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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.02.1992
Aktenzeichen: C-235/89
Rechtsgebiete: EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 30
EWGV Art. 36
EWGV Art. 169
EWGV Art. 222
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts sind die Bestimmungen über Patente noch nicht Gegenstand einer Vereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene oder einer Rechtsangleichung geworden, so daß es Sache des nationalen Gesetzgebers ist, die Bedingungen und Modalitäten des durch das Patent verliehenen Schutzes festzulegen.

Die Bestimmungen des EWG-Vertrags, insbesondere Artikel 222, wonach dieser Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lässt, können jedoch nicht dahin ausgelegt werden, daß sie dem nationalen Gesetzgeber auf dem Gebiet des gewerblichen und kommerziellen Eigentums die Befugnis vorbehalten, Maßnahmen zu ergreifen, die gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des Gemeinsamen Marktes, wie er im EWG-Vertrag vorgesehen und ausgestaltet ist, verstossen würden.

2. Ungeachtet der Tatsache, daß es beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Patente Sache des nationalen Gesetzgebers ist, die Bedingungen und Modalitäten des durch das Patent verliehenen Schutzes festzulegen, und es ihm damit freisteht, die Nichtausübung oder unzureichende Ausübung des Patents durch die Erteilung einer Zwangslizenz zu bestrafen, verletzt ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag, wenn er die Erteilung von Zwangslizenzen für den Fall zulässt, daß ein Patent für eine gewerbliche Erfindung oder eine neue Pflanzensorte nicht in Form einer Erzeugung im Inland, sondern in Form von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeuebt wird. Um nämlich das Risiko eines Verlustes seines Ausschließlichkeitsrechts zu vermeiden, der möglicherweise seiner Ansicht nach durch die Zahlung der als Gegenleistung für die Zwangslizenz vorgesehenen Vergütung nicht wirklich ausgeglichen wird, wird der Patentinhaber somit veranlasst, im Gebiet des Staates, in dem das Patent erteilt wurde, zu produzieren, anstatt das durch das Patent geschützte Erzeugnis aus dem Gebiet anderer Mitgliedstaaten einzuführen. Eine solche Diskriminierung, mit der die einheimische Erzeugung gefördert werden soll, kann weder nach Artikel 36 EWG-Vertrag noch nach Artikel 5 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sein.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 18. FEBRUAR 1992. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - ARTIKEL 30 EWG-VERTRAG - PATENT - ZWANGSLIZENZ. - RECHTSSACHE C-235/89.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 27. Juli 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie für den Fall, daß der Inhaber eines Patents für eine gewerbliche Erfindung oder eine neue Pflanzensorte das Patent nicht durch Erzeugung im italienischen Hoheitsgebiet ausübt, die Erteilung von Zwangslizenzen vorsieht.

2 In Italien sind Patente für gewerbliche Erfindungen insbesondere im Regio decreto Nr. 1127 vom 29. Juni 1939 (GURI Nr. 189 vom 14. August 1939) in der Fassung des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 849 vom 26. Februar 1968 (GURI Nr. 193 vom 31. Juli 1968) geregelt.

3 Artikel 52 des Regio decreto Nr. 1127/39 bestimmt: "Die gewerbliche Erfindung, die Gegenstand des Patents ist, ist in der Weise im Staatsgebiet zu benutzen, daß kein schwerwiegendes Mißverhältnis zu den Bedürfnissen des Landes entsteht." Nach Artikel 53 dieses Dekrets "[stellt] die Einfuhr im Ausland hergestellter Gegenstände in das Staatsgebiet oder deren Verkauf im Staatsgebiet... keine Benutzung der Erfindung dar".

4 Die Folgen einer fehlenden Benutzung der durch ein Patent geschützten Erfindung im Inland sind in den Artikeln 54, 54bis und 54ter des Regio decreto Nr. 1127/39 in der Fassung des vorgenannten Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 849/68 geregelt. Artikel 54 Absatz 1 lautet: "Hat der Patentinhaber oder sein Rechtsnachfolger drei Jahre nach der Erteilung des Patents oder vier Jahre nach der Patentanmeldung - falls dieser Zeitpunkt nach dem erstgenannten liegt - die patentierte Erfindung nicht unmittelbar oder durch einen oder mehrere Lizenznehmer im Staatsgebiet benutzt oder sie in der Weise benutzt, daß sich ein schwerwiegendes Mißverhältnis zu den Bedürfnissen des Landes ergibt, so kann jedem, der dies beantragt, eine Zwangslizenz zur nicht ausschließlichen Benutzung dieser Erfindung erteilt werden."

5 Die Patente für eine neue Pflanzensorte sind im Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 974 vom 12. August 1975 (GURI Nr. 109 vom 26. April 1976) in der Fassung des Gesetzes Nr. 620 vom 14. Oktober 1985 geregelt. Artikel 14 dieses Dekrets bestimmt: "Soweit sie mit den Bestimmungen dieses Dekrets vereinbar sind, gelten die Vorschriften des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 849 vom 26. Februar 1968 über Zwangslizenzen und ihre späteren Änderungen auch für Patente für neue Pflanzensorten. Das Fehlen, die Aussetzung oder die Einschränkung der Benutzung im Sinne von Artikel 1 des vorgenannten Dekrets tritt dann ein, wenn der Patentinhaber oder sein Rechtsnachfolger, unmittelbar oder durch einen oder mehrere Lizenznehmer, den Verbrauchern im Staatsgebiet nicht das Material zur Verbreitung oder Vermehrung der patentierten Pflanzensorte in einem den Erfordernissen der Volkswirtschaft angemessenen Ausmaß zur Verfügung stellt."

6 Da die Kommission der Auffassung war, daß diese nationalen Bestimmungen Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen im Sinne des Artikels 30 EWG-Vertrag darstellten, hat sie die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.

7 Wegen weiterer Einzelheiten der gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Bestimmungen, des Verfahrensablaufs sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zum Gegenstand der Klage

8 Die Kommission stellt im Rahmen ihres Klagevorbringens klar, daß sie grundsätzlich weder die Verpflichtung des Patentinhabers, das Patent auszuüben und die Nachfrage nach dem patentierten Erzeugnis auf dem Inlandsmarkt zu befriedigen, noch das Recht der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats bestreite, eine Zwangslizenz für den Fall zu erteilen, daß diese Verpflichtung nicht erfuellt werde. Sie beanstandet ausschließlich die vorgenannten Bestimmungen der italienischen Regelung, soweit sie zwischen der Herstellung des Erzeugnisses im Inland und der Einfuhr dieses Erzeugnisses aus dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats unterscheiden und die Einfuhr durch die Bedingungen schlechter stellen, unter denen sie die Erteilung einer Zwangslizenz durch die zuständigen Behörden für den Fall zulassen, daß das Patent in Form eingeführter Erzeugnisse ausgeuebt wird. Über den in dieser Weise abgegrenzten Klagegegenstand hat der Gerichtshof zu befinden.

9 Die Kommission trägt ferner vor, daß die nationalen Bestimmungen, die die Ausübung der durch eine Zwangslizenz verliehenen Rechte auf das Inland beschränkten, mit Artikel 30 EWG-Vertrag unvereinbar seien. Diese Unvereinbarkeit stellt eine besondere Rüge dar, die vom Gerichtshof im vorliegenden Verfahren nicht geprüft wird, da sie nicht Gegenstand des Klageantrags ist.

Zur Begründetheit der Klage

10 Nach Ansicht der Kommission begünstigen die genannten nationalen Bestimmungen die einheimische Erzeugung, indem sie die Ausübung des Patents in Form von Einfuhren in das Inland diskriminierten. Derartige Bestimmungen, die für den Inhaber des Patents einen Anreiz schafften, im Inland zu produzieren, anstatt aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, stellten Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen dar. Da der Gerichtshof bereits die Ansicht vertreten habe, daß eine blosse Werbekampagne, die von staatlichen Stellen zugunsten inländischer Erzeugnisse organisiert worden sei, eine Maßnahme gleicher Wirkung darstelle (Urteil vom 24. November 1982 in der Rechtssache 249/81, Kommission/Irland, Slg. 1982, 4005), müsse er angesichts der schwerwiegenden Rechtsfolgen, die mit der Erteilung einer Zwangslizenz verbunden seien, erst recht die Unvereinbarkeit der streitigen Bestimmungen mit dem EWG-Vertrag feststellen. Diese Bestimmungen ließen sich nicht durch die Ausnahmevorschrift des Artikels 36 EWG-Vertrag rechtfertigen, da die beanstandete Regelung nicht den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, sondern vielmehr eine Beschränkung der durch dieses Eigentum verliehenen Rechte bezwecke. Ausserdem stehe der verfolgte Zweck, die einheimische Erzeugung zu begünstigen, in diametralem Gegensatz zu den Zielen des EWG-Vertrags. Schließlich stuenden die getroffenen Maßnahmen jedenfalls zu diesem Zweck ausser Verhältnis.

11 Die Italienische Republik als Beklagte sowie das Königreich Spanien, das Vereinigte Königreich und die Portugiesische Republik als Streithelfer beantragen, die Klage abzuweisen, und führen dazu verschiedene Gründe und Argumente an. Erstens fielen die Bedingungen, unter denen eine Zwangslizenzregelung auf dem Gebiet des gewerblichen und kommerziellen Eigentums eingeführt werden könne, gemäß den Artikeln 222 und 36 EWG-Vertrag in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers. Zweitens entsprächen die streitigen Bestimmungen Artikel 5 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 in der zuletzt am 14. Juli 1967 in Stockholm revidierten Fassung (im folgenden: Pariser Übereinkunft). Drittens bewirkten die streitigen Bestimmungen nicht, die Einfuhren zu verhindern oder zu beschränken. Viertens ziele das Vorbringen der Kommission in Wirklichkeit nicht darauf ab, den freien Warenverkehr zu gewährleisten, sondern darauf, die Rechte des Patentinhabers unter Bedingungen zu verstärken, die die Erfordernisse eines freien Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftsteilnehmern der einzelnen Mitgliedstaaten missachteten. Fünftens sei die Beanstandung der fraglichen Bestimmungen im wesentlichen theoretischer Natur, da diese in der Praxis sehr wenig angewandt würden. Sechstens könnte das von der Kommission mit der vorliegenden Klage angestrebte Ziel nur im Rahmen einer Gemeinschaftsharmonisierung in bezug auf die Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten erreicht werden. Schließlich führe die Argumentation der Kommission zu der Annahme, daß einige Bestimmungen des am 15. Dezember 1975 in Luxemburg unterzeichneten Übereinkommens über das Gemeinschaftspatent (im folgenden: erstes Gemeinschaftspatentübereinkommen) und des der am 15. Dezember 1989 in Luxemburg unterzeichneten Vereinbarung beigefügten Übereinkommens über das Gemeinschaftspatent (im folgenden: zweites Gemeinschaftspatentübereinkommen) gegen den EWG-Vertrag verstießen.

12 Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts sind die Bestimmungen über Patente noch nicht Gegenstand einer Vereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene oder einer Rechtsangleichung geworden. Das erste Gemeinschaftspatentübereinkommen, mit dem sowohl ein Gemeinschaftspatent eingeführt als auch ein gemeinschaftliches System nationaler Patente geschaffen werden sollte, ist mangels Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten nicht in Kraft getreten. Das zweite Gemeinschaftspatentübereinkommen, das das erste Übereinkommen ersetzen soll, liegt zur Ratifizierung auf.

13 Unter diesen Umständen ist es Sache des nationalen Gesetzgebers, die Bedingungen und Modalitäten des durch das Patent verliehenen Schutzes festzulegen.

14 Die Bestimmungen des EWG-Vertrags, insbesondere Artikel 222, wonach dieser Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lässt, können jedoch nicht dahin ausgelegt werden, daß sie dem nationalen Gesetzgeber auf dem Gebiet des gewerblichen und kommerziellen Eigentums die Befugnis vorbehalten, Maßnahmen zu ergreifen, die gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des Gemeinsamen Marktes, wie er im EWG-Vertrag vorgesehen und ausgestaltet ist, verstossen würden.

15 Erstens sind die Einfuhrverbote und -beschränkungen, die zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, nach Artikel 36 EWG-Vertrag nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt zulässig, daß sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

16 Zweitens lässt Artikel 36 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes Ausnahmen von dem fundamentalen Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur insoweit zu, als diese Ausnahmen zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen (Urteil vom 17. Oktober 1990 in der Rechtssache C-10/89, CNL-SUCAL, Slg. 1990, I-3711, Randnr. 12).

17 Auf dem Gebiet der Patente besteht der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums insbesondere darin, dem Patentinhaber das ausschließliche Recht, eine Erfindung im Hinblick auf die Produktion und das erste Inverkehrbringen industrieller Erzeugnisse entweder selbst oder durch Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, sowie das Recht, sich gegen jede Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen, zu sichern (Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 434/85, Allen & Hanburys, Slg. 1988, 1245, Randnr. 11). Bei Patenten für neue Pflanzensorten ist der spezifische Gegenstand entsprechend.

18 Diese Grundsätze sind bei der Prüfung der Frage anzuwenden, ob die streitigen nationalen Bestimmungen mit den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag vereinbar sind.

19 Diese nationalen Bestimmungen lassen es zu, daß im Rahmen der Erteilung einer Zwangslizenz der Vorteil, den das durch das Patent verliehene Ausschließlichkeitsrecht darstellt, in den Fällen beeinträchtigt wird, in denen die Erfindung oder die Pflanzensorte, die Gegenstand des Patents ist, nicht in Form einer Erzeugung im Inland benutzt wird.

20 Um jedes Risiko eines Verlustes seines Ausschließlichkeitsrechts zu vermeiden, der möglicherweise seiner Ansicht nach durch die Zahlung der angemessenen Vergütung nach Artikel 54bis des genannten Regio decreto Nr. 1127/39 durch den Lizenznehmer nicht wirklich ausgeglichen wird, wird der Patentinhaber somit veranlasst, im Gebiet des Staates, in dem das Patent erteilt wurde, zu produzieren, anstatt das durch das Patent geschützte Erzeugnis aus dem Gebiet anderer Mitgliedstaaten einzuführen.

21 Solche Bestimmungen sind unabhängig von der Zahl der erteilten Zwangslizenzen geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.

22 Ebenso hat, wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (Nr. 10) hervorgehoben hat, die Anwendung dieser Bestimmungen, wenn sie zur Erteilung einer Zwangslizenz an einen inländischen Hersteller führt, notwendig zur Folge, daß die Einfuhr des patentierten Erzeugnisses aus anderen Mitgliedstaaten zurückgeht und somit der innergemeinschaftliche Handel beeinträchtigt wird.

23 Insoweit stellen diese Bestimmungen Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen im Sinne des Artikels 30 EWG-Vertrag dar (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5).

24 Zwar kann die Sanktion für die unterlassene oder unzureichende Ausübung des Patents als notwendige Entsprechung zu der durch das Patent eingeräumten territorialen Ausschließlichkeit angesehen werden, es gibt jedoch keinen mit dem spezifischen Gegenstand des Patents zusammenhängenden Grund, der die Diskriminierung rechtfertigen würde, die in den streitigen Bestimmungen zwischen der Ausübung des Patents in Form einer Erzeugung im Inland und der Ausübung durch Einfuhren aus dem Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten vorgenommen wird.

25 Eine derartige Diskriminierung ist nämlich nicht durch die spezifischen Erfordernisse des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, sondern, wie übrigens der beklagte Staat einräumt, durch das Bestreben des nationalen Gesetzgebers motiviert, die einheimische Erzeugung zu fördern.

26 Eine solche Überlegung, die zur Folge hat, daß die Ziele der Gemeinschaft, wie sie insbesondere in Artikel 2 EWG-Vertrag genannt und in Artikel 3 näher ausgestaltet sind, unterlaufen werden, kann jedoch nicht als Rechtfertigung für eine Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten dienen.

27 Weder die Bestimmungen des Artikels 5 der Pariser Übereinkunft, die den Unterzeichnerstaaten lediglich die Möglichkeit eröffnen, die Erteilung von Zwangslizenzen vorzusehen, um Mißbräuche zu verhüten, die sich aus der Ausübung des durch das Patent verliehenen ausschließlichen Rechts ergeben könnten, wie im Fall unterlassener Ausübung, noch das Bestreben, durch eine Beschränkung der durch die Patente verliehenen Ausschließlichkeitsrechte den Wettbewerb zwischen den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern zu fördern, können jedenfalls Maßnahmen rechtfertigen, die aufgrund ihres diskriminierenden Charakters gegen den EWG-Vertrag verstossen.

28 Diese Regeln sind von den Unterzeichnerstaaten der beiden Gemeinschaftspatentübereinkommen berücksichtigt worden. Artikel 82 des ersten und Artikel 77 des zweiten Übereinkommens sehen nämlich die Anwendung derjenigen Vorschriften über die Gemeinschaftspatente auf nationale Patente vor, die die Erteilung von Zwangslizenzen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dann nicht zulassen, wenn der Bedarf dieses Staates durch Einfuhren dieses Erzeugnisses aus einem anderen Mitgliedstaat gedeckt wird. Artikel 89 des ersten und Artikel 83 des zweiten Übereinkommens haben zwar vorgesehen, daß die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen Vorbehalte in bezug auf die Anwendung der vorgenannten Bestimmungen machen können, und derartige Vorbehalte könnten sich als unvereinbar mit Artikel 30, wie er hier vom Gerichtshof ausgelegt worden ist, erweisen. Die Möglichkeit einer solchen Unvereinbarkeit ist jedoch in Artikel 93 des ersten Übereinkommens und in Artikel 2 Absatz 1 der Luxemburger Vereinbarung vom 15. Dezember 1989 ausdrücklich vorgesehen worden, wonach keine Vorschrift des Übereinkommens oder der Vereinbarung gegen die Anwendung einer Vorschrift des EWG-Vertrags geltend gemacht werden kann.

29 Daher ist festzustellen, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie die Erteilung von Zwangslizenzen zugelassen hat, wenn ein Patent für eine gewerbliche Erfindung oder eine neue Pflanzensorte nicht in Form einer Erzeugung im Inland ausgeuebt wird und wenn das Patent in Form von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeuebt wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

31 Das Königreich Spanien, das Vereinigte Königreich und die Portugiesische Republik, die die Anträge der Italienischen Republik als Streithelfer unterstützt haben, haben nach Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Italienische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen, indem sie die Erteilung von Zwangslizenzen zugelassen hat, wenn ein Patent für eine gewerbliche Erfindung oder eine neue Pflanzensorte nicht in Form einer Erzeugung im Inland ausgeuebt wird und wenn das Patent in Form von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeuebt wird.

2) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

3) Das Königreich Spanien, das Vereinigte Königreich und die Portugiesische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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