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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: C-216/05
Rechtsgebiete: EG, Richtlinien 85/337/EWG, Richtlinien 97/11/EG


Vorschriften:

EG Art. 226
Richtlinien 85/337/EWG Art. 6
Richtlinien 85/337/EWG Art. 8
Richtlinien 97/11/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

9. November 2006

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten - Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG - Nationales Recht - Beteiligung der Öffentlichkeit an bestimmten Verträglichkeitsprüfungen gegen Zahlung von Gebühren"

Parteien:

In der Rechtssache C-216/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 17. Mai 2005, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Irland, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von B. Murray, SC, und G. Simons, BL, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter P. Kuris und J. Klucka, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) und des Richters J. Makarczyk,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2006,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Juni 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 In ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 6 und 8 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der Fassung der Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5) (im Folgenden: Richtlinie 85/337) verstoßen hat, dass es die volle und tatsächliche Beteiligung der Öffentlichkeit bei bestimmten Umweltverträglichkeitsprüfungen von der vorherigen Zahlung einer Gebühr abhängig macht.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Die sechste Begründungserwägung der Richtlinie 85/337 lautet: "Die Genehmigung für öffentliche und private Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, soll erst nach vorheriger Beurteilung der möglichen erheblichen Umweltauswirkungen dieser Projekte erteilt werden. Diese Beurteilung hat von Seiten des Projektträgers anhand sachgerechter Angaben zu erfolgen, die gegebenenfalls von den Behörden und der Öffentlichkeit ergänzt werden können, die möglicherweise von dem Projekt betroffen sind."

3 Daher bestimmt Artikel 6 dieser Richtlinie:

"(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Projekt berührt sein könnten, die Möglichkeit haben, ihre Stellungnahme zu den Angaben des Projektträgers und zu dem Antrag auf Genehmigung abzugeben. Zu diesem Zweck bestimmen die Mitgliedstaaten allgemein oder von Fall zu Fall die Behörden, die anzuhören sind. Diesen Behörden werden die nach Artikel 5 eingeholten Informationen mitgeteilt. Die Einzelheiten der Anhörung werden von den Mitgliedstaaten festgelegt.

(2) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Öffentlichkeit die Genehmigungsanträge sowie die nach Artikel 5 eingeholten Informationen binnen einer angemessenen Frist zugänglich gemacht werden, damit der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor Erteilung der Genehmigung dazu zu äußern.

(3) Die Einzelheiten dieser Unterrichtung und Anhörung werden von den Mitgliedstaaten festgelegt, die nach Maßgabe der besonderen Merkmale der betreffenden Projekte oder Standorte insbesondere Folgendes tun können:

- den betroffenen Personenkreis bestimmen;

- bestimmen, wo die Informationen eingesehen werden können;

- präzisieren, wie die Öffentlichkeit unterrichtet werden kann, z. B. durch Anschläge innerhalb eines gewissen Umkreises, Veröffentlichungen in Lokalzeitungen, Veranstaltung von Ausstellungen mit Plänen, Zeichnungen, Tafeln, graphischen Darstellungen, Modellen;

- bestimmen, in welcher Weise die Öffentlichkeit angehört werden soll, z. B. durch Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme und durch öffentliche Umfrage;

- geeignete Fristen für die verschiedenen Phasen des Verfahrens festsetzen, damit gewährleistet ist, dass binnen angemessenen Fristen ein Beschluss gefasst wird."

4 Artikel 8 der Richtlinie 85/337 sieht vor: "Die Ergebnisse der Anhörungen und die gemäß den Artikeln 5, 6 und 7 eingeholten Angaben sind beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen."

Nationales Recht

5 Section 33 des irischen Planning and Development Act 2000 (Raumplanungs- und Erschließungsgesetz, im Folgenden: Gesetz) lautet:

"(1) Der Minister erlässt im Verordnungswege die Verfahrens- und Verwaltungsvorschriften, die er im Zusammenhang mit den Anträgen auf Genehmigung von Erschließungsvorhaben für erforderlich oder sinnvoll hält.

(2) Unbeschadet des allgemeinen Charakters der Subsection (1) können die nach dieser Section erlassenen Verordnungen vorsehen:

...

c) dass Personen gestattet wird, innerhalb bestimmter Fristen gegen Zahlung einer Gebühr Stellungnahmen oder Erklärungen einzureichen;

...

..."

6 Nach Section 130 (1) (a) des Gesetzes kann "jede Person, die nicht Partei ist, beim Beschwerdeausschuss schriftliche Stellungnahmen oder Erklärungen zu einer Beschwerde oder Verweisung einreichen, die keine Verweisung nach Section 96 (5) ist".

7 Section 144 des Gesetzes sieht vor:

"(1) Vorbehaltlich der Genehmigung durch den Minister kann der Beschwerdeausschuss Gebühren für Beschwerden, Verweisungen und Anträge nach Section 37 (5), für die Einreichung von Stellungnahmen oder Erklärungen beim Beschwerdeausschuss nach Section 130 und für Anträge auf mündliche Anhörungen nach Section 134 festsetzen sowie unterschiedliche Gebühren für verschiedene Kategorien und Arten von Beschwerden und Verweisungen, eine Gebührenbefreiung unter bestimmten Voraussetzungen und einen vollständigen oder teilweisen Gebührenverzicht, Gebührenerlass oder eine vollständige oder teilweise Gebührenerstattung unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen.

(2) Der Beschwerdeausschuss überprüft mindestens alle drei Jahre die nach Subsection (1) festgesetzten Gebühren unter Berücksichtigung der Änderung des Lebenshaltungskostenindex seit der Festsetzung der jeweils geltenden Gebühren und kann die Gebühren entsprechend des Ergebnisses dieser Überprüfung ohne Genehmigung des Ministers nach Subsection (1) ändern.

...

(4) Setzt der Beschwerdeausschuss Gebühren nach dieser Section fest oder ändert er sie, so veröffentlicht er sie spätestens acht Wochen vor ihrem Inkrafttreten in mindestens einer überregionalen Zeitung.

...

(6) Der Beschwerdeausschuss setzt Gebühren für die Anfertigung von Kopien nach Section 5 (6) (a) fest, die die Kosten für das Anfertigen der Kopien nicht übersteigen dürfen."

Sachverhalt und Vorverfahren

8 Aufgrund zweier im Jahr 2000 an sie gerichteter Beschwerden über irische Rechtsvorschriften zur Raumplanung, die sich zu dem Zeitpunkt im Entwurfsstadium befanden, forderte die Kommission Irland mit Schreiben vom 29. August 2000 auf, zu bestimmten Aspekten dieser Entwürfe Stellung zu nehmen, insbesondere dazu, dass Dritte zunächst Gebühren zu entrichten hätten, damit ihre im Rahmen von Verfahren zur Genehmigung von Erschließungen geäußerte Ansicht berücksichtigt werde.

9 Die Kommission mahnte Irland, sich zur Vereinbarkeit dieser Gebühren mit dem Beteiligungsrecht der Öffentlichkeit aus den Artikeln 6 und 8 der Richtlinie 85/337 zu äußern, und gab am 23. Januar 2003 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie Irland aufforderte, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Erhalt nachzukommen.

10 Da die Kommission die Antwort Irlands auf diese Stellungnahme nicht für zufrieden stellend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

11 Zur Begründung ihrer Klage macht die Kommission eine einzige Rüge geltend, die sie auf einen Verstoß gegen Artikel 6 der Richtlinie 85/337 und damit gegen Artikel 8 dieser Richtlinie stützt, dass nämlich die irische Regelung die Beteiligung der Öffentlichkeit an bestimmten Umweltverträglichkeitsprüfungen von der vorherigen Zahlung einer Teilnahmegebühr abhängig mache.

12 In der Begründung dieser Rüge stützt die Kommission den Verstoß gegen Artikel 6 auf vier Gesichtspunkte.

13 Sie ist, erstens, der Auffassung, dass die Erhebung solcher Gebühren in der Richtlinie 85/337 nicht ausdrücklich vorgesehen sei, während andere Richtlinien in ähnlichen Sachgebieten wie z. B. die Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (ABl. L 158, S. 56) die Erhebung einer Gebühr ausdrücklich erlaubten.

14 Zweitens widerspreche die Erhebung solcher Gebühren der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 85/337, die bezwecke, dass die Umweltverträglichkeitsprüfungen durch sachgerechte Angaben ergänzt würden. Die Gebührenpflichtigkeit könne aber im Rahmen von Genehmigungsverfahren dazu führen, dass die Öffentlichkeit, eine äußerst wichtige Informationsquelle, davon abgehalten werde, am Entscheidungsprozess teilzunehmen, oder dass ihre Beteiligung erschwert werde.

15 Drittens lasse der Wortlaut des Artikels 6 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 85/337 die Auslegung, die Irland ihm gebe, nicht zu. Die Erhebung von Teilnahmegebühren als Teil der "Einzelheiten" der Anhörung der Öffentlichkeit könne bei vernünftiger Betrachtung nicht als erforderlich angesehen werden, um Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie Wirkung zu verleihen.

16 Viertens habe Irland durch die Gebührenerhebung die Ausübung der Rechte, die der Öffentlichkeit mit Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 eingeräumt würden, insbesondere in Bezug auf Personen mit geringem Einkommen tatsächlich oder potenziell beschränkt.

17 Der Verstoß gegen Artikel 8 dieser Richtlinie ergebe sich daraus, dass Irland, indem es nach Artikel 6 der Richtlinie verbotene Teilnahmegebühren erhebe, nicht sicherstelle, dass in Genehmigungsverfahren für Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei, die Ansichten von Dritten berücksichtigt würden, die nicht in der Lage seien, Teilnahmegebühren zu entrichten.

18 In seiner Klagebeantwortung widerspricht Irland allen Gesichtspunkten, die die Kommission zur Begründung der auf einen Verstoß gegen Artikel 6 der Richtlinie 85/337 gestützten Rüge vorgebracht hat.

19 Zum ersten Gesichtspunkt vertritt Irland die Auffassung, da Rechtsgrundlage der Richtlinie Artikel 235 EWG-Vertrag (dann Artikel 235 EG-Vertrag, jetzt Artikel 308 EG) sei, ergäben sich die Grenzen und der Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft aus dem ausdrücklichen Wortlaut der Richtlinie. Verbote, die dort nicht ausdrücklich aufgeführt seien, könnten ihr daher nicht entnommen werden. Das Prinzip der Subsidiarität bei der Ausübung der Gemeinschaftszuständigkeiten und der Ermessensspielraum, über den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer Richtlinie verfügten, bestätigten diese Ansicht.

20 Gegen die Auffassung, die im irischen Recht vorgesehenen Teilnahmegebühren verstießen gegen Sinn und Zweck der Richtlinie 85/337, macht Irland geltend, dass diese Gebühren nicht dem von der Richtlinie aufgestellten Grundsatz der Teilnahme der Öffentlichkeit widersprächen, sondern im Gegenteil diese Teilnahme erleichtern sollten, da sie es den Gemeinden ermöglichten, einen Beitrag zu den Verwaltungskosten für das Unterrichtungs- und Anhörungssystem zu erhalten.

21 Zum dritten Gesichtspunkt der Kommission trägt Irland vor, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut des Artikels 6 Absatz 3 der Richtlinie 85/337 insbesondere dazu ermächtigt seien, die Einzelheiten der Unterrichtung und Anhörung der Öffentlichkeit festzulegen, und dass es Sache der Kommission sei, nachzuweisen, dass diese Einzelheiten in der Ausgestaltung durch einen Mitgliedstaat das Ziel der Richtlinie vereitelten.

22 Was den letzten Gesichtspunkt der Kommission angeht, so bestreitet Irland, dass die in Rede stehenden Gebühren für Personen mit geringem Einkommen ein Hindernis darstellen könnten; sie würden zu Verwaltungszwecken erhoben und seien angemessen - sowohl prinzipiell als auch in Bezug auf ihre Höhe.

23 Da der von der Kommission geltend gemachte Verstoß gegen Artikel 8 der Richtlinie 85/337 ausschließlich aus dem angeblichen Verstoß gegen Artikel 6 dieser Richtlinie aufgrund der Erhebung der in Rede stehenden Teilnahmegebühren abgeleitet werde, sei schließlich dieser Vorwurf mangels Verstoßes gegen Artikel 6 ebenfalls zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

24 Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen Artikel 6 der Richtlinie 85/337 macht die Kommission zunächst geltend, dass Irland eine Gebühr nur hätte erheben dürfen, wenn die Richtlinie dies ausdrücklich vorgesehen hätte. Dem ist nicht zu folgen.

25 Denn nach Artikel 249 Absatz 3 EG "[ist eine] Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel".

26 Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei der Umsetzung einer Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, wobei sie aber über einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-208/90, Emmott, Slg. 1991, I-4269, Randnr. 18).

27 Etwas anderes lässt sich entgegen der Auffassung der Kommission nicht daraus herleiten, dass in ähnlichen Sachgebieten sowohl die Richtlinie 90/313 als auch die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313 (ABl. L 41, S. 26) in ihrem jeweiligen Artikel 5 ausdrücklich vorsehen, dass die Mitgliedstaaten solche Gebühren erheben können. Wie die Generalanwältin in Nummer 34 ihrer Schlussanträge angeführt hat, ist nämlich festzustellen, dass die Tatsache, dass nach einer anderen Richtlinie die Erhebung von Gebühren ausdrücklich gestattet ist, nicht eine allgemeine Vermutung zu begründen vermag, wonach der Gemeinschaftsgesetzgeber Gebühren nur zulassen wollte, wenn er dies ausdrücklich vorsieht.

28 Daraus folgt, dass die Ansicht der Kommission, Irland könne die Zahlung der streitigen Gebühren nicht verlangen, weil es in der Richtlinie 85/337 keine ausdrückliche Bestimmung gebe, die die Erhebung von Teilnahmegebühren gestatte, mit der Entscheidungsfreiheit aus Artikel 249 Absatz 3 EG unvereinbar ist.

29 Dieses erste Argument ist daher zurückzuweisen.

30 Mit ihrem dritten Argument, das an zweiter Stelle zu prüfen ist, macht die Kommission geltend, dass Irland dadurch den Auslegungsspielraum, den Artikel 6 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 85/337 eröffne, überschritten habe, dass es die in Rede stehenden Teilnahmegebühren als Teil der "Einzelheiten" der Anhörung der Öffentlichkeit festgesetzt habe. Sie schlägt damit vor, die Gültigkeit der streitigen Maßnahme danach zu bewerten, ob sie erforderlich sei, um diesen Bestimmungen Wirkung zu verleihen.

31 Aus Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie folgt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor der Genehmigung eines Projekts zu äußern. Nach Artikel 6 Absatz 3 haben die Mitgliedstaaten die Befugnis, die Einzelheiten dieser Anhörung festzulegen. Dazu werden dort eine Reihe von den Mitgliedstaaten offenstehenden Regelungsmöglichkeiten aufgezählt, ohne dass diese Aufzählung abschließend wäre, wie sich aus dem Begriff "insbesondere" ergibt.

32 Dieser Wortlaut zeigt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Befugnisse der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Einzelheiten der Anhörung der Öffentlichkeit nicht beschränken, sondern ihnen im Gegenteil bei der Festlegung dieser Einzelheiten einen weiten Beurteilungsspielraum einräumen wollte.

33 Im Rahmen dieser Festlegung steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, eine Teilnahmegebühr wie die in Rede stehende zu erheben, sofern dies die Ausübung der Beteiligungsrechte nach Artikel 6 der Richtlinie 85/337 nicht behindert.

34 Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Kommission, dass die Erhebung der in Rede stehenden Gebühren nicht erforderlich sei, um Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 Wirkung zu verleihen, unbehelflich. Denn die Richtlinie macht die Ausübung des den Mitgliedstaaten in Artikel 6 Absatz 3 eingeräumten Ermessens nicht von einer Erforderlichkeit abhängig.

35 Im Rahmen ihres zweiten und ihres vierten Arguments, die zusammen zu prüfen sind, macht die Kommission geltend, dass die in Rede stehenden Gebühren der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 85/337 widersprächen, da sie die Ausübung der Rechte behinderten, die der Öffentlichkeit mit dieser Richtlinie verliehen worden seien.

36 In der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie 85/337 heißt es, dass die vorherige Beurteilung der Auswirkungen bestimmter Projekte auf die Umwelt "von Seiten des Projektträgers anhand sachgerechter Angaben [erfolgt], die gegebenenfalls von den Behörden und der Öffentlichkeit ergänzt werden können, die möglicherweise von dem Projekt betroffen sind".

37 Aus dieser Begründungserwägung wie auch aus Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie ergibt sich, dass eines ihrer Ziele ist, der betroffenen Öffentlichkeit zu ermöglichen, sich im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Projekte, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, zu äußern.

38 Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 85/337 gestattet den Mitgliedstaaten, die Teilnahme der vom Projekt betroffenen Öffentlichkeit von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. So können sie nach dieser Bestimmung die Einzelheiten der Unterrichtung und Anhörung festlegen sowie insbesondere den betroffenen Personenkreis bestimmen und präzisieren, wie diese Öffentlichkeit unterrichtet und angehört werden kann.

39 Diese Auffassung wird im Übrigen entgegen der Ansicht der Kommission durch die Regelung in Bereichen, die in engem Zusammenhang mit der Richtlinie 85/337 stehen, bestätigt.

40 So wird sowohl in der Richtlinie 90/313 als auch in der Richtlinie 2003/4 jeweils in der sechsten und der achten Begründungserwägung Bezug auf die Notwendigkeit genommen, zu gewährleisten, dass jede natürliche oder juristische Person in der Europäischen Gemeinschaft ein Recht auf Zugang zu bei Behörden vorhandenen oder für diese bereitgehaltenen Umweltinformationen hat.

41 Artikel 5 jeder der beiden Richtlinien sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für die Bereitstellung von Informationen eine Gebühr erheben können, die jedoch eine angemessene Höhe nicht überschreiten darf. Diese Regelungen zeigen, dass nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers die Erhebung einer Gebühr in angemessener Höhe nicht unvereinbar mit der Gewährleistung des Zugangs zu Informationen ist.

42 Aus alledem folgt, dass die Erhebung einer Verwaltungsgebühr an sich mit dem Zweck der Richtlinie 85/337 nicht unvereinbar ist.

43 Zwar steht die Richtlinie 85/337 Gebühren wie denen, die von der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen sind, nicht entgegen, doch dürfen die Gebühren nicht so hoch festgesetzt werden, dass die Richtlinie ihre volle Wirksamkeit entsprechend ihrer Zielsetzung nicht entfalten kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-97/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-2053, Randnr. 9).

44 Dies wäre der Fall, wenn eine Gebühr aufgrund ihrer Höhe die Ausübung der Beteiligungsrechte aus Artikel 6 der Richtlinie 85/337 behinderte.

45 Die in Rede stehenden Gebühren - 20 Euro im Rahmen des Verfahrens vor den Gemeinden und 45 Euro vor dem Beschwerdeausschuss - stellen keine solche Behinderung dar. Die Kommission war auch nicht in der Lage, das Vorbringen Irlands zu entkräften, dass die Höhe der Gebühren angesichts der Verwaltungskosten, die für die Bearbeitung der Erklärungen der betroffenen Personen anfielen, gerechtfertigt sei.

46 Daher ist das Vorbringen der Kommission, dass die in Rede stehenden Gebühren der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 85/337 widersprächen, zurückzuweisen.

47 Schließlich wendet die Kommission noch gegen die in Rede stehenden Gebühren ein, das Gesetz ermächtige den zuständigen Minister und den Beschwerdeausschuss zur Festlegung der Höhe der Gebühren, ohne diese Befugnis zu beschränken oder näher zu definieren.

48 Eine solche Befugnisübertragung ist grundsätzlich nach nationalem Recht zu beurteilen und als solche nicht an der Richtlinie 85/337 zu messen. Die Höhe der in Wahrnehmung dieser Befugnis festgesetzten Gebühren muss jedoch mit der Richtlinie vereinbar sein. Wie bereits festgestellt, hat die Prüfung des Vorbringens der Kommission ergeben, dass dies bei den Gebühren, die Gegenstand der vorliegenden Rechtssache sind, der Fall ist.

49 Damit ist festzustellen, dass die auf einen Verstoß gegen Artikel 6 der Richtlinie 85/337 gestützte Rüge insgesamt unbegründet ist.

50 Da sich die Behauptung eines Verstoßes gegen Artikel 8 dieser Richtlinie allein auf den Verstoß gegen deren Artikel 6 gründet, liegt folgerichtig auch in dieser Hinsicht keine Vertragsverletzung vor.

Kostenentscheidung:

Kosten

51 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag Irlands die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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