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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.02.1996
Aktenzeichen: C-209/94 P
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung 259/93/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 173 Abs. 4
EGV Art. 178
EGV Art. 215
Verordnung 259/93/EWG Art. 4 Abs. 3a
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Auf das Einsammeln, den Transport und das Abladen von Hausmüll spezialisierte Unternehmen können nicht als von der Bestimmung der Verordnung Nr. 259/93 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen betroffen angesehen werden, nach der die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen können, um die Verbringung von Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder um gegen jede Verbringung Einwände zu erheben, da sie von dieser Bestimmung nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer im Bereich der Abfallverbringung zwischen Mitgliedstaaten ebenso wie jeder andere Wirtschaftsteilnehmer betroffen sind, der in diesem Bereich tätig ist, und da sie keinen beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern mit festgestellter oder feststellbarer Identität darstellen, die in ihrer besonderen Situation von dieser Bestimmung besonders betroffen sind.

Da im übrigen nach dem Verfahren der Artikel 3 bis 5 dieser Verordnung die Verbringung von Abfällen von einem Mitgliedstaat in einen anderen der vom Mitgliedstaat des Bestimmungsorts bezeichneten zuständigen Behörde von der natürlichen oder juristischen Person, die beabsichtigt, Abfälle zu verbringen oder verbringen zu lassen, im voraus notifiziert werden muß, wobei diese Behörde innerhalb einer Frist von dreissig Tagen nach Absendung der Empfangsbestätigung entscheiden muß, ob sie die Verbringung mit oder ohne Auflagen genehmigt oder die Genehmigung verweigert, ist nicht ausgeschlossen, daß der Betroffene zur Stützung einer Klage gegen eine Ablehnungsentscheidung die Rechtswidrigkeit einer Bestimmung dieser Verordnung geltend machen und damit das nationale Gericht zwingen kann, sich ° nach Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens zur Gültigkeitsprüfung ° zu allen in diesem Zusammenhang vorgebrachten Rügen zu äussern, so daß den Wirtschaftsteilnehmern ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird, wenn sie durch diese Verordnung in ihren aus dem Vertrag abgeleiteten Rechten verletzt werden.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 15. Februar 1996. - Buralux SA, Satrod SA und Ourry SA gegen Rat der Europäischen Union. - Rechtsmittel - Verbringung von Abfällen. - Rechtssache C-209/94 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Buralux SA, die Satrod SA und die Ourry SA (im folgenden: Rechtsmittelführerinnen) haben mit Rechtsmittelschrift, die am 15. Juli 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts erster Instanz vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache T-475/93 (Buralux, Satrod und Ourry/Rat der Europäischen Union, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) eingelegt, soweit mit ihm die Klage auf Nichtigerklärung des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30, S. 1) sowie auf Feststellung der ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft und auf Ersatz des den Rechtsmittelführerinnen angeblich entstandenen Schadens für unzulässig erklärt worden ist.

2 Aus den Feststellungen des Gerichts ergibt sich, daß die Rechtsmittelführerinnen drei Unternehmen sind, die das Einsammeln, den Transport und das Abladen von aus Deutschland stammendem und nach Frankreich ausgeführtem Hausmüll auf Mülldeponien besorgen und dabei zusammenarbeiten: Während die Buralux SA Verträge über das Einsammeln und die Entsorgung des Hausmülls schließt, übernimmt die Ourry SA den Mülltransport und betreibt die Satrod SA die französischen Abfalleinrichtungen (Randnr. 1).

3 In diesem Rahmen schloß die Buralux SA ° überwiegend im Jahr 1990 ° mit verschiedenen deutschen Gebietskörperschaften Verträge auf fünf Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit (Randnr. 2).

4 Der Einfuhr von Hausmüll nach Frankreich wurde jedoch durch den Erlaß des französischen Dekrets Nr. 92-798 vom 18. August 1992 zur Änderung und Ergänzung des Dekrets Nr. 90-267 vom 23. März 1990 über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von schädlichen Abfällen ein Ende gesetzt. Nach Artikel 34-1 n. F. dieses Dekrets ist die Einfuhr von Hausmüll zum Zweck des Abladens auf Mülldeponien vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen verboten (Randnr. 3).

5 Am 1. Februar 1993 erließ der Rat die Verordnung Nr. 259/93, mit der für die Verbringung von Abfällen aller Art, gefährlichen wie ungefährlichen, nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen der Gemeinschaft und Drittländern eine einheitliche Regelung geschaffen worden ist. Titel II dieser Verordnung betrifft die Verbringung von Abfällen zwischen den Mitgliedstaaten und enthält einen Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i, der wie folgt lautet:

"Um das Prinzip der Nähe, den Vorrang für die Verwertung und den Grundsatz der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene gemäß der Richtlinie 75/442/EWG [des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39)] zur Anwendung zu bringen, können die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Vertrag Maßnahmen ergreifen, um die Verbringung von Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder um gegen jede Verbringung Einwand zu erheben. Diese Maßnahmen werden unverzueglich der Kommission mitgeteilt, die die anderen Mitgliedstaaten unterrichtet."

6 Da die Rechtsmittelführerinnen der Auffassung waren, daß das französische Dekret durch diese Bestimmung habe mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang gebracht werden sollen, haben sie beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung dieser Bestimmung nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag und wegen ausservertraglicher Haftung nach den Artikeln 178 und 215 EG-Vertrag erhoben.

Der Beschluß des Gerichts

7 Das Gericht hat die Klage mit Beschluß vom 17. Mai 1994 gemäß Artikel 111 seiner Verfahrensordnung als unzulässig abgewiesen.

8 Nachdem das Gericht auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer von einem einzelnen erhobenen Nichtigkeitsklage hingewiesen hat, hat es festgestellt: "Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung Nr. 259/93 sieht vor, daß die Mitgliedstaaten, um das Prinzip der Nähe, den Vorrang für die Verwertung und den Grundsatz der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene zur Anwendung zu bringen, Maßnahmen ergreifen können, um die Verbringung von Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder um gegen jede Verbringung Einwand zu ergeben. Damit soll der Rahmen geschaffen werden, in dem die Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Verbringung von Abfällen einführen können. Daher betreffen die rechtlichen Wirkungen, die diese Bestimmung haben kann, allgemein und abstrakt umrissene Personengruppen" (Randnr. 23).

9 Demgemäß hat das Gericht befunden, daß "die streitige Bestimmung die Klägerinnen ebenso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in der gleichen Lage befindet, nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer im Bereich der Abfallbewirtschaftung und -beförderung betrifft und daß die Klägerinnen daher nicht individuell betroffen sind" (Randnr. 24). Unter diesen Umständen sei die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung der streitigen Bestimmung der Verordnung Nr. 259/93 gerichtet sei, ohne daß geprüft zu werden brauche, ob die Klägerinnen von ihr unmittelbar betroffen seien (Randnr. 25).

10 Zum Klageantrag wegen ausservertraglicher Haftung nach den Artikeln 178 und 215 EG-Vertrag hat das Gericht festgestellt, daß nach Artikel 38 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der im Zeitpunkt der Klageerhebung anwendbar gewesen sei, die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten müsse (Randnr. 30). Da weder die Klageschrift noch die Erwiderung einen Nachweis für die Höhe des von jeder Klägerin begehrten Schadensersatzes enthalte (Randnr. 31), sei auch dieser Teil der Klage für unzulässig zu erklären (Randnr. 32).

Rechtsmittelgründe und Vorbringen der Parteien zum Beschluß des Gerichts

11 Zum Antrag auf Nichtigerklärung nach Artikel 173 EG-Vertrag machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe aus drei Gründen zu Unrecht angenommen, sie seien von Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung Nr. 259/93 (im folgenden: streitige Bestimmung) nicht unmittelbar und individuell betroffen.

12 Zunächst habe das Gericht die streitige Bestimmung irrig ausgelegt, indem es diese als einen an allgemeine, abstrakte Personengruppen gerichteten "Handlungsrahmen" angesehen habe. Diese Bestimmung ermögliche es den Mitgliedstaaten, in einem sensiblen Bereich jederzeit ohne Rechtfertigung konkrete Maßnahmen, wie ein Verbot der Einfuhr von Abfällen aus einem anderen Mitgliedstaat, zu erlassen. Daher habe sie für die Rechtsmittelführerinnen, die praktisch die einzigen Wirtschaftsteilnehmer seien, die Abfälle von Deutschland nach Frankreich transportierten, und deren Haupttätigkeit diese Transporte darstellten, katastrophale wirtschaftliche und finanzielle Folgen.

13 Ausserdem habe es das Gericht zu Unrecht abgelehnt, das Urteil vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82 (Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg. 1985, 207) auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Genau wie die Klägerinnen in jener Rechtssache hätten nämlich auch die Rechtsmittelführerinnen vor Erlaß der streitigen Handlung Verträge geschlossen, die während des Anwendungszeitraums der Handlung hätten vollzogen werden sollen.

14 Schließlich habe das Gericht unter unzureichender Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles den Begriff des Rechtsschutzinteresses und das Recht der Rechtsmittelführerinnen darauf verkannt, gegen Handlungen der Gemeinschaftsorgane Klage erheben zu können.

15 Was den auf die Artikel 178 und 215 EG-Vertrag gestützten Klageantrag wegen ausservertraglicher Haftung angeht, so rügen die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe diesen Antrag wegen Fehlens genauer Nachweise für die Höhe des behaupteten Schadens für unzulässig erklärt, obwohl das Vorliegen dieses Schadens unbestreitbar sei und seine Höhe aufgrund aller Rechnungen bestimmt werden könne, die insgesamt eine Ermittlung des Umsatzes der Rechtsmittelführerinnen ermöglichten.

16 In seiner Rechtsmittelbeantwortung macht der Rat geltend, das Rechtsmittel sei offensichtlich unzulässig, hilfsweise, es sei unbegründet.

17 Was den Antrag auf Nichtigerklärung betreffe, so sei die streitige Bestimmung zunächst als allgemeine Bestimmung normativer Art anzusehen, die an alle Mitgliedstaaten gerichtet sei und daher weder auf die gegenwärtigen noch auf die künftigen Wirtschaftsteilnehmer individuell und unmittelbar anwendbar sei.

18 Ausserdem habe der Gerichtshof im Urteil Piraiki-Patraiki u. a./Kommission die Klage nur aufgrund einer ganzen Reihe von Besonderheiten für zulässig erklärt. Die dortige Argumentation lasse sich nicht auf die vorliegende Rechtssache anwenden.

19 Schließlich könne der einzelne, soweit es um Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane gehe, nach wie vor Klage gegen die aufgrund eines solchen Rechtsakts ergangenen innerstaatlichen Entscheidungen vor den nationalen Gerichten erheben, die nach Artikel 177 EG-Vertrag den Gerichtshof ersuchen könnten, sich zur Gültigkeit des Rechtsakts zu äussern.

20 Zum Antrag wegen ausservertraglicher Haftung vertritt der Rat die Ansicht, die blosse Vorlage von Rechnungen genüge nicht, um das Vorliegen eines Schadens nachzuweisen oder die Höhe des beantragten Schadensersatzes zu beurteilen.

Würdigung durch den Gerichtshof

21 Soweit das Rechtsmittel die Entscheidung des Gerichts betrifft, den Antrag wegen ausservertraglicher Haftung als unzulässig zurückzuweisen, würde die Beantwortung der Frage, ob die Höhe des von den Rechtsmittelführerinnen jeweils beantragten Schadensersatzbetrags in Klageschrift und Erwiderung hinreichend belegt worden ist, eine Tatsachenwürdigung erforderlich machen, die der Zuständigkeit des Gerichtshofes entzogen ist, da diese sich nur auf die Überprüfung der Einhaltung der Rechtsvorschriften durch den angefochtenen Beschluß erstreckt.

22 Soweit die Entscheidung des Gerichts beanstandet wird, den Antrag auf Nichtigerklärung als unzulässig zurückzuweisen, ist zu prüfen, ob das Gericht zu Recht davon ausgehen durfte, daß die Rechtsmittelführerinnen von der streitigen Bestimmung nicht individuell betroffen seien.

23 Nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag kann jede natürliche oder juristische Person gegen die Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

24 Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus dem Umstand, daß die Personen, für die eine Maßnahme wie die streitige Bestimmung gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, nicht, daß diese Personen als von der Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern nur feststeht, daß die Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist (vgl. z. B. Urteil vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-264/91, Abertal u. a./Rat, Slg. 1993, I-3265, Randnr. 16, und Beschluß vom 24. Mai 1993 in der Rechtssache C-131/92, Arnaud u. a./Rat, Slg. 1993, I-2573, Randnr. 13).

25 Diese Personen können nur dann als individuell betroffen angesehen werden, wenn sie in ihrer Rechtsstellung aufgrund von tatsächlichen Umständen betroffen sind, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten (vgl. insbesondere Urteil vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 26/86, Deutz und Geldermann/Rat, Slg. 1987, 941, Randnr. 9).

26 In Randnummer 23 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht zu Recht darauf hingewiesen, daß die streitige Bestimmung nur den Rahmen schaffen soll, in dem die Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Verbringung von Abfällen einführen können, so daß die rechtlichen Wirkungen, die diese Bestimmung haben kann, allgemein und abstrakt umrissene Personengruppen betreffen.

27 Die streitige Bestimmung ermächtigt nämlich alle Mitgliedstaaten und nicht nur die Französische Republik, Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbringung von Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder um gegen jede Verbringung Einwände zu erheben, sofern diese Maßnahmen dazu bestimmt sind, das Prinzip der Nähe, den Vorrang für die Verwertung und den Grundsatz der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene gemäß der Richtlinie 75/442 durchzuführen.

28 Daraus folgt, daß diese Bestimmung die Rechtsmittelführerinnen nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer im Bereich der Abfallverbringung zwischen den Mitgliedstaaten ebenso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer betrifft, der in diesem Bereich tätig ist, und daß das Gericht mit der Feststellung, daß die Rechtsmittelführerinnen daher nicht individuell betroffen seien, keinen Rechtsfehler begangen hat.

29 Dem steht auch nicht entgegen, daß die Rechtsmittelführerinnen praktisch die einzigen Wirtschaftsteilnehmer sind, die Abfälle von Deutschland nach Frankreich transportieren. Denn dieser Umstand hebt sie im Hinblick auf die streitige Bestimmung, die allgemein die Verbringung von Abfällen zwischen allen Mitgliedstaaten betrifft, ohne daß zwischen diesen unterschieden würde, nicht aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraus.

30 Zur angeblichen Verkennung des Urteils Piraiki-Patraiki u. a./Kommission durch das Gericht ist zu sagen, daß sich der Sachverhalt, der diesem Urteil zugrunde liegt, vom vorliegenden erheblich unterscheidet.

31 Der Gerichtshof hat im Urteil Piraiki-Patraiki u. a./Kommission zunächst festgestellt, daß sich aus ihrer blossen Eigenschaft als Frankreich-Exporteure noch nicht ergebe, daß die Klägerinnen von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen seien. Er hat die individuelle und unmittelbare Betroffenheit der Unternehmen nur angesichts einer Reihe von Besonderheiten bejaht.

32 Zunächst betraf dieses Urteil im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache eine Entscheidung der Kommission, mit der ein einziger Mitgliedstaat nach Artikel 130 Absatz 3 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Griechenland und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1979, L 291, S. 17) ermächtigt worden war, eine vorübergehende Schutzmaßnahme hinsichtlich der Einfuhr bestimmter Erzeugnisse aus einem einzigen anderen Mitgliedstaat zu ergreifen.

33 Ausserdem hat der Gerichtshof die Klage erst für zulässig erklärt, nachdem er in Randnummer 28 dieses Urteils in der Begründetheitsprüfung festgestellt hatte, daß die Kommission nach Artikel 130 Absatz 3 der Beitrittsakte verpflichtet gewesen sei, zu ermitteln, welche negativen Auswirkungen ihre Entscheidung möglicherweise für die Wirtschaft des betreffenden Mitgliedstaats sowie für die betroffenen Unternehmen habe, und daß dabei soweit wie möglich auch die Verträge zu berücksichtigen seien, die diese Unternehmen im Vertrauen auf den Fortbestand des freien innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs bereits geschlossen hätten und die wegen der Genehmigung der Schutzmaßnahme ganz oder teilweise nicht erfuellt werden könnten.

34 Wegen des Bestehens dieser Verpflichtung der Kommission gehörten nach Randnummer 31 dieses Urteils die Unternehmen, die solche Verträge eingegangen waren, zu einem beschränkten Kreis von Marktteilnehmern, deren Identität die Kommission festgestellt hatte oder feststellen konnte und auf die sich die streitige Entscheidung wegen dieser Verträge in besonderer Weise auswirkte, so daß sie im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage als von der streitigen Entscheidung individuell betroffen anzusehen waren.

35 Soweit die Rechtsmittelführerinnen vorbringen, die Gemeinschaftsrechtsprechung sei zu streng und biete den Wirtschaftsteilnehmern keinen Rechtsschutz, wenn sie in einem aus dem EG-Vertrag abgeleiteten Recht, wie dem Recht auf umfassende Anwendung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, verletzt würden, ist festzustellen, daß nach dem Verfahren der Artikel 3 bis 5 der Verordnung Nr. 259/93 die Verbringung von Abfällen von einem Mitgliedstaat in einen anderen der vom Mitgliedstaat des Bestimmungsorts bezeichneten zuständigen Behörde von der natürlichen oder juristischen Person im voraus notifiziert werden muß, die beabsichtigt, Abfälle zu verbringen oder verbringen zu lassen. Diese Behörde muß anschließend innerhalb einer Frist von dreissig Tagen nach Absendung der Empfangsbestätigung entscheiden, ob sie die Verbringung mit oder ohne Auflagen genehmigt oder die Genehmigung verweigert.

36 Daher ist nicht ausgeschlossen, daß die Rechtsmittelführerinnen zur Stützung einer Klage gegen eine auf die streitige Bestimmung gestützte Ablehnungsentscheidung die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung geltend machen und damit das nationale Gericht zwingen können, sich zu allen in diesem Zusammenhang vorgebrachten Rügen zu äussern, nachdem es den Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung um Gültigkeitsprüfung ersucht hat.

37 Nach alledem sind die von den Rechtsmittelführerinnen für ihr Rechtsmittel angeführten Gründe nicht stichhaltig, so daß das Rechtsmittel zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Rechtsmittel unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsmittelführerinnen tragen die Kosten.

Ende der Entscheidung

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