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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: C-225/02
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern


Vorschriften:

EGV Art. 234
EGV Art. 12
EGV Art. 39
EGV Art. 42
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern Art. 48 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern Art. 45
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 20. Januar 2005. - Rosa García Blanco gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) und Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Juzgado de lo Social nº 3 de Orense - Spanien. - Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer - Alter - Arbeitslosigkeit - Mindestversicherungszeiten - Versicherungszeiten, die bei der Berechnung des Betrages der Leistungen, jedoch nicht für die Eröffnung eines Anspruchs auf diese Leistungen berücksichtigt werden - Zeiten der Arbeitslosigkeit - Zusammenrechnung. - Rechtssache C-225/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-225/02

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Juzgado de lo Social Nr. 3 Orense (Spanien) mit Beschluss vom

30. März 2002

, beim Gerichtshof eingegangen am

17. Juni 2002

, in dem Verfahren

Rosa García Blanco

gegen

Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS),

Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter), P. Kris und G. Arestis,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

15. September 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Frau García Blanco, vertreten durch A. Vásquez Conde, abogado,

- des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) und der Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS), vertreten durch A. R. Trillo García und A. Llorente Alvarez als Bevollmächtigte,

- der spanischen Regierung, vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W.D. Plessing als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard, I. Martínez del Peral und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

28. Oktober 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 12 EG, 39 EG und 42 EG sowie der Artikel 45 und 48 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten sowie durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

2. Die vorgelegte Frage stellt sich in einem Rechtsstreit von Frau García Blanco gegen das Instituto Nacional de la Seguridad Social (Staatliche Sozialversicherungsanstalt, im Folgenden: INSS) und die Tesorería General de la Seguridad Social (Allgemeine Finanzverwaltungsbehörde der Sozialversicherung, im Folgenden: TGSS), bei der es um die Berechnung ihrer Ansprüche auf eine Altersrente nach den spanischen Rechtsvorschriften geht.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

3. Artikel 1 Buchstabe r der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt den Begriff Versicherungszeiten wie folgt:

die Beitrags-, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer Selbständigentätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind; die Zeiten, die im Rahmen eines Sondersystems für Beamte zurückgelegt wurden, gelten für die Anwendung dieser Verordnung als Versicherungszeiten.

4. Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.

5. Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung stellt den Grundsatz der Zusammenrechnung der Versicherungszeiten für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs wie folgt auf:

Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Anspruchs auf die Leistungen eines Systems, das kein Sondersystem im Sinne des Absatzes 2 oder 3 ist, davon abhängig, dass Versicherungs- oder Wohnzeiten zurückgelegt worden sind, berücksichtigt der zuständige Träger dieses Mitgliedstaats, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften jedes anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten; dabei ist unwesentlich, ob diese in einem allgemeinen oder in einem Sondersystem, in einem System für Arbeitnehmer oder in einem System für Selbständige zurückgelegt worden sind. Zu diesem Zweck berücksichtigt er diese Zeiten, als ob es sich um nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten handelte.

6. Artikel 46 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

Sind die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nur nach Anwendung des Artikels 45 und/oder des Artikels 40 Absatz 3 erfüllt, so gilt Folgendes:

a) Der zuständige Träger berechnet den theoretischen Betrag der Leistung, auf die die betreffende Person Anspruch hätte, wenn alle nach den für den Arbeitnehmer oder Selbständigen geltenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und/oder Wohnzeiten nur in dem betreffenden Staat und nach den für diesen Träger zum Zeitpunkt der Feststellung der Leistung geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Ist nach diesen Rechtsvorschriften der Betrag der Leistung von der Dauer der zurückgelegten Zeiten unabhängig, so gilt dieser Betrag als theoretischer Betrag.

b) Der zuständige Träger ermittelt sodann den tatsächlich geschuldeten Betrag auf der Grundlage des unter Buchstabe a genannten theoretischen Betrages nach dem Verhältnis zwischen den nach seinen Rechtsvorschriften vor Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten und den gesamten nach den Rechtsvorschriften aller beteiligten Mitgliedstaaten vor Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten.

7. Artikel 48 Absatz 1 der Verordnung regelt eine Ausnahme bei der Berechnung der Rentenansprüche für Versicherungs und Wohnzeiten von weniger als einem Jahr, die wie folgt formuliert ist:

(1) Der Träger eines Mitgliedstaats ist ungeachtet des Artikels 46 Absatz 2 nicht verpflichtet, Leistungen aus Zeiten zu gewähren, die nach den von ihm angewendeten Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden und im Zeitpunkt des Versicherungsfalls zu berücksichtigen sind, wenn:

- die Dauer dieser Zeiten weniger als ein Jahr beträgt

und

- aufgrund allein dieser Zeiten kein Leistungsanspruch nach diesen Rechtsvorschriften erworben worden ist.

Das nationale Recht

8. Artikel 161 Absatz 1 Buchstabe b des spanischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in seiner durch das Real Decreto Legislativo 1/1994 vom 20. Juni 1994 kodifizierten Fassung (BOE Nr. 154 vom 29. Juni 1994) in der durch das Gesetz 50/98 vom 30. Dezember 1998 über Steuer, Verwaltungs und Sozialmaßnahmen (BOE vom 31. Dezember 1998) (im Folgenden: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) geänderten Fassung macht die Gewährung einer Altersrente beitragsbezogener Art davon abhängig, dass eine Mindestbeitragszeit von fünfzehn Jahren zurückgelegt wurde, von denen mindestens zwei innerhalb der fünfzehn dem den Leistungsanspruch begründenden Ereignis unmittelbar vorausgehenden Jahre zurückgelegt worden sein müssen.

9. Nach Artikel 218 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes führt das Instituto Nacional de Empleo (Staatliche Anstalt für Arbeit, Träger der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, im Folgenden: INEM), wenn der Versicherte Arbeitslosenunterstützung bezieht, Beiträge verschiedener Art, je nach der Natur der gewährten Leistung, an die Sozialversicherung ab. So heißt es in Artikel 218 Absatz 2:

Im Fall einer Arbeitslosenunterstützung für Arbeitnehmer, die über 52 Jahre alt sind, hat der Träger daneben Beiträge an die Altersversicherung abzuführen.

10. Nach Artikel 215 Absatz 1 Nummer 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes wird diese Arbeitslosenunterstützung einem arbeitslosen Arbeitnehmer gewährt, der sechs Beitragsjahre in der Arbeitslosenversicherung zurückgelegt hat und der alle Voraussetzungen - mit Ausnahme des Alters - erfüllt hat, um eine Altersrente beitragsbezogener Art im spanischen System der sozialen Sicherheit zu beziehen.

11. Schließlich lautet die 28. Ergänzungsbestimmung zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, die am 1. Januar 1999 aufgrund der Bekanntmachung des Gesetzes 50/98 in Kraft getreten ist, wie folgt:

Die gemäß Artikel 218 Absatz 2 dieses Gesetzes von dem Versicherungsträger im Rahmen der Altersrentenversicherung entrichteten Beiträge werden bei der Berechnung des Grundbetrages der Altersrente und des auf diesen anwendbaren Prozentsatzes berücksichtigt. In keinem Fall haben diese Beiträge Gültigkeit und Rechtswirksamkeit für den Nachweis der nach Artikel 161 Absatz 1 Buchstabe b dieses Gesetzes erforderlichen Mindestbeitragszeit, die gemäß Artikel 215 Absatz 1 Nummer 3 bei Stellung des Antrags auf Gewährung der [Arbeitslosen]Unterstützung für [arbeitslose] Personen, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, nachgewiesen werden muss.

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

12. Frau García Blanco (im Folgenden: Klägerin), geboren am 9. Oktober 1935 und verstorben am 14. Mai 2002, beantragte am 18. Oktober 2000, nachdem sie das 65. Lebensjahr vollendet hatte, die Feststellung ihrer Altersrentenansprüche aus dem deutschen und dem spanischen System der sozialen Sicherheit. Sie hatte zum einen vom 1. August 1966 bis zum 31. Mai 1984 tatsächliche Versicherungszeiten von 209 Monaten - mehr als 17 Jahren - nach den deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt und konnte zum anderen 4 265 Tage der Beitragsleistung nach den spanischen Rechtsvorschriften nachweisen, die sich wie folgt verteilen:

- 185 Tage, entsprechend einem vom 1. Juni bis zum 2. Dezember 1984 zurückgelegten Zeitraum, während dessen die Betroffene die beitragsbezogene Arbeitslosenunterstützung bezogen hatte und vom INEM im Namen der Klägerin des Ausgangsverfahrens Beiträge zu sämtlichen Zweigen der spanischen gesetzlichen Sozialversicherung, insbesondere der Altersversicherung, entrichtet worden waren;

- 4 080 Tage, entsprechend einem Zeitraum, den die Klägerin vom 9. August 1989 bis zum 9. Oktober 2000 zurückgelegt hatte, während dessen sie die Arbeitslosenunterstützung für über 52 Jahre alte Arbeitslose bezogen hatte und durch das INEM in ihrem Namen nur Beiträge zur Altersversicherung entrichtet worden waren.

13. Aus den Akten geht hervor, dass die Klägerin nach dem Tod ihrer Mutter, bei der sie lebte, ab dem 1. Dezember 1989 eine Rente für Familienangehörige bezog.

14. Die Klägerin erhielt eine Rente, die vom deutschen System der sozialen Sicherheit gewährt wurde. Dagegen weigerte sich das INSS mit Bescheid vom 27. April 2001, ihr eine Altersrente zu bewilligen, mit der Begründung, dass sie in Spanien nicht die für die Eröffnung des Rentenanspruchs erforderliche Mindestbeitragszeit zurückgelegt habe. Denn nach der 28. Ergänzungsbestimmung zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz könne die Zeit von 4 080 Tagen, während deren das INEM im Namen der Klägerin als Empfängerin der besonderen Arbeitslosenunterstützung Beiträge entrichtet habe, nicht berücksichtigt werden. Der verbleibende Zeitraum von 185 Tagen, während dessen ebenfalls in ihrem Namen Beiträge entrichtet worden seien, während sie in Spanien beitragsbezogene Leistungen aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung bezogen habe, könne gemäß Artikel 48 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ebenfalls nicht berücksichtigt werden, da seine Dauer unter einem Jahr betrage.

15. Im Mai 2001 erhob die Klägerin beim Juzgado de lo Social Nr. 3 Orense Klage gegen das INSS und die TGSS mit dem Antrag, festzustellen, dass sie ab dem 10. Oktober 2000 einen Anspruch auf eine Altersrente nach den spanischen Rechtsvorschriften habe.

16. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stellt sich als erstes die Frage, ob die 28. Ergänzungsbestimmung zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz die Berücksichtigung der 4 265 Beitragstage im Sinne von Randnummer 12 dieses Urteils für die Zwecke der Frage, ob die in Rede stehende Versicherungszeit ein Jahr übersteigt, wirksam ausschließen kann, so dass bejahendenfalls das INSS gemäß Artikel 48 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht verpflichtet wäre, die dieser Zeit entsprechenden Leistungen zu gewähren.

17. Zweitens stelle sich die Frage, ob die genannte Ergänzungsbestimmung eine Diskriminierung der Wanderarbeitnehmer dadurch enthalte, dass sie die Berücksichtigung bestimmter Beiträge wie derjenigen, die allein zur Altersversicherung entrichtet worden seien, bei der Berechnung der in Artikel 161 Absatz 1 Buchstabe b des Gesetzes vorgesehenen Wartezeiten ausschließe, da diese Wartezeiten zum Zeitpunkt der Beantragung von Arbeitslosenunterstützung für über 52 Jahre alte Arbeitslose erfüllt sein müssten.

18. Das vorlegende Gericht stellt dabei auf den Fall von Wanderarbeitnehmern ab, die die erwähnte Arbeitslosenunterstützung erhalten haben, nachdem sie die Erfüllung der Wartezeit durch die Berücksichtigung der nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteile vom 20. Februar 1997 in den Rechtssachen C88/95, C102/95 und C103/95, Martínez Losada u. a., Slg. 1997, I869, und vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C320/95, Ferreiro Alvite, Slg. 1999, I951) nachweisen können.

19. Diese Arbeitnehmer könnten keinen Anspruch darauf haben, dass die vom INEM in der Zeit, in der sie Arbeitslosenunterstützung bezogen hätten, an die Altersversicherung abgeführten Sozialbeiträge für die Erfüllung der durch Artikel 161 Absatz 1 Buchstabe b des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes aufgestellten Voraussetzung einer Mindestversicherungszeit berücksichtigt würden.

20. Daher hat das Juzgado de lo Social Nr. 3 Orense das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen die Artikel 12 EG und 39 EG bis 42 EG sowie Artikel 45 der Verordnung Nr. 1408/71 einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts entgegen, nach der die Beiträge für eine Altersrente, die der Träger der Arbeitslosenversicherung im Namen eines Arbeitnehmers für den Zeitraum zahlt, in dem dieser bestimmte Leistungen der Arbeitslosenunterstützung erhielt, nicht angerechnet werden können, um verschiedene in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegte Wartezeiten zurückzulegen und um einen Anspruch auf die Leistung bei Alter zu begründen, wenn sich dadurch ergibt, dass es sich wegen der lange andauernden Arbeitslosigkeit, während der Schutz gewährt werden soll, für diesen Arbeitnehmer als völlig unmöglich erweist, andere Altersrentenbeiträge als die nachzuweisen, die gesetzlich für unwirksam erklärt worden sind, so dass nur die Arbeitnehmer, die Gebrauch von dem Recht auf Freizügigkeit gemacht haben, durch diese innerstaatliche Rechtsvorschrift berührt werden und keinen Anspruch auf die innerstaatliche Altersrente begründen können, obwohl diese Wartezeiten gemäß Artikel 45 der genannten EWGVerordnung als zurückgelegt anzusehen wären?

2. Stehen die Artikel 12 EG und 39 EG bis 42 EG sowie Artikel 48 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 Vorschriften des innerstaatlichen Rechts entgegen, nach denen Altersrentenbeiträge, die der Träger der Arbeitslosenversicherung im Namen eines Arbeitnehmers für den Zeitraum erhielt, in dem dieser bestimmte Leistungen der Arbeitslosenunterstützung bezog, nicht mit der Folge angerechnet werden können, dass die Gesamtdauer dieser nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten ein Jahr beträgt, wenn es sich infolge der längeren Arbeitslosigkeit, während der Schutz gewährt werden soll, für diesen Arbeitnehmer als völlig unmöglich erweist, andere Altersrentenbeiträge als die während der Arbeitslosigkeit entrichteten und gezahlten nachzuweisen, so dass nur die Arbeitnehmer, die von dem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, durch diese nationalen Rechtsvorschriften berührt werden und keinen Anspruch auf die nationale Altersrente begründen können, obwohl der innerstaatliche Versicherungsträger gemäß Artikel 48 Absatz 1 der genannten EWG-Verordnung nicht von der Verpflichtung befreit sein darf, nationale Leistungen zu gewähren?

21. Mit Schriftsatz vom 8. April 2003 hat das INSS dem Gerichtshof mitgeteilt, dass die von der inzwischen verstorbenen Klägerin beantragte gesetzliche Altersrente dieser mit Bescheid vom 3. April 2003 ab dem 10. Oktober 2000 bewilligt worden sei. Mit diesem Bescheid wurde im Übrigen die Tochter der Verstorbenen als Hinterbliebene aufgefordert, zwischen dieser Altersrente und der ihr schon vorher gewährten Unterstützung für Familienangehörige zu wählen, da diese beiden Leistungen nicht kumulierbar seien. Die Betroffene habe sich für diese Unterstützung entschieden, die höher als die Altersrente sei.

22. Am 10. April 2003 hat die Kanzlei des Gerichtshofes beim vorlegenden Gericht angefragt, ob aufgrund dieser Umstände das von diesem eingereichte Vorabentscheidungsersuchen zurückgenommnen werde.

23. Das vorlegende Gericht hat mit Schreiben vom 11. April 2003 geantwortet, dass es sein Ersuchen u. a. deswegen bestätige, weil die Antwort des Gerichtshofes im Ausgangsverfahren ihm bei anderen bei ihm anhängigen Verfahren dienlich sei.

24. Mit Schreiben vom 7. Juli und vom 18. September 2003 hat die Kanzlei des Gerichtshofes das vorlegende Gericht erneut gebeten, klarzustellen, ob das Ausgangsverfahren noch bei ihm anhängig sei. Sie hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof nur in einem bei einem nationalen Gericht anhängigen Verfahren um Vorabentscheidung ersucht werden könne; ferner hat es daran erinnert, dass das Juzgado de lo Social Nr. 3 Orense berechtigt sei, dem Gerichtshof die gleichen Vorabentscheidungsfragen in einem anderen Verfahren vorzulegen, mit dem es befasst sei.

25. Das vorlegende Gericht hat in seiner Antwort vom 7. Oktober 2003 bestätigt, dass das Ausgangsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, insbesondere da die Hinterbliebene der Verstorbenen ihre Klage nicht zurückgenommen habe und da die Beklagten die ursprüngliche Entscheidung der Versagung der Rente, gegen die die Klage im Ausgangsverfahren erhoben worden sei, nicht förmlich aufgehoben hätten.

Antwort des Gerichtshofes

26. Nach ständiger Rechtsprechung ist das in Artikel 234 EG vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen die Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen (vgl. u. a. Urteile vom 8. November 1990 in der Rechtssache C231/89, GmurzynskaBscher, Slg. 1990, I4003, Randnr. 18, vom 12. März 1998 in der Rechtssache C314/96, Djabali, Slg. 1998, I1149, Randnr. 17, und vom 21. Januar 2003 in der Rechtssache C318/00, BacardiMartini und Cellier des Dauphins, Slg. 2003, I905, Randnr. 41).

27. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Aufbau des Artikels 234 EG folgt, dass das Vorabentscheidungsverfahren voraussetzt, dass bei den nationalen Gerichten tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sie eine Entscheidung erlassen müssen, bei der die Vorabentscheidung berücksichtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juni 1995 in den Rechtssachen C422/93 bis C424/93, Zabala Erasun u. a., Slg. 1995, I1567, Randnr. 28, und Djabali, Randnr. 18).

28. Die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens liegt nämlich nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist (Urteile Djabali, Randnr. 19, BacardiMartini und Cellier des Dauphins, Randnr. 42, sowie vom 25. März 2004 in den Rechtssachen C480/00 bis C482/00, C484/00, C489/00 bis C491/00 und C497/00 bis C499/00, Azienda Agricola Ettore Ribaldi u. a., Slg. 2004, I0000, Randnr. 72).

29. Im Ausgangsverfahren wurde, nachdem das Juzgado de lo Social Nr. 3 Orense dem Gerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt hatte, die von der Klägerin beantragte Rente aus dem spanischen System der sozialen Sicherheit der Klägerin ab dem Zeitpunkt bewilligt, zu dem ihr ein Anspruch auf eine Altersrente zugebilligt worden war. Ferner steht fest, dass die Tochter der Klägerin als Hinterbliebene auf diese gesetzliche Rente verzichtet hat, um eine Unterstützung für Familienangehörige beziehen zu können.

30. Demnach sind die Ansprüche der Klägerin des Ausgangsverfahrens insgesamt befriedigt worden.

31. Infolgedessen wäre eine Antwort des Gerichtshofes auf die vom Juzgado de lo Social Nr. 3 Orense vorgelegten Fragen für dieses von keinerlei Nutzen.

32. Daher braucht das Vorabentscheidungsersuchen nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

33. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C225/02 braucht nicht beantwortet zu werden.

Ende der Entscheidung

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