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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: C-215/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 73/148/EWG, EG


Vorschriften:

Richtlinie 73/148/EWG Art. 4 Abs. 2
Richtlinie 73/148/EWG Art. 6
EG Art. 49
EG Art. 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 17. Februar 2005. - Salah Oulane gegen Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank te 's-Gravenhage - Niederlande. - Freizügigkeit - Einreise- und Aufenthaltsrecht von Angehörigen der Mitgliedstaaten - Verpflichtung zur Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses - Voraussetzung für die Anerkennung des Aufenthaltsrechts - Sanktion - Vorschrift über die Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung. - Rechtssache C-215/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-215/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Rechtbank te 's-Gravenhage (Niederlande) mit Entscheidung vom

12. Mai 2003

, beim Gerichtshof eingegangen am

19. Mai 2003

, in dem Verfahren

Salah Oulane

gegen

Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), M. Ilei und E. Levits,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M.F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

9. September 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von S. Oulane, vertreten durch M. N. R. Nasrullah, advocaat,

- des Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie, vertreten durch R. van Asperen, advocaat,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch A. Bodard-Hermant als Bevollmächtigte,

- der italienischen Regierung, vertreten durch A. Cingolo als Bevollmächtigten,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch J. van Bakel und H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

21. Oktober 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs (ABl. L 172, S. 14).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von Herrn Oulane, einem französischen Staatsangehörigen (im Folgenden: Beschwerdeführer), gegen den Minister voor Vreemdelingenzaken en Integratie (Minister für Ausländerfragen und Integration, im Folgenden: Minister) angestrengten Verfahrens über die Abschiebungshaft des Beschwerdeführers wegen unterbliebener Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses zum Nachweis seiner Eigenschaft als Gemeinschaftsangehöriger.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 73/148 bestimmt:

Für Leistungserbringer und Leistungsempfänger entspricht das Aufenthaltsrecht der Dauer der Leistung.

Übersteigt diese Dauer drei Monate, so stellt der Mitgliedstaat, in dem die Leistung erbracht wird, zum Nachweis dieses Rechts eine Aufenthaltserlaubnis aus.

Beträgt diese Dauer drei Monate oder weniger, so genügt der Personalausweis oder Reisepass, mit dem der Betroffene in das Hoheitsgebiet eingereist ist, für seinen Aufenthalt. Der Mitgliedstaat kann allerdings von dem Betroffenen verlangen, dass er seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet anzeigt.

4. Artikel 6 der Richtlinie 73/148 sieht vor:

Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und der Aufenthaltsberechtigung darf der Mitgliedstaat vom Antragsteller nur Folgendes verlangen:

a) Vorlage des Ausweises, mit dem er in sein Hoheitsgebiet eingereist ist;

b) Nachweis, dass er zu einer der in den Artikeln 1 und 4 genannten Personengruppen gehört.

Nationale Regelung

5. Artikel 50 der Vreemdelingenwet (Ausländergesetz) vom 23. November 2000 (Stbl. 2000, Nr. 495, im Folgenden: Gesetz) bestimmt:

1. Die mit der Grenzüberwachung oder der Ausländeraufsicht betrauten Beamten sind entweder aufgrund von Tatsachen und Umständen, die nach objektiven Beurteilungskriterien die Vermutung eines widerrechtlichen Aufenthalts begründen, oder zur Bekämpfung eines widerrechtlichen Aufenthalts nach Grenzübertritt befugt, Personen zur Feststellung ihrer Identität, Staatsangehörigkeit und aufenthaltsrechtlichen Stellung festzunehmen. [...]

2. Lässt sich die Identität des Festgenommenen nicht sofort feststellen, kann der Betroffene an einen für eine Vernehmung vorgesehenen Ort gebracht werden. Er kann dort bis zu sechs Stunden festgehalten werden, wobei die Zeit zwischen 24 Uhr und 9 Uhr nicht mitgerechnet wird. [...]

6. Artikel 59 des Gesetzes sieht u. a. vor, dass der Ausländer, dessen Aufenthalt nicht ordnungsgemäß ist, zum Zweck der Abschiebung in Haft genommen werden kann, sofern die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit dies erfordert.

7. Artikel 8:13 Absatz 1 des Vreemdelingenbesluit (Ausländerverordnung zur Durchführung des Gesetzes) vom 23. November 2000 (Stbl. 2000, Nr. 497, im Folgenden: Verordnung) bestimmt:

Die Abschiebung eines Gemeinschaftsangehörigen unterbleibt, solange nicht feststeht, dass diesem kein Aufenthaltsrecht zusteht oder dass sein Aufenthaltsrecht erloschen ist.

8. Punkt B10/24 der Vreemdelingencirculaire 2000 (Ausländerrundverfügung, Stcrt. 2000, S. 17) schreibt vor:

Dem Ausländer, der sich bereits in den Niederlanden aufhält und sich auf Rechte aus dem EG-Vertrag beruft, aber keinen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorgelegt hat, wird Gelegenheit zur Vorlage eines solchen Ausweises gegeben. Dazu wird ihm eine angemessene Frist von zwei Wochen eingeräumt.

Ausgangsverfahren

9. Der Beschwerdeführer wurde am 3. Dezember 2001 wegen Verdachts des widerrechtlichen Aufenthalts von den niederländischen Behörden festgenommen. Bei seiner Vernehmung erklärte der Beschwerdeführer, der kein Ausweispapier bei sich trug, er besitze die französische Staatsangehörigkeit und halte sich seit etwa drei Monaten zu Urlaubszwecken in den Niederlanden auf. Unter anderem mit der Begründung, es bestehe die Gefahr, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle, nahmen die niederländischen Behörden ihn in Abschiebungshaft.

10. Am 7. Dezember 2001 legte der Beschwerdeführer den Behörden einen französischen Personalausweis vor. Daraufhin erkannten diese seine Eigenschaft als Gemeinschaftsangehöriger und seinen Touristenstatus an. Mit Entscheidung vom 10. Dezember 2001 hob der Minister die Haft auf.

11. Am 27. Juli 2002 wurde der Beschwerdeführer in einem nicht öffentlich zugänglichen Gütertunnel des Bahnhofs Rotterdam Centraal von der Bahnpolizei festgenommen. Da er kein Dokument bei sich trug, das seine Identität hätte nachweisen können, wurde er nach seiner Vernehmung in Abschiebungshaft genommen. Bei seiner Vernehmung erklärte er, er halte sich seit achtzehn Tagen in den Niederlanden auf und wolle nach Frankreich zurückkehren. Die niederländischen Behörden beriefen sich zur Rechtfertigung dieser Haft auf den Schutz der öffentlichen Ordnung und machten dazu geltend, es sei zu vermuten, dass der Betroffene versuchen werde, sich seiner Abschiebung zu entziehen.

12. Am 2. August 2002 wurde der Beschwerdeführer nach Frankreich abgeschoben.

Die Vorlagefragen

13. Vor der Rechtbank te 's-Gravenhage machte der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit dieser Haftmaßnahmen geltend und beantragte außerdem die Zuerkennung von Schadensersatz.

14. Die Rechtbank te 's-Gravenhage, die der Auffassung ist, dass die Entscheidung des bei ihr anhängigen Rechtsstreits eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts erfordere, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Zum ersten Verfahren

1. Ist Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 73/148/EWG nach dem Wegfall der Einreisekontrollen an den Binnengrenzen so auszulegen, dass das darin geregelte Aufenthaltsrecht einer Person, die sich als Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats und als Tourist bezeichnet, von den Behörden des Mitgliedstaats, in dem diese Person ihr Aufenthaltsrecht geltend macht, erst ab dem Zeitpunkt der Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses anerkannt werden muss?

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Besteht beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts, insbesondere im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot und den freien Dienstleistungsverkehr, Anlass, hiervon eine Ausnahme dergestalt zu machen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats dem Betroffenen die Gelegenheit zur nachträglichen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses geben müssen?

3. Ist es für die Beantwortung von Frage 2 erheblich, dass im nationalen Recht des Mitgliedstaats, in dem der Betroffene sein Aufenthaltsrecht geltend macht, für die eigenen Staatsangehörigen keine allgemeine Ausweispflicht vorgesehen ist?

4. Falls Frage 2 zu bejahen ist: Bestehen beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts Anforderungen an die Dauer der Frist, die der Mitgliedstaat für die nachträgliche Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses einräumen muss, bevor er eine verwaltungsrechtliche Sanktion in Form einer Maßnahme wegen vermuteten rechtswidrigen Aufenthalts verhängen kann?

5. Stellt eine verwaltungsrechtliche Sanktion in Form einer Maßnahme der in Frage 4 genannten Art, die in der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung aufgrund von Artikel 59 des Gesetzes besteht und vor Ablauf der in Frage 4 genannten Frist verhängt wird, einen unverhältnismäßigen Eingriff in den freien Dienstleistungsverkehr dar?

6. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Stellt es beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr dar, wenn gegen eine Person, die sich als Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und als Tourist bezeichnet, aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach Artikel 59 des Gesetzes auch ohne erkennbares Vorliegen einer gegenwärtigen und ernsten Gefahr für die öffentliche Ordnung eine Maßnahme der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung ergriffen wird, solange sie ihr Aufenthaltsrecht nicht durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses nachgewiesen hat?

7. Falls das Vorliegen eines Hindernisses im Sinne der Frage 6 bejaht wird: Kommt es bei der Prüfung der Rechtfertigung des Hindernisses auf die Dauer der Frist an, die der Mitgliedstaat für die nachträgliche Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses einräumt?

8. Falls das Vorliegen eines Hindernisses im Sinne der Frage 6 bejaht wird: Kommt es für die Prüfung der Rechtfertigung des Hindernisses darauf an, ob der Mitgliedstaat entsprechend seiner allgemeinen Praxis in Fällen einer rechtswidrigen Ausländerhaft nachträglich eine Entschädigung für den Zeitraum gewährt, in dem sich der Betroffene in Haft befand und seine Staatsangehörigkeit noch nicht durch Vorlage eines gültigen Reisepasses oder Personalausweises nachgewiesen hatte?

9. Ist ein Mitgliedstaat, in dem keine allgemeine Ausweispflicht gilt, beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts, insbesondere im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot, daran gehindert, im Rahmen einer inländischen Ausländerkontrolle gegen eine Person, die sich als Tourist bezeichnet, nach Artikel 59 des Gesetzes eine Maßnahme der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung zu ergreifen, solange sie das von ihr beanspruchte Aufenthaltsrecht nicht durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses nachgewiesen hat?

Zum zweiten Verfahren:

10. Ist es beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts unzulässig, dass ein Angehöriger in einem anderen Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet er sich aufhält, nicht als Bürger mit einem gemeinschaftsrechtlich geschützten Aufenthaltsrecht angesehen wird, solange er sich diesem Mitgliedstaat gegenüber nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Dienstleistungsempfänger beruft?

11. Ist der Begriff des Dienstleistungsempfängers, wie er im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs verstanden wird, so auszulegen, dass auch dann, wenn eine Person (i) sich längere Zeit, möglicherweise über sechs Monate, in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, (ii) dort wegen des Verdachts einer Straftat festgenommen wird, (iii) keinen festen Wohn- oder Aufenthaltsort angeben kann und (iv) weder Geld noch Gepäck besitzt, der Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ein hinreichender Grund für die Vermutung ist, dass touristische oder andere mit einem kurzzeitigen Aufenthalt verbundene Dienstleistungen, wie etwa Beherbungs- oder Bewirtungsleistungen, in Anspruch genommen werden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

15. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 73/148 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung des Aufenthaltsrechts eines Empfängers von Dienstleistungen, der Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, davon abhängig machen kann, dass der Betroffene einen Personalausweis oder Reisepass vorlegt.

16. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Freizügigkeit eine der Grundlagen der Gemeinschaft darstellt. Die Bestimmungen, in denen er niedergelegt ist, sind daher weit auszulegen (vgl. u. a. Urteil vom 9. November 2000 in der Rechtssache C 357/98, Yiadom, Slg. 2000, I9265, Randnr. 24).

17. Nach ständiger Rechtsprechung fließt das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen und sich dort zu den vom EGVertrag genannten Zwecken aufzuhalten, unmittelbar aus dem EG-Vertrag oder, je nach Sachlage, aus den zu seiner Durchführung ergangenen Bestimmungen (Urteile vom 8. April 1976 in der Rechtssache 48/75, Royer, Slg. 1976, 497, Randnr. 31, und vom 5. März 1991 in der Rechtssache C376/89, Giagounidis, Slg. 1991, I1069, Randnr. 12).

18. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats ist daher nicht als rechtsbegründende Handlung zu betrachten, sondern als Handlung eines Mitgliedstaats, die dazu dient, die individuelle Situation eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Hinblick auf die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts festzustellen (vgl. u. a. Urteil vom 23. März 2004 in der Rechtssache C138/02, Collins, Slg. 2004, I0000, Randnr. 40).

19. Hinsichtlich der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die sich als Empfänger von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, sieht Artikel 6 der Richtlinie 73/148 vor, dass der Aufnahmestaat die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung von der Vorlage des Ausweises abhängig machen kann, mit dem die Antragsteller in sein Hoheitsgebiet eingereist sind. Außerdem ergibt sich aus Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 dieser Richtlinie, dass der Personalausweis oder Reisepass für den Aufenthalt des Betroffenen genügt, wenn die Dauer der Leistung drei Monate oder weniger beträgt.

20. Diese Bedingungen sind im Rahmen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77) nicht geändert worden.

21. Demgemäß ist ein Mitgliedstaat berechtigt, von Dienstleistungsempfängern, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind und sich in seinem Hoheitsgebiet aufhalten wollen, den Nachweis ihrer Identität und ihrer Staatsangehörigkeit zu verlangen.

22. Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zutreffend hervorhebt, sollen mit der Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses zum einen die Lösung von mit dem Nachweis des Aufenthaltsrechts zusammenhängenden Problemen nicht nur für die Bürger, sondern auch für die nationalen Behörden erleichtert und zum anderen die Maximalvoraussetzungen festgelegt werden, deren Erfüllung ein Mitgliedstaat den Betroffenen für die Anerkennung ihres Aufenthaltsrechts vorschreiben kann.

23. Das Erfordernis, dass ein solcher Nachweis in allen Fällen durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses zu erbringen ist, geht jedoch offensichtlich über die Zwecke der Richtlinie 73/148 hinaus.

24. Dass eine Person, um ihre Eigenschaft als Gemeinschaftsangehöriger nachzuweisen, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen muss, stellt nämlich eine Verwaltungsformalität dar, die nur der Feststellung eines aus der Eigenschaft des Betroffenen unmittelbar fließenden Rechts durch die nationalen Behörden dient.

25. Kann der Betroffene zwar keinen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen, seine Staatsangehörigkeit aber zweifelsfrei mit anderen Mitteln nachweisen, so kann der Aufnahmemitgliedstaat dessen Aufenthaltsrecht nicht schon mit der Begründung in Zweifel ziehen, dass er weder das eine noch das andere der genannten Dokumente vorgelegt habe (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Angehörige von Drittländern Urteil vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C459/99, MRAX, Slg. 2002, I6591, Randnr. 62).

26. Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 73/148 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung des Aufenthaltsrechts eines Empfängers von Dienstleistungen, der Angehöriger eines anderen Mitgliedstaat ist, nicht davon abhängig machen kann, dass der Betroffene einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegt, sofern seine Identität und seine Staatsangehörigkeit zweifelsfrei mit anderen Mitteln nachgewiesen werden können.

27. In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die vierte Frage nicht zu beantworten.

Zur dritten Frage

28. Mit seiner dritten Frage, die auch ohne Beantwortung der zweiten Frage ihre Bedeutung behält, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht dem entgegensteht, dass in einem Mitgliedstaat die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Verpflichtung unterworfen werden, zum Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorzulegen, wenn in diesem Staat für die eigenen Staatsangehörigen keine allgemeine Ausweispflicht gilt.

29. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das niederländische Recht nach der Rechtsprechung der nationalen Gerichte keine umfassende, allgemeine Ausweispflicht, sondern beschränkte, lediglich in bestimmten Situationen geltende Pflichten vorsieht. Eine dieser Pflichten betrifft die Kontrolle von Ausländern.

30. Nach dieser Rechtsprechung hat eine Person, die bei einer Kontrolle erklärt, die niederländische Staatsangehörigkeit zu besitzen, ihre Identität glaubhaft zu machen. Die Identität kann nicht nur durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses oder auch eines in den Niederlanden ausgestellten Führerscheins glaubhaft gemacht werden, sondern auch im Wege der Einsicht in die bei den niederländischen Gemeindebehörden verfügbaren Daten. Erklärt der Betroffene dagegen, Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats zu sein, ohne einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen zu können, so wird er von den nationalen Behörden in Haft genommen, bis er diese Papiere vorlegt.

31. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts müssen somit Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die sich zu den im EG-Vertrag vorgesehenen Zwecken in den Niederlanden aufhalten, praktisch stets ein Ausweispapier mit sich führen, während eine solche Verpflichtung für niederländische Staatsangehörige nicht besteht.

32. In dieser Regelung liegt eine offenkundige Ungleichbehandlung niederländischer Staatsangehöriger und Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten. Eine solche Ungleichbehandlung ist nach dem EGVertrag verboten.

33. Artikel 49 EG stellt nämlich im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nach Artikel 12 EG dar, der jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet (vgl. Urteile vom 5. Dezember 1989 in der Rechtssache C3/88, Kommission/Italien, Slg. 1989, 4035, Randnr. 8, und vom 16. Januar 2003 in der Rechtssache C388/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I721, Randnr. 13).

34. Zwar verbietet es das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat nicht, zu kontrollieren, ob die Verpflichtung zur Vorlage eines Ausweispapiers eingehalten wird; der Mitgliedstaat muss dann jedoch seinen eigenen Staatsangehörigen hinsichtlich ihres Personalausweises dieselbe Verpflichtung auferlegen (Urteile vom 27. April 1989 in der Rechtssache 321/87, Kommission/Belgien, Slg. 1989, 997, Randnr. 12, und vom 30. April 1998 in der Rechtssache C24/97, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, I2133, Randnr. 13).

35. Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Artikel 49 EG dem entgegensteht, dass in einem Mitgliedstaat die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Verpflichtung unterworfen werden, zum Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorzulegen, wenn in diesem Mitgliedstaat für die eigenen Staatsangehörigen keine allgemeine Ausweispflicht gilt, sondern diesen erlaubt ist, ihre Identität mit jedem nach nationalem Recht zulässigen Mittel nachzuweisen.

Zur fünften, sechsten, siebten, achten und neunten Frage

36. Mit der fünften, der sechsten, der siebten, der achten und der neunten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Maßnahme der Inhaftnahme eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats zum Zweck der Abschiebung, die wegen der unterbliebenen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses - auch ohne Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung - angeordnet wird, ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr darstellt und, wenn ja, ob dieses Hindernis gerechtfertigt sein kann.

37. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der in Artikel 49 EG festgelegte Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs die Freiheit der Dienstleistungsempfänger einschließt, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen daran gehindert zu werden, wobei Touristen als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind (Urteil vom 19. Januar 1999 in der Rechtssache C348/96, Calfa, Slg. 1999, I11, Randnr. 16).

38. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, steht es den Mitgliedstaaten frei, Zuwiderhandlungen gegen die Verpflichtung zur Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses zu ahnden, sofern die Sanktionen denjenigen vergleichbar sind, die für entsprechende nationale Zuwiderhandlungen gelten und verhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C378/97, Wijzenbeek, Slg. 1999, I6207, Randnr. 44).

39. Zum einen erlegt aber das Königreich der Niederlande seinen Staatsangehörigen keine allgemeine Ausweispflicht auf, sondern erlaubt ihnen, ihre Identität mit jedem Mittel nachzuweisen.

40. Zum anderen würden Haft- oder Abschiebungsmaßnahmen, die ausschließlich darauf gestützt wären, dass der Betroffene gesetzliche Formalitäten in Bezug auf die Ausländerüberwachung nicht erfüllt hat, den Kern des unmittelbar vom Gemeinschaftsrecht verliehenen Aufenthaltsrechts antasten und stünden offensichtlich außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung (vgl. Urteile vom 3. Juli 1980 in der Rechtssache 157/79, Pieck, Slg. 1980, 2171, Randnrn. 18 und 19, vom 12. Dezember 1989 in der Rechtssache C265/88, Messner, Slg. 1989, I4209, Randnr. 14, und Urteil MRAX, Randnr. 78).

41. Eine Haftmaßnahme kann nur aufgrund einer ausdrücklichen Ausnahmevorschrift wie etwa Artikel 8 der Richtlinie 73/148 gerechtfertigt sein, wonach die Mitgliedstaaten das Aufenthaltsrecht von Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten beschränken können, soweit die Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, Randnr. 19).

42. Die Vorlagefragen gehen jedoch von der Prämisse aus, dass eine tatsächliche und schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung nicht vorlag. Die Tatsache, dass die für Einreise, Ortswechsel und Aufenthalt von Ausländern geltenden gesetzlichen Formalitäten nicht erfüllt sind, kann jedoch als solche keine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedeuten (vgl. Urteile Royer, Randnr. 47, und MRAX, Randnr. 79).

43. Auch ist es in diesem Zusammenhang, wie der Generalsanwalt in Nummer 103 seiner Schlussanträge zutreffend ausgeführt hat, unerheblich, dass bei Rechtswidrigkeit der Haft nachträglich Schadensersatz gewährt werden kann.

44. Aufgrund dessen ist auf diese Fragen zu antworten, dass eine Maßnahme der Inhaftnahme eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats zum Zweck der Abschiebung, die wegen der unterbliebenen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses - auch ohne Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung - angeordnet wird, ein nicht zu gerechtfertigtes Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehrs darstellt und damit gegen Artikel 49 EG verstößt.

Zur zehnten und elften Frage

45. Mit der zehnten und der elften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff Dienstleistungsempfänger dahin auszulegen ist, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats schon deshalb als Empfänger touristischer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat angesehen werden kann, weil er sich in dessen Gebiet länger als sechs Monate aufhält, auch wenn er keinen festen Wohn- oder Aufenthaltsort angeben kann und weder Geld noch Gepäck besitzt.

46. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer während seiner Haft im Rahmen des zweiten Verfahrens nicht auf die Eigenschaft als Dienstleistungsempfänger, etwa als Tourist, berufen hat. Er hat gegenüber den nationalen Behörden lediglich erklärt, dass er sich seit achtzehn Tagen in den Niederlanden aufhalte und nach Frankreich zurückkehren wolle.

47. Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben hat, die diesem bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, worauf dieses Gericht bei der Darlegung seiner Fragen Bezug genommen hat (vgl. Urteile vom 12. Dezember 1990 in der Rechtssache C241/89, SARPP, Slg. 1990, I4695, Randnr. 8, und vom 7. September 2004 in der Rechtssache C450/02, Trojani, Slg. 2004, I0000, Randnr. 38).

48. Im Licht dieses Grundsatzes ist Folgendes festzustellen:

49. Zwar fließt das Recht von Angehörigen eines Mitgliedstaats, sich in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, unmittelbar aus dem EGVertrag, doch kann der Aufnahmemitgliedstaat diesen Gemeinschaftsangehörigen gleichwohl vorschreiben, im Hinblick auf die Anerkennung dieses Rechts bestimmte Verwaltungsformalitäten einzuhalten.

50. Die praktischen Modalitäten dieser Anerkennung sind für Dienstleistungsempfänger in der Richtlinie 73/148 geregelt.

51. Nach Artikel 4 Absatz 2 dieser Richtlinie entspricht das Aufenthaltsrecht der Dauer der Leistung. Übersteigt diese Dauer drei Monate, so stellt der Mitgliedstaat, in dem die Leistung erbracht wird, zum Nachweis dieses Rechts eine Aufenthaltserlaubnis aus. Beträgt die Leistungsdauer drei Monate oder weniger, so genügt für seinen Aufenthalt der Personalausweis oder Reisepass, mit dem der Betroffene in das Hoheitsgebiet eingereist ist.

52. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten nach Artikel 6 der Richtlinie 73/148 für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom Betroffenen außer der Vorlage eines der genannten Ausweispapiere nur den Nachweis verlangen, dass er zu einer der in den Artikeln 1 und 4 [dieser Richtlinie] genannten Personengruppen gehört.

53. Zum einen kann der Nachweis der Identität und der Staatsangehörigkeit mit anderen Mitteln geführt werden (siehe Randnr. 25 dieses Urteils), zum anderen ist aus dem Fehlen näherer Angaben zur Art des Nachweises der Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer der in den Artikeln 1 und 4 der Richtlinie 73/148 genannten Personengruppen zu schließen, dass dieser Nachweis mit jedem geeigneten Mittel geführt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Februar 1991 in der Rechtssache C363/89, Roux, Slg. 1991, I273, Randnrn. 15 und 16).

54. Unbeschadet der Fragen, die die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit betreffen, ist es Sache der Angehörigen eines Mitgliedstaats in ihrer Eigenschaft als Dienstleistungsempfänger, nachzuweisen, dass ihr Aufenthalt ordnungsgemäß ist.

55. Ist der Angehörige eines Mitgliedstaats nicht in der Lage, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen seines Aufenthaltsrechts als Dienstleistungsempfänger im Sinne der Richtlinie 73/148 erfüllt sind, so kann der Aufnahmemitgliedstaat unter Beachtung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen seine Abschiebung anordnen.

56. Demgemäß ist auf die zehnte und die elfte Frage zu antworten, dass es Sache der Angehörigen eines Mitgliedstaats ist, die sich als Empfänger von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, die Nachweise dafür zu erbringen, dass ihr Aufenthalt ordnungsgemäß ist. In Ermangelung solcher Nachweise kann der Aufnahmemitgliedstaat unter Beachtung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen ihre Abschiebung anordnen.

Kostenentscheidung:

Kosten

57. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung des Aufenthaltsrechts eines Empfängers von Dienstleistungen, der Angehöriger eines anderen Mitgliedstaat ist, nicht davon abhängig machen kann, dass der Betroffene einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegt, sofern seine Identität und seine Staatsangehörigkeit zweifelsfrei mit anderen Mitteln nachgewiesen werden können.

2. Artikel 49 EG steht dem entgegen, dass in einem Mitgliedstaat die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Verpflichtung unterworfen werden, zum Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorzulegen, wenn in diesem Mitgliedstaat für die eigenen Staatsangehörigen keine allgemeine Ausweispflicht gilt, sondern diesen erlaubt ist, ihre Identität mit jedem nach nationalem Recht zulässigen Mittel nachzuweisen.

3. Eine Maßnahme der Inhaftnahme eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats zum Zweck der Abschiebung, die wegen der unterbliebenen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses - auch ohne Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung - angeordnet wird, stellt ein nicht gerechtfertigtes Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr dar und verstößt damit gegen Artikel 49 EG.

4. Es ist Sache der Angehörigen eines Mitgliedstaats, die sich als Empfänger von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, die Nachweise dafür zu erbringen, dass ihr Aufenthalt ordnungsgemäß ist. In Ermangelung solcher Nachweise kann der Aufnahmemitgliedstaat unter Beachtung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen ihre Abschiebung anordnen.

Ende der Entscheidung

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