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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: C-208/05
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 1612/68


Vorschriften:

EG Art. 234
EG Art. 18 EG
EG Art. 39
EG Art. 49
EG Art. 87
EG Art. 81
EG Art. 85
EG Art. 86
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 Art. 3
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 Art. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

11. Januar 2007

"Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Freier Dienstleistungsverkehr - Nationale Regelung - Zahlung der einem privaten Arbeitsvermittler für eine Vermittlung geschuldeten Vergütung durch den Mitgliedstaat - In diesem Mitgliedstaat sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - Beschränkung - Rechtfertigung - Verhältnismäßigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache C-208/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Sozialgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. April 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2005, in dem Verfahren

ITC Innovative Technology Center GmbH

gegen

Bundesagentur für Arbeit

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der ITC Innovative Technology Center GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt L. A. Wenderoth,

- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und I. Kaufmann-Bühler als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Oktober 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 EG, 39 EG und 49 EG, des Art. 87 EG in Verbindung mit den Art. 81 EG, 85 EG und 86 EG sowie der Art. 3 und 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ITC Innovative Technology Center GmbH (im Folgenden: ITC), einem in Deutschland ansässigen privaten Arbeitsvermittler, und der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Bundesagentur) wegen deren Weigerung, die Auszahlung auf einen Vermittlungsgutschein an ITC vorzunehmen, weil die Arbeitsstelle, die ITC dem Arbeitsuchenden vermittelt hat, nicht in Deutschland sozialversicherungspflichtig war.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3 Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68 lautet:

"Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats ist ungeachtet seines Wohnorts berechtigt, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzunehmen und auszuüben."

4 Art. 2 dieser Verordnung bestimmt:

"Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und jeder Arbeitgeber, der eine Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausübt, können nach den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihre Stellenangebote und Arbeitsgesuche austauschen sowie Arbeitsverträge schließen und erfüllen, ohne dass sich Diskriminierungen daraus ergeben dürfen."

5 Art. 3 der Verordnung Nr. 1612/68 sieht vor:

"(1) Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines Mitgliedstaats,

- die das Stellenangebot und das Arbeitsgesuch, den Zugang zur Beschäftigung und deren Ausübung durch Ausländer einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, die für Inländer nicht gelten,

- oder die, ohne auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, ausschließlich oder hauptsächlich bezwecken oder bewirken, dass Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten von der angebotenen Stelle ferngehalten werden,

finden im Rahmen dieser Verordnung keine Anwendung.

..."

6 Art. 7 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung lautet:

"(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer."

Nationale Regelung

7 § 421g des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (im Folgenden: SGB III) bestimmt:

"(1) Arbeitnehmer, die Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe haben und nach einer Arbeitslosigkeit von drei Monaten noch nicht vermittelt sind, oder die eine Beschäftigung ausüben, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme nach dem Sechsten Abschnitt des Sechsten Kapitels gefördert wird, haben Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Mit dem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die Bundesagentur den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erfüllen. Der Vermittlungsgutschein gilt für einen Zeitraum von jeweils drei Monaten.

..."

8 § 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (im Folgenden: SGB IV) sieht vor:

"(1) ... Die Vorschriften dieses Buches gelten mit Ausnahme des Ersten und Zweiten Titels des Vierten Abschnitts und des Fünften Abschnitts auch für die Arbeitsförderung. ...

..."

9 § 3 SGB IV bestimmt:

"Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,

1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind,

..."

10 § 30 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs sieht vor:

"(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11 Am 27. August 2003 schloss ITC mit dem Arbeitsuchenden D. Halacz einen Vermittlungsvertrag. Nach diesem Vertrag verpflichtete sich ITC zur Unterstützung des Arbeitsuchenden bei der Aufnahme eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses einschließlich aller Leistungen zur Durchführung der Arbeitsvermittlung.

12 Herr Halacz legte ITC den Vermittlungsgutschein vor, den ihm die Bundesagentur ausgestellt hatte. In dem Gutschein hieß es, dass der Arbeitsuchende einen oder mehrere Vermittler seiner Wahl in Anspruch nehmen könne und dass der im Gutschein angegebene Betrag an den privaten Vermittler gezahlt werde, der ihn in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt habe. Nach den einschlägigen Bestimmungen des SGB III wird die Vergütung u. a. nur dann gezahlt, wenn es sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt, die Arbeitszeit mindestens 15 Stunden wöchentlich beträgt und eine Beschäftigungsdauer von mindestens drei Monaten vereinbart wurde.

13 Am 3. September 2003 schloss Herr Halacz auf Vermittlung von ITC für die Zeit vom 4. September 2003 bis 4. März 2004 einen befristeten Arbeitsvertrag mit einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmen. Dieser Arbeitgeber bestätigte, dass es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich handele.

14 Mit Schreiben vom 15. September 2003 beantragte ITC bei der Bundesagentur die Auszahlung von zunächst 1 000 Euro auf den von ihr gleichzeitig vorgelegten Vermittlungsgutschein. Die Bundesagentur lehnte mit Bescheid vom 2. Oktober 2003 den Antrag ab, weil der Arbeitsuchende in keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland vermittelt worden sei.

15 Den Widerspruch von ITC vom 16. Oktober 2003 wies die Bundesagentur mit Bescheid vom 27. Oktober 2003 mit der Begründung zurück, dass der Begriff der Sozialversicherungspflicht durch die §§ 1, 2 und 3 SGB IV geregelt sei, die auch für das SGB III gälten. Danach beträfen die Vorschriften über die Sozialversicherungspflicht die Personen, die im Geltungsbereich des SGB, d. h. in Deutschland, beschäftigt seien.

16 Am 14. November 2003 erhob ITC beim Sozialgericht Berlin (Deutschland) Klage auf Aufhebung des auf ihren Widerspruch hin mit Bescheid vom 27. Oktober 2003 bestätigten Bescheids der Bundesagentur vom 2. Oktober 2003.

17 Dieses Gericht hält zwar eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung von § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III für möglich, stellt jedoch fest, dass diese Vorschrift nach einfachem deutschem Recht nur auf die im Geltungsbereich des SGB ausgeübten Beschäftigungen anwendbar sei.

18 Unter diesen Umständen hat das Sozialgericht Berlin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Inwieweit greift eine Auslegung von § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III dahin gehend, dass unter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nur eine solche im Geltungsbereich des SGB zu verstehen sei, in die Freizügigkeit schützendes Gemeinschaftsrecht ein, insbesondere nach den Art. 18 EG, 39 EG und 3, 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68?

2. a) Inwieweit ist eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschrift zur Vermeidung eines gegebenenfalls nach Ziff. 1 ausgelösten Verstoßes möglich und geboten?

b) Sofern eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht möglich bzw. geboten sein sollte: Inwieweit verstößt § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III gegen die Freizügigkeit schützendes Gemeinschaftsrecht?

3. Inwieweit greift eine Auslegung von § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III dahin gehend, dass unter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nur eine solche im Geltungsbereich des SGB zu verstehen sei, in die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und des Wettbewerbs schützendes Gemeinschaftsrecht ein, insbesondere nach den Art. 49 EG, 50 EG und 87 EG in Verbindung mit den Art. 81 EG, 85 EG, 86 EG oder sonstigem Gemeinschaftsrecht?

4. a) Inwieweit ist eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschrift zur Vermeidung eines gegebenenfalls nach Ziffer 3 ausgelösten Verstoßes möglich und geboten?

b) Sofern eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht möglich bzw. geboten sein sollte: Inwieweit verstößt § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III gegen Gemeinschaftsrecht, soweit nicht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer geschützt wird?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1 und 2 Buchst. b zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer

19 Mit diesen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 39 EG und die Art. 3 und 7 der Verordnung Nr. 1612/68 einer nationalen Vorschrift wie § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III entgegenstehen, nach der die Zahlung der einem privaten Arbeitsvermittler von einem Arbeitsuchenden für seine Vermittlung geschuldeten Vergütung durch einen Mitgliedstaat voraussetzt, dass die von diesem Vermittler vermittelte Beschäftigung in diesem Staat sozialversicherungspflichtig ist.

20 Erstens ist auf das Vorbringen der deutschen Regierung einzugehen, ein privater Arbeitsvermittler wie ITC könne sich weder auf Art. 39 EG noch auf die Verordnung Nr. 1612/68 berufen, weil er, der als Vermittler und nicht als Arbeitnehmer tätig werde, nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschriften falle. Sie verweist insoweit auf das Urteil vom 11. Dezember 1997, Job Centre (C-55/96, "Job Centre II", Slg. 1997, I-7119, Randnr. 13).

21 Art. 39 Abs. 1 EG bestimmt allgemein, dass innerhalb der Europäischen Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Diese umfasst nach Art. 39 Abs. 2 und 3 EG die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen und gibt - vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen - den Arbeitnehmern das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben, sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, sich dort aufzuhalten, um dort unter den gleichen Bedingungen wie die Inländer eine Beschäftigung auszuüben, und nach deren Beendigung dort zu verbleiben.

22 Es steht zwar fest, dass die Freizügigkeitsrechte des Art. 39 EG den Arbeitnehmern einschließlich der Arbeitsuchenden zustehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 1991, Antonissen (C-292/89, Slg. 1991, I-745, Randnrn. 12 und 13), doch ist dieser Vorschrift kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass sich nicht auch andere Personen auf sie berufen könnten (vgl. Urteil vom 7. Mai 1998, Clean Car Autoservice, C-350/96, Slg. 1998, I-2521, Randnr. 19).

23 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann das Recht der Arbeitnehmer, bei Einstellung und Beschäftigung nicht diskriminiert zu werden, nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn die Arbeitgeber ein entsprechendes Recht darauf haben, Arbeitnehmer nach Maßgabe der Bestimmungen über die Freizügigkeit einzustellen (Urteil Clean Car Autoservice, Randnr. 20).

24 Ein privater Arbeitsvermittler wie ITC ist als Vermittler von Stellengesuchen und -angeboten und Mittelsperson bei Arbeitsverhältnissen tätig. Der Vermittlungsvertrag mit einem Arbeitsuchenden überträgt ihm daher die Rolle des Vermittlers, da er den Arbeitsuchenden vertritt und versucht, ihm eine Arbeitsstelle zu vermitteln.

25 Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein privater Arbeitsvermittler unter bestimmten Umständen auf die Rechte berufen kann, die Art. 39 EG unmittelbar den Arbeitnehmern der Gemeinschaft einräumt.

26 Das Recht der Arbeitnehmer, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzunehmen und auszuüben, ohne diskriminiert zu werden, kann nämlich nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn auch die Vermittler, wie z. B. ein privater Arbeitsvermittler, ein entsprechendes Recht haben, den Arbeitnehmern zu helfen, unter Beachtung der Bestimmungen über die Freizügigkeit einen Arbeitsplatz zu erlangen.

27 Diese Auslegung der genannten Bestimmungen ist erst recht unter Umständen geboten, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, in dem ein privater Arbeitsvermittler einen Vermittlungsvertrag mit einem Arbeitsuchenden aufgrund eines diesem ausgestellten Vermittlungsgutscheins geschlossen hat, nach dem sich die Bundesagentur verpflichtet, die für den privaten Arbeitsvermittler anfallenden Gebühren zu übernehmen, wenn dieser dem Arbeitsuchenden einen bestimmte Voraussetzungen erfüllenden Arbeitsvertrag vermittelt. Unter diesen Umständen ist es Sache des privaten Arbeitsvermittlers und nicht des Arbeitsuchenden, von der Bundesagentur die Übernahme der Vermittlungsgebühr zu verlangen.

28 Keine der Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil Job Centre II steht dieser Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer entgegen.

29 Zweitens ist in Bezug auf das Vorbringen der deutschen Regierung, ITC könne sich nicht auf die Rechte aus Art. 39 EG berufen, weil sie nur in einem Mitgliedstaat ansässig sei, daran zu erinnern, dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und die zur Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Maßnahmen nicht auf Tätigkeiten anwendbar sind, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (Urteile vom 26. Januar 1999, Terhoeve, C-18/95, Slg. 1999, I-345, Randnr. 26, und vom 11. Oktober 2001, Khalil u. a., C-95/99 bis C-98/99 und C-180/99, Slg. 2001, I-7413, Randnr. 69).

30 Doch selbst wenn ein in Deutschland ansässiger privater Arbeitsvermittler wie ITC die Absicht hätte, sich den deutschen Behörden gegenüber auf die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu berufen, hätte dies keinen Einfluss auf deren Anwendbarkeit. Denn dieser Vermittler rügt gerade, dass er durch die Regelung über die Vermittlungsgutscheine in § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III benachteiligt worden sei, so dass der Arbeitsuchende, dem er einen Arbeitsplatz vermittelt habe, ebenfalls benachteiligt worden sei oder hätte werden können, weil sich dieser Arbeitsplatz in einem anderen Mitgliedstaat befunden habe (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Terhoeve, Randnr. 28).

31 Drittens ist zu der Frage, ob eine nationale Regelung wie die hier in Rede stehende eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt, daran zu erinnern, dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (Urteile vom 7. Juli 1988, Wolf u. a., 154/87 und 155/87, Slg. 1988, 3897, Randnr. 13, vom 15. Dezember 1995, Bosman, C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 94, Terhoeve, Randnr. 37, vom 27. Januar 2000, Graf, C-190/98, Slg. 2000, I-493, Randnr. 21, und vom 17. März 2005, Kranemann, C-109/04, Slg. 2005, I-2421, Randnr. 25).

32 In diesem Zusammenhang haben die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten (vgl. u. a. Urteile Bosman, Randnr. 95, und Terhoeve, Randnr. 38).

33 Nationale Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Arbeitnehmer angewandt werden (Urteile Bosman, Randnr. 96, Terhoeve, Randnr. 39, Graf, Randnr. 23, Urteile vom 30. September 2003, Köbler, C-224/01, Slg. 2003, I-10239, Randnr. 74, vom 2. Oktober 2003, Van Lent, C-232/01, Slg. 2003, I-11525, Randnr. 16, und Kranemann, Randnr. 26).

34 Es wäre nämlich mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn ein Arbeitnehmer oder Arbeitsuchender in dem Mitgliedstaat, dem er angehört, weniger günstig behandelt werden dürfte, als wenn er nicht von den Erleichterungen Gebrauch gemacht hätte, die ihm der Vertrag in Bezug auf die Freizügigkeit gewährt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2002, D'Hoop, C-224/98, Slg. 2002, I-6191, Randnr. 30, und vom 29. April 2004, Pusa, C-224/02, Slg. 2004, I-5763, Randnr. 18).

35 Sieht eine nationale Regelung vor, dass der Mitgliedstaat die einem privaten Arbeitsvermittler geschuldete Vergütung nur dann zahlt, wenn die von diesem vermittelte Beschäftigung in diesem Staat sozialversicherungspflichtig ist, befindet sich ein Arbeitsuchender, dem der Vermittler eine in einem anderen Mitgliedstaat sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle vermittelt hat, in einer ungünstigeren Lage als bei der Vermittlung einer Arbeitsstelle im Inland, weil in letzterem Fall die dem Vermittler geschuldete Vermittlungsgebühr übernommen worden wäre.

36 Eine solche Regelung stellt ein Hemmnis dar, denn sie kann Arbeitsuchende, insbesondere diejenigen, deren finanzielle Mittel begrenzt sind, und folglich auch die privaten Arbeitsvermittler davon abhalten, in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, weil die Vermittlungsgebühr nicht vom Herkunftsmitgliedstaat der Arbeitsuchenden bezahlt wird, und ist mithin nach Art. 39 EG grundsätzlich verboten. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob ein Verstoß gegen die Art. 3 und 7 der Verordnung Nr. 1612/68 vorliegt.

37 Eine Maßnahme, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beeinträchtigt, ist nur dann zulässig, wenn mit ihr ein berechtigter, mit dem Vertrag vereinbarer Zweck verfolgt wird, und sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem derartigen Fall muss aber die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zweckes zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist (vgl. insbesondere Urteil Kranemann, Randnr. 33).

38 Es ist daher zu prüfen, ob eine Maßnahme wie die deutsche Regelung über die Vermittlungsgutscheine damit gerechtfertigt werden kann, dass die Regelung erstens ein neues Instrument der nationalen Arbeitsmarktpolitik darstellt, das die Vermittlung von Arbeitnehmern verbessern und die Arbeitslosigkeit verringern soll, zweitens die nationale Sozialversicherung schützen soll, die nur durch inländische Beitragszahlung gesichert werden kann und der bei der Vermittlung von Arbeitsuchenden in andere Mitgliedstaaten Beitragsverluste entstünden, und drittens den nationalen Arbeitsmarkt gegen den Verlust von Fachkräften schützen soll.

39 Zum erstgenannten Rechtfertigungsgrund ist festzustellen, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die zur Verwirklichung ihrer beschäftigungspolitischen Ziele geeigneten Maßnahmen zu wählen. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügen. Überdies ist die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozialpolitik (vgl. zur Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern Urteile vom 9. Februar 1999, Seymour-Smith und Perez, C-167/97, Slg. 1999, I-623, Randnrn. 71 und 74, und vom 11. September 2003, Steinicke, C-77/02, Slg. 2003, I-9027, Randnrn. 61 und 62).

40 Jedoch kann der Beurteilungsspielraum, über den die Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik verfügen, keine Beeinträchtigung der Rechte rechtfertigen, die der Einzelne aus den Bestimmungen des Vertrags herleiten kann, in denen seine Grundfreiheiten verankert sind (vgl. Urteile Terhoeve, Randnr. 44, Seymour-Smith und Perez, Randnr. 75, und Steinicke, Randnr. 63).

41 Bloße allgemeine Behauptungen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung über Vermittlungsgutscheine geeignet sei, die Vermittlung von Arbeitnehmern zu verbessern und die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu verringern, genügen nicht, um darzutun, dass das Ziel dieser Regelung es rechtfertigt, eine der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts zu beschränken, und um vernünftigerweise die Annahme zu begründen, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Zieles geeignet sind oder sein könnten.

42 Dasselbe gilt für den zweiten Rechtfertigungsgrund, den Schutz des deutschen Sozialversicherungssystems. Es ist nämlich nicht dargetan worden, dass zwischen dem Verlust von Sozialbeiträgen in Deutschland und der Vermittlung eines Arbeitsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat ein ursächlicher Zusammenhang besteht. In Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt außerdem nicht auf der Hand, dass dort eine freie Stelle unbesetzt bleibt, weil ein Arbeitsuchender in einen anderen Mitgliedstaat vermittelt worden ist.

43 Zwar kann eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen (vgl. insbesondere Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931, Randnr. 41). Eine solche Gefährdung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht dargetan. Die Verluste durch ausbleibende Beiträge zum deutschen System der sozialen Sicherheit lassen sich nämlich vermindern. Zum einen muss der Arbeitsuchende bei einer Vermittlung in einen anderen Mitgliedstaat in seinem Herkunftsstaat zwar keine Sozialbeiträge mehr leisten, doch muss dieser ihm auch keine Arbeitslosenunterstützung mehr zahlen. Zum anderen gehört es gerade zum Wesen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, dass die Abwanderung eines Arbeitnehmers in einen anderen Mitgliedstaat durch die Zuwanderung eines Arbeitnehmers aus einem anderen Mitgliedstaat ausgeglichen werden kann.

44 Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Organisation des Arbeitsmarkts einschließlich der Verhinderung des Verlusts von Fachkräften unter bestimmten Umständen und bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigen kann, geht eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige jedenfalls über das zur Erreichung der verfolgten Ziele Erforderliche hinaus. Solche Ziele können es nicht rechtfertigen, dass den in andere Mitgliedstaaten vermittelten Arbeitsuchenden systematisch Vermittlungsgutscheine verweigert werden. Eine solche Maßnahme kommt nämlich der Negierung der in Art. 39 EG verankerten Arbeitnehmerfreizügigkeit gleich, mit der den Arbeitnehmern und den Arbeitsuchenden der Gemeinschaft das Recht garantiert werden soll, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzunehmen und auszuüben (vgl. zur Niederlassungsfreiheit Urteil vom 5. November 2002, Überseering, C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Randnr. 93).

45 Daher ist auf die Fragen 1 und 2 Buchst. b zu antworten, dass Art. 39 EG einer nationalen Regelung wie § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III entgegensteht, nach der die Zahlung der einem privaten Arbeitsvermittler von einem Arbeitsuchenden für seine Vermittlung geschuldeten Vergütung durch einen Mitgliedstaat voraussetzt, dass die von diesem Vermittler vermittelte Beschäftigung in diesem Staat sozialversicherungspflichtig ist.

Zu Frage 3

46 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 49 EG und 50 EG einer nationalen Regelung wie § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III entgegenstehen, nach der die Zahlung der einem privaten Arbeitsvermittler von einem Arbeitsuchenden für seine Vermittlung geschuldeten Vergütung durch einen Mitgliedstaat voraussetzt, dass die von diesem Vermittler vermittelte Beschäftigung in diesem Staat sozialversicherungspflichtig ist. Es fragt ferner, ob Art. 87 EG in Verbindung mit den Art. 81 EG, 85 EG und 86 EG einer solchen Regelung entgegenstehen.

Zu den Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen

47 Hierzu ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Vermittlungsgutscheine nach § 421 Abs. 1 Satz 2 SGB III staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sind, da die Freistellung des Arbeitsuchenden von seiner Verpflichtung, dem privaten Arbeitsvermittler die Vergütung für seine Vermittlung zu bezahlen, auf eine Begünstigung dieser Vermittler hinauslaufen kann.

48 Insoweit ist zum einen daran zu erinnern, dass es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung übernehmen muss, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil Bosman, Randnr. 59).

49 Der Gerichtshof kann jedoch nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil vom 13. Juli 2000, Idéal Tourisme, C-36/99, Slg. 2000, I-6049, Randnr. 20).

50 Im vorliegenden Fall erläutert das vorlegende Gericht nicht, welche Bedeutung eine etwaige Einordnung der mit den streitigen Vorschriften eingeführten Regelung über Vermittlungsgutscheine als staatliche Beihilfe für den bei ihm anhängigen Rechtsstreit hätte.

51 Ferner erläutert das vorlegende Gericht zwar allgemein, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung über die Vermittlungsgutscheine funktioniert, das Fehlen konkreter Angaben zum Bestehen eines Vorteils und zur Auswirkung der Regelung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten lässt jedoch keine Feststellung darüber zu, ob sie den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im Bereich der staatlichen Beihilfen entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra, C-379/98, Slg. 2001, I-2099, Randnrn. 58 bis 62, und Beschluss vom 8. Oktober 2002, Viacom, C-190/02, Slg. 2002, I-8287, Randnr. 21).

52 In Ermangelung ausreichender Angaben lässt sich das konkrete Auslegungsproblem nicht abgrenzen, das sich im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften stellen könnte, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht. Genaue Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Kontext sind aber ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs erforderlich, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (Beschluss vom 19. März 1993, Banchero, C-157/92, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 5, Urteil vom 13. April 2000, Lehtonen und Castors Braine, C-176/96, Slg. 2000, I-2681, Randnr. 22, und Beschluss vom 28. Juni 2000, Laguillaumie, C-116/00, Slg. 2000, I-4979, Randnr. 19).

53 Daher besteht kein Anlass, diesen Teil der dritten Frage zu beantworten.

Zur Dienstleistungsfreiheit

54 Vorab ist daran zu erinnern, dass die Tätigkeit der Vermittlung von Arbeitskräften nach der Rechtsprechung eine Dienstleistung im Sinne der Art. 49 EG und 50 EG ist (vgl. Urteile vom 18. Januar 1979, Van Wesemael, 110/78 und 111/78, Slg. 1979, 35, Randnr. 7, und vom 17. Dezember 1981, Webb, 279/80, Slg. 1981, 3305, Randnrn. 8 und 9).

55 Zu der Frage, ob eine nationale Regelung wie die des Ausgangsverfahrens eine nach Art. 49 EG verbotene Beschränkung enthält, ist darauf hinzuweisen, dass die Dienstleistungsfreiheit nach ständiger Rechtsprechung nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten - verlangt, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. u. a. Urteile vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France, C-266/96, Slg. 1998, I-3949, Randnr. 56, vom 23. November 1999, Arblade u. a., C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453, Randnr. 33, und vom 20. Februar 2001, Analir u. a., C-205/99, Slg. 2001, I-1271, Randnr. 21).

56 Nach der genannten Vorschrift kann die Dienstleistungsfreiheit entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung von einem Unternehmen gegenüber dem Staat, in dem es seinen Sitz hat, in Anspruch genommen werden, sofern die Leistungen an Dienstleistungsnehmer erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, und allgemeiner immer dann, wenn ein Leistungserbringer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen anbietet, in dem er niedergelassen ist (vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober 1994, Kommission/Frankreich, C-381/93, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 14).

57 Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige enthält eine auf den Ort der Erbringung dieser Dienstleistung abstellende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, da sie die Auszahlung aufgrund des Vermittlungsgutscheins davon abhängig macht, dass der Arbeitsuchende in eine im Inland sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt wird.

58 Eine solche Regelung kann nämlich den Dienstleistungsempfänger beeinträchtigen, d. h. im Ausgangsverfahren den Arbeitsuchenden, der die dem privaten Arbeitsvermittler geschuldete Vergütung selbst bezahlen muss, wenn sich der vermittelte Arbeitsplatz in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

59 Der private Arbeitsvermittler als Dienstleistungserbringer kann seine Vermittlungstätigkeit in anderen Mitgliedstaaten zwar weiter ausüben, die Vermittlung eines Arbeitsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat bedeutet jedoch, dass die Vermittlungsgebühr nicht von der Bundesagentur übernommen wird, sondern vom Arbeitsuchenden selbst bezahlt werden muss. Die Tätigkeit des Arbeitsvermittlers ist daher zwar nicht ausgeschlossen, die Möglichkeit, seine Tätigkeit auf die anderen Mitgliedstaaten auszudehnen, wird aber insoweit eingeschränkt, als es in erster Linie die Regelung über die Vermittlungsgutscheine ist, die es ermöglicht, dass zahlreiche Arbeitsuchende die Dienste dieses Vermittlers in Anspruch nehmen und dass dieser einen Arbeitsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat vermitteln kann, ohne Zahlungsausfälle zu riskieren.

60 Die Frage, ob auch die Dienstleistungsfreiheit der außerhalb Deutschlands ansässigen Arbeitsvermittler beschränkt wird, ist in Anbetracht des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens hypothetisch und braucht deshalb nicht beantwortet zu werden.

61 In Bezug auf die Frage, ob eine solche Beschränkung gerechtfertigt werden kann, ist schließlich, da die zur Rechtfertigung dieser Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit angeführten Gründe den in den Randnummern 37 bis 44 des vorliegenden Urteils in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit geprüften Rechtfertigungsgründen entsprechen, festzustellen, dass eine nationale Regelung wie § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III über das zur Erreichung der verfolgten Ziele Erforderliche hinausgeht.

62 Demnach ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 49 EG und 50 EG einer nationalen Regelung wie § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III entgegenstehen, nach der die Zahlung der einem privaten Arbeitsvermittler von einem Arbeitsuchenden für seine Vermittlung geschuldeten Vergütung durch einen Mitgliedstaat voraussetzt, dass die von diesem Vermittler vermittelte Beschäftigung in diesem Staat sozialversicherungspflichtig ist.

Zu Frage 1 bezüglich der Unionsbürgerschaft

63 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 EG einer nationalen Vorschrift wie § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III entgegensteht.

64 In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis, dass Art. 18 EG, in dem das Recht eines jeden Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in allgemeiner Form niedergelegt ist, in den Art. 39 EG und 48 EG eine besondere Ausprägung in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit findet.

65 Da das Ausgangsverfahren unter die letztgenannten Bestimmungen fällt, braucht über die Auslegung von Art. 18 EG nicht entschieden zu werden (vgl. Urteile vom 26. November 2002, Olazabal, C-100/01, Slg. 2002, I-10981, Randnr. 26, und vom 6. Februar 2003, Stylianakis, C-92/01, Slg. 2003, I-1291, Randnr. 20).

Zu den Fragen 2 Buchst. a und 4 Buchst. a

66 Mit diesen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, inwieweit es möglich und erforderlich ist, eine nationale Vorschrift gemeinschaftsrechtskonform auszulegen.

67 Vorab ist daran zu erinnern, dass die Art. 39 EG, 49 EG und 50 EG dem Einzelnen Rechte verleihen, die er gerichtlich geltend machen kann und die die nationalen Gerichte zu wahren haben (vgl. Urteile vom 3. Dezember 1974, Van Binsbergen, 33/74, Slg. 1974, 1299, Randnr. 26, und vom 4. Dezember 1974, Van Duyn, 41/74, Slg. 1974, 1337, Randnr. 7).

68 Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es dem nationalen Gericht, die innerstaatliche Vorschrift unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden (vgl. Urteile vom 4. Februar 1988, Murphy u. a., 157/86, Slg. 1988, 673, Randnr. 11, und vom 26. September 2000, Engelbrecht, C-262/97, Slg. 2000, I-7321, Randnr. 39).

69 Wenn eine solche konforme Anwendung nicht möglich ist, so hat das nationale Gericht das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile Murphy u. a., Randnr. 11, vom 29. April 1999, Ciola, C-224/97, Slg. 1999, I-2517, Randnr. 26, und Engelbrecht, Randnr. 40).

70 Auf die Fragen 2 Buchst. a und 4 Buchst. a ist daher zu antworten, dass es dem nationalen Gericht obliegt, eine innerstaatliche Vorschrift unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden, und, soweit eine solche konforme Auslegung nicht möglich ist, bei Vertragsbestimmungen, die dem Einzelnen Rechte verleihen, die er gerichtlich geltend machen kann und die die nationalen Gerichte zu wahren haben, Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die diesen Bestimmungen entgegenstehen, unangewendet zu lassen.

Kostenentscheidung:

Kosten

71 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Art. 39 EG, 49 EG und 50 EG stehen einer nationalen Regelung wie § 421g Abs. 1 Satz 2 des Dritten Buches des deutschen Sozialgesetzbuchs entgegen, nach der die Zahlung der einem privaten Arbeitsvermittler von einem Arbeitsuchenden für seine Vermittlung geschuldeten Vergütung durch einen Mitgliedstaat voraussetzt, dass die von diesem Vermittler vermittelte Beschäftigung in diesem Staat sozialversicherungspflichtig ist.

2. Es obliegt dem nationalen Gericht, eine innerstaatliche Vorschrift unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden, und, soweit eine solche konforme Auslegung nicht möglich ist, bei Vertragsbestimmungen, die dem Einzelnen Rechte verleihen, die er gerichtlich geltend machen kann und die die nationalen Gerichte zu wahren haben, Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die diesen Bestimmungen entgegenstehen, unangewendet zu lassen.



Ende der Entscheidung

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