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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.06.1999
Aktenzeichen: C-211/97
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 1408/71


Vorschriften:

EGV Art. 177 (jetzt EGV Art. 234)
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 16 Abs. 2 S. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle gemäß Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung für die Anwendung der sozialrechtlichen Vorschriften des entsendenden Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger es ist, bewirkt nicht, daß sein Ehegatte keinen Anspruch mehr auf eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit hat, die ihm die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, unabhängig von der sozialen Absicherung seines Ehegatten sichern.

Denn die Ausübung dieses Wahlrechts hat zwar unmittelbare Folgen für den Umfang der Rechte, die die Familienangehörigen des Arbeitnehmers aufgrund dieser Eigenschaft aus dessen sozialer Absicherung ableiten können, doch verhält es sich anders bei den Vergünstigungen der sozialen Sicherheit, die ihnen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie wohnen, unabhängig von der sozialen Absicherung des Arbeitnehmers gewährt werden. In diesem Fall müssen den Familienangehörigen des Arbeitnehmers die gleichen Rechte aufgrund der sozialrechtlichen Vorschriften ihres Wohnsitzlandes zustehen wie den Staatsangehörigen dieses Landes, vorbehaltlich der möglichen Anwendung der Antikumulierungsvorschriften, die sich insbesondere aus Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 574/72 ergeben.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 3. Juni 1999. - Paula Gomez-Rivero gegen Bundesanstalt für Arbeit. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Landessozialgericht Niedersachsen - Deutschland. - Soziale Sicherheit - Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Wahlrecht - Wirkungen. - Rechtssache C-211/97.

Entscheidungsgründe:

1 Das Landessozialgericht Niedersachsen hat mit Beschluß vom 22. Mai 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Gómez Rivero (Klägerin) und der Bundesanstalt für Arbeit (im folgenden: Bundesanstalt) wegen eines Bescheides, mit dem der Klägerin mit Wirkung vom 1. Februar 1995 das Kindergeld für ihre beiden unterhaltsberechtigten Kinder entzogen wurde.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

"Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene."

4 Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:

"Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen."

5 Unter dem Titel II ("Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften") ist in Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

"(1) Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

...

f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften."

6 Artikel 16 der Verordnung Nr. 1408/71 ("Sonderregelung für das Geschäftspersonal der diplomatischen Vertretungen und der konsularischen Dienststellen sowie für die Hilfskräfte der Europäischen Gemeinschaften") bestimmt:

"(1) Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a) gilt auch für Mitglieder des Geschäftspersonals der diplomatischen Vertretungen oder konsularischen Dienststellen und für private Hausangestellte im Dienst von Angehörigen dieser Vertretungen oder Dienststellen.

(2) Die in Absatz 1 bezeichneten Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des entsendenden Mitgliedstaats sind, können sich jedoch für die Anwendung der Rechtsvorschriften dieses Staates entscheiden. Dieses Wahlrecht kann am Ende jedes Kalenderjahres neu ausgeuebt werden und hat keine rückwirkende Kraft.

..."

7 Artikel 13 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung (im folgenden: Verordnung Nr. 574/72) sieht vor:

"(2) Der Arbeitnehmer, der von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, zeigt dies dem Träger an, den die zuständige Behörde des Mitgliedstaats bezeichnet, für dessen Rechtsvorschriften der Arbeitnehmer sich entschieden hat; gleichzeitig unterrichtet dieser seinen Arbeitgeber. Der Träger unterrichtet erforderlichenfalls alle anderen Träger desselben Mitgliedstaats gemäß den Weisungen, die die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats erteilt.

(3) Der Träger, den die zuständige Behörde des Mitgliedstaats bezeichnet, für dessen Rechtsvorschriften der Arbeitnehmer sich entschieden hat, stellt diesem eine Bescheinigung darüber aus, daß für ihn für die Dauer seiner Beschäftigung in der betreffenden diplomatischen Vertretung oder konsularischen Dienststelle oder bei einem Angehörigen dieser Vertretung oder Dienststelle die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats gelten."

Das deutsche Recht

8 Bis zum 31. Dezember 1995 richtete sich der Anspruch auf Zahlung von Kindergeld in Deutschland nach dem Bundeskindergeldgesetz vom 31. Januar 1994 (BGBl. 1994 I S. 169; im folgenden: BKGG). § 1 BKGG lautete wie folgt:

"(1) Nach den Vorschriften des Gesetzes hat Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder...

1. wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat...

...

(3) Ein Ausländer hat einen Anspruch nach diesem Gesetz nur, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist..."

9 Seit dem 1. Januar 1996 wird das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz vom 11. Oktober 1995 (BGBl. 1995 I S. 1250) gewährt. In § 62 dieses Gesetzes ist bestimmt:

"(1) Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer

1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat...

...

(2) Ein Ausländer hat nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist..."

Das Ausgangsverfahren

10 Die Klägerin und ihr Ehemann sind spanische Staatsangehörige, die in Deutschland wohnen. Der Ehemann der Klägerin ist beim spanischen Generalkonsulat in Hannover beschäftigt, während die Klägerin - abgesehen von einer nicht sozialversicherungspflichtigen geringfügigen Beschäftigung als Haushaltshilfe - nicht berufstätig ist.

11 Nachdem sich der Ehemann der Klägerin gemäß Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 für die Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit entschieden hatte (im folgenden: Ausübung des Wahlrechts), hob die Bundesanstalt mit Wirkung vom 1. Februar 1995 die Bewilligung des Kindergelds für die beiden Kinder der Klägerin auf.

12 Die Bundesanstalt ist der Ansicht, daß die Ausübung des Wahlrechts durch Herrn Gómez Rivero auch für seine Ehefrau Wirkung entfalte, auf die daher die deutschen Rechtsvorschriften von der Ausübung dieses Rechts an nicht mehr anwendbar seien. Deswegen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Kindergeld mehr, obwohl sie alle übrigen Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld in Deutschland erfuelle.

13 Nach dem spanischen System der sozialen Sicherheit erhalten weder die Klägerin noch ihr Ehemann Familienleistungen für unterhaltsberechtigte Kinder, denn die Einkünfte der Familie übersteigen die Hoechstgrenze, bis zu der diese gewährt werden.

14 Das Landessozialgericht Niedersachsen, bei dem der Rechtsstreit über den Bescheid der Bundesanstalt in der Berufungsinstanz anhängig ist, ist der Ansicht, daß das Kindergeld, das die Klägerin für ihre unterhaltsberechtigten Kinder bezog, in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle, da es als "Familienleistung" im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h dieser Verordnung anzusehen sei. Die Entscheidung des Rechtsstreits des Ausgangsverfahrens hänge davon ab, ob die deutsche Kindergeldregelung auf die Klägerin anwendbar sei, was wiederum davon abhänge, ob die Ausübung des Wahlrechts durch den Ehemann der Klägerin Rechtswirkungen für diese entfalte, auch wenn sie ihr nicht zugestimmt habe.

Die Vorlagefragen

15 Das Landessozialgericht Niedersachsen hat Zweifel, wie Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 auszulegen ist. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Hat die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle nach Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für die Anwendung der Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger es ist, zugleich Wirkung für seinen - nicht im konsularischen Dienst stehenden - Ehegatten, der ebenfalls Angehöriger des entsendenden Mitgliedstaats ist,

oder

sind auf den Ehegatten die Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaats nur dann anzuwenden, sofern sich dieser selbst ebenfalls für ihre Anwendung entscheidet?

2. Sofern die Entscheidung des im konsularischen Dienst stehenden Staatsangehörigen zugleich Wirkung für seinen Ehegatten entfaltet: Setzt die Wirksamkeit der Entscheidung für die Anwendung der Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaats die Zustimmung oder sonst eine Mitwirkung des mitbetroffenen Ehegatten voraus?

Zur ersten Frage

16 Anspruch auf eine Familienleistung kann haben, wer Arbeitnehmer oder Selbständiger ist, wer Familienangehöriger eines solchen Erwerbstätigen ist oder wer in dem betreffenden Mitgliedstaat wohnt, ohne daß es auf seine Zugehörigkeit oder die seines Ehegatten oder seiner Eltern zu einem System der sozialen Sicherheit ankommt.

17 Im Ausgangsverfahren geht es um Kindergeld, das jeder Person gewährt wird, die ein unterhaltsberechtigtes Kind hat und im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ist, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit oder der Zugehörigkeit ihres Ehegatten oder ihrer Eltern zu einem System der sozialen Sicherheit.

18 Daher ist die erste Frage so zu verstehen, daß das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle nach Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 für die Anwendung der sozialrechtlichen Vorschriften des entsendenden Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger es ist, bewirkt, daß sein Ehegatte keinen Anspruch mehr auf eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit hat, die ihm die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, unabhängig von der sozialen Absicherung seines Ehegatten sichern.

19 Die Klägerin macht geltend, die Ausübung des Wahlrechts durch ihren Ehemann könne nicht zum Verlust der Ansprüche auf das Kindergeld führen, das sie bis zum 1. Februar 1995 erhalten habe, da die Verordnung Nr. 1408/71 den Kreis der kindergeldberechtigten Personen gegebenenfalls ausdehne, ihn jedoch nicht einschränke.

20 Die finnische Regierung vertritt die Ansicht, daß die auf Familienangehörige eines Arbeitnehmers anwendbaren Rechtsvorschriften im allgemeinen durch die für den Arbeitnehmer selbst geltenden Rechtsvorschriften festgelegt würden. Dies sei auch dann der Fall, wenn dieser sein Wahlrecht ausgeuebt habe, da die Familienangehörigen kein eigenständiges Recht hätten, zu wählen, welchen Rechtsvorschriften sie unterlägen. Daher sei die Klägerin durch die Entscheidung ihres Ehemanns für die Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften gebunden.

21 Die Kommission macht geltend, Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 sei eine der Bestimmungen, die ausschließlich für Arbeitnehmer und nicht für deren Familienangehörige gälten. Daher entfalte die Ausübung des Wahlrechts durch den Ehemann der Klägerin dieser gegenüber keine Rechtswirkungen, und diese habe kein eigenes Wahlrecht im Sinne dieser Bestimmung.

22 Artikel 16 der Verordnung Nr. 1408/71 ist eine Sonderregelung, die von der allgemeinen Regelung in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung abweicht. Nach dieser allgemeinen Regelung unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Hingegen kann Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 dazu führen, daß das Sozialrecht eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem die Berufstätigkeit ausgeuebt wird, anwendbar ist.

23 Nach dem Wortlaut von Artikel 16 der Verordnung Nr. 1408/71 steht das in dieser Bestimmung vorgesehene Wahlrecht dem Geschäftspersonal der diplomatischen Vertretungen oder konsularischen Dienststellen und privaten Hausangestellten im Dienst von Angehörigen dieser Vertretungen oder Dienststellen zu. Die Familienangehörigen dieses Personenkreises sind weder in diesem Artikel noch in Artikel 13 der Verordnung Nr. 574/72 erwähnt.

24 Gleichwohl hat die Ausübung oder Nichtausübung des Wahlrechts durch ein Mitglied des Geschäftspersonals der diplomatischen Vertretungen oder konsularischen Dienststellen zugunsten der Rechtsvorschriften des entsendenden Staates unmittelbare Folgen für den Umfang der Rechte, die dessen Familienangehörige aufgrund dieser Eigenschaft aus der sozialen Absicherung des Arbeitnehmers ableiten können, je nachdem, ob für diesen die Rechtsvorschriften des entsendenden Staates oder des Staates gelten, in den er entsandt ist.

25 Die Ausübung des Wahlrechts darf jedoch den Familienangehörigen des Arbeitnehmers nicht die Vergünstigungen der sozialen Sicherheit entziehen, die ihnen unabhängig von der sozialen Absicherung des Arbeitnehmers selbst die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats sichern, in dem sie wohnen.

26 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. Juni 1975 in der Rechtssache 7/75 (Eheleute F., Slg. 1975, 679, Randnr. 16) entschieden hat, folgt aus Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71, der den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung festlegt, in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung, der den Grundsatz der Gleichbehandlung aufstellt, daß den Familienangehörigen eines Arbeitnehmers, die niemals im Sinne von Titel II der Verordnung abhängig beschäftigt waren oder sind bzw. einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen sind oder nachgehen, die gleichen Rechte aufgrund der sozialrechtlichen Vorschriften ihres Wohnsitzlandes zustehen müssen wie den Staatsangehörigen dieses Landes.

27 Ausserdem unterliegt ein selbst im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigter Familienangehöriger eines Arbeitnehmers gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften dieses Staates.

28 Sollte sich erweisen, daß sowohl der Arbeitnehmer, der sein Wahlrecht gemäß Artikel 16 der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeuebt hat, als auch sein Ehegatte Anspruch auf die gleichen Familienleistungen für ein und denselben Zeitraum und für denselben Familienangehörigen haben - der eine in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, wegen der Ausübung dieses Wahlrechts und unter den Voraussetzungen des Artikels 73 der Verordnung, der andere nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt -, so müssten die Antikumulierungsvorschriften, die für solche Situationen gelten, angewandt werden.

29 Insoweit bestimmt Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 574/72 insbesondere, daß der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen nach Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen ruht.

30 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, daß die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle gemäß Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 für die Anwendung der sozialrechtlichen Vorschriften des entsendenden Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger es ist, nicht bewirkt, daß sein Ehegatte keinen Anspruch mehr auf eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit hat, die ihm die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, unabhängig von der sozialen Absicherung seines Ehegatten sichern.

Zur zweiten Frage

31 Angesichts der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

32 Die Auslagen der finnischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Landessozialgericht Niedersachsen mit Beschluß vom 22. Mai 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle gemäß Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung für die Anwendung der sozialrechtlichen Vorschriften des entsendenden Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger es ist, bewirkt nicht, daß sein Ehegatte keinen Anspruch mehr auf eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit hat, die ihm die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, unabhängig von der sozialen Absicherung seines Ehegatten sichern.

Ende der Entscheidung

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