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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.04.1994
Aktenzeichen: C-22/93 P
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 55 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 55 Absatz 1 des Statuts, der festlegt, daß die Beamten im aktiven Dienst ihrem Organ jederzeit zur Verfügung stehen, ist eine Bestimmung, die keiner Durchführungsmaßnahme bedarf und die den Beamten unmittelbar entgegengehalten werden kann; er setzt voraus, daß das fragliche Gemeinschaftsorgan über sämtliche zur Kontaktaufnahme mit seinen Beamten in deren Wohnung erforderlichen Informationen verfügt. Die Weigerung eines Beamten, der Verwaltung seine Privatanschrift mitzuteilen, stellt deshalb eine Verletzung der sich aus dieser Bestimmung ergebenden Verpflichtungen dar, die eine Disziplinarstrafe rechtfertigen kann.

Die Tatsache, daß das Organ diese Auskunft im Rahmen der Durchführung eines Abkommens zwischen dem Gastland und den Gemeinschaftsorganen über die deren Beamte betreffenden Auskünfte verlangt hat, ist schon deshalb unerheblich, weil die Verpflichtung des Beamten zur Angabe seiner Privatanschrift unmittelbar aus dem Statut folgt.

2. Artikel 12 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 16 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften ermöglicht es einem Beamten nicht, dem Organ, dem er angehört, die Mitteilung seiner Anschrift zu verweigern, wenn dieses sich weigert, ihm zu garantieren, daß sie nicht in die Einwohnerlisten des Gastlands eingetragen wird. Die Beamten der Gemeinschaften sind zwar gemäß Artikel 12 von Einwanderungsbeschränkungen und von der Meldepflicht für Ausländer befreit; schon dem Wortlaut von Artikel 16 des Protokolls, wonach Namen, Dienstrang und -stellung sowie Anschrift der Beamten den Regierungen der Mitgliedstaaten in regelmässigen Zeitabständen mitgeteilt werden, ist jedoch zu entnehmen, daß das Organ nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, den Behörden des Gastlands die Privatanschriften mitzuteilen.

Davon abgesehen kann sich ein Beamter keinesfalls auf eine angebliche Verletzung des Protokolls berufen, um sich seiner Verpflichtung nach dem Statut zu entziehen, seine Privatanschrift dem Organ mitzuteilen, dem er angehört. Wenn er der Ansicht ist, daß gegen das Protokoll verstossen wurde, kann er nur das Verfahren gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Statuts einleiten, der bestimmt, daß in allen Fällen, in denen die den Beamten zustehenden Vorrechte und Befreiungen berührt werden, der Beamte dies der Anstellungsbehörde unverzueglich mitzuteilen hat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 21. APRIL 1994. - ANNA-MARIA CAMPOGRANDE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - UNTERBLIEBENE UEBERMITTLUNG DER ANSCHRIFT AN DIE GEMEINSCHAFTSVERWALTUNG - DISZIPLINARSTRAFE - RECHTSMITTEL. - RECHTSSACHE C-22/93 P.

Entscheidungsgründe:

1 Anna-Maria Campogrande hat mit Rechtsmittelschrift, die am 21. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 49 der EWG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts vom 19. November 1992 in der Rechtssache T-80/91 (Campogrande/Kommission, Slg. 1992, II-2459) eingelegt, mit dem ihre Klage gegen die Kommission auf Aufhebung des ihr von dieser am 13. Februar 1991 erteilten Verweises abgewiesen worden ist.

2 Nach dem angefochtenen Urteil liegt der Rechtssache folgender Sachverhalt zugrunde.

3 Nachdem gegen die Rechtsmittelführerin in einem Zivilrechtsstreit ein Versäumnisurteil ergangen war, stellte sie im Juni 1989 fest, daß ihr Name und der ihres Ehemanns im Register der Gemeinde Ixelles unter einer seit 1981 nicht mehr zutreffenden Anschrift eingetragen waren. Diese Eintragung ging darauf zurück, daß die Kommission die Anschrift der Rechtsmittelführerin gemäß dem Abkommen zwischen den in Belgien ansässigen Organen der Europäischen Gemeinschaften und der belgischen Regierung über die Beamten dieser Organe betreffende Auskünfte vom 3. April 1987 (im folgenden: Abkommen) den belgischen Behörden mitgeteilt hatte, die die betroffene Gemeinde hierüber unterrichtet hatten (Randnr. 6).

4 Nach Artikel 1 dieses Abkommens übermitteln die "Organe... dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, Aussenhandel und Entwicklungszusammenarbeit zweimal jährlich die nachstehend aufgeführten Auskünfte über ihre Beamten und sonstigen Bediensteten"; dazu gehören u. a. deren Name, Vorname und Hauptwohnsitz. In Artikel 4 des Abkommens heisst es: "Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, Aussenhandel und Entwicklungszusammenarbeit unterrichtet die betroffenen Gemeinden über die Wohnsitzbegründung der Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe in ihrem Gebiet..."

5 Das Abkommen und die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen wurden dem Personal der Kommission durch Veröffentlichung in den "Verwaltungsmitteilungen" Nrn. 1/87 vom 9. April 1987, 4/88 vom 10. Februar 1988 und 22a/88 vom 13. Juli 1988 zur Kenntnis gebracht. Am 9. Dezember 1987 forderte die Verwaltung der Kommission die in Belgien ansässigen Beamten dieses Organs auf, durch Ausfuellen eines Fragebogens die Angaben zu ihrer Person auf den neuesten Stand zu bringen, damit sie gemäß dem Abkommen den belgischen Behörden übermittelt werden könnten. Die Rechtsmittelführerin fuellte diesen Fragebogen nicht aus (Randnr. 5).

6 Am 6. September 1989 legte die Rechtsmittelführerin eine Beschwerde ein, mit der sie das Recht der Kommission bestritt, den belgischen Behörden ihren Namen und ihre Anschrift mitzuteilen, und forderte die Kommission auf, das Abkommen zu kündigen. Bei der Prüfung dieser Beschwerde stellte die Kommission fest, daß die Rechtsmittelführerin seit ihrem Umzug nach Ixelles am 22. Januar 1979 der Verwaltung der Gemeinschaft niemals eine Änderung ihrer Anschrift mitgeteilt habe (Randnr. 7).

7 Mit Entscheidung vom 11. April 1990 wies die Kommission die Beschwerde der Rechtsmittelführerin ausdrücklich mit der Begründung zurück, das Abkommen finde seine ordnungsgemässe Grundlage im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Protokoll). Insbesondere legte die Kommission der Rechtsmittelführerin dar, das Abkommen erschöpfe sich darin, die Mitteilung der in Artikel 16 des Protokolls vorgesehenen Auskünfte an die belgischen Behörden zu regeln, nach dessen Absatz 2 "Namen, Dienstrang und -stellung sowie Anschrift der Beamten und sonstigen Bediensteten... den Regierungen der Mitgliedstaaten in regelmässigen Zeitabständen mitgeteilt" würden. Schließlich wies die Kommission die Rechtsmittelführerin auf ihre Verpflichtungen aus Artikel 55 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) hin, wonach die "Beamten im aktiven Dienst... ihrem Organ jederzeit zur Verfügung" stuenden. Diese Bestimmung verpflichte sie insbesondere, der Verwaltung ihre Privatanschrift mitzuteilen. Die Rechtsmittelführerin griff die ausdrückliche Zurückweisung ihrer Beschwerde nicht im Klagewege an (Randnr. 7).

8 Der Leiter der Personaldirektion forderte die Rechtsmittelführerin in der Folgezeit mehrfach auf, der Gemeinschaftsverwaltung ihre Privatanschrift mitzuteilen, widrigenfalls ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet würde. Angesichts ihrer wiederholten Weigerung, diese Auskunft zu erteilen, wurde gegen die Rechtsmittelführerin ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Am 13. Februar 1991 wurde ihr gemäß Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b des Statuts ein Verweis erteilt (Randnr. 8).

9 Mit Schreiben vom 15. April 1991 legte die Rechtsmittelführerin gegen diese Disziplinarmaßnahme Beschwerde ein. Die Kommission wies die Beschwerde zunächst stillschweigend zurück und bestätigte diese Zurückweisung durch eine ausdrückliche Entscheidung vom 30. Oktober 1991, die der Rechtsmittelführerin am 11. November 1991 mitgeteilt wurde (Randnr. 9).

10 Mit Klageschrift, die am 15. November 1991 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen wurde, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Aufhebung der stillschweigenden Entscheidung der Beklagten über die Zurückweisung ihrer Beschwerde vom 15. April 1991.

11 Die Rechtsmittelführerin hatte ihre Klage anfänglich auf sechs Gründe gestützt. In der mündlichen Verhandlung verzichtete sie auf drei dieser Gründe. Mit den drei von ihr aufrechterhaltenen Klagegründen machte sie geltend, erstens beruhe die streitige Entscheidung auf einem Tatsachenirrtum, zweitens fehle der gegen sie verhängten Disziplinarmaßnahme die Rechtsgrundlage, weil Artikel 55 des Statuts die Beamten nicht verpflichte, ihre Privatanschrift mitzuteilen, und drittens wäre sie bereit gewesen, der Kommission ihre Privatanschrift mitzuteilen, wenn diese ihr garantiert hätte, daß diese Information nicht in die Einwohnerlisten des Königreichs Belgien eingetragen werde. Diese Eintragung verstosse nämlich gegen Artikel 12 Buchstabe b des Protokolls, der vorsehe, daß die Beamten und ihre Familienmitglieder von Einwanderungsbeschränkungen und von der Meldepflicht für Ausländer befreit seien.

12 Das Gericht hat im angefochtenen Urteil zunächst den Klagegrund des Tatsachenirrtums zurückgewiesen. Dieser Teil des Urteils des Gerichts ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels.

13 Anschließend hat das Gericht den Klagegrund des Fehlens einer Rechtsgrundlage für die Disziplinarstrafe zurückgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt, Artikel 55 Absatz 1 des Statuts könne den Beamten entgegengehalten werden, da er für sie eine hinreichend genaue Verpflichtung begründe. Die wirksame Durchführung dieser Bestimmung setze voraus, daß die Verwaltung über Informationen verfüge, die es ihr gestatteten, jederzeit mit ihren Beamten unter deren Privatanschrift Kontakt aufzunehmen; die Rechtsmittelführerin habe deshalb durch die Weigerung, ihre Privatanschrift mitzuteilen, gegen ihre Verpflichtungen aus dem Statut verstossen.

14 Das Gericht hat schließlich den Klagegrund der Unvereinbarkeit des Abkommens mit dem Protokoll zurückgewiesen. Zu diesem Klagegrund hat es die Ansicht vertreten, erstens bestehe zwischen beiden kein Widerspruch hinsichtlich der Auskünfte, die die Kommission den Mitgliedstaaten zu übermitteln habe, da sowohl Artikel 1 des Abkommens als auch Artikel 16 Absatz 2 des Protokolls die Mitteilung der Privatanschrift der Beamten der Gemeinschaften durch die Kommission an die belgischen Behörden vorsähen. Zweitens nehme das Protokoll den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit, jederzeit Kenntnis von den in ihrem Hoheitsgebiet stattfindenden Bevölkerungsbewegungen zu erlangen; dabei sei es ihre Sache, diejenigen Behörden zu bestimmen, denen diese Verwaltungstätigkeit obliege. Drittens habe das Gericht lediglich die Aufgabe, zu untersuchen, ob die Disziplinarstrafe eine hinreichende Rechtsgrundlage im Statut finde und ob die Kommission das Protokoll oder das Statut verletzt habe, indem sie die Rechtsmittelführerin zur Mitteilung ihrer Privatanschrift aufgefordert habe. Es sei dagegen nicht Sache des Gerichts, die Gültigkeit der Auslegung des Abkommens durch die belgischen Behörden zu beurteilen. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, wonach diese Auslegung gegen den Wortlaut des Abkommens verstosse, sei daher unerheblich.

15 Das Gericht ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klage der Rechtsmittelführerin unter diesen Umständen abzuweisen sei.

16 Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Rechtsmittelführerin vom Gerichtshof, das Urteil des Gerichts aufzuheben, weil es unter Verletzung des Gemeinschaftsrechts ergangen sei, über die ursprüngliche Klage zu entscheiden, diese für begründet zu erklären und den in erster Instanz gestellten Anträgen stattzugeben.

17 Die Rechtsmittelführerin beruft sich zur Stützung ihres Rechtsmittels auf zwei Gründe.

Erster Rechtsmittelgrund: Fehlen einer Rechtsgrundlage für die Disziplinarstrafe

18 Die Rechtsmittelführerin macht mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund geltend, das Gericht habe in Randnummer 26 des angefochtenen Urteils die Voraussetzungen, von denen das Statut die Verhängung einer Disziplinarstrafe abhängig mache, unzulässig weit gefasst, als es die Ansicht vertreten habe, daß die Mitteilung an die Beamten vom 9. Dezember 1987, in der von ihnen u. a. die Übermittlung ihrer Anschrift an die Kommission verlangt werde, in Artikel 55 des Statuts eine hinreichende Rechtsgrundlage finde. Ferner habe das Gericht festgestellt, daß diese Mitteilung der Gemeinschaftsverwaltung die Kontaktaufnahme mit ihren Beamten unter deren Privatanschrift habe ermöglichen sollen, während die Kommission selbst diese Mitteilung damit gerechtfertigt habe, daß den Beamten die durch das völlige Fehlen einer Eintragung in die Einwohnerlisten entstehenden Schwierigkeiten erspart werden sollten.

19 Zur Entscheidung über die Begründetheit dieses Rechtsmittelgrunds genügt der Hinweis auf den Wortlaut von Artikel 55 Absatz 1 des Statuts: "Die Beamten im aktiven Dienst stehen ihrem Organ jederzeit zur Verfügung."

20 Diese Bestimmung, die keiner Durchführungsmaßnahme bedarf und die den Beamten unmittelbar entgegengehalten werden kann, setzt voraus, daß das fragliche Gemeinschaftsorgan über sämtliche zur Kontaktaufnahme mit seinen Beamten in deren Wohnung erforderlichen Informationen verfügt. Die Rechtsmittelführerin hat somit durch ihre Weigerung, dem Organ ihre Privatanschrift mitzuteilen, die sich für sie aus dieser Bestimmung ergebenden Verpflichtungen nicht erfuellt.

21 Im übrigen ist es unzutreffend, wenn die Rechtsmittelführerin vorträgt, das Gericht sei davon ausgegangen, daß die Mitteilung vom 9. Dezember 1987 der Verwaltung die Kontaktaufnahme mit ihren Beamten unter deren Privatanschrift habe ermöglichen sollen, während die Kommission selbst diese Mitteilung damit gerechtfertigt habe, daß den Beamten die Schwierigkeiten erspart werden sollten, die das völlige Fehlen einer Eintragung in die Einwohnerlisten für sie haben könnte. Denn zum einen lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, daß das Gericht die Feststellung getroffen hätte, daß mit der Mitteilung vom 9. Dezember 1987 das erstgenannte Ziel verfolgt worden sei, und zum anderen ergibt sich aus dem Wortlaut der genannten Mitteilung, daß mit dem Abkommen und nicht mit der Mitteilung selbst derartige Schwierigkeiten verhindert werden sollten. Die Tatsache, daß die Kommission diese Auskunft im Rahmen der Durchführung des Abkommens verlangt hat, ist schon deshalb unerheblich, weil die Verpflichtung des Beamten zur Angabe seiner Privatanschrift unmittelbar aus Artikel 55 des Statuts folgt.

22 Unter diesen Umständen hat das Gericht zu Recht entschieden, daß die Rechtsmittelführerin durch ihr Verhalten gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 55 des Statuts verstossen hat. Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zweiter Rechtsmittelgrund: Widerspruch zwischen Abkommen und Protokoll

23 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Abkommen enthalte zwar streng genommen keine im Widerspruch zum Protokoll stehende Bestimmung, es sei aber von der Kommission in einer gegen das Protokoll verstossenden Weise ausgelegt und angewandt worden; deshalb sei sie berechtigt gewesen, die Mitteilung ihrer Anschrift zu verweigern.

24 Der belgische Minister des Innern und für den öffentlichen Dienst habe nämlich zweimal erklärt, daß über die Beamten der Gemeinschaften "ein Vermerk in die Einwohnerlisten der Gemeinde ihres Hauptwohnsitzes aufgenommen wird" und daß dieser Vermerk "die gleichen Wirkungen wie die Eintragung hat" bzw. "als Eintragung in die Einwohnerlisten gilt". Die Kommission habe sich diese Auslegung zu eigen gemacht, indem sie zugelassen habe, daß über die den belgischen Behörden übermittelten Informationen ein Vermerk in die Einwohnerlisten aufgenommen werde, der als Eintragung gelte. Diese Auslegung verstosse jedoch gegen Artikel 12 Buchstabe b des Protokolls, wonach die Beamten der Gemeinschaften "von Einwanderungsbeschränkungen und von der Meldepflicht für Ausländer" befreit seien.

25 Die Kommission habe folglich gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 12 des Protokolls verstossen, so daß sie, die Rechtsmittelführerin, berechtigt gewesen sei, der Verwaltung die Mitteilung ihrer Anschrift zu verweigern, nachdem dieses Organ sich geweigert habe, ihr zu garantieren, daß sie nicht in die Einwohnerlisten des Königreichs Belgien eingetragen werde. Indem das Gericht sich trotz der von der Kommission vorgenommenen Auslegung auf eine Auslegung allein des Wortlauts des Abkommens beschränkt habe, habe es folglich seine Pflicht zur Prüfung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung verletzt (vgl. insbesondere Randnr. 43 des angefochtenen Urteils).

26 Zu diesem Rechtsmittelgrund genügt der Hinweis, daß es in Artikel 16 Absatz 2 des Protokolls heisst: "Namen, Dienstrang und -stellung sowie Anschrift der Beamten... werden den Regierungen der Mitgliedstaaten in regelmässigen Zeitabständen mitgeteilt."

27 Wie schon dem Wortlaut dieser Bestimmung zu entnehmen ist, war die Kommission nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, den belgischen Behörden die Privatanschrift der Rechtsmittelführerin mitzuteilen.

28 Davon abgesehen kann sich ein Beamter keinesfalls auf eine angebliche Verletzung des Protokolls berufen, um sich seiner Verpflichtung nach dem Statut zu entziehen, seine Privatanschrift dem Organ mitzuteilen, dem er angehört. Wenn er der Ansicht ist, daß gegen das Protokoll verstossen wurde, kann er nur das Verfahren gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Statuts einleiten, der bestimmt, daß in allen Fällen, in denen die den Beamten zustehenden Vorrechte und Befreiungen berührt werden, der betroffene Beamte dies der Anstellungsbehörde unverzueglich mitzuteilen hat.

29 Unter diesen Umständen ist der zweite von der Rechtsmittelführerin angeführte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

30 Nach alledem ist das Rechtsmittel der Rechtsmittelführerin unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen die Organe in Streitsachen mit ihren Bediensteten ihre Kosten selbst. Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung findet Artikel 70 jedoch keine Anwendung, wenn ein Beamter oder sonstiger Bediensteter der Organe Rechtsmittel einlegt. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Rechtsmittel wird als unbegründet zurückgewiesen.

2) Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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