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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.07.1998
Aktenzeichen: C-225/95
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 89/48/EWG, G Nr. 1404/1983 (Griechenland)


Vorschriften:

EGV Art. 177 (jetzt EGV Art. 234)
Richtlinie 89/48/EWG
G Nr. 1404/1983 (Griechenland)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Vorschriften des Vertrages über die Freizuegigkeit und die zu ihrer Durchführung erlassenen Maßnahmen sind nicht auf Tätigkeiten anwendbar, die keinerlei Berührungspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.

Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft als ihrem Herkunftsland weder gearbeitet noch studiert, noch ein Hochschuldiplom oder einen Berufsabschluß erworben haben, können sich folglich nicht auf die Rechte berufen, die die Richtlinie 89/48 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, gewährt.


Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 2. Juli 1998. - Anestis Kapasakalis, Dimitris Skiathitis und Antonis Kougiagkas gegen Griechischer Staat. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Dioikitiko Protodikeio Athinon - Griechenland. - Richtlinie 89/48/EWG - Allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome - Anwendungsbereich - Auf einen Mitgliedstaat beschränkter, rein interner Sachverhalt. - Verbundene Rechtssachen C-225/95, C-226/95 und C-227/95.

Entscheidungsgründe:

1 Der Dioikitiko Protodikeio Athen hat mit Entscheidungen vom 30. März 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juni 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16; im folgenden: Richtlinie), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen A. Kapasakalis, D. Skiathitis und A. Kougiagkas auf der einen und dem griechischen Staat auf der anderen Seite über den Ersatz der Schäden, die die Kläger dadurch erlitten zu haben behaupten, daß der griechische Staat Präsidialverordnungen nicht erlassen habe, die im nationalen Recht wie im Gemeinschaftsrecht zum Schutz der beruflichen Interessen von Fachhochschulabsolventen vorgesehen seien.

Das Gemeinschaftsrecht

3 In der Richtlinie ist festgelegt, unter welchen Umständen ein Mitgliedstaat die Gleichwertigkeit von mindestens dreijährigen Berufsausbildungen, die mit einem von einer Stelle eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten Hochschuldiplom abgeschlossen werden, und von Hochschuldiplomen, die in seinem eigenen Hoheitsgebiet erworbene Ausbildungen abschließen, anzuerkennen hat.

4 Nach der zehnten Begründungserwägung der Richtlinie zielt die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome weder auf eine Änderung der die Berufsausübung einschließlich der Berufsethik betreffenden Bestimmungen ab, die für alle Personen gelten, die einen Beruf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben, noch auf einen Ausschluß der Zuwanderer von der Anwendung dieser Bestimmungen; die Regelung sieht lediglich geeignete Maßnahmen vor, mit denen sichergestellt werden kann, daß der Zuwanderer den die Berufsausübung betreffenden Bestimmungen des Aufnahmestaats nachkommt.

5 Nach Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie ist unter "Aufnahmestaat" der Mitgliedstaat zu verstehen, in dem ein Angehöriger eines Mitgliedstaats die Ausübung eines Berufes beantragt, der dort reglementiert ist, in dem er jedoch nicht das Diplom, auf das er sich beruft, erworben oder erstmals den betreffenden Beruf ausgeuebt hat. Artikel 1 Buchstabe d definiert die reglementierte berufliche Tätigkeit als berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme oder Ausübung oder bei der eine der Arten ihrer Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Diploms gebunden ist.

6 Nach Artikel 2 Absatz 1 gilt die Richtlinie für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.

7 Gemäß Artikel 12 Absatz 1 mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis setzen.

Das nationale Recht

8 Aus den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen geht hervor, daß die Fachhochschulen juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, die durch das Gesetz Nr. 1404/1983 über Aufbau und Tätigkeit der Fachhochschulen gegründet wurden. Sie gehören zu den berufsbildenden Hochschulen, unterstehen der Aufsicht des Ministers für Bildung und Kultusfragen und sollen einen ausreichenden theoretischen und praktischen Unterricht für die berufliche Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse und Fähigkeiten im technischen, künstlerischen und in sonstigen Bereichen vermitteln.

9 Nach Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe c des Gesetzes Nr. 1404/1983 werden den Absolventen der Fachhochschulen berufliche Rechte zuerkannt, die durch Präsidialverordnungen bestimmt werden, deren Erlaß für bestehende Fachrichtungen spätestens sechs Monate vor der Beendigung des Studiums durch die ersten Studenten der Fachhochschulen und für neue Fachrichtungen gleichzeitig mit deren Einrichtung oder der Eröffnung der entsprechenden Abteilungen erfolgt. Durch diese Präsidialverordnungen werden auch die Voraussetzungen und sonstigen Einzelheiten für die Erteilung der Erlaubnis zur Berufsausübung in den Fällen festgelegt, in denen eine solche vorgeschrieben ist.

10 Vor ihrer Abschaffung durch das Gesetz Nr. 1404/1983 wurden die Zentren für Fachhochschul- und berufsbildenden Hochschulunterricht durch das Gesetz Nr. 576/1977 geregelt. Sie bestanden aus mehreren öffentlichen Fachhochschulen und berufsbildenden Hochschulen, die ihren Studenten die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse vermitteln sollten, um Führungskräfte mit der Fähigkeit zur Leistung eines Beitrags zur Entwicklung eines bestimmten Sektors der nationalen Wirtschaft zu werden.

11 Nach Artikel 5 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 1865/1989 sind die nach einem Studium von drei Jahren (sechs Semestern) erworbenen Diplome der Zentren für Fachhochschul- und berufsbildenden Hochschulunterricht den Diplomen der entsprechenden Fachrichtungen der Fachhochschulen gleichwertig.

Der Ausgangsrechtsstreit

12 A. Kapasakalis, D. Skiathitis und A. Kougiagkas sind griechische Staatsangehörige, die Diplome von Fachhochschulen und Zentren für Fachhochschul- und berufsbildenden Hochschulunterricht besitzen und in Griechenland den Beruf des Fachingenieurs ausüben, die ersten beiden im Fachgebiet Maschinenbau, der dritte im Fachgebiet Bau.

13 Mit Klageschriften vom 12. Juni 1993 erhoben sie beim Dioikitiko Protodikeio Athen Schadensersatzklage gegen den griechischen Staat wegen Nichterlasses der in Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe c des Gesetzes Nr. 1404/1983 vorgesehenen Präsidialverordnungen zum Schutz ihrer beruflichen Interessen und wegen Verletzung der Verpflichtung, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nachzukommen. Diese Vertragsverletzung ist vom Gerichtshof im Urteil vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-365/93 (Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I-499) festgestellt worden.

14 Die Betroffenen stützen ihre Klagen darauf, daß ihnen durch diese Unterlassung in der Sache ihr Recht entzogen worden sei, in Griechenland in ihrem Fachgebiet zu arbeiten oder ihre Diplome gewinnbringend zu nutzen.

Die Vorabentscheidungsfragen

15 Mit Entscheidung vom 30. März 1995 hat der Dioikitiko Protodikeio Athen die Klagen als unbegründet abgewiesen, soweit sie die Verletzung einer Verpflichtung aus Vorschriften des nationalen Rechts betrafen.

16 Im übrigen hat das vorlegende Gericht in der Erwägung, daß die Entscheidung der Ausgangsverfahren von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften, insbesondere derjenigen der Richtlinie, abhänge, die Entscheidung ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Vorabentscheidungsfragen vorgelegt:

1. Hat das in der Richtlinie 89/48/EWG des Rates angestrebte Ergebnis zur Folge, daß dem einzelnen Betroffenen Rechte zuerkannt werden?

2. Ist der Inhalt dieser Rechte so genau bestimmt, daß es möglich ist, ihn allein anhand des durch die Vorschriften der Richtlinie gebildeten Rahmens zu ermitteln?

3. Besteht ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Verpflichtung, die sich für den griechischen Staat aus Artikel 12 der Richtlinie ergibt, und dem Schaden, den die Kläger geltend machen?

Zur ersten Frage

17 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der sich in der Lage der Kläger des Ausgangsverfahrens befindet, auf die durch die Richtlinie gewährten Rechte berufen kann.

18 Die Richtlinie, die auf den Artikeln 49, 57 Absatz 1 und 66 des Vertrages beruht, soll den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr erleichtern, indem sie den Angehörigen der Mitgliedstaaten ermöglicht, als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem auszuüben, in dem sie ihre beruflichen Qualifikationen erworben haben.

19 Aus der zehnten Begründungserwägung und aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie geht klar hervor, daß sie nur für die Angehörigen eines Mitgliedstaats gilt, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland ausüben wollen, und daß sie nicht auf eine Änderung der Bestimmungen abzielt, die für Personen gelten, die einen Beruf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben.

20 Aus den Vorlageentscheidungen und den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen geht hervor, daß die Ausgangsverfahren griechische Staatsangehörige betreffen, die in Griechenland arbeiten.

21 Darüber hinaus haben die Kläger der Ausgangsverfahren, wie der Generalanwalt in Nummer 2 seiner Schlussanträge ausführt, in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft als ihrem Herkunftsland weder gearbeitet noch studiert, noch ein Hochschuldiplom oder einen Berufsabschluß erworben.

22 Schließlich sind nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften des Vertrages über die Freizuegigkeit und die zu ihrer Durchführung erlassenen Maßnahmen nicht auf Tätigkeiten anwendbar, die keinerlei Berührungspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (Urteile vom 5. Juni 1997 in den Rechtssachen C-64/96 und C-65/96, Ücker und Jacquet, Slg. 1997, I-3171, Randnr. 16, vom 16. Januar 1997 in der Rechtssache C-134/95, USSL Nr_ 47 di Biella, Slg. 1997, I-195, Randnr. 19, und vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-332/90, Steen, Slg. 1992, I-341, Randnr. 9).

23 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Lage der Kläger des Ausgangsverfahrens keinerlei Berührungspunkte mit einem der Sachverhalte, auf die das Gemeinschaftsrecht im Bereich des freien Personen- und Dienstleistungsverkehrs abstellt, oder mit dem Anwendungsbereich der Richtlinie aufweist.

24 Daher ist auf die erste Vorabentscheidungsfrage zu antworten, daß sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der sich in einer Lage befindet, die mit keinem Element über die Grenzen dieses Mitgliedstaats hinausweist, nicht auf die von der Richtlinie gewährten Rechte berufen kann.

Zur zweiten und zur dritten Frage

25 Aufgrund der Antwort auf die erste Vorabentscheidungsfrage ist über die zweite und die dritte Frage nicht zu entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Die Auslagen der griechischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Zweite Kammer)

auf die ihm vom Dioikitiko Protodikeio Athen mit Entscheidungen vom 30. März 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der sich in einer Lage befindet, die mit keinem Element über die Grenzen dieses Mitgliedstaats hinausweist, kann sich nicht auf die Rechte berufen, die durch die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, gewährt werden.

Ende der Entscheidung

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