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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.05.1994
Aktenzeichen: C-21/92
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 857/84, VO (EWG) Nr. 804/68, EWG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 857/84 Art. 3a
VO (EWG) Nr. 804/68 Art. 5c
EWG-Vertrag Art. 40
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1639/91 ist dahin auszulegen, daß bei der Berechnung der von der zusätzlichen Abgabe für Milch befreiten Referenzmengen, die Erzeugern zuzuteilen sind, die ihre Lieferungen gemäß der durch die Verordnung Nr. 1078/77 eingeführten Prämienregelung für die Nichtvermarktung oder die Umstellung ausgesetzt haben, von der Basismenge, die sich nach dem Umfang der Erzeugung vor dem Nichtvermarktungszeitraum richtet, ein Prozentsatz abzuziehen ist, der sich aus der Addition des Prozentsatzes, der für sämtliche in dem betreffenden Mitgliedstaat auf die Referenzmengen angewendeten Kürzungssätze repräsentativ ist, und des Prozentsatzes, der der Basiskürzung entspricht, die als vorübergehende Aussetzung eines Teils der Referenzmengen gemäß der Verordnung Nr. 775/87 auf sämtliche Erzeuger in der Gemeinschaft angewendet wurde, ergibt.

Dieser Berechnungsweise steht weder der Grundsatz des Vertrauensschutzes noch das Diskriminierungsverbot entgegen, denn die Erzeuger, die die Erzeugung mit Ablauf ihrer Verpflichtung wiederaufnehmen, dürfen zwar keinen Beschränkungen unterworfen werden, die sie wegen ihrer Verpflichtung in besonderer Weise beeinträchtigen, haben aber keinen Anspruch darauf, bessergestellt zu werden als die Erzeuger, die ihre Erzeugung nicht unterbrochen haben.

Es ist zwar richtig, daß einige die Erzeugung wiederaufnehmende Erzeuger dadurch benachteiligt sein können, daß der auf sie angewendete repräsentative Prozentsatz der Kürzungssätze auf der Grundlage einer Erzeugung berechnet wurde, die in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt höher war als die des in ihrem Fall herangezogenen Jahres; dies stellt jedoch die Gültigkeit von Artikel 3a Absatz 2 nicht in Frage, denn wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber sich nicht auf rein hypothetische Einschätzungen der Entwicklung, die die Erzeugung der Betroffenen ohne die Unterbrechung genommen hätte, stützen wollte, konnte er sie hinsichtlich der Kürzungssätze nur den Erzeugern gleichstellen, die die Erzeugung fortgesetzt hatten, ungeachtet dessen, ob diese zu einer Steigerung beigetragen hatten.

Der hypothetische Charakter der Entwicklung, die die Erzeugung der Betroffenen ohne die Verpflichtung genommen hätte, bildet auch den Grund dafür, daß in ihrem Fall die gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 zulässigen Anpassungen der Kürzungssätze praktisch nur auf der Grundlage eines objektiven Kriteriums, nämlich der Grösse des Betriebs, vorgenommen werden können, ohne daß dies eine verbotene Diskriminierung darstellt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 5. MAI 1994. - MARLIES UND HEINZ-BERND KAMP GEGEN HAUPTZOLLAMT WUPPERTAL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT DUESSELDORF - DEUTSCHLAND. - ZUSAETZLICHE ABGABE FUER MILCH - BERECHNUNG DER SPEZIFISCHEN REFERENZMENGE - KUERZUNGSSAETZE UND KUERZUNGEN. - RECHTSSACHE C-21/92.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 8. Januar 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung und Gültigkeit von Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 des Rates vom 13. Juni 1991 (ABl. L 150, S. 35) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen den Milcherzeugern M. und H.-B. Kamp und dem Hauptzollamt Wuppertal wegen der spezifischen Referenzmenge der Kläger, die auf 85 % der Milchmenge festgelegt wurde, für die ihnen eine Nichtvermarktungsprämie gewährt worden war.

3 Die Kläger gingen 1981 für den Zeitraum von 1981 bis Ende 1985 eine Verpflichtung zur Nichtvermarktung von Milch gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1) ein. Zum Ausgleich für ihre Verpflichtung erhielten sie eine Nichtvermarktungsprämie für 118 201 kg Milch.

4 Nach dem Ende ihrer Nichtvermarktungsverpflichtung war es ihnen nicht möglich, im Rahmen der in der Zwischenzeit durch die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10) und die Verordnung Nr. 857/84 eingeführten Regelung über die zusätzliche Abgabe für Milch eine Referenzmenge zu erhalten. Nach der Änderung der Verordnung Nr. 857/84 durch die Verordnung Nr. 1639/91 wurde ihnen eine spezifische Anlieferungs-Referenzmenge von 100 471 kg, das sind 85 % der Prämienmilchmenge, zugeteilt. Die Gesamtkürzung in Höhe von 15 % erfolgte gemäß Artikel 3a Absatz 2 der geänderten Verordnung Nr. 857/84.

5 Die Kläger erhoben beim Finanzgericht Düsseldorf Klage auf Anhebung ihrer spezifischen Anlieferungs-Referenzmenge auf 100 % der Prämienmilchmenge. Sie begehren somit eine Erhöhung ihrer Anlieferungs-Referenzmenge um 17 730 kg.

6 Da die zu erlassende Entscheidung nach Ansicht des vorlegenden Gerichts von der Auslegung und der Gültigkeit der einschlägigen Gemeinschaftsregelung abhängt, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 hinsichtlich des Kürzungssatzes für die spezifische Referenzmenge dahin auszulegen, daß sich der Kürzungssatz nur nach dem Prozentsatz richtet, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentativ ist, mindestens aber die Basiskürzung enthält, oder ergibt sich der Kürzungssatz aus dem Prozentsatz, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentativ ist, zuzueglich der Basiskürzung?

2) Ist Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 gültig, obwohl sich die Berechnung der Basiskürzung nicht nachvollziehen lässt?

3) Ist Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 gültig, soweit die Menge, für die der Prämienanspruch nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 erworben wurde, auf der Erzeugung des Jahres 1981 beruht, die repräsentativen Kürzungssätze aber ausgehend von der Erzeugung 1983 errechnet wurden und dementsprechend aufgrund der Produktionssteigerung von 1981 auf 1983 höher ausfielen?

4) Ist Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 gültig, soweit den Mitgliedstaaten für die Berechnung der spezifischen Referenzmenge hinsichtlich der Erzeuger, die sich nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 zur Nichtvermarktung verpflichteten, keine Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 entsprechende Möglichkeit einer gestaffelten Kürzung eingeräumt wurde?

Rechtlicher Rahmen

7 Die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch enthielt zunächst keine besondere Bestimmung, die die Zuteilung einer Referenzmenge an die Erzeuger vorsah, die in Erfuellung einer gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Verpflichtung in dem vom betreffenden Mitgliedstaat gewählten Referenzjahr keine Milch geliefert hatten. In den Urteilen vom 28. April 1988 in der Rechtssache 120/86 (Mulder, Slg. 1988, 2321, Randnrn. 27 und 28) und in der Rechtssache 170/86 (Von Deetzen, Slg. 1988, 2355, Randnrn. 16 und 17) hat der Gerichtshof diese Regelung wegen Verstosses gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes für ungültig erklärt.

8 In diesen Urteilen hat der Gerichtshof festgestellt, daß ein Wirtschaftsteilnehmer, der seine Erzeugung für eine bestimmte Zeit freiwillig eingestellt hatte, nicht darauf vertrauen durfte, daß er die Erzeugung unter denselben Bedingungen wie den vorher geltenden würde wiederaufnehmen können und daß er eventuell inzwischen erlassenen marktpolitischen oder strukturpolitischen Bestimmungen nicht unterworfen sein würde (Urteile Mulder, Randnr. 23, und Von Deetzen, Randnr. 12). Wie der Gerichtshof aber weiter ausgeführt hat, durfte ein solcher Wirtschaftsteilnehmer, wenn er durch eine Handlung der Gemeinschaft dazu veranlasst worden war, die Vermarktung seiner Erzeugnisse im Allgemeininteresse und gegen Zahlung einer Prämie für eine begrenzte Zeit einzustellen, darauf vertrauen, daß er nach dem Ende seiner Verpflichtung nicht Beschränkungen unterworfen sein würde, die ihn gerade deswegen in besonderer Weise beeinträchtigten, weil er die von der Gemeinschaftsregelung gebotenen Möglichkeiten in Anspruch genommen hatte (Urteile Mulder, Randnr. 24, und Von Deetzen, Randnr. 13).

9 Auf diese Urteile hin erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 764/89 vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 84, S. 2). Mit dieser Verordnung wurde in die Verordnung Nr. 857/84 ein neuer Artikel 3a eingefügt, der im wesentlichen vorsieht, daß die Milcherzeuger, die in Erfuellung einer gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Verpflichtung im Referenzjahr keine Milch geliefert haben, unter bestimmten Voraussetzungen eine spezifische Referenzmenge erhalten. Diese entsprach nach Artikel 3a Absatz 2 60 % der Menge Milch oder Milchäquivalent, die vom Erzeuger in dem Zeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Einreichung des Antrags auf Gewährung der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämie geliefert beziehungsweise verkauft wurde.

10 Auch diese 60-%-Regelung wurde vom Gerichtshof wegen Verstosses gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes für ungültig erklärt, weil er einen Kürzungssatz von 40 % für die unter Artikel 3a der geänderten Verordnung Nr. 857/84 fallenden Erzeuger, der nicht im entferntesten einem repräsentativen Wert der Sätze für die Erzeuger gemäß Artikel 2 entsprach, vielmehr den Hoechstbetrag dieser Sätze um mehr als das Doppelte überstieg, als eine Beschränkung ansah, die die erstgenannte Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gerade wegen ihrer Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtung in besonderer Weise beeinträchtigte (Urteile vom 11. Dezember 1990 in den Rechtssachen C-189/89, Spagl, Slg. 1990, I-4539, Randnrn. 24 und 29, und C-217/89, Pastätter, Slg. 1990, I-4585, Randnrn. 15 und 20).

11 Im Anschluß an die beiden Urteile Spagl und Pastätter wurde durch die Verordnung Nr. 1639/91 für die Berechnung der spezifischen Referenzmenge ein neuer Artikel 3a Absatz 2 eingeführt, in dem es heisst:

"Die spezifische Referenzmenge wird von dem betreffenden Mitgliedstaat anhand objektiver Kriterien festgelegt, indem die Menge, für welche der Prämienanspruch gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 fortbestand oder erworben wurde, um einen Prozentsatz gekürzt wird, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentativ ist, die auf die gemäß Artikel 2 festgelegten Referenzmengen - auf jeden Fall mit einer Basiskürzung um 4,5 % - oder die gemäß Artikel 6 festgelegten Referenzmengen angewendet werden."

12 In Anwendung dieser Bestimmung legte die Bundesrepublik Deutschland den Kürzungssatz für den fraglichen Zeitraum auf insgesamt 15 % fest.

13 Der Satz von 15 % ist die Summe aus dem für sämtliche Kürzungssätze repräsentativen Prozentsatz von 10,5 % und der Basiskürzung von 4,5 %.

14 Nach den Erläuterungen, die der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem vorlegenden Gericht zur Berechnung des Satzes von 15 % gegeben hat, bildet der von ihm als "Kürzungssatz" bezeichnete Prozentsatz, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentativ ist, die Differenz zwischen der Milchanlieferung in Deutschland im Jahr 1983 und der Gesamtgarantiemenge für die Bundesrepublik für das Milchwirtschaftsjahr 1990/91.

15 Die in Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 genannte "Basiskürzung" hat ihren Ursprung in der Verordnung (EWG) Nr. 775/87 des Rates vom 16. März 1987 über die vorübergehende Aussetzung eines Teils der Referenzmengen gemäß Artikel 5c Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 78, S. 5). Sie stellt den Teil der jedem Mitgliedstaat gewährten Referenzmengen dar, der vorübergehend in einheitlicher Höhe ausgesetzt wird. Ihre Höhe wurde mehrfach geändert und für den fraglichen Zeitraum durch die Verordnung (EWG) Nr. 3882/89 des Rates vom 11. Dezember 1989 (ABl. L 378, S. 6) auf 4,5 % festgesetzt.

Zur ersten Frage

16 Wie sich aus den Gründen des Vorlagebeschlusses ergibt, ist Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 nach Ansicht des vorlegenden Gerichts dahin auszulegen, daß die Basiskürzung nicht zusätzlich zu dem für sämtliche Kürzungssätze repräsentativen Prozentsatz anzuwenden sei, sondern einen Teil davon darstelle. Das vorlegende Gericht stützt sich auf den Wortlaut dieser Bestimmung, dem die Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1639/91 nicht entgegenstuenden. Die vom Hauptzollamt vorgenommene Hinzurechnung der Basiskürzung zum repräsentativen Prozentsatz sei weder mit dem Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag noch mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar.

17 Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts lässt sich die vorgeschlagene Auslegung weder auf den Wortlaut von Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 noch auf die sechste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1639/91 stützen, da beide mehrdeutig sind. Daher ist vom Sinn und Zweck von Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 auszugehen.

18 Nach der fraglichen Bestimmung wird die jedem einzelnen Erzeuger zuzuteilende spezifische Referenzmenge auf der Grundlage einer Basismenge berechnet, die sich nach dem Umfang der Erzeugung vor dem Nichtvermarktungszeitraum richtet. Die Basismenge wird zunächst um einen Prozentsatz gekürzt, der für sämtliche in dem betreffenden Mitgliedstaat angewendeten Kürzungssätze repräsentativ ist; für die Bundesrepublik Deutschland beträgt dieser Prozentsatz 10,5 %. Die ausdrückliche und gesonderte Erwähnung der "Basiskürzung" um 4,5 % wäre nicht gerechtfertigt, wenn sie bereits Bestandteil des repräsentativen Prozentsatzes wäre.

19 Mit den beiden Formen der Kürzung der Referenzmengen werden unterschiedliche Ziele verfolgt. Die Kürzung durch Anwendung eines repräsentativen Prozentsatzes war nur ein erster Versuch zur Verminderung der Milchlieferungen. Die in der geänderten Verordnung Nr. 775/87 vorgesehene Basiskürzung um 4,5 % ist das Ergebnis der vorübergehenden Aussetzung eines einheitlichen Teils jeder Referenzmenge. Wie sich aus der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 775/87 ergibt, dient diese Maßnahme der Stärkung der bereits im Rahmen von Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 getroffenen Maßnahmen, d. h. der Maßnahmen, die schon zu der Kürzung geführt haben, die in dem für sämtliche Kürzungssätze repräsentativen Prozentsatz zum Ausdruck kommt. Mit der vorübergehenden Aussetzung unternimmt die Gemeinschaft eine zusätzliche Anstrengung, um der anhaltenden Überschüsse bei der Milcherzeugung Herr zu werden.

20 Einer Kumulierung des repräsentativen Prozentsatzes und der Basiskürzung steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht entgegen.

21 Erstens hat der Gerichtshof in den Urteilen Spagl und Pastätter die beiden Grundsätze herausgearbeitet, daß der die Erzeugung wiederaufnehmende Erzeuger keinen Beschränkungen unterworfen werden darf, die ihn wegen seiner Nichtvermarktungsverpflichtung in besonderer Weise beeinträchtigen, und daß er gegenüber den übrigen Erzeugern nicht ungerecht bevorteilt werden darf. Demgemäß hat der Gerichtshof anerkannt, daß der Rat einen Kürzungssatz anwenden durfte, der einem repräsentativen Wert der Sätze für die Erzeuger entsprach, die die Erzeugung fortgesetzt hatten. Die in Artikel 3a Absatz 2 vorgesehene Kürzung um einen Prozentsatz, der für sämtliche angewendeten Kürzungssätze repräsentativ ist, trägt den in diesen Urteilen herausgearbeiteten Grundsätzen Rechnung.

22 Zweitens konnten die die Produktion wiederaufnehmenden Erzeuger nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, am Ende ihres Nichtvermarktungszeitraums von der Anwendung der Bestimmungen ausgenommen zu werden, die zur Senkung der Milcherzeugung erforderlich sind, und sei es auch im Wege der vorübergehenden Aussetzung eines Teils der Referenzmenge, wie sie in der Verordnung Nr. 775/87 für alle anderen Erzeuger erfolgte und die für den fraglichen Zeitraum 4,5 % betrug.

23 Eine Auslegung, die vom Grundsatz einer Kumulierung des repräsentativen Prozentsatzes und der Basiskürzung ausgeht, verstösst auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot.

24 Wie sich aus den Akten ergibt, führt die Kumulierung des repräsentativen Prozentsatzes und der Basiskürzung entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht zu einer zweifachen Berücksichtigung der Kürzung um 4,5 %. Der repräsentative Prozentsatz wurde nämlich aufgrund der unterschiedlichen Natur dieser beiden Formen der Herabsetzung anhand der tatsächlichen Kürzungssätze unter Ausschluß der Basiskürzung aufgestellt.

25 Bei der Basiskürzung um 4,5 % handelt es sich nur um die vorübergehende Aussetzung eines Teils der Gesamtgarantiemenge jedes Mitgliedstaats für den maßgeblichen Zeitraum. Da die Höhe dieser Basiskürzung in allen Mitgliedstaaten gleich ist, hat die Kürzung pauschalen Charakter. Überdies hat der im fraglichen Zeitraum für sämtliche Milcherzeuger geltende Satz von 4,5 % das gleiche wirtschaftliche Ziel, nämlich eine Senkung der Erzeugung.

26 Aus alledem folgt, daß Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1639/91 dahin auszulegen ist, daß die Basiskürzung zu dem Prozentsatz hinzukommt, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentativ ist, die auf die gemäß Artikel 2 festgelegten Referenzmengen angewendet werden.

Zur zweiten Frage

27 Wie die Gründe des Vorlagebeschlusses erkennen lassen, möchte das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen, ob Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 insoweit gültig ist, als er eine Basiskürzung um 4,5 % vorsieht. Das Gericht führt aus, nach der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1639/91 beruhe dieser Satz auf den Bestimmungen der Verordnung Nr. 775/87; dort sei aber ein solcher Satz nicht vorgesehen.

28 Der Satz von 4,5 % ist in der Verordnung Nr. 775/87 durchaus vorgesehen; diese Verordnung wurde nämlich mehrfach geändert, wobei der zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 1639/91 geltende Aussetzungssatz von 4,5 % in der Änderungsverordnung Nr. 3882/89 festgelegt wurde.

29 Somit lässt sich die Berechnung der in Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 vorgesehenen Basiskürzung objektiv nachvollziehen und ist nicht geeignet, die Gültigkeit dieser Bestimmung in der durch die Verordnung Nr. 1639/91 geänderten Fassung zu beeinträchtigen.

Zur dritten Frage

30 Wie die Gründe des Vorlagebeschlusses erkennen lassen, möchte das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen, ob Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 wegen eines eventuellen Verstosses gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag ungültig ist. Möglicherweise benachteilige Artikel 3a Absatz 2 die Erzeuger, die sich zur Nichtvermarktung verpflichtet hätten, denn ihr letztes Erzeugungsjahr liege vor 1981. Da der für die Kürzungssätze repräsentative Prozentsatz in Deutschland auf der Grundlage der Milcherzeugung im Jahr 1983 berechnet werde, spiegele seine Höhe die Steigerung der Erzeugung zwischen 1981 und 1983 wider, zu der die Erzeuger, die sich in der Lage der Kläger des Ausgangsverfahrens befänden, jedoch nicht beigetragen hätten.

31 Tatsächlich kann die zur Ermittlung des repräsentativen Prozentsatzes herangezogene höhere Erzeugung des Jahres 1983 die am Ausgangsrechtsstreit beteiligten Erzeuger benachteiligen.

32 Der Rat war jedoch aufgrund der Ungewißheit über die wahrscheinliche Entwicklung der Milcherzeugung der Erzeuger, die während des fraglichen Zeitraums an der Nichtvermarktungsregelung teilgenommen hatten, gezwungen, beim Erlaß einer Regelung über die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge an die die Erzeugung wiederaufnehmenden Erzeuger auf einen pauschalen Vergleich der Erzeugergruppen abzustellen.

33 Der Rat war insoweit zu der Annahme berechtigt, daß die Erzeugergruppe, die sich zur Nichtvermarktung verpflichtet hatte, nicht nur mit der begrenzten Gruppe von Erzeugern verglichen werden darf, die die Erzeugung fortgesetzt hatten und diese im Zeitraum von 1981 bis 1983 steigern konnten. Gegenstand des Vergleichs muß die Gesamtheit der Erzeuger sein, die die Erzeugung fortgesetzt hatten. Da die Steigerung der Erzeugung nämlich auf verschiedenen Faktoren beruhen kann, musste der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht von der Annahme ausgehen, daß die die Erzeugung wiederaufnehmenden Erzeuger an dieser Steigerung beteiligt gewesen wären, wenn sie ihre Tätigkeit nicht unterbrochen hätten. Unter diesen Umständen durfte der Rat die fragliche Erzeugergruppe den Erzeugern gleichstellen, die die Erzeugung fortgesetzt hatten, ungeachtet dessen, ob diese zu einer Steigerung beigetragen hatten.

34 Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß die vom Rat gewählte Methode zu ihren Ungunsten von der vom Gerichtshof im Urteil vom 19. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder II, Slg. 1992, I-3061) angewendeten abweiche.

35 Die Berechnung der hypothetischen Referenzmenge, die ein Erzeuger in der Vergangenheit hätte erhalten müssen, durch ein Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits über die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft zur Ermittlung der Höhe von Schadensersatz lässt sich jedoch nicht mit der Berechnung vergleichen, die der über einen weiten Ermessensspielraum verfügende Rat zur Ermittlung der einem Erzeuger für die Zukunft eingeräumten Referenzmenge durchführt.

36 Somit ist Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung nicht deshalb ungültig, weil die Menge, für die der Prämienanspruch nach der Verordnung Nr. 1078/77 erworben wurde, auf der Erzeugung eines vor 1981 liegenden Referenzjahres beruht, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentative Prozentsatz aber ausgehend von der höheren Erzeugung eines anderen Referenzjahres, nämlich 1983, errechnet wurde.

Zur vierten Frage

37 Wie die Gründe des Vorlagebeschlusses erkennen lassen, möchte das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen, ob Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 aus einem anderen als dem im Rahmen der dritten Frage genannten Grund wegen eines eventuellen Verstosses gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag ungültig ist. Es führt aus, Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 eröffne die Möglichkeit, zugunsten bestimmter Gruppen von Erzeugern, die die Erzeugung fortgesetzt hätten, den Kürzungssatz nach Maßgabe bestimmter bei ihnen vorliegender Besonderheiten anzupassen. Nach der vom vorlegenden Gericht vertretenen Auslegung, der aber vom Vereinigten Königreich, vom Rat und in der mündlichen Verhandlung auch von der Kommission widersprochen wurde, schließt Artikel 3a Absatz 2 diese Anpassung für sämtliche Erzeuger aus, die die Erzeugung nach einem Nichtvermarktungszeitraum wiederaufgenommen haben. Kleine Erzeuger wie die Kläger des Ausgangsverfahrens würden dadurch zumindest teilweise benachteiligt. Sie würden zusätzlich belastet, weil sie nicht in den Genuß der Kürzungssätze kämen, die in den deutschen Rechtsvorschriften in Anwendung von Artikel 2 Absatz 2 zugunsten kleiner Erzeuger, die die Erzeugung nicht wegen einer Nichtvermarktungsverpflichtung unterbrochen hätten, vorgesehen seien.

38 In Übereinstimmung mit der vom Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vertretenen Auffassung ist festzustellen, daß Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 die Anpassung des repräsentativen Prozentsatzes aus den in Artikel 2 Absatz 2 vorgesehenen Gründen zulässt, da dieser anhand objektiver Kriterien zu ermitteln ist. Aufgrund der hypothetischen Entwicklung der Erzeugung der Gruppe von Erzeugern, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Nichtvermarktung verpflichtet hatten, ist eine Anpassung allerdings nur schwer möglich. Der repräsentative Prozentsatz kann praktisch nur nach Maßgabe der Menge der Lieferungen bestimmter Gruppen von Abgabepflichtigen angepasst werden, d. h. nach Maßgabe der Grösse des Betriebs.

39 Artikel 3a Absatz 2 lässt folglich die Anpassung des repräsentativen Prozentsatzes nach Maßgabe der Grösse des Betriebs zu. Die Gültigkeit dieser Bestimmung kann deshalb nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, daß sie keine Anpassung zugunsten kleiner Erzeuger ermögliche.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Die Auslagen der deutschen Regierung und des Vereinigten Königreichs sowie des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 8. Januar 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 vom 13. Juni 1991 ist dahin auszulegen, daß die Basiskürzung zu dem Prozentsatz hinzukommt, der für sämtliche Kürzungssätze repräsentativ ist, die auf die gemäß Artikel 2 festgelegten Referenzmengen angewendet werden.

2) Die Prüfung der übrigen Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Artikel 3a Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 1639/91 beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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