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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.07.1999
Aktenzeichen: C-215/98
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 91/157/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 169 (jetzt EGV Art. 226)
Richtlinie 91/157/EWG Art. 6
Richtlinie 91/157/EWG Art. 11 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 6 der Richtlinie 91/157 über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren verpflichtet die Mitgliedstaaten, zur Erreichung der Ziele der Richtlinie Programme aufzustellen und diese regelmässig zu revidieren und zu aktualisieren. Eine Studie oder ein Gesetzentwurf, die lediglich eine Reihe von durchzuführenden Programmen im einzelnen aufführen, sind für die Erreichung dieses Zieles ungenügend, da diese Vorschrift die tatsächliche Aufstellung der dort vorgesehenen Programme verlangt.

4 Die Zulässigkeit einer auf Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) gestützten Klage hängt allein von der objektiven Feststellung der Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats und nicht vom Beweis seines Untätigbleibens oder seiner ablehnenden Haltung ab. Folglich kann ein Mitgliedstaat, der eine Richtlinie pflichtwidrig nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt hat, nicht zu seiner Verteidigung geltend machen, er unternehme weiterhin alle erdenklichen Anstrengungen, um dieser Verpflichtung nachzukommen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 8. Juli 1999. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 91/157/EWG des Rates über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren - Nichterlaß der in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme durch den Mitgliedstaat. - Rechtssache C-215/98.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 10. Juni 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, daß die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag und der Richtlinie 91/157/EWG des Rates vom 18. März 1991 über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren (ABl. L 78, S. 38; im folgenden: Richtlinie) verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die in Artikel 6 dieser Richtlinie vorgesehenen Programme aufgestellt und mitgeteilt hat.

2 Diese Richtlinie bezweckt nach Artikel 1 "die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verwertung und die kontrollierte Beseitigung von Altbatterien und Altkummulatoren, die gefährliche Stoffe gemäß Anhang I enthalten."

3 Artikel 6 der Richtlinie bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten stellen Programme auf, mit denen folgende Ziele erreicht werden sollen:

- Verringerung des Schwermetallgehalts von Batterien und Akkumulatoren,

- Förderung des Angebots an Batterien und Akkumulatoren, die geringere Mengen an gefährlichen Stoffen und/oder umweltfreundlichere Stoffe enthalten,

- schrittweise Verringerung der Zahl von unter Anhang I fallenden Altbatterien und Altakkumulatoren im Hausmüll,

- Förderung der Forschung über die Möglichkeiten einer Verringerung des Gehalts der Batterien und Akkumulatoren an gefährlichen Stoffen und über die Verwendung umweltfreundlicherer Ersatzstoffe sowie über Verfahren für die Wiederverwertung,

- gesonderte Beseitigung von unter Anhang I fallenden Altbatterien und Altkummulatoren.

Die Programme werden erstmalig für eine Laufzeit von vier Jahren aufgestellt, die am 18. März 1993 beginnt. Sie sind bis spätestens 17. September 1992 der Kommission vorzulegen.

Die Programme werden regelmässig - mindestens einmal alle vier Jahre - insbesondere im Lichte des technischen Fortschritts sowie der Wirtschafts- und der Umweltsituation revidiert und aktualisiert. Die geänderten Programme sind der Kommission rechtzeitig mitzuteilen."

4 Nachdem die Kommission bis zum 8. November 1995 von der Hellenischen Republik keine Mitteilung über die in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme erhalten hatte und da sie über keine andere Information verfügte, aus der sie hätte entnehmen können, daß die Hellenische Republik der entsprechenden Verpflichtung nachgekommen war, forderte sie die Hellenische Republik an diesem Tag auf, sich binnen zwei Monaten zu dieser Vertragsverletzung zu äussern.

5 In Beantwortung dieses Mahnschreibens übermittelte die griechische Regierung der Kommission mit Schreiben vom 11. März 1996 einen Ministerialerlaß, nach dessen Artikel 5 Absatz 3 die in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme von einem speziell dafür eingesetzten Ausschuß bis zum 18. März 1997 aufgestellt werden sollten. Die Kommission hielt diese Antwort für unbefriedigend, da ihr die fraglichen Programme nach Artikel 6 der Richtlinie bis spätestens 17. September 1992 hätten vorgelegt werden müssen.

6 Im Anschluß an einen weiteren Briefwechsel, der die Kommission ebenfalls nicht zufriedenstellte, übersandte sie der griechischen Regierung am 25. April 1997 gemäß Artikel 169 Absatz 1 EG-Vertrag eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Sie vertrat darin die Auffassung, daß die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstossen habe, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme aufgestellt und der Kommission mitgeteilt habe. Ausserdem forderte sie die Hellenische Republik auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen zwei Monaten seit ihrer Zustellung nachzukommen.

7 Die Hellenische Republik teilte in ihrem Antwortschreiben vom 15. Dezember 1997 mit, daß das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und öffentliche Arbeiten eine Studie mit einer Laufzeit von sechs Monaten in Auftrag gegeben habe, durch die Informationen und Vorschläge für das Ministerium im Rahmen der Aufstellung der in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme beschafft werden sollten.

8 Die Kommission entnahm dieser Antwort der griechischen Behörden, daß die Aufstellung der fraglichen Programme sich noch im Anfangsstadium befinde. Sie hat deshalb beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

9 Die Hellenische Republik trägt vor, daß im Rahmen der Programmentwürfe gemäß Artikel 6 der durch Ministerialerlaß in das nationale Recht umgesetzten Richtlinie eine Studie über die "Behandlung der gefährliche Stoffe enthaltenden Batterien und Akkumulatoren" erarbeitet worden sei. Diese sei dem Ministerium für Umwelt, Raumordnung und öffentliche Arbeiten im Juni 1998 übermittelt worden, damit dieses die darin enthaltenden Ergebnisse konkretisieren könne. In dieser Studie werde zum einen die derzeitige Lage in Griechenland in diesem Bereich beschrieben; zum anderen würden die mit der Aufstellung der in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme verbundenen Ziele definiert.

10 Ausserdem sei der Kommission ein Gesetzentwurf mit der Bezeichnung "Maßnahmen und Voraussetzungen für eine neue Bewirtschaftung von Verpackungen und anderen Erzeugnissen" zur Genehmigung übersandt worden. Durch diesen Gesetzentwurf würden in das griechische Recht die ersten gesetzlichen Vorschriften eingeführt, mit denen die Programme für die Bewirtschaftung von Batterien und Akkumulatoren aufgestellt und im Rahmen der Schaffung der Verwaltungsstelle in das "Neue Bewirtschaftungssystem", das eine grössere Tragweite habe, integriert würden. Die Aufstellung der fraglichen Programme und die tatsächliche Errichtung der betreffenden Stelle hingen unmittelbar von der Genehmigung dieses Gesetzentwurfs durch die Kommission ab.

11 Die Hellenische Republik ist deshalb der Auffassung, daß sie alle erdenklichen Anstrengungen unternommen habe, um die Durchführung der in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme im Hinblick auf ihre vollständige Anwendung voranzutreiben.

12 Die Kommission bestreitet weder die von den griechischen Behörden für die Aufstellung der in Artikel 6 der Richtlinie geforderten Programme unternommenen Anstrengungen noch den Beitrag, den die genannte Studie zur Planung und Durchführung der Programme geleistet hat. Sie weist jedoch darauf hin, daß diese Studie die Beschaffung von Daten und die Formulierung von Vorschlägen an das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und öffentliche Arbeiten für die Durchführung der in der Richtlinie vorgesehenen Programme zum Inhalt habe. Zu diesem Zweck gelange die Studie nach einer Prüfung der derzeitigen Lage zu bestimmten Ergebnissen und Vorschlägen für die Schaffung des Rahmens für die Bewirtschaftung von gefährliche Stoffe enthaltenden Batterien und Akkumulatoren, um deren ordnungsgemässe Bewirtschaftung durch ein zuständiges Kontrollorgan zu ermöglichen. Da jedoch die in dieser Studie enthaltenen Vorschläge immer noch nicht angenommen worden seien, könne die Studie nur als ein erstes Stadium der Ausarbeitung der in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Programme angesehen werden.

13 Artikel 6 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, zur Erreichung der Ziele der Richtlinie Programme aufzustellen und diese sodann regelmässig zu revidieren und zu aktualisieren.

14 Die von der Hellenischen Republik ergriffenen Maßnahmen sind für die Erreichung des in Artikel 6 der Richtlinie genannten Zieles, nämlich der tatsächlichen Ausarbeitung der dort vorgesehenen Programme, eindeutig ungenügend. Denn die Studie und der Gesetzentwurf, auf die sich die griechische Regierung beruft, führen lediglich eine Reihe von durchzuführenden Programmen im einzelnen auf.

15 Ausserdem kann die griechische Regierung zu ihrer Verteidigung nicht geltend machen, sie unternehme weiterhin alle erdenklichen Anstrengungen, um die genannten Programme durchzuführen. Denn wie der Generalanwalt in Nummer 16 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hängt die Zulässigkeit einer auf Artikel 169 EG-Vertrag gestützten Klage allein von der objektiven Feststellung der Vertragsverletzung und nicht vom Beweis irgendeines Untätigbleibens oder einer ablehnenden Haltung des betroffenen Mitgliedstaats ab (vgl. Urteil vom 1. März 1983 in der Rechtssache 301/81, Kommission/Belgien, Slg. 1983, 467, Randnr. 8).

16 Deshalb ist festzustellen, daß die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 der Richtlinie verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die dort vorgesehenen Programme aufgestellt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Hellenische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr, wie von der die Kommission beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 der Richtlinie 91/157/EWG des Rates vom 18. März 1991 über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren verstossen, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die in diesem Artikel vorgesehenen Programme aufgestellt hat.

2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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