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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.10.1999
Aktenzeichen: C-223/98
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 3295/94


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 3295/94 Art. 6 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verordnung Nr. 3295/94 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr steht nationalen Vorschriften entgegen, nach denen die Identität des Anmelders oder des Empfängers eingeführter Waren, bei denen der Markeninhaber festgestellt hat, daß es sich um nachgeahmte Waren handelt, diesem nicht bekanntgegeben werden darf.

Denn die wirkungsvolle Anwendung der Verordnung hängt unmittelbar von den Informationen ab, die dem Rechtsinhaber mitgeteilt werden. Darf ihm die Identität des Anmelders und/oder des Empfängers der Waren nicht bekanntgegeben werden, ist es ihm praktisch unmöglich, die für die Entscheidung in der Sache zuständige nationale Stelle zu befassen, um die endgültige Verurteilung derartiger Praktiken zu erwirken. Der Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Berufs- und Amtsgeheimnissen in Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung kann daher nicht so verstanden werden, daß die Mitteilung von Informationen an den Rechtsinhaber, die zur Wahrung seiner Interessen notwendig sind, verhindert werden kann.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 14. Oktober 1999. - Adidas AG. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kammarrätten i Stockholm - Schweden. - Freier Warenverkehr - Verordnung (EG) Nr. 3295/94 - Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr - Nationale Vorschriften, die die Vertraulichkeit des Namens der Empfänger von Sendungen, die von den Zollbehörden aufgrund der Verordnung zurückgehalten werden, vorsehen - Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit der Verordnung (EG) Nr. 3295/94. - Rechtssache C-223/98.

Entscheidungsgründe:

1 Das Kammarrätt Stockholm hat mit Entscheidung vom 16. Juni 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr (ABl. L 341, S. 8; im folgenden: Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich im Rahmen einer Klage der Adidas AG, die in Schweden Inhaberin einer Marke für verschiedene Sportartikel sowie für Sport- und Freizeitkleidung ist, gegen die Weigerung der schwedischen Zollstelle Arlanda, ihr die Identität des Empfängers von Waren, bei denen der Verdacht besteht, daß es sich um Nachahmungen der Marke Adidas handelt, und die jene zurückgehalten hatte, offenzulegen.

Die Verordnung

3 Nach ihrer zweiten Begründungserwägung bezweckt die Verordnung, so weit wie möglich zu verhindern, daß nachgeahmte Waren und unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen auf den Markt gelangen; zu diesem Zweck seien Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung des illegalen Handels mit solchen Waren zu ergreifen.

4 Hierzu regelt die Verordnung zum einen die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Zollbehörden hinsichtlich der Waren, bei denen der Verdacht besteht, daß es sich um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt, wenn sie zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder zur Wiederausfuhr angemeldet werden oder wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung endeckt werden (Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung), und zum anderen die von den zuständigen Stellen zu treffenden Maßnahmen, wenn festgestellt ist, daß die betreffenden Waren tatsächlich nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen sind (Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung).

5 Nach Artikel 3 der Verordnung kann der Inhaber einer Marke, eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte oder eines Geschmacksmusterrechts (im folgenden: Rechtsinhaber) bei den zuständigen Zollbehörden einen schriftlichen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden in bezug auf Waren stellen, bei denen er den Verdacht hegt, daß es sich um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt. Diesem Antrag muß eine Beschreibung der Waren und ein Nachweis seines Rechts beigefügt werden. In dem Antrag ist auch der Zeitraum, für den das Tätigwerden der Zollbehörden beantragt wird, genau zu bezeichnen. Ausserdem hat der Rechtsinhaber alle sonstigen zweckdienlichen Informationen beizubringen, damit die Zollbehörden in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden können, wobei diese Informationen keine Bedingung für die Zulässigkeit des Antrags darstellen. Dieser wird dann durch die zuständige Behörde bearbeitet, die den Antragsteller unverzueglich schriftlich über ihre Entscheidung unterrichtet.

6 Nach Artikel 4 der Verordnung kann die Zollbehörde auch Waren von Amts wegen zurückhalten, wenn es für die Zollstelle bei einer Prüfung im Rahmen eines der Zollverfahren gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vor Einreichung eines Antrags durch den Rechtsinhaber oder vor einer positiven Entscheidung über diesen Antrag offensichtlich ist, daß es sich bei den Waren um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt. Dieselbe Behörde kann den Rechtsinhaber, sofern er bekannt ist, gemäß den in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften darüber unterrichten, daß möglicherweise ein Verstoß vorliegt. In diesem Falle sind die Zollbehörden ermächtigt, die Überlassung drei Arbeitstage auszusetzen oder die betreffenden Waren während der gleichen Frist zurückzuhalten, damit der Rechtsinhaber einen Antrag auf Tätigwerden gemäß Artikel 3 der Verordnung stellen kann.

7 Artikel 5 der Verordnung sieht vor, daß eine positive Entscheidung über den Antrag des Rechtsinhabers den Zollstellen des Mitgliedstaats, bei denen die in dem Antrag beschriebenen nachgeahmten Waren oder unerlaubt hergestellten Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen abgefertigt werden könnten, unverzueglich mitgeteilt wird.

8 Nach Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung setzt eine Zollstelle, der eine positive Entscheidung über den Antrag des Rechtsinhabers nach Maßgabe von Artikel 5 der Verordnung mitgeteilt worden ist, wenn sie gegebenenfalls nach Konsultierung des Antragstellers feststellt, daß bestimmte Waren den in der genannten Entscheidung beschriebenen nachgeahmten Waren oder unerlaubt hergestellten Vervielfältigungsstücken oder Nachbildungen entsprechen, die Überlassung dieser Waren aus oder hält sie zurück.

9 Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung, der für die vorliegende Rechtssache von zentraler Bedeutung ist, lautet:

"Die Zollstelle setzt unverzueglich die Zollbehörde, die den Antrag nach Artikel 3 bearbeitet hat, hiervon in Kenntnis. Diese Zollbehörde oder die Zollstelle setzt unverzueglich den Anmelder sowie den Antragsteller vom Tätigwerden in Kenntnis. Die Zollstelle oder die Zollbehörde, die den Antrag bearbeitet hat, teilt dem Rechtsinhaber nach Maßgabe der nationalen Rechtsvorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Berufs- und Amtsgeheimnissen auf Antrag Namen und Anschrift des Anmelders und, soweit bekannt, des Empfängers mit, damit der Rechtsinhaber die für Entscheidungen in der Sache zuständigen Stellen befassen kann. Die Zollstelle räumt dem Antragsteller und den von einer Maßnahme nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a) betroffenen Personen die Möglichkeit ein, die Waren, deren Überlassung ausgesetzt ist oder die zurückgehalten worden sind, zu beschauen."

10 Die Aussetzung der Überlassung oder die Zurückhaltung der Waren sind vorübergehend. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung erfolgt die Überlassung, sofern alle Zollformalitäten erfuellt sind, oder wird die Zurückhaltung aufgehoben, wenn die Zollstelle, die die Aussetzung der Überlassung oder die Zurückhaltung betrieben hat, nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Mitteilung der Aussetzung der Überlassung oder der Zurückhaltung von der Befassung der für die Entscheidung in der Sache zuständigen Stelle oder über die von der hierzu befugten Stelle getroffenen einstweiligen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt worden ist. Erforderlichenfalls kann diese Frist um höchstens zehn Arbeitstage verlängert werden.

11 Im übrigen sieht die Verordnung bestimmte Sicherheiten zugunsten des Anmelders und des Empfängers von Waren vor, die einer Prüfung unterzogen werden.

12 Hierzu bestimmt Artikel 3 Absatz 6 der Verordnung:

"Ist dem Antrag des Rechtsinhabers stattgegeben worden oder sind nach Maßgabe des Artikels 6 Absatz 1 Maßnahmen zum Tätigwerden gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a) ergriffen worden, so können die Mitgliedstaaten vom Rechtsinhaber die Leistung einer Sicherheit verlangen,

- um seine etwaige Haftung gegenüber den von einer Maßnahme nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a) betroffenen Personen zu decken, falls das nach Artikel 6 Absatz 1 eröffnete Verfahren aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Rechtsinhabers nicht fortgesetzt wird oder sich später herausstellt, daß die fraglichen Waren keine nachgeahmten Waren oder unerlaubt hergestellten Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen sind;

- um die Bezahlung der Kosten sicherzustellen, die gemäß dieser Verordnung im Falle des Verbleibs der Waren unter zollamtlicher Überwachung gemäß Artikel 6 entstehen."

13 Weiter bestimmt Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung:

"Bei Waren, die im Verdacht stehen, ein Geschmacksmusterrecht zu verletzen, können der Eigentümer, der Einführer oder der Empfänger der Waren die Überlassung der Waren oder die Aufhebung der Zurückhaltung derselben erwirken, sofern sie Sicherheit leisten und vorausgesetzt, daß

- die in Artikel 6 Absatz 1 bezeichnete Zollbehörde oder Zollstelle innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist von der Befassung der dort vorgesehenen, für die Entscheidung in der Sache zuständigen Stelle in Kenntnis gesetzt worden ist,

- bei Ablauf dieser Frist keine einstweiligen Maßnahmen von der hierzu befugten Stelle getroffen worden sind und

- sämtliche Zollformalitäten erfuellt sind."

14 Schließlich bestimmt Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung:

"Die etwaige zivilrechtliche Haftung des Rechtsinhabers bestimmt sich nach dem Recht desjenigen Mitgliedstaats, in dem für die betreffenden Waren einer der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a) genannten Tatbestände vorliegt."

Das schwedische Recht

15 Aus Kapitel 9 § 2 Absatz 1 des Sekreteßlag (1980:100) (schwedisches Gesetz über die Geheimhaltung von 1980) geht hervor, daß - von bestimmten, hier nicht erheblichen Ausnahmen abgesehen - Informationen über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse eines einzelnen, die im Rahmen einer Zollkontrolle erlangt wurden, geheim zu halten sind. § 2 Absatz 2 Sekreteßlag, in dem auf § 1 Sekreteßlag verwiesen wird, sieht gleichwohl vor, daß über die im Rahmen einer Zollkontrolle erlangten Informationen Auskunft erteilt werden kann, wenn feststeht, daß der betroffene einzelne dadurch keinen Schaden erleidet.

Das Ausgangsverfahren

16 Die Zollstelle Arlanda (Stockholm) beschloß am 16. Februar 1998, gemäß Artikel 4 der Verordnung die Überführung bestimmter Waren in den zollrechtlich freien Verkehr auszusetzen, und unterrichtete die Klägerin davon, daß es sich um Nachahmungen, die die eingetragene Marke Adidas tragen, handeln könnte.

17 Ein Vertreter der Adidas Sverige AB, einer Tochtergesellschaft der Klägerin, nahm die Waren in Augenschein und stellte fest, daß es sich um Nachahmungen handelte. Die Klägerin stellte gemäß Artikel 3 der Verordnung einen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden. Die Generaldirektion des Zollwesens gab diesem am 17. Februar 1998 statt.

18 Nach Maßgabe der Verordnung konnten die Waren bis einschließlich 17. März 1998 zurückgehalten werden. Die Zollbehörden waren nach diesem Zeitpunkt der Ansicht, daß sie die Waren nicht mehr rechtmässig zurückhalten könnten, da die Klägerin die Rechtssache nicht vor ein ordentliches Gericht gebracht hatte.

19 Da die Klägerin den Anmelder und den angemeldeten Empfänger der Waren nicht kannte, ersuchte sie in der Absicht, eine Klage gegen letzteren anzustrengen, um Auskunft über dessen Identität. Dieser Antrag wurde von der Zollstelle Arlanda unter Berufung auf Kapitel 9 § 2 Sekreteßlag zurückgewiesen.

20 Gegen diesen ablehnenden Bescheid erhob die Klägerin Klage beim Kammarrätt Stockholm. Sie machte geltend, daß sie, um ein ordentliches Gericht mit dem Rechtsstreit befassen zu können, zuallererst Informationen über den Empfänger der Waren erhalten müsse.

21 Das Kammarrätt stellte fest, daß es der Zollstelle Arlanda gemäß dem Sekreteßlag untersagt gewesen sei, die ihr vorliegenden Informationen weiterzugeben, da der Empfänger der Waren durch die Erteilung der von der Klägerin beantragten Auskünfte einen Schaden hätte erleiden können.

22 Das Kammarrätt Stockholm hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Steht die Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates nationalen Vorschriften entgegen, nach denen die Identität des Anmelders oder des Empfängers eingeführter Waren, bei denen der Markeninhaber festgestellt hat, daß es sich um nachgeahmte Waren handelt, dem Markeninhaber nicht bekanntgegeben werden darf?"

Zur Vorlagefrage

23 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sind bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. insbesondere Urteile vom 17. November 1983 in der Rechtssache 292/82, Merck, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12, und vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82, St. Nikolaus Brennerei, Slg. 1984, 1051, Randnr. 10).

24 Dabei ist von mehreren möglichen Auslegungen einer Gemeinschaftsvorschrift diejenige zu wählen, die allein geeignet ist, ihre praktische Wirksamkeit zu sichern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache 187/87, Saarland u. a., Slg. 1988, 5013, Randnr. 19).

25 Schließlich ist, wenn der Vollzug einer Gemeinschaftsverordnung den nationalen Behörden obliegt, wie es bei der Verordnung Nr. 3295/94 der Fall ist, der Rückgriff auf nationale Vorschriften nur in dem zur ordnungsgemässen Anwendung dieser Verordnung erforderlichen Umfang möglich, soweit dies weder die Tragweite noch die Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 1982 in den Rechtssachen 146/81, 192/81 und 193/81, BayWa u. a., Slg. 1982, 1503, Randnr. 29). Diese nationalen Maßnahmen müssen aufgrund der durch Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) festgelegten Pflichten ganz allgemein die Anwendung der Gemeinschaftsverordnung erleichtern und dürfen ihre Durchführung nicht behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 30/70, Scheer, Slg. 1970, 1197, Randnr. 8).

26 Mit dem Ziel, so weit wie möglich zu verhindern, daß nachgeahmte Waren und unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen auf den Markt gelangen, überträgt die Verordnung dem Rechtsinhaber eine wesentliche Rolle. Aus den Artikeln 3 und 4 der Verordnung geht hervor, daß die Zurückhaltung der Waren durch die Zollbehörden grundsätzlich von seinem Antrag abhängt. Ausserdem setzt die endgültige Verurteilung derartiger Praktiken durch die für die Entscheidung in der Sache zuständige nationale Stelle deren Befassung durch den Rechtsinhaber voraus. In Ermangelung einer solchen Befassung durch den Rechtsinhaber verlieren die Aussetzung der Überlassung oder die Zurückhaltung der Waren gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung ihre - kurzfristige - Wirkung.

27 Folglich hängt die wirkungsvolle Anwendung der Verordnung unmittelbar von den Informationen ab, die dem Rechtsinhaber mitgeteilt werden. Darf ihm die Identität des Anmelders und/oder des Empfängers der Waren nämlich nicht mitgeteilt werden, ist es ihm praktisch unmöglich, die zuständige nationale Stelle zu befassen.

28 Der Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Berufs- und Amtsgeheimnissen in Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung kann daher nicht so verstanden werden, daß die Mitteilung von zur Wahrung seiner Interessen notwendigen Informationen an den Rechtsinhaber verhindert werden kann.

29 Im übrigen enthält die Verordnung mehrere Bestimmungen zum Schutz des Anmelders und des Empfängers von Waren, die einer Prüfung unterzogen werden, um zu verhindern, daß ihnen aus der Mitteilung ihres Namens und ihrer Adresse an den Rechtsinhaber ein Schaden erwächst.

30 Zunächst informiert eine Zollstelle gemäß Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung, wenn sie feststellt, daß die kontrollierten Waren der Beschreibung nachgeahmter Waren oder unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen entsprechen, unverzueglich den Anmelder. Nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung können der Eigentümer, der Einführer oder der Empfänger der Waren die Überlassung der Waren oder die Aufhebung der Zurückhaltung derselben erwirken, sofern sie Sicherheit leisten.

31 Sodann geht aus Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung hervor, daß der Rechtsinhaber die von der Zollstelle mitgeteilten Angaben nur verwenden darf, um die für Entscheidungen in der Sache zuständige nationale Behörde zu befassen. Werden diese Angaben zu anderen Zwecken verwendet, kann der Rechtsinhaber gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sich die betreffenden Waren befinden, haftungsrechtlich belangt werden.

32 Schließlich wird der Ersatz des Schadens, der durch eine unzulässige Verwendung der Angaben entsteht, oder jedes anderen möglicherweise vom Anmelder oder vom Empfänger der Waren erlittenen Schadens dadurch erleichtert, daß die Mitgliedstaaten vom Rechtsinhaber gemäß Artikel 3 Absatz 6 der Verordnung die Leistung einer Sicherheit verlangen können.

33 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Verordnung nationalen Vorschriften entgegensteht, nach denen die Identität des Anmelders oder des Empfängers eingeführter Waren, bei denen der Markeninhaber festgestellt hat, daß es sich um nachgeahmte Waren handelt, diesem nicht bekanntgegeben werden darf.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Die Auslagen der belgischen und der italienischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit im bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Kammarrätt Stockholm mit Entscheidung vom 16. Juni 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr steht nationalen Vorschriften entgegen, nach denen die Identität des Anmelders oder des Empfängers eingeführter Waren, bei denen der Markeninhaber festgestellt hat, daß es sich um nachgeahmte Waren handelt, diesem nicht bekanntgegeben werden darf.

Ende der Entscheidung

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