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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: C-234/03
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 92/50/EWG


Vorschriften:

EG Art. 12
EG Art. 43 ff.
EG Art. 49 ff.
EG Art. 234
Richtlinie 92/50/EWG Art. 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C 234/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Audiencia Nacional (Spanien) mit Entscheidung vom 16. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 2003, in dem Verfahren

Contse SA,

Vivisol Srl,

Oxigen Salud SA

gegen

Instituto Nacional de Gestión Sanitaria (Ingesa), ehemals Instituto Nacional de la Salud (Insalud),

Beteiligte:

Air Liquide Medicinal SL,

Sociedad Española de Carburos Metálicos SA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter J. Malenovský, J. P. Puissochet, S. von Bahr, und U. Lõhmus,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Contse SA, der Vivisol Srl und der Oxigen Salud SA, vertreten durch R. García Palencia und C. Urda Serrano, abogados,

- des Instituto Nacional de Gestión Sanitaria (Ingesa), ehemals Instituto Nacional de la Salud (Insalud), vertreten durch M. Gómez Montes, procurador, und J. M. Pérez Gómez, abogado,

- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Ortiz Vaamonde als Bevollmächtigten,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Valero Jordana und K. Wiedner als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 12 EG, 43 ff. EG und 49 ff. EG sowie des Artikels 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Contse SA, der Vivisol Srl und der Oxigen Salud SA (einer Arbeitsgemeinschaft von Unternehmen, denen Produktionsanlagen zur Herstellung von Sauerstoff in Italien und Belgien gehören, im Folgenden: Klägerinnen) einerseits und dem Instituto Nacional de la Salud (staatliche Sozialversicherungsanstalt, im Folgenden: Insalud) andererseits. Die Klägerinnen haben zum einen gegen zwei vom Insalud durchgeführte öffentliche Ausschreibungen von Dienstleistungen, die häusliche Atemtherapien und andere Techniken der Ventilationsunterstützung im Gebiet der Provinzen Cáceres bzw. Badajoz zum Gegenstand haben, und zum anderen gegen die Entscheidung der Presidencia Ejecutiva (Präsidium) des Insalud vom 10. Juli 2000, mit der die Beschwerden gegen diese Ausschreibungen zurückgewiesen wurden, Klage erhoben.

Rechtlicher Rahmen

3. Nach Artikel 12 EG ist unbeschadet besonderer Bestimmungen des EG-Vertrags in dessen Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

4. In den Artikeln 43 EG und 49 EG sind die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit bzw. des freien Dienstleistungsverkehrs niedergelegt. Diese Bestimmungen sind besondere Ausprägungen des Diskriminierungsverbots.

5. Auch die Richtlinie 92/50 enthält in Artikel 3 Absatz 2 eine Ausprägung dieses Grundsatzes, indem sie klarstellt, dass die Auftraggeber dafür zu sorgen haben, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet.

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

6. Mit zwei Entscheidungen vom 24. Mai 2000 schrieb das Insalud die Erbringung von Dienstleistungen in Form häuslicher Atemtherapien und anderer Techniken der Ventilationsunterstützung im Gebiet der Provinzen Cáceres bzw. Badajoz aus (im Folgenden: streitige Ausschreibungen).

7. Die Verdingungsunterlagen, die besonderen verwaltungstechnischen Klauseln und die technischen Spezifikationen der streitigen Ausschreibungen sahen zum einen Zulassungsvoraussetzungen und zum anderen Bewertungskriterien vor.

8. Die Zulassungsvoraussetzungen, die keinen Raum für Ermessensentscheidungen ließen, waren zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots zu erfüllen.

9. Insoweit war vorgeschrieben, dass der Bieter über mindestens einen Geschäftsraum in der Hauptstadt der betreffenden Provinz verfügt, der an mindestens fünf Wochentagen mindestens acht Stunden täglich vormittags und nachmittags zugänglich ist (im Folgenden: Zulassungsvoraussetzung).

10. Nach den Akten betrafen die Bewertungskriterien bestimmte wirtschaftliche und technische Merkmale, für die Punkte vergeben wurden. So bezogen sich von den maximal 140 zu vergebenden Punkten 40 auf die wirtschaftlichen Aspekte des Angebots und 100 auf dessen technische Bewertungskriterien.

11. Vorzulegen war ein Qualitätszertifikat (für das 20 Punkte vergeben wurden); des Weiteren waren die technischen Spezifikationen in verschiedene Abschnitte aufgeteilt: Ausstattung (35 Punkte), Erbringung der Dienstleistung (35 Punkte), Information des Patienten (5 Punkte) und Kontrollmitteilung über die Leistung (5 Punkte).

12. Im Abschnitt "Ausstattung" in dem für die Lieferung von Sauerstoff mittels Druckgaszylindern betreffenden Teil hieß es, dass nach Maßgabe der jährlichen Gesamtproduktion maximal 4,6 Punkte zu vergeben seien, wenn bei Angebotsabgabe mindestens zwei höchstens 1 000 Kilometer von der betreffenden Provinz entfernte eigene Sauerstoffproduktionsanlagen des Bieters vorhanden seien. Daneben werde je ein halber Punkt vergeben, wenn bei der Angebotsabgabe mindestens eine Wartungsanlage für Zylinder und mindestens eine Sauerstoffabfüllanlage vorhanden seien, die dem Bieter gehörten und jeweils höchstens 1 000 Kilometer von der betreffenden Provinz entfernt seien.

13. Nach dem Abschnitt "Erbringung der Dienstleistung" konnten maximal 0,9 zusätzliche Punkte (0,3 Punkte für jede der drei in den Ausschreibungen genannten Städte) dafür vergeben werden, dass zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe in bestimmten Orten der betreffenden Provinz Geschäftsräume vorhanden waren, die an mindestens fünf Wochentagen mindestens acht Stunden täglich vormittags und nachmittags öffentlich zugänglich sein mussten.

14. Der Auftrag war an den Bieter zu vergeben, dessen Angebot die höchste Punktzahl erhielt. Bei Punktgleichheit sollte das Angebot mit der besten technischen Bewertung den Zuschlag erhalten. Blieb auch danach die Punktgleichheit erhalten, sollte die Wahl auf das Unternehmen fallen, das bereits zuvor dieselbe Dienstleistung erbracht hatte.

15. Die Klägerinnen legten gegen die streitigen Ausschreibungen Beschwerden ein, die durch Entscheidung der Presidencia Ejecutiva des Insalud vom 10. Juli 2000 zurückgewiesen wurden.

16. Gegen diese Entscheidung und die streitigen Ausschreibungen erhoben die Klägerinnen sodann eine Klage beim Juzgado Central de lo Contencioso-Administrativo de Madrid, der diese mit Entscheidung vom 20. September 2001 abwies. Hiergegen legten sie Berufung zum vorlegenden Gericht ein.

17. Die Klägerinnen, nach deren Ansicht bestimmte, in den Randnummern 8 bis 12 des vorliegenden Urteils dargestellte Anforderungen der streitigen Ausschreibungen (im Folgenden: beanstandete Anforderungen) gegen die Artikel 12 EG, 43 EG und 49 EG sowie gegen Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 verstoßen, beantragten, dem Gerichtshof hierzu eine Vorabentscheidungsfrage vorzulegen.

18. Das Insalud vertritt die Auffassung, die beanstandeten Anforderungen der streitigen Ausschreibungen seien rechtmäßig, da die fraglichen Dienstleistungen solche des Gesundheitswesens und die Patienten, die von diesen Dienstleistungen abhingen, besonders hilfsbedürftig seien, so dass die zuständigen Behörden gezwungen seien, nicht nur die Erbringung dieser Dienstleistungen jederzeit sicherzustellen, sondern auch die Umstände zu berücksichtigen und zu bewerten, die geeignet seien, die jeder Tätigkeit von Menschen innewohnenden Risiken zu vermindern, indem sie dem Angebot den Vorzug gäben, bei dem diese Risiken am geringsten seien.

19. Unter diesen Umständen hat die Audiencia Nacional das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstößt es gegen die Artikel 12 EG, 43 ff. EG und 49 ff. EG sowie gegen Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/50, dass in öffentliche Ausschreibungen für häusliche Atemtherapien und andere Techniken der Ventilationsunterstützung folgende Vergabebedingungen, besondere verwaltungstechnische Klauseln und technische Anforderungen aufgenommen werden:

1. Anforderungen, die die Zulassung von Unternehmen davon abhängig machen, dass diese bereits über öffentlich zugängliche Geschäftsräume in der Provinz oder der Hauptstadt der Provinz verfügen, in der die Dienstleistung erbracht werden soll; und

2. Vergabekriterien, die Angebote von Unternehmen bevorzugen,

a) die über eigene Produktions-, Wartungs- und Sauerstoffabfüllanlagen in einem Umkreis von 1 000 km um die Hauptstadt, in der die Dienstleistung erbracht werden soll, verfügen,

b) die über öffentlich zugängliche Geschäftsräume in bestimmten Orten derselben Provinz verfügen oder

c) die die Dienstleistung bereits zuvor erbracht haben?

Die Vorlagefrage

20. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 12 EG, 43 EG und 49 EG sowie Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 dem entgegenstehen, dass ein öffentlicher Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen in Form häuslicher Atemtherapien und anderer Techniken der Ventilationsunterstützung zum einen eine Zulassungsvoraussetzung vorsieht, wonach der Bieter bei der Abgabe des Angebots über einen öffentlich zugänglichen Geschäftsraum in der Hauptstadt der Provinz, in der die Dienstleistung erbracht werden soll, verfügen muss, und zum anderen Kriterien für die Bewertung der Angebote, wonach zusätzliche Punkte dafür vergeben werden, dass bei der Abgabe des Angebots eigene Produktions-, Wartungs- und Sauerstoffabfüllanlagen des Bieters, die höchstens 1 000 Kilometer von dieser Provinz entfernt sind, oder öffentlich zugängliche Geschäftsräume in anderen, näher bezeichneten Orten dieser Provinz vorhanden sind, und bei Punktgleichheit mehrerer Angebote das Unternehmen bevorzugt wird, das die betreffenden Dienstleistungen bereits zuvor erbracht hat.

21. Die Klägerinnen, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die österreichische Regierung schlagen vor, diese Frage zu bejahen. Das Insalud und die spanische Regierung vertreten die entgegengesetzte Auffassung.

22. Zunächst ist festzustellen, dass das Ausgangsverfahren entgegen der Ansicht der spanischen Regierung einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag und keinen als Konzession bezeichneten Vertrag über die Verwaltung einer öffentlichen Dienstleistung zu betreffen scheint. Wie nämlich Insalud in der Sitzung dargelegt hat, bleibt die spanische Verwaltung für jeden Schaden haftbar, der durch ein Fehlverhalten bei der Erbringung der Dienstleistungen verursacht wird. Dieser Umstand, der impliziert, dass kein Übergang der mit der Erbringung der fraglichen Dienstleistungen verbundenen Gefahren stattfindet, sowie die Tatsache, dass die Dienstleistungen von der spanischen Gesundheitsverwaltung vergütet werden, bestätigen diese Feststellung. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es sich tatsächlich so verhält.

23. Da die Fragen des vorlegenden Gerichts im Kern die Grundregeln des EG-Vertrags betreffen, werden jedenfalls die nachstehenden Ausführungen diesem Gericht auch für den Fall dienlich sein, dass es sich hier um eine von der Richtlinie 92/50 nicht erfasste Konzession für die Verwaltung einer öffentlichen Dienstleistung handelt. Die Folgen, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht für die Erteilung solcher Konzessionen ergeben, sind nämlich im Licht des Primärrechts und insbesondere der im Vertrag vorgesehenen Grundfreiheiten zu prüfen (vgl. u. a. Urteil vom 21. Juli 2005 in der Rechtssache C 231/03, Coname, Slg. 2005, I 0000, Randnr. 16).

24. Diese Grundregeln, auf die sich das vorlegende Gericht bezieht, gliedern sich in zwei Kategorien. Es geht zum einen um die Artikel 43 ff. EG über die Niederlassungsfreiheit und zum anderen um die Artikel 49 ff. EG über den freien Dienstleistungsverkehr.

25. Mit allen Beteiligten, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, ist daran zu erinnern, dass ungeachtet des Artikels 46 EG nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen, um den Artikeln 43 EG und 49 EG zu genügen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. Urteile vom 31. März 1993 in der Rechtssache C 19/92, Kraus, Slg. 1993, I 1663, Randnr. 32, vom 30. November 1995 in der Rechtssache C 55/94, Gebhard, Slg. 1995, I 4165, Randnr. 37, und vom 6. November 2003 in der Rechtssache C 243/01, Gambelli u. a., Slg. 2001, I 13031, Randnrn. 64 und 65).

26. Die beanstandeten Anforderungen der streitigen Ausschreibungen sind somit im Hinblick darauf zu untersuchen, ob sie die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch nicht in Spanien ansässige Unternehmen behindern oder weniger attraktiv machen können.

27. Da diese Anforderungen die Niederlassung von Unternehmen im spanischen Hoheitsgebiet nicht behindern, ist erstens festzustellen, dass im vorliegenden Fall keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt.

28. Zweitens ist zu prüfen, ob die beanstandeten Anforderungen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.

29. Insoweit steht fest, dass Insalud der Hauptempfänger der fraglichen Dienstleistungen ist, da 90 % der Anfragen nach häuslichen Atemtherapiediensten aus dem öffentlichen Sektor stammen. Die Kommission hebt daher zu Recht hervor, dass den Unternehmen durch die Zulassungsvoraussetzung eine Reihe von Kosten entstünden, die sie nur dann wieder einbringen könnten, wenn sie den Zuschlag erhielten, und dass dadurch die Abgabe eines Angebots erheblich weniger attraktiv gemacht werde. Gleiches gelte für das Bewertungskriterium, wonach zusätzliche Punkte für den Fall vergeben würden, dass in den in den Ausschreibungen näher genannten Städten bereits Geschäftsräume eröffnet worden seien.

30. Was die Bewertungskriterien bezüglich der Produktions-, der Wartungs- und der Sauerstoffabfüllanlagen angeht, liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen, das nicht bereits über entsprechende eigene Anlagen im Umkreis von 1 000 Kilometern verfügt, bei der Abgabe eines Angebots behindert sein kann.

31. Insbesondere wegen der großen Homogenität des Marktes kann schließlich dadurch, dass im Fall von zwei Bietern mit der gleichen Punktzahl dem Unternehmen der Vorzug gegeben wird, das bereits auf dem betreffenden spanischen Markt etabliert ist, für jedes andere Unternehmen die Abgabe eines Angebots weniger attraktiv gemacht werden.

32. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass der spanische Markt für medizinische Gase zu 97 % von vier multinationalen Unternehmen kontrolliert wird. Wie außerdem die Klägerin Contse ausgeführt hat, ohne dass ihr insoweit widersprochen worden wäre, kann es zwischen den Teilnehmern hinsichtlich der für die technischen Aspekte vergebenen Punkte keine großen Unterschiede geben, da alle Bieter ähnliche technische Ausrüstungen verwenden, die nur von zwei oder drei Unternehmen hergestellt werden.

33. Mithin ist festzustellen, dass die beanstandeten Anforderungen der streitigen Ausschreibungen sämtlich die Inanspruchnahme des freien Dienstleistungsverkehrs, wie sie durch den EG-Vertrag garantiert wird, behindern oder weniger attraktiv machen können. Zu prüfen ist daher, ob jede der beanstandeten Anforderungen die vier Voraussetzungen erfüllt, die sich aus der in Randnummer 25 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben.

34. Im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsgerichten und den nationalen Gerichten hat aber grundsätzlich das nationale Gericht zu prüfen, ob diese Voraussetzungen in der bei ihm anhängigen Rechtssache erfüllt sind. Der Gerichtshof kann, wenn er auf Vorlage entscheidet, nur gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Oktober 2002 in der Rechtssache C 79/01, Payroll u. a., Slg. 2002, I 8923, Randnrn. 28 und 29). Das vorlegende Gericht wird allerdings bei dieser Auslegung im Hinblick auf die Beantwortung seiner Fragen die Ausführungen in den folgenden Randnummern zu berücksichtigen haben.

Die Zulassungsvoraussetzung

35. Die nationale Maßnahme muss erstens in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

36. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz, von dem Artikel 49 EG eine besondere Ausprägung ist, nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1980 in der Rechtssache 22/80, Boussac Saint-Frères, Slg. 1980, 3427, Randnr. 9, und vom 5. Dezember 1989 in der Rechtssache C 3/88, Kommission/Italien, Slg. 1989, I 4035, Randnr. 8).

37. Obwohl die Zulassungsvoraussetzung unterschiedslos für jedes Unternehmen gilt, das sich auf die fragliche Ausschreibung bewerben will, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzung nicht in der Praxis leichter von spanischen als von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmern erfüllt werden kann. Ist dies der Fall, verstößt dieses Kriterium gegen den Grundsatz der nichtdiskriminierenden Anwendung (vgl. in diesem Sinne Urteil Gambelli u. a., Randnr. 71).

38. Da Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit jedoch nicht vorliegen, stellt das Erfordernis, in der Hauptstadt der Provinz, in der die Dienstleistung erbracht werden soll, über einen öffentlich zugänglichen Geschäftsraum zu verfügen, allein noch kein größeres Hindernis für ausländische Wirtschaftsteilnehmer dar.

39. Zweitens muss die nationale Maßnahme aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.

40. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Zulassungsvoraussetzung sowie die weiteren beanstandeten Anforderungen der streitigen Ausschreibungen den Zweck haben, einen besseren Schutz des Lebens und der Gesundheit der Patienten zu gewährleisten.

41. Drittens muss die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie darf viertens nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

42. Hierzu vertreten die Kommission und die Klägerin Contse die Auffassung, dass die Voraussetzung, zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots über einen öffentlich zugänglichen Geschäftsraum in der Hauptstadt der betreffenden Provinz zu verfügen, dem vorstehend bezeichneten Ziel, einen besseren Schutz von Leben und Gesundheit der Patienten zu gewährleisten, nicht dienlich sei. Demgegenüber hält Insalud das Vorhandensein von Geschäftsräumen für dienlich, um dieses Ziel zu erreichen.

43. Selbst wenn man annimmt, dass die Existenz solcher Geschäftsräume als zur Gewährleistung der Gesundheit der Patienten geeignet angesehen werden kann, ist das Erfordernis, hierüber bereits bei der Abgabe des Angebots zu verfügen, doch offensichtlich unverhältnismäßig.

44. Das Argument der spanischen Regierung, die mit dem Vorbringen, dass der Zweck einer Ausschreibung in der Prüfung bestehe, welche Unternehmen bereits über die zur Erbringung der fraglichen Dienstleistung erforderlichen Mittel verfügen, öffentlich zugängliche Geschäftsräume jeder anderen zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Ausrüstung gleichstellt, ist zurückzuweisen.

45. Die Kommission sieht zu Recht die Bereitstellung solcher Geschäftsräume nicht als für die Erbringung der fraglichen Dienstleistung wesentlich an. Denn nach den Mindestvoraussetzungen ist bereits die Einrichtung eines technischen Wartungsdienstes, der an allen Tagen der Woche rund um die Uhr erreichbar sein muss, vorgeschrieben, wodurch gewährleistet wird, dass das im vorliegenden Fall angestrebte Ziel, nicht das Leben oder die Gesundheit von Patienten zu gefährden, falls beim Betrieb oder der Bedienung der Ausrüstung Störungen auftreten, in der ersten Zeit durch den Einsatz von Mitteln erreicht wird, die den freien Dienstleistungsverkehr weniger beschränken.

46. Wie zudem die Klägerin Contse hervorhebt, ist für den Bedarfsfall ein Übergangszeitraum, während dessen das Unternehmen, das die fraglichen Dienstleistungen bereits in der Vergangenheit erbracht hat, die Verwaltung dieses Dienstes auf den neuen Zuschlagsempfänger überträgt, vorgesehen, um eine ununterbrochene Behandlung der Patienten sicherzustellen. Zu beachten ist, dass der Zuschlagsempfänger in diesem Fall verpflichtet ist, dem Unternehmen, das die Erbringung von Dienstleistungen fortsetzt, ein Entgelt nach einer in den besonderen verwaltungstechnischen Klauseln der Ausschreibung ausgearbeiteten Berechnungsformel zu zahlen. Das Entgelt erhöht sich von Monat zu Monat bis zum dritten Monat nach Vergabe des Auftrags. Wenn der neue Zuschlagsempfänger auch dann noch nicht die Erbringung sämtlicher geforderter Leistungen übernommen hat, kann der Vertrag aufgelöst werden.

Die Bewertungskriterien

47. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Richtlinie 92/50 ganz offensichtlich auf die streitigen Ausschreibungen anwendbar ist, dass aber die Dienstleistungen, um die es im vorliegenden Verfahren geht, in Anhang IB dieser Richtlinie genannt sind. Nach Artikel 9 der Richtlinie 92/50 sind jedoch auf diese Dienstleistungen nur die Artikel 14 und 16 sowie die Allgemeinen Vorschriften des Abschnitts I, einschließlich des vom vorlegenden Gericht angeführten Artikels 3 Absatz 2, und die Schlussbestimmungen des Abschnitts VII dieser Richtlinie anwendbar. Artikel 14 der Richtlinie betrifft die gemeinsamen Vorschriften im technischen Bereich und Artikel 16 die Bekanntmachungen über die Ergebnisse des Vergabeverfahrens.

48. Daher ist, um dem nationalen Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, klarzustellen, dass für die beanstandeten Anforderungen der streitigen Ausschreibungen jedenfalls nicht Abschnitt VI Kapitel 3 - "Zuschlagskriterien" - der Richtlinie 92/50 und die dort vorgesehenen Beschränkungen gelten.

49. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Bewertungskriterien, wie alle nationalen Maßnahmen, das Diskriminierungsverbot beachten müssen, wie es sich aus den Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr ergibt, und dass Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs wiederum die vier Voraussetzungen erfüllen müssen, die in der in Randnummer 25 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung aufgestellt worden sind.

50. Wie jedoch in Randnummer 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, hat das nationale Gericht zu prüfen, ob diese Voraussetzungen in der bei ihm anhängigen Rechtssache erfüllt sind, wobei es die Klarstellungen in den folgenden Randnummern zu berücksichtigen haben wird.

51. Was zunächst die nichtdiskriminierende Anwendung des Kriteriums betrifft, dass zusätzliche Punkte vergeben werden, wenn der Bieter über öffentlich zugängliche Geschäftsräume in bestimmten Städten der Provinz verfügt, in der die Dienstleistungen erbracht werden sollen, so gilt dieses Kriterium, wie bereits für die Zulassungsvoraussetzung festgestellt worden ist, als solches unterschiedslos für alle Unternehmen, die ein Angebot abgeben wollen.

52. Des Weiteren ist, wie in Randnummer 40 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, unstreitig, dass alle beanstandeten Anforderungen der streitigen Ausschreibungen in diese aufgenommen worden sind, um einen besseren Schutz von Leben und Gesundheit der Patienten zu gewährleisten. Insalud betont darüber hinaus, dass diese Anforderungen konkret bezweckten, Schwierigkeiten bei der Lieferung von Sauerstoff und beim Betrieb der Ausrüstung aus dem Weg zu räumen und eine angemessene Erbringung der fraglichen Dienstleistungen sicherzustellen, ohne dass unnötige Verzögerungen oder Nachteile für die Patienten entstünden.

53. Sodann ist zu prüfen, ob dieses Kriterium der Erreichung dieses Zieles angemessen ist, ohne über das hierzu Erforderliche hinauszugehen.

54. In dieser Hinsicht greift die Kommission ihr Vorbringen zur Zulassungsvoraussetzung auf, wonach sie es für nutzlos und unverhältnismäßig hält, über solche Geschäftsräume bereits vor Durchführung des Vertrages verfügen zu müssen. Nach Ansicht der Klägerin Contse kann dieses Kriterium, da es der Unterstützung zwar der Patienten dienen solle, durchaus mit dem angestrebten Ziel in Einklang stehen, doch hätte zur Erreichung dieses Zieles im Fall der Erteilung des Zuschlags eine einfache vertragliche Verpflichtung zur Einrichtung solcher Geschäftsräume genügt. Weder Insalud noch die spanische Regierung haben sich speziell zu diesem Bewertungskriterium geäußert.

55. Zu dieser Frage ist, wie bereits in Randnummer 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, festzustellen, dass, selbst wenn man annimmt, dass die Existenz solcher Geschäftsräume als geeignet angesehen werden kann, die Gesundheit der Patienten zu gewährleisten, das Erfordernis, hierüber bereits bei der Abgabe des Angebots zu verfügen, jedoch offensichtlich unverhältnismäßig ist, zumal, wie in Randnummer 45 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, bereits nach den Mindestvoraussetzungen die Einrichtung eines technischen Wartungsdienstes vorgeschrieben ist.

56. Hinsichtlich der Bewertungskriterien bezüglich des Eigentums an Produktions-, Wartungs- und Sauerstoffabfüllanlagen, die sich im Umkreis von 1 000 Kilometern um die Provinz, in der die Dienstleistungen erbracht werden sollen, befinden müssen, ist zu prüfen, ob diese Kriterien, auch wenn sie unterschiedslos für alle Unternehmen gelten, tatsächlich in erster Linie die bereits in Spanien ansässigen Unternehmen begünstigen könnten.

57. Im Gegensatz zur Anforderung, über Geschäftsräume zu verfügen, die ihrer Natur nach wieder und wieder - nämlich immer dann, wenn die Vergabe eines Auftrags es erfordert - erfüllt werden könnte, verlangt eine eigene Produktions-, Wartungs- oder Abfüllanlage des Bieters eine viel größere Investition, die normalerweise nur einmal getätigt wird. Diesem Kriterium zu genügen, wäre naturgemäß dann nicht leicht, wenn solche Anlagen nicht schon vorhanden sind. Dass nicht nur die Bereitstellung dieser Anlagen, sondern sogar das Eigentum an ihnen verlangt wird, spricht ebenfalls dafür, dass mit diesem Kriterium in Wirklichkeit Kontinuität gefördert werden soll.

58. Denn nach diesen Kriterien könnten nur Unternehmen, die bereits über solche Anlagen im spanischen Hoheitsgebiet oder zwar außerhalb dessen, aber innerhalb einer Entfernung von 1 000 Kilometern von der betreffenden Provinz, verfügen, Punkte erhalten.

59. Hinzu kommt, dass das Gebiet, das innerhalb eines Umkreises von 1 000 Kilometern um die fraglichen Provinzen, nämlich Cáceres und Badajoz, liegt, zwar außer dem spanischen Hoheitsgebiet noch das gesamte portugiesische Hoheitsgebiet umfasst, jedoch nur einen Teil Frankreichs einbezieht und damit fast alle Mitgliedstaaten ausschließt, so dass Anlagen, die sich, wie im vorliegenden Fall, in Belgien oder in Italien befinden, außerhalb des vorgesehenen Einzugsgebiets lägen.

60. Wie in Randnummer 37 des vorliegenden Urteils klargestellt worden ist, verletzt ein Kriterium den Grundsatz der nichtdiskriminierenden Anwendung, wenn es nach Auffassung des vorlegenden Gerichts in der Praxis von spanischen Wirtschaftsteilnehmern leichter erfüllt werden kann als von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmern (vgl. Urteil Gambelli u. a., Randnr. 71).

61. Jedenfalls kann zwar die Versorgungssicherheit zu den Kriterien gehören, die bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots im Fall von Dienstleistungen wie denen zu berücksichtigen sind, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind, die das Leben und die Gesundheit von Personen schützen sollen, indem sie eine diversifizierte eigene Produktion nahe am Verbrauchsort vorsehen (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 1995 in der Rechtssache C 324/93, Slg. 1995, I 563, Randnr. 44); diese Kriterien erscheinen jedoch im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht als dem angestrebten Ziel unangemessen.

62. Erstens ist festzustellen, dass das im vorliegenden Fall gewählte 1 000-Kilometer-Kriterium, auch wenn die spanische Regierung zu Recht darauf hinweist, dass die Vorgabe einer Entfernung oder einer Transportzeiteinheit stets willkürlich ist, ungeeignet erscheint, die Erreichung des angestrebten Zieles zu gewährleisten.

63. Zum einen trägt die spanische Regierung nichts zur Stützung ihrer Behauptung vor, dass die Gefahr des Eintritts von Verzögerungen, die mit zunehmender Entfernung in entsprechendem Maße wachse, wegen der Möglichkeit der spanischen Behörden, bei in Spanien auftretenden Schwierigkeiten Kontrollen durchzuführen, geringer sei. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

64. Zum anderen ist der Umkreis von 1 000 Kilometern, soweit er über die Grenzen Spaniens hinausgreift, zur Erreichung des angestrebten Zieles ungeeignet, selbst wenn man unterstellt, dass das Überqueren von Binnengrenzen der Europäischen Gemeinschaft zu den von der spanischen Regierung befürchteten Verzögerungen führt.

65. Zweitens legt die Kommission dar, dass der in den Produktionsanlagen hergestellte Sauerstoff an die Gasabfüllstationen geliefert werde, um in komprimierter Form in Flaschen abgefüllt zu werden, und dass diese Stationen über einen Sicherheitsbestand an vollen Flaschen verfügten, der bei Schadensfällen, Maschinenstillständen oder Notfällen ausreiche, um die Lieferung von Sauerstoff für mindestens 15 Tage zu gewährleisten.

66. Durch die Nähe der Produktionsanlagen wird daher - hierauf weist auch die Klägerin Contse hin - die Erreichung des Zieles der Versorgungssicherheit nicht garantiert. Ob es sich bei den Wartungs- und den Sauerstoffabfüllanlagen anders verhält, ist vom nationalen Gericht zu prüfen.

67. Die von den Unternehmen eingeräumte Praxis bestätigt im Übrigen, dass das angestrebte Ziel, in der Nähe des Verbrauchsorts eine gesicherte Menge medizinischer Gase zur Verfügung zu halten, durch Mittel erreicht werden kann, die den freien Dienstleistungsverkehr weniger beschränken. Wie die Kommission und die Klägerin Contse ausführen, sollte durch die Vergabe zusätzlicher Punkte die Lagerhaltung von Gas privilegiert werden, um, gegebenenfalls für einen konkret bestimmten Zeitraum, etwaige Unterbrechungen oder Schwankungen bei den von den Produktions- oder Abfüllanlagen abgehenden Transporten auszugleichen.

68. Drittens ist, soweit die Kommission und die Klägerin Contse die Bedeutung rügen, die dem Eigentum an Produktionsanlagen beigemessen wird, festzustellen, dass die öffentlichen Auftraggeber nicht nur bei der Auswahl der Zuschlagskriterien, sondern auch bei deren Gewichtung frei sind, sofern diese eine Gesamtwürdigung der Kriterien ermöglicht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Dezember 2003 in der Rechtssache C 448/01, EVN und Wienstrom, Slg. 2003, I 14527, Randnr. 39). Es verhielte sich auch nicht anders, wenn, wie es möglicherweise bei den hier in Rede stehenden Aufträgen der Fall ist, die fraglichen Dienstleistungen unter Anhang IB der Richtlinie 92/50 und damit unter eine weniger strenge Regelung für die Auftragsvergabe fielen.

69. Es ist jedoch festzustellen, dass sich im Ausgangsverfahren das die Produktionsanlagen betreffende Kriterium nicht auf die Leistung, die Gegenstand des Auftrags ist, nämlich die Hauslieferung von Sauerstoff zu Therapiezwecken, und noch nicht einmal auf die herzustellende Gasmenge bezieht, sondern auf die maximale Produktionskapazität der dem Bieter gehörenden Anlagen, da für jede Überschreitung eines der drei Schwellenwerte der jährlichen Gesamtproduktion zusätzliche Punkte vergeben werden.

70. Die Bewertungskriterien, nach denen im vorliegenden Fall umso mehr zusätzliche Punkte vergeben werden, je größer die Produktionskapazität ist, können daher nicht als mit dem Zweck des Auftrags zusammenhängend und noch weniger als zur Erreichung dieses Zweckes geeignet angesehen werden (vgl. entsprechend Urteil EVN und Wienstrom, Randnr. 68).

71. Selbst wenn diese Kriterien von dem Bestreben geleitet sein sollten, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, und wenn sie somit mit dem mit den streitigen Ausschreibungen angestrebten Zweck in Zusammenhang stehen und zu dessen Erreichung geeignet sein sollten, kann doch die Fähigkeit der Bieter, die größtmögliche Menge des betreffenden Erzeugnisses zu liefern, nicht zum Zuschlagskriterium gemacht werden (vgl. in diesem Sinne Urteil EVN und Wienstrom, Randnr. 70).

72. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die streitigen Ausschreibungen als Voraussetzung für die Abgabe eines Angebots vorsehen, dass der Bieter über mehr als eine Produktions- und Abfüllquelle verfügt und im Rahmen der Ausschreibung für die Provinz Cáceres zur Herstellung von jährlich mindestens 400 000 m³, im Rahmen der Ausschreibung für die Provinz Badajoz zur Herstellung von jährlich mindestens 550 000 m³ in der Lage ist. Nach den Akten entsprechen diese Werte etwa 75 % bzw. 80 % des für das erste Jahr der Laufzeit des betreffenden Auftrags veranschlagten Verbrauchs.

73. Außerdem ist festzustellen, dass der erste der drei in den streitigen Ausschreibungen vorgesehenen Schwellenwerte, nämlich für die beiden Aufträge eine Jahresgesamtproduktion von mindestens 800 000 m³ bzw. 1 000 000 m³, bei deren Überschreitung in beiden Fällen 1,3 Punkte vergeben werden, einer Menge entspricht, die den für das vierte und letzte Jahr der Laufzeit des betreffenden Auftrags veranschlagten Gesamtverbrauch übersteigt. Eine jährliche Gesamtproduktionskapazität in dieser Höhe könnte daher gegebenenfalls als zur Erreichung des in Randnummer 71 des vorliegenden Urteils angeführten Zieles, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, erforderlich anzusehen sein.

74. Die untersuchten Bewertungskriterien gehen jedoch über diese Notwendigkeit hinaus. 1,3 weitere Punkte werden nämlich vergeben, wenn die Schwelle einer Jahresgesamtproduktion von 1 200 000 m³ bzw. 1 500 000 m³ überschritten wird, und 2 zusätzliche Punkte, wenn diese Produktion bei mindestens 1 600 000 m³ bzw. 2 000 000 m³ liegt.

75. Zu beachten ist, dass die letztgenannten Werte, die dem dritten Schwellenwert der Jahresgesamtproduktion entsprechen, jeweils doppelt so hoch sind wie der in Randnummer 73 des vorliegenden Urteils angeführte erste Schwellenwert.

76. Da somit denjenigen Bietern eine Höchstpunktzahl zugeteilt wird, die eine Produktionskapazität aufweisen, die über den im Rahmen der streitigen Aufträge vorhersehbaren Verbrauch weit hinausgeht, während der erste Schwellenwert bereits als geeignet erscheint, um eine weitestmöglich gesicherte Verfügbarkeit von Gas zu gewährleisten, sind die im vorliegenden Fall angewandten Bewertungskriterien, was die Vergabe zusätzlicher Punkte für den Fall der Überschreitung des zweiten und dritten Schwellenwerts einer Jahresgesamtproduktion angeht, nicht mit den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts auf diesem Gebiet vereinbar (vgl. entsprechend Urteil EVN und Wienstrom, Randnr. 71).

77. Was schließlich die Art und Weise der Entscheidung zwischen zwei Bietern mit gleicher Punktzahl betrifft, so findet das herangezogene Zuschlagskriterium, das den Ausschlag zugunsten desjenigen Bieters gibt, der die Dienstleistung bereits zuvor erbracht hatte, nur für den Fall Anwendung, dass zwischen den Angeboten mit gleicher Punktzahl nicht nur insgesamt, sondern auch in technischer Hinsicht Punktgleichheit besteht.

78. Auch für dieses Kriterium sind die vorstehend dargestellten Voraussetzungen zu erfüllen. Eine automatische, endgültige Entscheidung zugunsten des Wirtschaftsteilnehmers, der bereits auf dem betreffenden Markt tätig ist, ist aber diskriminierend.

79. Aus alledem folgt, dass Artikel 49 EG dem entgegensteht, dass ein öffentlicher Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen in Form häuslicher Atemtherapien und anderer Techniken der Ventilationsunterstützung zum einen eine Zulassungsvoraussetzung vorsieht, wonach der Bieter bei der Abgabe des Angebots über einen öffentlich zugänglichen Geschäftsraum in der Hauptstadt der Provinz, in der die Dienstleistung erbracht werden soll, verfügen muss, und zum anderen Kriterien für die Bewertung der Angebote, wonach zusätzliche Punkte dafür vergeben werden, dass bei der Abgabe des Angebots Produktions-, Wartungs- und Sauerstoffabfüllanlagen, die höchstens 1 000 Kilometer von dieser Provinz entfernt sind, oder öffentlich zugängliche Geschäftsräume in anderen, näher bezeichneten Orten dieser Provinz vorhanden sind, und bei Punktgleichheit mehrerer Angebote das Unternehmen bevorzugt wird, das die betreffenden Dienstleistungen bereits zuvor erbracht hat, sofern diese Anforderungen in diskriminierender Weise angewandt werden, nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, nicht geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, oder über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

Kostenentscheidung:

Kosten

80. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 49 EG steht dem entgegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen in Form häuslicher Atemtherapien und anderer Techniken der Ventilationsunterstützung zum einen eine Zulassungsvoraussetzung vorsieht, wonach der Bieter bei der Abgabe des Angebots über einen öffentlich zugänglichen Geschäftsraum in der Hauptstadt der Provinz, in der die Dienstleistung erbracht werden soll, verfügen muss, und zum anderen Kriterien für die Bewertung der Angebote, wonach zusätzliche Punkte dafür vergeben werden, dass bei der Abgabe des Angebots Produktions-, Wartungs- und Sauerstoffabfüllanlagen, die höchstens 1 000 Kilometer von dieser Provinz entfernt sind, oder öffentlich zugängliche Geschäftsräume in anderen, näher bezeichneten Orten dieser Provinz vorhanden sind, und bei Punktgleichheit mehrerer Angebote das Unternehmen bevorzugt wird, das die betreffenden Dienstleistungen bereits zuvor erbracht hat, sofern diese Anforderungen in diskriminierender Weise angewandt werden, nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, nicht geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, oder über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

Ende der Entscheidung

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