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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.05.1997
Aktenzeichen: C-233/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.1994 über Einlagensicherungssysteme


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 190
EG-Vertrag Art. 173
EG-Vertrag Art. 57 Abs. 2
Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.1994 über Einlagensicherungssysteme Art. 4 Abs. 1
Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.1994 über Einlagensicherungssysteme Art. 4 Abs. 2
Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.1994 über Einlagensicherungssysteme Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

8 Das Parlament und der Rat waren berechtigt, sich beim Erlaß der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme allein auf Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages zu stützen. Nach dieser Bestimmung darf die Gemeinschaft nämlich durch die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten Hindernisse für die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten beseitigen, wobei sie dem von den verschiedenen Mitgliedstaaten verfolgten Allgemeininteresse Rechnung trägt und zur Wahrung dieses Interesses ein Schutzniveau festlegt, das für die Gemeinschaft akzeptabel erscheint.

Es ist klar ersichtlich, daß diese Richtlinie Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr beseitigt. Unter Bezugnahme auf die Ziele des Vertrages, die in dessen Artikel 2 am allgemeinsten formuliert sind, dient die Richtlinie nämlich dazu, die harmonische Entwicklung der Tätigkeiten der Kreditinstitute in der Gemeinschaft durch die Aufhebung aller Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu fördern und gleichzeitig die Stabilität des Bankensystems und den Schutz der Sparer zu erhöhen. Die mit ihr geschaffenen Mechanismen und insbesondere die Pflichtmitgliedschaft aller Kreditinstitute in Einlagensicherungssystemen sowie der Schutz der Einleger von Zweigstellen, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Kreditinstitute errichtet haben, durch die Sicherungssysteme jedes Mitgliedstaats bewirken, daß es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Kreditinstitute unter Berufung auf den Einlegerschutz an der Entfaltung ihrer Tätigkeit zu hindern.

9 Das Parlament und der Rat haben, auch wenn sie das Subsidiaritätsprinzip in der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme nicht ausdrücklich erwähnt haben, der ihnen gemäß Artikel 190 des Vertrages obliegenden Begründungspflicht genügt, da sie die Gründe für ihre Ansicht erläutert haben, daß ihr Handeln mit diesem Prinzip im Einklang stehe, wobei sie darauf hingewiesen haben, daß das Ziel ihres Tätigwerdens wegen seiner Dimensionen besser auf Gemeinschaftsebene und von den Mitgliedstaaten nicht in ausreichendem Maß verwirklicht werden konnte.

10 Das durch Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme, der vorsieht, daß die den Einlegern der Zweigstellen von Kreditinstituten in anderen Mitgliedstaaten als dem Staat, in dem sie zugelassen sind, zur Verfügung stehende Deckung die von dem entsprechenden Sicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats gewährte Deckung nicht überschreiten darf, geschaffene Ausfuhrverbot, das der Rat und das Parlament deshalb als erforderlich angesehen haben, weil die Höhe und der Umfang der vom Sicherungssystem angebotenen Deckung nicht zu einem Instrument des Wettbewerbs werden sollten und weil durch Zweigstellen von Kreditinstituten, die eine höhere Deckung anbieten als die im Aufnahmemitgliedstaat zugelassenen Kreditinstitute, Störungen des Marktes verursacht werden könnten, und es damit ordnungsgemäß begründet haben, verstösst weder gegen die Artikel 3 Buchstabe s und 129a des Vertrages noch gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Zwar muß mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr im Bankensektor, zu deren Förderung die Richtlinie dient, das in den Artikeln 3 Buchstabe s und 129a des Vertrages genannte Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus einhergehen; der Vertrag enthält jedoch keine Bestimmung, die den Gemeinschaftsgesetzgeber dazu verpflichtet, das höchste, in einem bestimmten Mitgliedstaat bestehende Schutzniveau festzuschreiben. Folglich stellt die Senkung des Schutzniveaus, zu der die Anwendung von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie in einigen Fällen führen kann, das mit ihr angestrebte Gesamtergebnis nicht in Frage, das darin besteht, den Einlegerschutz innerhalb der Gemeinschaft spürbar zu verbessern, und ist somit nicht mit dem in den Artikeln 3 Buchstabe s und 129a des Vertrages festgelegten Ziel unvereinbar.

Im übrigen hat die begrenzte Kontrolle, die das Gericht über das Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers bei einem wirtschaftlich komplexen Sachverhalt ausübt, nicht gezeigt, daß die Gemeinschaftsorgane, als sie sich dafür entschieden haben, von vornherein jede Marktstörung zu verhindern, kein berechtigtes Ziel verfolgt haben oder daß das Ausfuhrverbot für die betroffenen Kreditinstitute offensichtlich unverhältnismässig war.

11 Das durch Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme, der vorsieht, daß die den Einlegern der Zweigstellen von Kreditinstituten in anderen Mitgliedstaaten als dem Staat, in dem sie zugelassen sind, zur Verfügung stehende Deckung die von dem entsprechenden Sicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats gewährte Deckung nicht überschreiten darf, geschaffene Ausfuhrverbot kann nicht allein deshalb als unvereinbar mit Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages angesehen werden, weil es Fälle gibt, die für die Zweigstellen der in einem bestimmten Mitgliedstaat zugelassenen Kreditinstitute nicht vorteilhaft sind.

Bei einer Harmonisierung kann es nämlich dazu kommen, daß die in einem Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer den Vorteil für sie besonders günstiger nationaler Rechtsvorschriften verlieren. Ausserdem trifft es zwar zu, daß dieses "Ausfuhrverbot" eine Ausnahme von dem Mindestmaß an Harmonisierung und der gegenseitigen Anerkennung darstellt, die mit der Richtlinie generell angestrebt werden; unter Berücksichtigung der Komplexität der Materie und der Unterschiede, die zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten fortbestanden, waren das Parlament und der Rat jedoch befugt, die erforderliche Harmonisierung schrittweise vorzunehmen.

Da es schließlich denkbar war, daß die Ausübung der Bankentätigkeit durch Zweigstellen von in einem Mitgliedstaat zugelassenen Instituten durch die Verpflichtung behindert wird, Mitglied eines gemäß der Empfehlung 87/63 der Kommission zur Einführung von Einlagensicherungssystemen in der Gemeinschaft geschaffenen Sicherungssystems in einem anderen Mitgliedstaat zu werden, trägt Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie dazu bei, diese Schranke abzubauen, und stellt jedenfalls eine weit geringere Belastung dar als die Verpflichtung, unterschiedlichen Rechtsvorschriften über die Einlagensicherungssysteme in den verschiedenen Aufnahmemitgliedstaaten nachzukommen.

12 Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, Zweigstellen von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstituten in ihre Einlagensicherungssysteme einzubeziehen, damit sie die Sicherung ergänzen, über die ihre Einleger bereits aufgrund ihrer Mitgliedschaft im System ihres Herkunftsmitgliedstaats verfügen, verstösst nicht gegen das Prinzip der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat.

Da das Prinzip der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat nicht im Vertrag verankert ist und vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich des Bankrechts nicht mit der Absicht aufgestellt wurde, ihm systematisch alle übrigen Regeln für diesen Bereich unterzuordnen, konnte er davon abweichen, sofern er nicht das berechtigte Vertrauen der Betroffenen verletzt, das nicht bestehen konnte, da er auf dem Gebiet der Einlagensicherung noch nicht tätig geworden war.

13 Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, Zweigstellen von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstituten in ihre Einlagensicherungssysteme einzubeziehen, damit sie die Sicherung ergänzen, über die ihre Einleger bereits aufgrund ihrer Mitgliedschaft im System ihres Herkunftsmitgliedstaats verfügen, verstösst nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Aus dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel, das darin besteht, den unliebsamen Begleiterscheinungen abzuhelfen, die sich aus unterschiedlich hohen Entschädigungen und unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für inländische Institute und Zweigstellen von Instituten aus einem anderen Mitgliedstaat in ein und demselben Hoheitsgebiet ergeben, und aus dem Bestreben des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Finanzierungskosten des Sicherungssystems durch die Festsetzung eines harmonisierten Mindestdeckungsbetrags zu berücksichtigen, geht nämlich hervor, daß er die Herkunftsmitgliedstaaten, die noch nicht über Einlagensicherungssysteme oder nur über Systeme mit einer geringeren Sicherung als diesem Mindestbetrag verfügten, nicht zu stark belasten wollte und ihnen unter diesen Umständen das mit einer höheren, aus der politischen Entscheidung eines bestimmten Aufnahmemitgliedstaats resultierenden Deckung verbundene Risiko nicht aufbürden konnte. Folglich hätte jede andere Lösung, wie z. B. eine zusätzliche obligatorische Deckung durch die Systeme des Herkunftsmitgliedstaats, die Erreichung des angestrebten Zieles nicht ermöglicht.

Da diese Verpflichtung im übrigen an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, die dem Aufnahmemitgliedstaat seine Aufgabe erleichtern sollen und wonach er u. a. die Zweigstellen, die sich einem seiner Sicherungssysteme anschließen wollen, zur Zahlung eines Beitrags verpflichten und vom Herkunftsstaat Auskünfte über die Zweigstellen fordern kann, werden die Sicherungssysteme der Aufnahmemitgliedstaaten durch sie nicht übermässig belastet.

14 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 94/19, der alle Kreditinstitute zur Mitgliedschaft in Einlagensicherungssystemen verpflichtet, verstösst nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

In Anbetracht der Tatsache, daß es in einigen Mitgliedstaaten kein Einlagensicherungssystem gab, und des Erfordernisses für den Gemeinschaftsgesetzgeber, ein Mindestmaß an Harmonisierung der Einlagensicherung ohne Rücksicht darauf zu gewährleisten, wo in der Gemeinschaft die Einlagen lokalisiert sind, kann die Auswirkung dieser Verpflichtung, daß eine beschränkte Zahl von Kreditinstituten eines Mitgliedstaats, in dem ein System freiwilliger Mitgliedschaft bestand, zum Beitritt gezwungen wird, nicht als übermässig angesehen werden.

Jede andere Lösung, wie z. B. eine Verpflichtung zur Information der Kunden über eine etwaige Mitgliedschaft, hätte es im übrigen nicht ermöglicht, das Ziel der Gewährleistung eines Mindestmasses an Harmonisierung der Sicherung aller Einlagen zu erreichen.


Urteil des Gerichtshofes vom 13. Mai 1997. - Bundesrepublik Deutschland gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union. - Richtlinie über Einlangensicherungssysteme - Rechtsgrundlage - Begründungspflicht - Subsidiaritätsprinzip - Verhältnismäßigkeit - Verbraucherschutz - Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat. - Rechtssache C-233/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 18. August 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag die Nichtigerklärung der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 135, S. 5; im folgenden: Richtlinie) und hilfsweise von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2, Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie beantragt.

2 Die Richtlinie wurde auf der Grundlage von Artikel 57 Absatz 2 Sätze 1 und 3 EG-Vertrag und gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrages erlassen. Die Bundesrepublik Deutschland stimmte im Rat gegen ihren Erlaß.

3 Der Richtlinie ging die Empfehlung 87/63/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1986 zur Einführung von Einlagensicherungssystemen in der Gemeinschaft (ABl. 1987, L 33, S. 16; im folgenden: Empfehlung der Kommission) voraus. Gemäß Nummer 1 Buchstabe b dieser Empfehlung dienten die Einlagensicherungssysteme zum Schutz der Einleger aller zugelassenen Kreditinstitute, einschließlich der Einleger der Zweigniederlassungen von Instituten, deren Hauptsitz sich in anderen Mitgliedstaaten befinde.

4 Da die Kommission zu der Auffassung gelangte, daß das mit dieser Empfehlung angestrebte Ziel nicht vollständig erreicht worden sei, legte sie am 14. April 1992 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Einlagensicherungssysteme vor (ABl. C 163, S. 6).

5 In Artikel 3 der Richtlinie heisst es:

"(1) Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Ausser in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen darf ein in dem Mitgliedstaat nach Artikel 3 der [Ersten] Richtlinie 77/780/EWG [des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. L 322, S. 30] zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.

Die Mitgliedstaaten können jedoch ein Kreditinstitut von der Pflicht zur Mitgliedschaft in einem Einlagensicherungssystem befreien, wenn das betreffende Kreditinstitut einem System angeschlossen ist, durch welches das Kreditinstitut selbst geschützt wird und insbesondere seine Liquidität und Solvenz gewährleistet werden, wodurch den Einlegern [ein] einem Einlagensicherungssystem zumindest gleichwertiger Schutz geboten wird, und sofern das betreffende System nach Auffassung der zuständigen Behörden die folgenden Voraussetzungen erfuellt:

- es besteht bereits zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie und ist amtlich anerkannt;

- es soll dazu dienen, ein Nichtverfügbarwerden der Einlagen der diesem System angeschlossenen Kreditinstitute zu vermeiden, und verfügt über die dazu erforderlichen Mittel;

- es handelt sich dabei nicht um eine Sicherung, die den Kreditinstituten durch den Mitgliedstaat selbst oder seine lokalen oder regionalen Behörden gewährt wird;

- es stellt die Unterrichtung der Einleger entsprechend Artikel 6 sicher.

Die Mitgliedstaaten, die von dieser Befugnis Gebrauch machen, teilen dies der Kommission mit; sie unterrichten sie vor allem über die Beschaffenheit dieser Schutzsysteme und die davon erfassten Kreditinstitute sowie über spätere Änderungen gegenüber den zunächst übermittelten Informationen. Die Kommission setzt den Beratenden Bankenausschuß davon in Kenntnis.

...

(4) Wenn das einzelstaatliche Recht es zulässt, kann ein aus einem Einlagensicherungssystem ausgeschlossenes Kreditinstitut mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Behörden, die die Zulassung erteilt haben, weiterhin Einlagen annehmen, sofern es vor seinem Ausschluß anderweitige Vorkehrungen zur Einlagensicherung getroffen hat, die den Einlegern einen Schutz garantieren, der dem des amtlich anerkannten Systems nach Höhe und Umfang mindestens gleichwertig ist."

6 Artikel 4 lautet:

"(1) In einem Mitgliedstaat nach Artikel 3 Absatz 1 errichtete und amtlich anerkannte Einlagensicherungssysteme schützen auch die Einleger von Zweigstellen, die die Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten errichtet haben.

Bis zum 31. Dezember 1999 dürfen weder Höhe noch Umfang - einschließlich der Quote - der dort gebotenen Deckung den Hoechstbetrag und Hoechstumfang der von dem entsprechenden Sicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats in dessen Hoheitsgebiet gewährten Deckung überschreiten.

Vor dem genannten Termin erstellt die Kommission anhand der bei der Anwendung von Unterabsatz 2 gemachten Erfahrungen einen Bericht und prüft, ob diese Regelung weiterhin erforderlich ist. Gegebenenfalls unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Richtlinienvorschlag zur Verlängerung der Gültigkeit dieser Regelung.

(2) Überschreiten Höhe oder Umfang - einschließlich der Quote - der von dem Sicherungssystem im Aufnahmemitgliedstaat gewährten Deckung Höhe oder Umfang der Deckung, die in dem Mitgliedstaat geboten wird, in dem das Kreditinstitut zugelassen ist, so sorgt der Aufnahmemitgliedstaat dafür, daß in seinem Hoheitsgebiet ein amtlich anerkanntes Einlagensicherungssystem vorhanden ist, dem sich eine Zweigstelle freiwillig anschließen kann, um die Sicherung zu ergänzen, über die ihre Einleger bereits aufgrund ihrer Mitgliedschaft im System des Herkunftsmitgliedstaats verfügen.

Die Zweigstelle soll sich dem System anschließen, das für den Institutstyp vorgesehen ist, dem sie im Aufnahmemitgliedstaat zuzurechnen ist oder am ehesten entspricht.

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß objektive und allgemein geltende Bedingungen für die Mitgliedschaft von Zweigstellen im System eines Aufnahmemitgliedstaats nach Absatz 2 festgelegt werden. Voraussetzung für die Aufnahme ist, daß alle einschlägigen mit der Mitgliedschaft einhergehenden Verpflichtungen erfuellt und insbesondere alle Beiträge und sonstigen Gebühren entrichtet werden. Die Umsetzung dieses Absatzes durch die Mitgliedstaaten erfolgt im Einklang mit den in Anhang II niedergelegten Leitprinzipien.

(4) Kommt eine Zweigstelle, die von der freiwilligen Mitgliedschaft gemäß Absatz 2 Gebrauch gemacht hat, ihren Verpflichtungen als Mitglied des Einlagensicherungssystems nicht nach, so werden die zuständigen Behörden, die die Zulassung erteilt haben, hiervon in Kenntnis gesetzt; sie ergreifen im Zusammenwirken mit dem Sicherungssystem alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß den genannten Verpflichtungen nachgekommen wird.

Kommt die Zweigstelle trotz dieser Maßnahmen den genannten Verpflichtungen nicht nach, so kann das Sicherungssystem die Zweigstelle nach Ablauf einer angemessenen Kündigungsfrist von mindestens zwölf Monaten mit Zustimmung der zuständigen Behörden, die die Zulassung erteilt haben, von dem System ausschließen. Vor dem Zeitpunkt des Ausschlusses getätigte Einlagen bleiben bis zu ihrer Fälligkeit unter dem Schutz der freiwilligen Einlagensicherung. Die Einleger sind vom Wegfall der ergänzenden Deckung zu unterrichten.

(5) Die Kommission berichtet spätestens bis zum 31. Dezember 1999 über die Anwendung der Absätze 2, 3 und 4 und unterbreitet gegebenenfalls hierzu Änderungsvorschläge."

7 Sodann ist in Artikel 7 folgendes bestimmt:

"(1) Für den Fall, daß Einlagen nicht verfügbar sind, sehen die Einlagensicherungssysteme vor, daß die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers bis zu einem Betrag von 20 000 ECU abgedeckt wird.

Bis zum 31. Dezember 1999 können die Mitgliedstaaten, in denen Einlagen zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie nicht bis zu einem Betrag von 20 000 ECU gesichert sind, den in ihren Sicherungssystemen vorgesehenen Hoechstbetrag beibehalten, sofern er 15 000 ECU nicht unterschreitet.

(2) Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, daß bestimmte Einleger oder bestimmte Einlagen von dieser Sicherung ausgenommen oder in geringerem Umfang gesichert werden. Die Liste dieser Ausnahmen ist in Anhang I beigefügt.

(3) Dieser Artikel schließt nicht aus, daß Vorschriften beibehalten oder erlassen werden, die eine höhere oder umfassendere Einlagensicherung bieten. Insbesondere können Einlagensicherungssysteme bestimmte Arten von Einlagen aus sozialen Erwägungen in voller Höhe decken.

..."

8 Die Artikel 8 bis 10 legen einzelne Anforderungen an die Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme fest.

Zum Hauptantrag

9 Zur Stützung ihres Hauptantrags auf Nichtigerklärung der gesamten Richtlinie beruft sich die Bundesregierung auf zwei Klagegründe, und zwar zum einen auf die fehlerhafte Rechtsgrundlage der Richtlinie und zum anderen auf einen Verstoß gegen die in Artikel 190 EG-Vertrag vorgesehene Begründungspflicht.

Zum Klagegrund der fehlerhaften Rechtsgrundlage der Richtlinie

10 Die deutsche Regierung ist der Ansicht, daß Artikel 57 Absatz 2 Sätze 1 und 3 des Vertrages, wonach der Rat und das Parlament Richtlinien zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten erlassen, nicht die alleinige Rechtsgrundlage der Richtlinie darstellen könne. Aus der ersten, der zweiten, der vierten, der sechzehnten und der siebzehnten Begründungserwägung der Richtlinie gehe hervor, daß diese nicht nur auf die Regelung der Tätigkeit der Banken beschränkt sei, sondern in erster Linie zur Verbesserung des Schutzes der Einleger diene. Die Richtlinie hätte daher auch auf Artikel 235 des Vertrages gestützt werden müssen. Da Artikel 57 nämlich eine speziellere Vorschrift als Artikel 100a sei, sei die letztgenannte Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Artikel 129a des Vertrages, der speziell den Schutz der Verbraucher, zu denen die Einleger gehörten, zum Gegenstand habe, ermächtige den Rat nicht, neben Maßnahmen, die in Anwendung von Artikel 100a getroffen würden, auch solche Maßnahmen zu erlassen, die zu den in Artikel 189 des Vertrages genannten Rechtsakten zählten.

11 Im Ergebnis sei die Richtlinie daher mangels der nach Artikel 235 des Vertrages erforderlichen Einstimmigkeit nicht ordnungsgemäß erlassen worden.

12 Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft muß sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts (vgl. zuletzt Urteil vom 3. Dezember 1996 in der Rechtssache C-268/94, Portugal/Rat, Slg. 1996, I-0000, Randnr. 22).

13 Gemäß ihrer ersten Begründungserwägung, in der auf die Ziele des Vertrages Bezug genommen wird, die in dessen Artikel 2 am allgemeinsten formuliert sind, dient die Richtlinie dazu, die harmonische Entwicklung der Tätigkeiten der Kreditinstitute in der Gemeinschaft durch die Aufhebung aller Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu fördern und gleichzeitig die Stabilität des Bankensystems und den Schutz der Sparer zu erhöhen.

14 Nach Artikel 3 Buchstabe c des Vertrages umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft die Schaffung eines Binnenmarktes, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Ferner ist in Artikel 7a des Vertrages vorgesehen, daß die Gemeinschaft die erforderlichen Maßnahmen trifft, um u. a. gemäß Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen.

15 Demnach tragen die gemäß der letztgenannten Bestimmung erlassenen Maßnahmen zur Beseitigung der Hindernisse für den freien Verkehr bei, die sich u. a. aus Unterschieden zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten ergeben können.

16 Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, können die Mitgliedstaaten nämlich mangels einer Koordinierung auf Gemeinschaftsebene unter bestimmten Voraussetzungen nationale Maßnahmen erlassen, mit denen ein mit dem Vertrag vereinbares berechtigtes Ziel verfolgt wird und die aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, zu denen der Verbraucherschutz gehört, gerechtfertigt sind (vgl. u. a. Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755).

17 Die Mitgliedstaaten können folglich unter bestimmten Umständen Maßnahmen erlassen oder beibehalten, die den freien Verkehr behindern. Gerade solche Hindernisse darf die Gemeinschaft nach Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages durch die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten beseitigen. Da es sich um Koordinierungsmaßnahmen handelt, trägt die Gemeinschaft dem von den verschiedenen Mitgliedstaaten verfolgten Allgemeininteresse Rechnung und legt zur Wahrung dieses Interesses ein Schutzniveau fest, das in der Gemeinschaft akzeptabel erscheint.

18 Die Richtlinie sieht die Pflichtmitgliedschaft aller Kreditinstitute in Einlagensicherungssystemen vor, die sicherstellen, daß die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers bei einem Kreditinstitut für den Fall, daß Einlagen nicht verfügbar sind, bis zu einem Betrag von 20 000 ECU abgedeckt wird. Ausserdem schützen die in einem Mitgliedstaat nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie errichteten Einlagensicherungssysteme auch die Einleger von Zweigstellen, die die Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten errichtet haben.

19 Diese mit der Richtlinie geschaffenen Mechanismen bewirken, daß es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Kreditinstitute unter Berufung auf den Einlegerschutz an der Entfaltung ihrer Tätigkeit zu hindern. Damit ist klar ersichtlich, daß die Richtlinie Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr beseitigt.

20 Demnach haben sich das Parlament und der Rat beim Erlaß der Richtlinie zu Recht auf Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages gestützt und waren nicht verpflichtet, eine andere Rechtsgrundlage heranzuziehen.

21 Folglich ist der Klagegrund der Fehlerhaftigkeit der Rechtsgrundlage zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen die Begründungspflicht

22 Die Bundesregierung trägt vor, die Richtlinie müsse wegen Verstosses gegen die in Artikel 190 des Vertrages vorgesehene Begründungspflicht für nichtig erklärt werden. Sie enthalte nämlich keine Ausführungen zu ihrer Vereinbarkeit mit dem in Artikel 3b Absatz 2 des Vertrages verankerten Subsidiaritätsprinzip. Da dieses Prinzip die Kompetenzen der Gemeinschaft beschränke und da der Gerichtshof zu prüfen habe, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Grenzen seiner Kompetenzen überschritten habe, müsse es der Kontrolle durch den Gerichtshof unterliegen. Überdies verlange die in Artikel 190 verankerte Begründungspflicht, auf die wichtigsten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen Bezug zu nehmen, die einem Rechtsakt zugrunde lägen; zu ihnen gehöre auch die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips.

23 Zum konkreten Inhalt der Begründungspflicht hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips führt die deutsche Regierung aus, die Gemeinschaftsorgane müssten detailliert darlegen, aus welchen Gründen nur die Gemeinschaft in dem fraglichen Bereich tätig werden könne, nicht die Mitgliedstaaten. Im vorliegenden Fall sei der Richtlinie weder zu entnehmen, weshalb ihre Ziele durch Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden könnten, noch enthalte sie die Gründe, die für ein Handeln der Gemeinschaft sprächen.

24 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die klagende Regierung im Rahmen dieses Klagegrundes keinen Verstoß der Richtlinie gegen das Subsidiaritätsprinzip geltend macht, sondern dem Gemeinschaftsgesetzgeber nur vorwirft, keine Gründe zur Rechtfertigung seines Handelns im Hinblick auf dieses Prinzip angegeben zu haben.

25 Die in Artikel 190 des Vertrages verankerte Begründungspflicht verlangt, daß alle dort genannten Rechtsakte eine Darstellung der Gründe enthalten, die das Organ zu ihrem Erlaß veranlasst haben, so daß der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann und sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Betroffenen die Bedingungen erfahren, unter denen die Gemeinschaftsorgane den Vertrag angewandt haben (vgl. u. a. Urteil vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-41/93, Frankreich/Kommission, Slg. 1994, I-1829, Randnr. 34).

26 Im vorliegenden Fall haben das Parlament und der Rat in der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie der Ansicht Ausdruck gegeben, daß es zweckmässig sei, sich "mit der Situation zu befassen, die im Falle des Nichtverfügbarwerdens der Einlagen in einem Kreditinstitut mit Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten entstehen kann", und daß ein "Mindestmaß an Harmonisierung der Einlagensicherung... gewährleistet sein [muß] ohne Rücksicht darauf, wo in der Gemeinschaft die Einlagen lokalisiert sind". Diese Erwägungen zeigen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber der Auffassung war, daß das mit seinem Tätigwerden verfolgte Ziel wegen der Dimensionen der vorgesehenen Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden konnte. Der gleiche Gedankengang findet sich auch in der dritten Begründungserwägung, nach der die Entscheidung über das zuständige Sicherungssystem im Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Zweigstelle in einem anderen als dem Mitgliedstaat, in dem das Kreditinstitut seinen Sitz hat, Auswirkungen hat, die über die Grenzen einzelner Mitgliedstaaten hinaus spürbar sind.

27 Ausserdem haben das Parlament und der Rat in der fünften Begründungserwägung ausgeführt, daß das mit der Empfehlung der Kommission angestrebte Ziel durch die von den Mitgliedstaaten daraufhin ergriffenen Maßnahmen nicht vollständig erreicht worden sei. Damit hat der Gemeinschaftsgesetzgeber festgestellt, daß das Ziel seines Tätigwerdens von den Mitgliedstaaten nicht in ausreichendem Maß verwirklicht werden konnte.

28 Aus diesen Erwägungen geht hervor, daß das Parlament und der Rat jedenfalls die Gründe für ihre Ansicht erläutert haben, daß ihr Handeln mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang stehe, so daß sie der in Artikel 190 des Vertrages verankerten Begründungspflicht genügt haben. Eine ausdrückliche Erwähnung dieses Prinzips ist insoweit nicht zu verlangen.

29 Aus diesen Gründen geht der Klagegrund des Verstosses gegen die Begründungspflicht in tatsächlicher Hinsicht fehl und ist daher zurückzuweisen.

Zum Hilfsantrag

30 Hilfsweise beantragt die Bundesregierung die Nichtigerklärung von

- Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie, der vorsieht, daß die den Einlegern der Zweigstellen von Kreditinstituten in anderen Mitgliedstaaten als dem Staat, in dem sie zugelassen sind, zur Verfügung stehende Deckung die von dem entsprechenden Sicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats gewährte Deckung nicht überschreiten darf ("Ausfuhrverbot"),

- Artikel 4 Absatz 2, wonach der Mitgliedstaat, dessen Einlagensicherungssystem die Höhe oder den Umfang der Deckung überschreitet, die in einem anderen Mitgliedstaat geboten wird, ein Einlagensicherungssystem schaffen muß, dem sich die Zweigstellen der im letztgenannten Staat zugelassenen Kreditinstitute anschließen können, um ihre Sicherung zu ergänzen ("ergänzende Sicherung"), und

- Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie, der die Kreditinstitute zur Mitgliedschaft in einem Sicherungssystem verpflichtet ("Pflichtmitgliedschaft").

Zu Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2

31 Die deutsche Regierung macht erstens geltend, das in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie aufgestellte "Ausfuhrverbot" sei nicht ausreichend begründet.

32 Zweitens verstosse es gegen Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages, der die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat erleichtern solle.

33 Drittens sei es mit dem in den Artikeln 3 Buchstabe s und 129a genannten Ziel der Gemeinschaft unvereinbar, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen.

34 Viertens verstosse es gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen die Begründungspflicht

35 Die Bundesregierung trägt vor, die in diesem Zusammenhang allein maßgebliche vierzehnte Begründungserwägung enthalte nur eine allgemeine Begründung und sage nichts darüber aus, weshalb der Rat und das Parlament es für nötig gehalten hätten, daß die Höhe und der Umfang der Sicherung nicht zu einem Instrument des Wettbewerbs würden. Sie hätten insbesondere angeben müssen, welche Umstände ihres Erachtens geeignet seien, die dort erwähnten Marktstörungen auszulösen.

36 Angesichts der in Randnummer 25 des vorliegenden Urteils dargestellten Rechtsprechung ist festzustellen, daß die Gemeinschaftsorgane ihrer Pflicht zur Begründung des "Ausfuhrverbots" nachgekommen sind. Sie haben in der vierzehnten Begründungserwägung erläutert, daß durch Zweigstellen von Kreditinstituten, die eine höhere Deckung anbieten als die im Aufnahmemitgliedstaat zugelassenen Kreditinstitute, Störungen des Marktes verursacht werden könnten, und hinzugefügt, daß die Höhe und der Umfang der vom Sicherungssystem angebotenen Deckung nicht zu einem Instrument des Wettbewerbs werden sollten. Daraus haben sie geschlossen, daß zumindest für eine Anfangszeit vorzusehen sei, daß die Höhe und der Umfang der Deckung, die das System des Herkunftsmitgliedstaats den Einlegern von Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat biete, die maximale Höhe und den maximalen Umfang der vom entsprechenden System des Aufnahmemitgliedstaats angebotenen Deckung nicht überschritten.

37 Aus diesen Erwägungen gehen klar die Gründe hervor, aus denen der Gesetzgeber Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie geschaffen hat.

38 Der Klagegrund des Verstosses gegen die Begründungspflicht ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages

39 Die Bundesregierung trägt vor, das "Ausfuhrverbot", das die Zweigstellen dazu zwinge, die Höhe ihrer Sicherung auf das Niveau des Aufnahmemitgliedstaats zu senken, führe dazu, daß die Ausübung ihrer Tätigkeit in diesem Staat erschwert oder behindert werde, und verstosse damit gegen das Ziel des Artikels 57 Absatz 2, das gerade darin bestehe, die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten zu erleichtern. Das "Ausfuhrverbot" beeinträchtige auch den Prozeß der Verringerung der Unterschiede zwischen nationalen Sicherungssystemen und verstosse damit gegen das Ziel der Richtlinie, in allen Mitgliedstaaten Einlagensicherungssysteme einzuführen und die bereits bestehenden Systeme zu harmonisieren. Diese Ziele müssten durch ein Mindestmaß an Harmonisierung und die gegenseitige Anerkennung der nationalen Systeme erreicht werden.

40 Die deutsche Einlagensicherungsregelung, die für den Schutz der Sparer bei Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten gelte, werde von diesen Staaten nicht anerkannt, so daß das Schutzniveau dort reduziert werden müsse. Die daraus resultierende Verpflichtung der deutschen Kreditinstitute, für Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten differenzierte Beitragssätze einzuführen, würde zu erheblichen Schwierigkeiten führen und diese Kreditinstitute sogar daran hindern, Filialnetze in anderen Mitgliedstaaten zu errichten, wie sie dies ohne ein "Ausfuhrverbot" täten. Auch die italienischen, dänischen und französischen Kreditinstitute seien betroffen, da die Richtlinie sie dazu zwinge, das Schutzniveau für Einlagen bei Zweigstellen in einigen anderen Mitgliedstaaten zu senken.

41 Zunächst gestattet Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages dem Parlament und dem Rat, Richtlinien über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten zu erlassen, um die Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr zu beseitigen. Als ein solches Hindernis haben sich die grundlegenden Unterschiede zwischen den in den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehenden Einlagensicherungssystemen herausgestellt. Infolgedessen wurden die diese Systeme betreffenden Rechtsvorschriften harmonisiert, um die Tätigkeit der Kreditinstitute auf Gemeinschaftsebene zu erleichtern.

42 Unter diesen Umständen kann das "Ausfuhrverbot" nicht allein deshalb als unvereinbar mit Artikel 57 Absatz 2 angesehen werden, weil es Fälle gibt, die für die Zweigstellen der in einem bestimmten Mitgliedstaat zugelassenen Kreditinstitute nicht vorteilhaft sind. Bei einer Harmonisierung kann es nämlich dazu kommen, daß die in einem Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer den Vorteil für sie besonders günstiger nationaler Rechtsvorschriften verlieren.

43 Des weiteren trifft es zu, daß das "Ausfuhrverbot" eine Ausnahme von dem Mindestmaß an Harmonisierung und der gegenseitigen Anerkennung darstellt, die mit der Richtlinie generell angestrebt werden. Unter Berücksichtigung der Komplexität der Materie und der Unterschiede, die zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten fortbestanden, waren das Parlament und der Rat jedoch befugt, die erforderliche Harmonisierung schrittweise vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-193/94, Skanavi und Chryssanthakopoulos, Slg. 1996, I-929, Randnr. 27).

44 Schließlich sollten nach der Empfehlung der Kommission die Einlagensicherungssysteme des Aufnahmemitgliedstaats die Einleger der Zweigniederlassungen von Instituten schützen, deren Hauptsitz sich in anderen Mitgliedstaaten befindet. In der später erlassenen Zweiten Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (ABl. L 386, S. 1; im folgenden: Zweite Bankenrichtlinie) wurde die Frage der Einlagensicherungssysteme nicht behandelt. Unter diesen Umständen war es denkbar, daß die Ausübung der Bankentätigkeit durch Zweigstellen von in Deutschland zugelassenen Instituten durch die Verpflichtung behindert wird, Mitglied eines gemäß der Empfehlung der Kommission geschaffenen Sicherungssystems in einem anderen Mitgliedstaat zu werden. Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie trägt dazu bei, diese Schranke abzubauen, indem er den Einfluß der Sicherungssysteme des Aufnahmemitgliedstaats allgemein in der Weise reduziert, daß er einfach die Hoechstdeckung, die den Einlegern von Zweigstellen, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Kreditinstitute errichtet haben, gewährt wird, in den Fällen begrenzt, in denen sie 20 000 ECU oder gegebenenfalls 15 000 ECU überschreitet. Diese Begrenzung ist jedenfalls eine weit geringere Belastung als die Verpflichtung, unterschiedlichen Rechtsvorschriften über die Einlagensicherungssysteme in den verschiedenen Aufnahmemitgliedstaaten nachzukommen. Folglich erleichtert Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 selbst den Zweigstellen von in Deutschland zugelassenen Kreditinstituten die Aufnahme und Ausübung der Bankentätigkeit in anderen Mitgliedstaaten.

45 Der Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 57 Absatz 2 des Vertrages ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Unvereinbarkeit mit dem in den Artikeln 3 Buchstabe s und 129a des Vertrages genannten Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus

46 Die Bundesregierung weist darauf hin, daß der Verbraucherschutz gemäß Artikel 3 Buchstabe s des Vertrages ein verbindliches Ziel der Gemeinschaft sei und daß mit Artikel 129a ein eigener Titel "Verbraucherschutz" in den Vertrag aufgenommen worden sei. Überdies ergebe sich aus der ersten und der sechzehnten Begründungserwägung der Richtlinie, daß sie den Schutz der Sparer erhöhen solle; dieser sei aber um so grösser, je höher der Betrag der Sicherung liege.

47 Das durch Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 angeordnete "Ausfuhrverbot" benachteilige aber nicht nur die Sparer in einem Mitgliedstaat mit einer niedrigen Mindestdeckung, die über Einlagen bei einer Zweigstelle eines Kreditinstituts verfügten, das in einem Mitgliedstaat zugelassen sei, der hohe Anforderungen an das Schutzniveau stelle, sondern auch die Sparer, die über Einlagen in einem Mitgliedstaat mit hohem Schutzniveau verfügten und diese zu einer Zweigstelle in einem Mitgliedstaat mit niedrigerem Schutz transferieren wollten. Die genannte Bestimmung stehe daher im Widerspruch zum Ziel des Vertrages.

48 Hierzu genügt die Feststellung, daß der Verbraucherschutz zwar eines der Ziele der Gemeinschaft, offenkundig aber nicht ihr einziges Ziel ist. Wie bereits ausgeführt, dient die Richtlinie der Förderung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Bankensektor. Mit diesen Freiheiten muß zweifellos ein hohes Verbraucherschutzniveau in der Gemeinschaft einhergehen; der Vertrag enthält jedoch keine Bestimmung, die den Gemeinschaftsgesetzgeber dazu verpflichtet, das höchste, in einem bestimmten Mitgliedstaat bestehende Schutzniveau festzuschreiben. Die Senkung des Schutzniveaus, zu der die Anwendung von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie somit in einigen Fällen führen kann, stellt das mit der Richtlinie angestrebte Gesamtergebnis nicht in Frage, das darin besteht, den Einlegerschutz innerhalb der Gemeinschaft spürbar zu verbessern.

49 Aus diesen Gründen ist auch der Klagegrund der Unvereinbarkeit von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 mit dem in den Artikeln 3 Buchstabe s und 129a des Vertrages genannten Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

50 Die Bundesregierung macht geltend, daß sich der Gemeinschaftsgesetzgeber auch bei rechtsangleichenden Maßnahmen innerhalb seines Ermessensspielraums halten müsse, der unter anderem durch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit begrenzt werde. Dieser Grundsatz sei aber im vorliegenden Fall nicht beachtet worden.

51 Das in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie verankerte "Ausfuhrverbot" sei grundsätzlich mit Artikel 52 des Vertrages unvereinbar, da es die Niederlassungsfreiheit beschränke. Den Zweigstellen werde ein Mittel im Wettbewerb mit den einheimischen Banken des Aufnahmemitgliedstaats genommen, so daß die Kreditinstitute in einigen Fällen sogar gezwungen sein könnten, aus diesem Grund darauf zu verzichten, in einem anderen Mitgliedstaat ein Filialnetz aufzubauen.

52 Das "Ausfuhrverbot" sei aber zur Erreichung des Zieles der Richtlinie, das darin bestehe, Marktstörungen zu verhindern, die dann aufträten, wenn Kunden ihre Einlagen von einheimischen Kreditinstituten abzögen und sie bei Zweigstellen von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstituten deponierten, nicht erforderlich, da es Alternativen zu diesem Verbot gebe, die die Tätigkeit der Kreditinstitute nicht so stark beeinträchtigen würden. So hätte man z. B. eine Schutzklausel zugunsten der Kreditinstitute in Mitgliedstaaten mit niedrigerem Einlegerschutz schaffen können, die erst dann zum Eingreifen ermächtige, wenn eine Marktstörung in einem Mitgliedstaat bevorstehe.

53 Eine solche Schutzklausel für den Krisenfall hätte im Einklang mit der Konzeption von Schutzmaßnahmen im Gemeinschaftsrecht gestanden und wäre hier völlig ausreichend gewesen. Marktstörungen durch Kapitalübertragungen der Einleger auf Zweigstellen von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Banken wären deshalb nicht zu befürchten gewesen, weil Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie die Nutzung von Angaben über die Einlagensicherungssysteme zu Werbezwecken begrenze. Ohne Werbung hätten die Einleger nur nach und nach von der Existenz vorteilhafterer Sicherungssysteme erfahren, und nicht alle hätten sofort erhebliche Abhebungen vorgenommen, so daß die betroffenen Behörden Zeit zum Erlaß von Schutzmaßnahmen gehabt hätten.

54 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kommt es für die Frage, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entspricht, darauf an, ob die gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet sind und ob sie das Maß des hierzu Erforderlichen nicht übersteigen (vgl. u. a. Urteil vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-0000, Randnr. 57).

55 Bei der Würdigung der Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahme ist hervorzuheben, daß der Sachverhalt, um dessen Regelung sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bemüht hat, wirtschaftlich komplex ist. Vor dem Erlaß der Richtlinie gab es nicht in allen Mitgliedstaaten Einlagensicherungssysteme; zudem schützten die meisten von ihnen nicht die Einleger von Zweigstellen der in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hatte somit die künftigen und ungewissen Wirkungen seines Tätigwerdens zu beurteilen. Dabei hatte er die Wahl zwischen einer allgemeinen Risikovorsorge und der Einführung eines punktüllen Schutzsystems.

56 In einem solchen Fall kann der Gerichtshof die Beurteilung des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen. Er könnte dessen gesetzgeberische Entscheidung allenfalls dann beanstanden, wenn sich diese als offensichtlich fehlerhaft erwiese oder wenn die Nachteile, die sich aus ihr für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ergeben, zu den im übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig ausser Verhältnis stuenden.

57 Aus der vierzehnten Begründungserwägung der Richtlinie geht hervor, daß sich das Parlament und der Rat dafür entschieden haben, von vornherein jede Marktstörung zu verhindern, die dadurch entstehen könnte, daß Zweigstellen von Kreditinstituten eine höhere Deckung anbieten als die im Aufnahmemitgliedstaat zugelassenen Kreditinstitute. Da die Möglichkeit einer solchen Störung nicht ganz ausgeschlossen werden konnte, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß er ein berechtigtes Ziel verfolgte. Im übrigen ist die mit dem "Ausfuhrverbot" verbundene Einschränkung der Tätigkeit der betroffenen Kreditinstitute nicht offensichtlich unverhältnismässig.

58 Folglich ist auch der Klagegrund eines Verstosses gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zurückzuweisen.

59 Aus diesen Gründen ist der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie zurückzuweisen.

Zu Artikel 4 Absatz 2

60 Nach Ansicht der Bundesregierung verstösst die in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie normierte Pflicht, Zweigniederlassungen zur Ergänzung der in ihrem Herkunftsstaat vorgesehenen Sicherung in das Sicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats einzubeziehen, gegen das Prinzip der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Zum Klagegrund eines Verstosses gegen das Prinzip der Herkunftslandkontrolle

61 Die klagende Regierung trägt vor, der Gemeinschaftsgesetzgeber sei zur Zeit des Erlasses der Richtlinie bereits an das Prinzip der Herkunftslandkontrolle gebunden gewesen. Dieses Prinzip, das durch die Zweite Bankenrichtlinie, die von den Mitgliedstaaten bis zum 1. Januar 1993 habe umgesetzt werden müssen, endgültig festgeschrieben worden sei, sei schon 1985 im Weißbuch der Kommission als maßgebliches Mittel zur Harmonisierung und Koordinierung der nationalen Vorschriften über die Finanzdienstleistungen bezeichnet worden. Dieses Weißbuch habe der Europäische Rat 1985 ausdrücklich gebilligt.

62 Das Parlament und der Rat hätten durch den Erlaß von Artikel 4 Absatz 2 gegen dieses Prinzip verstossen. Werde nämlich von der Möglichkeit der ergänzenden Sicherung Gebrauch gemacht, so lägen die Bankenaufsicht, die Prüfungszuständigkeit und die Einlagensicherung nicht mehr allein in der Hand der Behörden oder des Sicherungssystems des Herkunftsmitgliedstaats, sondern verteilten sich auf Herkunfts- und Aufnahmestaat. Dies habe zur Folge, daß das Einlagensicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats, das das Insolvenzrisiko der Zweigstelle trage, aufgrund der Zweiten Bankenrichtlinie deren liquide Mittel und Solvenz nicht in ausreichendem Masse überprüfen könne.

63 Darüber hinaus könne der Gemeinschaftsgesetzgeber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bei der Ausübung seiner Befugnisse nicht ohne Rechtfertigung von seiner früheren Praxis abweichen.

64 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß nicht dargetan worden ist, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber das Prinzip der Herkunftslandkontrolle im Bereich des Bankrechts mit der Absicht aufgestellt hätte, ihm systematisch alle übrigen Regeln für diesen Bereich unterzuordnen. Ausserdem konnte der Gemeinschaftsgesetzgeber, da es sich nicht um ein im Vertrag verankertes Prinzip handelt, davon abweichen, sofern er nicht das berechtigte Vertrauen der Betroffenen verletzt. Da er auf dem Gebiet der Einlagensicherung noch nicht tätig geworden war, konnte kein solches berechtigtes Vertrauen bestehen.

65 Aus diesen Gründen ist der Klagegrund des Verstosses gegen das Prinzip der Herkunftslandkontrolle zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

66 Nach Ansicht der Bundesregierung verstösst Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, da die dort vorgesehene Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zieles nicht erforderlich sei.

67 Die Einlagensicherungssysteme des Aufnahmemitgliedstaats müssten für die Differenz zwischen der im Herkunftsmitgliedstaat vorgesehenen niedrigeren Deckung und der im Aufnahmemitgliedstaat gewährten höheren Deckung und in bestimmten Fällen sogar für die gesamte Sicherung eintreten.

68 Die ergänzende Sicherung berge somit erhebliche Risiken für die Einlagensicherungssysteme des Aufnahmemitgliedstaats, da diese zur Entschädigung der Einleger verpflichtet seien, obwohl der Aufnahmestaat die liquiden Mittel und die Solvenz der Zweigstelle nicht mehr hinreichend überprüfen könne und daher auch einen eventuellen Konkurs einer Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts nicht vorhersehen oder vermeiden könne. Diese Risiken könnten jedenfalls nicht dadurch ausgeschaltet werden, daß jedes Sicherungssystem gemäß den Leitprinzipien im Anhang II der Richtlinie die Übermittlung aller einschlägigen Angaben fordern und diese Angaben im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaats überprüfen könne. Die Aufsichtsbehörden des Herkunftsmitgliedstaats seien nämlich nicht verpflichtet, die erforderlichen Angaben zu übermitteln.

69 Eine Bestimmung, nach der die Einlagensicherungssysteme des Herkunftsmitgliedstaats den Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat eine ergänzende Sicherung anbieten würden, damit diese das Sicherungsniveau des Aufnahmemitgliedstaats erreichen könnten, hätte eine weniger einschneidende Alternative geboten. Der Vorteil dieser Regelung, die im übrigen in der dreizehnten Begründungserwägung der Richtlinie als Alternative zur ergänzenden Sicherung genannt worden sei, bestehe darin, daß das Insolvenzrisiko - und damit die Pflicht zur Entschädigung der Einleger - nicht mehr auf das Sicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats abgewälzt werde, sondern beim Herkunftsstaat verbleibe, der weit bessere Kontrollmöglichkeiten habe.

70 Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie dient nach deren dreizehnter Begründungserwägung dazu, den unliebsamen Begleiterscheinungen abzuhelfen, die sich aus unterschiedlich hohen Entschädigungen und unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für inländische Institute und Zweigstellen von Instituten aus einem anderen Mitgliedstaat in ein und demselben Hoheitsgebiet ergeben. Ausserdem hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in der sechzehnten Begründungserwägung die Auffassung vertreten, daß die Finanzierungskosten des Sicherungssystems berücksichtigt werden sollten und daß es zweckmässig erscheine, den harmonisierten Mindestdeckungsbetrag auf 20 000 ECU festzusetzen. Gemäß Artikel 7 der Richtlinie kann bis zum 31. Dezember 1999 von diesem Mindestbetrag abgewichen werden; bis zu diesem Zeitpunkt braucht die Sicherung 15 000 ECU nicht zu übersteigen.

71 Aus diesen Begründungserwägungen und Bestimmungen geht hervor, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Herkunftsmitgliedstaaten, die noch nicht über Einlagensicherungssysteme oder nur über Systeme mit einer geringeren Sicherung verfügten, nicht zu stark belasten wollte. Unter diesen Umständen konnte er ihnen das mit einer höheren, aus der politischen Entscheidung eines bestimmten Aufnahmemitgliedstaats resultierenden Deckung verbundene Risiko nicht aufbürden. Die von der klagenden Regierung vorgeschlagene Alternative einer zusätzlichen obligatorischen Deckung durch die Systeme des Herkunftsmitgliedstaats hätte daher die Erreichung des angestrebten Zieles nicht ermöglicht.

72 Hinzu kommt, wie der Generalanwalt in den Nummern 136 bis 146 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, daß die dem Aufnahmemitgliedstaat auferlegte Verpflichtung an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, die ihm seine Aufgabe erleichtern sollen. So kann der Aufnahmemitgliedstaat gemäß Artikel 4 Absatz 3 die Zweigstellen, die sich einem seiner Sicherungssysteme anschließen wollen, zur Zahlung eines Beitrags verpflichten, und gemäß Anhang II Buchstabe a der Richtlinie vom Herkunftsstaat Auskünfte über diese Zweigstellen fordern. Darüber hinaus soll durch Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie sichergestellt werden, daß eine solche Zweigstelle ihren Verpflichtungen als Mitglied des Einlagensicherungssystems nachkommt. Aus diesen verschiedenen Bestimmungen ergibt sich, daß Artikel 4 Absatz 2 nicht dazu führt, daß die Sicherungssysteme der Aufnahmemitgliedstaaten übermässig belastet werden.

73 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Klagegrund eines Verstosses gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zurückzuweisen.

74 Folglich ist auch der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie zurückzuweisen.

Zu Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2

75 Nach Ansicht der Bundesregierung verstösst die in Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie vorgesehene Pflichtmitgliedschaft gegen Artikel 3b Absatz 3 des Vertrages und den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

76 Sie trägt zunächst vor, der in Artikel 3b Absatz 3 des Vertrages verankerte Grundsatz der Verhältnismässigkeit sei u. a. in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburg zu dieser Bestimmung konkretisiert worden, in denen es heisse, daß sich die Gemeinschaft bemühe, beim Erlaß gesetzgeberischer Maßnahmen bewährten einzelstaatlichen Regelungen Rechnung zu tragen, und daß die von der Gemeinschaft getroffenen Maßnahmen den Mitgliedstaaten alternative Möglichkeiten bieten sollten, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

77 Bei der Abfassung von Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie hätten das Parlament und der Rat jedoch das in Deutschland als "bewährte einzelstaatliche Regelung" im Sinne der Leitlinien des Europäischen Rates bestehende System ausser acht gelassen. Dort existiere seit 1976 ein Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes der deutschen Banken, in dem die Mitgliedschaft freiwillig sei und der sich bewährt habe.

78 Ausserdem lasse die nach der Richtlinie vorgeschriebene Pflichtmitgliedschaft in den Mitgliedstaaten keinen Raum für "alternative Möglichkeiten" zur Durchführung der Richtlinie wie z. B. ein freiwilliges Einlagensicherungssystem. Da die freiwillige Mitgliedschaft für die Kreditinstitute einen Wettbewerbsvorteil darstelle, schlössen sie sich auch ohne staatlichen Zwang einem Einlagensicherungssystem an. So hätten in Deutschland im Oktober 1993 lediglich fünf Kreditinstitute mit einem insgesamt gesehen geringen Einlagenvolumen keinem solchen System angehört.

79 Schließlich stelle die Pflichtmitgliedschaft für die Kreditinstitute eine übermässige Belastung dar. Wie das deutsche System beweise, könne der Einlegerschutz durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen verwirklicht werden, so z. B. durch die Verpflichtung einer Bank, ihre Kunden über ihre Mitgliedschaft in einem Einlagensicherungssystem zu informieren.

80 Ohne daß der genaue rechtliche Stellenwert der Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburg, auf die sich die klagende Regierung berufen hat, geklärt zu werden braucht, ist erstens darauf hinzuweisen, daß bei einer vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommenen Harmonisierung nicht alle "bewährten einzelstaatlichen Regelungen" beachtet werden können.

81 Zweitens ist die Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall offenbar der einzige Mitgliedstaat, der die freiwillige Mitgliedschaft im Einlagensicherungssystem als eine solche Regelung bezeichnet.

82 Drittens steht fest, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Gewährleistung eines Mindestmasses an Harmonisierung der Einlagensicherung ohne Rücksicht darauf, wo in der Gemeinschaft die Einlagen lokalisiert sind, als erforderlich angesehen hat. In Anbetracht dieses Erfordernisses und der Tatsache, daß es in einigen Mitgliedstaaten kein Einlagensicherungssystem gab, ist nicht zu beanstanden, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Pflichtmitgliedschaft eingeführt hat, obwohl sich in Deutschland ein System freiwilliger Mitgliedschaft bewährt hat.

83 Hinzu kommt schließlich, daß im Oktober 1993, wie die klagende Regierung selbst einräumt, nur fünf von dreihundert Kreditinstituten keinem Einlagensicherungssystem angeschlossen waren. Die Auswirkung der Pflichtmitgliedschaft besteht somit nur darin, daß diese wenigen Kreditinstitute zum Beitritt gezwungen werden, und kann deshalb nicht als übermässig angesehen werden.

84 Aus den gleichen Gründen ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber keine Alternative zur Pflichtmitgliedschaft, insbesondere in Form einer Verpflichtung zur Information der Kunden über eine etwaige Mitgliedschaft, vorgesehen hat. Diese Verpflichtung hätte es nämlich nicht ermöglicht, das Ziel der Gewährleistung eines Mindestmasses an Harmonisierung der Sicherung aller Einlagen zu erreichen.

85 Folglich ist der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie zurückzuweisen.

86 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

87 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union entsprechende Anträge gestellt haben und die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Artikel 69 § 4 Absatz 1 trägt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetreten ist, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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