Agenzia delle Entrate, Ufficio di Arona. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Commissione tributaria provinciale di Novara - Italien. - Sozialpolitik - Gleiches Entgelt und Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Leistung beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis - Besteuerung nach Maßgabe des Alters - Steuervorteil. - Rechtssache C-207/04.

Parteien:

In der Rechtssache C-207/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Commissione tributaria provinciale di Novara (Italien) mit Entscheidung vom 26. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2004, in dem Verfahren

Paolo Vergani

gegen

Agenzia delle Entrate, Ufficio di Arona

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter K. Schiemann, E. Juhász und E. Levits,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Vergani, vertreten durch S. Monguzzi und P. Fasano, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 141 EG und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Vergani (im Folgenden: Kläger) und der Agenzia delle Entrate, Ufficio di Arona (im Folgenden: Beklagte) über die Besteuerung einer Leistung bei freiwilligem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Alters des Arbeitnehmers.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 141 Absätze 1 und 2 EG bestimmt:

Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

Unter Entgelt im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

...

4. Aus Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 ergibt sich als Ziel dieser Richtlinie, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehenen Bedingungen verwirklicht werden soll.

5. Artikel 2 Absatz 1 dieser Richtlinie lautet:

Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf.

6. In Artikel 5 dieser Richtlinie heißt es:

(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, dass Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gewährt werden.

(2) Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen,

a) dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden;

...

7. Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24) bestimmt:

Diese Richtlinie findet Anwendung

a) auf die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten:

- Krankheit,

- Invalidität,

- Alter,

- Arbeitsunfall und Berufskrankheit,

- Arbeitslosigkeit;

b) auf Sozialhilferegelungen, soweit sie die unter Buchstabe a) genannten Systeme ergänzen oder ersetzen sollen.

8. Nach Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie impliziert der Grundsatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand.

9. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a dieser Richtlinie bestimmt, dass diese nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegensteht, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen.

Die nationale Regelung

10. Die italienischen Bestimmungen über das Renteneintrittsalter finden sich in Artikel 9 des Gesetzes Nr. 218 vom 4. April 1952 über die Reform der Renten aus der Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenpflichtversicherung (GURI Nr. 89 vom 15. April 1952, Supplemento ordinario). Nach dieser Bestimmung erreichen - jeweils vorbehaltlich der Leistung von Beiträgen während der erforderlichen Dauer und in der erforderlichen Höhe - Arbeitnehmer das Renteneintrittsalter mit 60 Jahren und Arbeitnehmerinnen mit 55 Jahren.

11. Sonderbestimmungen gelten im Fall von Arbeitnehmern bei Unternehmen, die vom Comitato interministeriale per il coordinamento della politica industriale (Ministeriumsübergreifender Ausschuss zur Koordinierung der Industriepolitik) für in einer Krise befindlich erklärt wurden. Das Gesetz Nr. 155 vom 23. April 1981 (GURI Nr. 114 vom 27. April 1981, Supplemento ordinario) gestattet solchen Arbeitnehmern, mit 55 Jahren (Männer) und mit 50 Jahren (Frauen) in den Vorruhestand zu treten.

12. Artikel 17 Absatz 4bis des Dekrets Nr. 917 des Präsidenten der Republik vom 22. Dezember 1986 (GURI Nr. 302 vom 31. Dezember 1986, Supplemento ordinario) in der durch das Decreto legislativo Nr. 314 vom 2. September 1997 (GURI Nr. 219 vom 19. September 1997, Supplemento ordinario) geänderten Fassung (im Folgenden: DPR Nr. 917/86) bestimmt:

Beträge nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, um Arbeitnehmerinnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, zum Ausscheiden zu bewegen, werden mit einem Satz besteuert, der halb so hoch ist wie der Satz, mit dem Zahlungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die sonstigen in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a genannten Zusatzleistungen und Beträge besteuert werden.

13. Artikel 17 des DPR Nr. 917/86 ist nach dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt infolge des Decreto legislativo Nr. 344 vom 12. Dezember 2003 (GURI Nr. 291 vom 16. Dezember 2003, Supplemento ordinario) zu Artikel 19 des DPR Nr. 917/86 geworden.

Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefrage

14. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Kläger vor dem vorlegenden Gericht Klage gegen einen Bescheid erhob, mit dem die Beklagte die Erstattung von vom Kläger geleisteten Zahlungen im Rahmen der Einkommensteuer für natürliche Personen (imposta sul reddito delle persone fisiche, im Folgenden: IRPEF) abgelehnt hatte.

15. Der Kläger macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, die Anwendung des Steuersatzes gemäß Artikel 17 Absatz 4bis des DPR Nr. 917/86 für die Zwecke der IRPEF führe zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung. Er regte an, den Gerichtshof um Vorabentscheidung in dieser Sache zu ersuchen.

16. Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das Ausgangsverfahren nicht die Vorsorgeregelung in Bezug auf die Alters- oder Ruhestandsrente betreffe, da der Kläger das Ende seiner Berufstätigkeit nicht durch die Erreichung der Altersgrenze oder aufgrund von Beitragszahlungen erreicht habe.

17. In Anbetracht der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen gebe es keinen Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung gemäß Artikel 17 Absatz 4bis des DPR Nr. 917/86.

18. Somit ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass es im Ausgangsverfahren um die Besteuerung einer Leistung geht, die anlässlich des freiwilligen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis an einen männlichen Arbeitnehmer gezahlt wird, der mindestens 50 Jahre alt ist, aber noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hat.

19. Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Verstößt Artikel 17 Absatz 4bis des DPR Nr. 917/86 gegen Artikel 141 EG und die Richtlinie 76/207, steht er zu diesen Vorschriften in Widerspruch, oder legt er jedenfalls die Grundlage für eine nach diesen Vorschriften verbotene Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, indem er bei sonst gleichen Bedingungen den Steuervorteil eines auf die Hälfte (50 %) reduzierten Steuersatzes für den Anreiz zum Ausscheiden und die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleisteten Beträge Arbeitnehmerinnen gewährt, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben?

Zur Vorlagefrage

20. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 141 EG und die Richtlinie 76/207 dahin auszulegen sind, dass sie einer Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Arbeitnehmerinnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, als Anreiz für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Vorteil gewährt, der darin besteht, dass die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beträge zum halben Steuersatz besteuert werden.

Zum jeweiligen Anwendungsbereich des Artikels 141 EG und der Richtlinie 76/207

21. Vorab ist zu prüfen, ob eine Steuervergünstigung wie die des Ausgangsverfahrens, die nach Maßgabe des Alters des Arbeitnehmers in Bezug auf eine Leistung beim freiwilligen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gewährt wird, unter Artikel 141 EG oder die Richtlinie 76/207 fällt.

22. Der Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG umfasst nach ständiger Rechtsprechung alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen, vorausgesetzt, dass sie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt (vgl. u. a. Urteile vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, Slg. 1990, I-1889, Randnr. 12, und vom 9. Februar 1999 in der Rechtssache C-167/97, Seymour-Smith und Perez, Slg. 1999, I-623, Randnr. 23).

23. Der im Ausgangsverfahren fragliche Vorteil, eine Steuervergünstigung, wird nicht vom Arbeitgeber gewährt. Ein solcher Vorteil fällt deshalb nicht unter Artikel 141 EG.

24. Die Urteile des Gerichtshofes, die der Kläger für eine gegenteilige Beurteilung anführt (Urteile vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 12/81, Garland, Slg. 1982, 359, Randnr. 4, Barber, Randnr. 10, und vom 27. Juni 1990 in der Rechtssache C-33/89, Kowalska, Slg. 1990, I2591, Randnr. 7), stehen dieser Würdigung nicht entgegen, weil sie Vorteile betreffen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt wurden.

25. Was die Frage angeht, ob eine Steuervergünstigung wie die des Ausgangsverfahrens, die nach Maßgabe des Alters des Arbeitnehmers hinsichtlich einer Leistung beim freiwilligen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gewährt wird, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 76/207 fällt, ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen nach Artikel 5 Absatz 1 dieser Richtlinie beinhaltet, dass Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gewährt werden.

26. Vor dem Hintergrund des Artikels 5 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 76/207, nach dem die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um sicherzustellen, dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden, ist Artikel 5 Absatz 1 dieser Richtlinie dahin zu verstehen, dass er auch die von den Mitgliedstaaten aufgestellten Entlassungsbedingungen erfasst.

27. Im Rahmen der Richtlinie 76/207 ist der Begriff Entlassung weit zu verstehen, so dass er auch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einschließt, auch wenn sie aufgrund einer Regelung über freiwilliges Ausscheiden erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 1982 in der Rechtssache 19/81, Burton, Slg. 1982, 555, Randnr. 9).

28. Das vorlegende Gericht hat unter Hinweis auf Artikel 17 Absatz 4bis des DPR Nr. 917/86 erklärt, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Steuervorteil gewährt werde, um Arbeitnehmerinnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, zum Ausscheiden zu bewegen.

29. Nach alledem stellt eine Besteuerungsregelung nach Maßgabe des Alters des Arbeitnehmers wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine Entlassungsbedingung im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 dar.

Zum Vorliegen einer Diskriminierung

30. Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 müssen für Männer und Frauen dieselben Entlassungsbedingungen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gelten.

31. Eine unterschiedliche Behandlung, die sich aus einer Steuerermäßigung für anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Beträge um die Hälfte ergibt, die Arbeitnehmerinnen gewährt wird, wenn sie das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmern, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben, stellt eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts dar.

32. In Anbetracht der Erklärungen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist zu prüfen, ob eine solche Ungleichbehandlung von der Ausnahme des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 erfasst wird, wonach diese Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegensteht, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen.

33. Nach ständiger Rechtsprechung ist die in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 enthaltene Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesichts der grundlegenden Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eng auszulegen (vgl. u. a. Urteile vom 26. Februar 1986 in der Rechtsache 152/84, Marshall, Slg. 1986, 723, Randnr. 36, und vom 30. März 1993 in der Rechtssache C-328/91, Thomas u. a., Slg. 1993, I-1247, Randnr. 8). Diese Bestimmung kann nur für die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen der sozialen Sicherheit gelten (Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 151/84, Roberts, Slg. 1986, 703, Randnr. 35; in diesem Sinne auch Urteil vom 4. März 2004 in der Rechtssache C-303/02, Haackert, Slg. 2004, I-2195, Randnr. 30). Diese Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gilt daher nicht für eine Steuervergünstigung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die keine Leistung der sozialen Sicherheit darstellt.

34. Da zum einen die unterschiedliche Behandlung gemäß der im Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmung unmittelbar auf dem Geschlecht beruht und zum anderen die Richtlinie 76/207 keine Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung enthält, die hier gälte, ist diese unterschiedliche Behandlung als unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts anzusehen.

35. Nach alledem ist die Richtlinie 76/207 dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die Arbeitnehmerinnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, als Anreiz für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Vorteil gewährt, der darin besteht, dass die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beträge zum halben Steuersatz besteuert werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

36. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen ist dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die Arbeitnehmerinnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, als Anreiz für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Vorteil gewährt, der darin besteht, dass die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beträge zum halben Steuersatz besteuert werden.

Ende der Entscheidung

Zurück