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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.07.1999
Aktenzeichen: C-235/92 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Entscheidung 86/398/EWG, Verfahrensordnung, Verjährungsverordnung Nr. 2988/74
Vorschriften:
EG-Satzung Art. 49 d | |
Entscheidung 86/398/EWG | |
EGV Art. 85 (jetzt EGV Art. 81) | |
Verfahrensordnung Art. 62 | |
Verjährungsverordnung Nr. 2988/74 Art. 1 Abs. 1 |
1 Daß der Gerichtshof durch einen früheren Beschluß eine Person als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge einer Partei zugelassen hat, steht einer erneuten Prüfung der Zulässigkeit der betreffenden Streithilfe nicht entgegen.
2 Für die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane spricht grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit, und sie entfalten daher selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkungen, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen werden.
Abweichend von diesem Grundsatz entfalten allerdings Rechtsakte, die offenkundig mit einem so schweren Fehler behaftet sind, daß die Gemeinschaftsrechtsordnung ihn nicht tolerieren kann, nicht einmal vorläufig Rechtswirkung, sind also rechtlich inexistent. Diese Ausnahme von dem Grundsatz soll einen Ausgleich zwischen zwei grundlegenden, manchmal jedoch einander widerstreitenden Erfordernissen herstellen, denen eine Rechtsordnung genügen muß, nämlich zwischen der Stabilität der Rechtsbeziehungen und der Wahrung der Rechtmässigkeit.
Die Schwere der Folgen, die mit der Feststellung der Inexistenz eines Rechtsakts der Gemeinschaftsorgane verbunden sind, verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit, daß diese Feststellung auf ganz aussergewöhnliche Fälle beschränkt wird.
3 Einem Antrag auf Beweisaufnahme, der nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung gestellt wird, kann nur stattgegeben werden, wenn er Tatsachen von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits betrifft, die der Betroffene nicht schon vor dem Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen konnte. Das gleiche gilt für den Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Zwar verfügt das Gericht nach Artikel 62 seiner Verfahrensordnung auf diesem Gebiet über ein Ermessen. Es braucht einem solchen Antrag jedoch nur stattzugeben, wenn der betroffene Beteiligte sich auf Tatsachen von entscheidender Bedeutung beruft, die er nicht schon vor dem Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen konnte.
4 Das Gericht ist nicht gehalten, aufgrund einer angeblichen Verpflichtung, Rügen in bezug auf die Rechtmässigkeit des Verfahrens zum Erlaß einer Entscheidung der Kommission von Amts wegen aufzugreifen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Eine solche Verpflichtung, den Ordre public betreffende Rügen von Amts wegen aufzugreifen, könnte nämlich nur eventuell aufgrund im Verfahren vorgetragener tatsächlicher Anhaltspunkte bestehen.
5 Für den Antrag eines Beteiligten vor dem Gerichtshof, eine Beweisaufnahme zur Klärung der Umstände anzuordnen, unter denen die Kommission die Entscheidung erlassen hat, die Gegenstand des angefochtenen Urteils gewesen ist, ist in dem auf Rechtsfragen beschränkten Rechtsmittelverfahren kein Raum.
Denn zum einen würden Beweiserhebungen den Gerichtshof notwendigerweise zu Entscheidungen über Tatsachenfragen veranlassen und unter Verstoß gegen Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand verändern.
Zum anderen betrifft das Rechtsmittel nur das angefochtene Urteil und ermöglicht es dem Gerichtshof gemäß Artikel 54 Absatz 1 seiner Satzung nur bei dessen Aufhebung, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden und über eventuelle Mängel der beim Gericht angefochtenen Entscheidung zu befinden.
6 Eine abgestimmte Verhaltensweise fällt selbst dann unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG), wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten.
Zum einen ergibt sich aus der genannten Vorschrift unmittelbar, daß aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen so, wie es bei Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen der Fall ist, unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird. Zum anderen setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, daß dieses Verhalten sich konkret in einer Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt.
7 Die Meinungsfreiheit sowie das Recht, sich friedlich zu versammeln, und die Vereinigungsfreiheit, die u. a. in den Artikeln 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind, gehören zu den Grundrechten, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union (nach Änderung jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU) erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.
8 Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Notstand ein notfalls auch gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) verstossendes Verhalten gestattet, doch kann er sich keinesfalls aus dem blossen Erfordernis ergeben, einen wirtschaftlichen Verlust zu vermeiden.
9 Der Auffassung, daß das Gericht durch den Gebrauch der Wendung "scopo anticoncorrenziale" (wettbewerbswidriger Zweck) in der italienischen Fassung der Entscheidung eine dritte Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages (jetzt Artikel 81 EG) eingeführt habe, ist nicht zu folgen. Denn die als Synonym für "oggetto anticoncorrenziale" verwendete Wendung "scopo anticoncorrenziale" stimmt, wie sie sich aus einem Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen dieser Vorschrift, insbesondere im Dänischen ("formaal"), Deutschen ("bezwecken"), Finnischen ("tarkoituksena"), Irischen ("gcuspóir"), Niederländischen ("strekken"), Portugiesischen ("objectivo") und Schwedischen ("syfte"), ergibt, offenbar mit der in Artikel 85 Absatz 1 stehenden Zweckbenennung überein.
10 Die Unschuldsvermutung, wie sie sich insbesondere aus Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, gehört zu den Grundrechten, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.
Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen ist der Grundsatz der Unschuldsvermutung in Verfahren wegen der Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln anwendbar, die zur Verhängung von Geldbussen oder Zwangsgeldern führen kann.
11 Der Begriff der fortgesetzten Zuwiderhandlung mag zwar in den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten einen etwas verschiedenen Inhalt haben, umfasst aber jedenfalls eine Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen oder von Handlungen zur Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung, die durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind.
Wie das Gericht daher zu Recht hat annehmen können, stellen zu Systemen regelmässiger Sitzungen zur Festsetzung von Preiszielen und Quoten verbundene, auf ein und dasselbe Ziel ausgerichtete Tätigkeiten eine fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) dar, so daß die fünfjährige Verjährungsfrist nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 2988/74 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Wettbewerbsrecht erst mit dem Tag beginnen kann, an dem die Zuwiderhandlung beendet war.
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 8. Juli 1999. - Montecatini SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Geschäftsordnung der Kommission - Verfahren für den Erlaß einer Entscheidung des Kommissionskollegiums - Für Unternehmen geltende Wettbewerbsregeln - Begriffe der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise - Verjährung - Geldbuße. - Rechtssache C-235/92 P.
Parteien:
In der Rechtssache C-235/92 P
Montecatini SpA, früher Montedison SpA, dann Montepolimeri SpA, dann Montedipe SpA, Mailand (Italien), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Aghina und G. Celona, Mailand, sowie Rechtsanwalt P. A. Ferrari, Rom, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts G. Margue, 20, rue Philippe II, Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
unterstützt durch
DSM NV, Heerlen (Niederlande), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt I. G. F. Cath, Den Haag, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts L. Dupong, 14 A, rue des Bains, Luxemburg,
Streithelferin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Erste Kammer) vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-14/89 (Montedipe/Kommission, Slg. 1992, II-1155) wegen Aufhebung dieses Urteils
anderer Verfahrensbeteiligter:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater G. Marenco als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erläßtDER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn sowie der Richter G. Hirsch, G. F. Mancini (Berichterstatter), J. L. Murray und H. Ragnemalm,
Generalanwalt: G. Cosmas
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler, und D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 12. März 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 1997,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1 Die Montecatini SpA, früher Montedison SpA, dann Montepolimeri SpA, später Montedipe (im folgenden für alle auch: Monte), hat mit Rechtsmittelschrift, die am 22. Mai 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-14/89 (Montedipe/Kommission, Slg. 1992, II-1155; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt.
Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht
2 Dem Rechtsmittel liegt folgender Sachverhalt, wie er sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, zugrunde.
3 Mehrere in der europäischen Petrochemieindustrie tätige Unternehmen erhoben beim Gericht Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung 86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen) (ABl. L 230, S. 1; nachstehend: Polypropylen-Entscheidung).
4 Gemäß den insoweit durch das Gericht bestätigten Feststellungen der Kommission wurde der Polypropylenmarkt vor 1977 von zehn Herstellern beliefert, von denen vier (Monte, Hoechst AG, Imperial Chemical Industries PLC [im folgenden: ICI] und Shell International Chemical Company Ltd [im folgenden: Shell; für die vier zusammen: die großen Vier]) zusammen 64 % des Marktes innehatten. Nach dem Auslaufen der Hauptpatente von Monte traten 1977 auf dem Markt neue Hersteller auf, was zu einem erheblichen Anwachsen der realen Produktionskapazität führte, ohne daß es dadurch zu einem entsprechenden Anstieg der Nachfrage kam. Dies hatte einen zwischen 1977 bei 60 % und 1983 bei 90 % liegenden Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten zur Folge. Jeder der damals in der Gemeinschaft niedergelassenen Hersteller verkaufte in die meisten, wenn nicht in alle Mitgliedstaaten.
5 Monte gehörte zu den Herstellern, die den Markt vor 1977 belieferten. Sie war als der größte Polypropylenhersteller einer der großen Vier und hatte auf dem westeuropäischen Markt einen Anteil etwa zwischen 14,2 % und 15 %. Nachdem sie 1983 das Polypropylengeschäft der Enichem Anic SpA übernommen hatte, betrug ihr Anteil am westeuropäischen Polypropylenmarkt 18 %.
6 Im Anschluß an gleichzeitig in mehreren Unternehmen des Wirtschaftszweigs durchgeführte Nachprüfungen richtete die Kommission an mehrere Polyropylenhersteller Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204). Aus Randnummer 6 des angefochtenen Urteils geht hervor, daß die Kommission anhand des im Rahmen dieser Nachprüfungen und Auskunftsverlangen entdeckten Beweismaterials zu der vorläufigen Auffassung gelangte, die Hersteller hätten von 1977 bis 1983 unter Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) durch Preisinitiativen regelmäßig Zielpreise festgesetzt und ein System jährlicher Mengenkontrolle entwickelt, um den verfügbaren Markt nach vereinbarten Prozentsätzen oder Mengen unter sich aufzuteilen. Die Kommission leitete deshalb ein Verfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ein und übermittelte mehreren Unternehmen, darunter Monte, die schriftliche Mitteilung der Beschwerdepunkte.
7 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Polypropylen-Entscheidung, mit der sie feststellte, daß Monte gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen habe, indem sie zusammen mit anderen Unternehmen von Mitte 1977 bis mindestens November 1983 an einer von Mitte 1977 stammenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt gewesen sei, durch die die Gemeinschaft mit Polypropylen beliefernden Hersteller:
- miteinander Verbindung gehabt und sich regelmäßig (von Anfang 1981 an zweimal monatlich) in einer Reihe geheimer Sitzungen getroffen hätten, um ihre Geschäftspolitik zu erörtern und festzulegen;
- von Zeit zu Zeit für den Absatz ihrer Erzeugnisse in jedem Mitgliedstaat der EWG Ziel-(oder Mindest-)Preise festgelegt hätten;
- verschiedene Maßnahmen getroffen hätten, um die Durchsetzung dieser Zielpreise zu erleichtern, (vor allem) u. a. durch vorübergehende Absatzeinschränkungen, den Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, die Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab Ende 1982 ein System der "Kundenführerschaft" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden;
- gleichzeitige Preiserhöhungen vorgenommen hätten, um die besagten Ziele durchzusetzen;
- den Markt aufgeteilt hätten, indem jedem Hersteller ein jährliches Absatzziel bzw. eine Quote (1979, 1980 und zumindest für einen Teil des Jahres 1983) zugeteilt worden sei oder, falls es zu keiner endgültigen Vereinbarung für das ganze Jahr gekommen sei, die Hersteller aufgefordert worden seien, ihre monatlichen Verkäufe unter Bezugnahme auf einen vorausgegangenen Zeitraum (1981, 1982) einzuschränken (Artikel 1 der Polypropylen-Entscheidung).
8 Sodann verpflichtete die Kommission die verschiedenen betroffenen Unternehmen, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen und in Zukunft von allen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen. Ferner erlegte ihnen die Kommission auf, jedes Verfahren zum Austausch von Informationen, die normalerweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen, abzustellen und dafür Sorge zu tragen, daß Verfahren zum Austausch allgemeiner Informationen (wie das Fides-System) unter Ausschluß sämtlicher Informationen geführt werden, aus denen sich das Marktverhalten einzelner Hersteller ableiten läßt (Artikel 2 der Polypropylen-Entscheidung).
9 Gegen Monte wurde eine Geldbuße von 11 000 000 ECU bzw. 16 187 490 000 ITL festgesetzt (Artikel 3 der Polypropylen-Entscheidung).
10 Am 6. August 1986 erhob Monte beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung. Das schriftliche Verfahren lief insgesamt beim Gerichtshof ab. Mit Beschluß vom 15. November 1989 verwies dieser die Rechtssache gemäß dem Beschluß 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) an das Gericht.
11 Monte beantragte beim Gericht, die Polypropylen-Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie an sie gerichtet ist, hilfsweise, sie für nichtig zu erklären, soweit durch sie gegen sie eine Geldbuße festgesetzt wird, äußerst hilfsweise, sie insoweit, als durch sie gegen sie eine Geldbuße von 11 000 000 ECU festgesetzt wird, für nichtig zu erklären und die Geldbuße auf einen symbolischen oder jedenfalls angemessenen Betrag oder auf einen zumindest die Verjährung berücksichtigenden Betrag festzusetzen, sowie auf jedem Fall die Kommission zu verurteilen, die Kosten zu tragen und die Kosten des Verwaltungsverfahrens und alle Schäden im Zusammenhang mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung und der Leistung einer Sicherheit für die Aussetzung des Vollzugs, einschließlich der Zinsen und der Aufwertung für die im Rahmen des Vollzugs gezahlten Beträge oder für die Leistung der Sicherheit, zu ersetzen.
12 Die Kommission beantragte, die Klage abzuweisen und Monte die Kosten aufzuerlegen.
13 Mit Schriftsatz, der am 6. März 1992 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte Monte beim Gericht, wegen der Erklärungen, die die Kommission auf einer Pressekonferenz abgegeben hatte, die sie nach Verkündung des Urteils vom 27. Februar 1992 in den Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 (BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315; im folgenden: PVC-Urteil des Gerichts) am 28. Februar 1992 abhielt, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und eine Beweisaufnahme anzuordnen.
Das angefochtene Urteil
Zur Feststellung der Zuwiderhandlung - Tatsachenfeststellungen
Die Mindestpreisvereinbarung
14 In den Randnummern 68 und 69 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, daß der Vermerk des Angestellten von Hercules, auf den die Kommission zum Nachweis der Mindestpreisvereinbarung verweise, klar und eindeutig sei und daß Monte dem nichts entgegenhalte, was den Beweiswert dieses Vermerks erschüttern könnte.
15 Laut Randnummer 70 spricht die Tatsache, daß die vereinbarten Mindestpreise nicht durchgesetzt werden konnten, nicht gegen die Beteiligung von Monte an der Mindestpreisvereinbarung, da selbst in diesem Fall höchstens bewiesen wäre, daß die Mindestpreise nicht verwirklicht worden seien, nicht aber, daß sie nicht vereinbart worden seien. In Randnummer 71 hat das Gericht ausgeführt, die Mindestpreise unterschieden sich ihrer Natur nach nicht von den Preiszielen, die später von den Polypropylenherstellern festgesetzt worden seien.
16 In Randnummer 72 hat das Gericht aus alledem abgeleitet, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß es Mitte 1977 zwischen mehreren Polypropylenherstellern, zu denen Monte gehöre, zu einer Willensübereinstimmung über die Festlegung von Mindestpreisen gekommen sei.
Das System der regelmäßigen Sitzungen
17 In Randnummer 82 hat das Gericht festgestellt, daß Monte ihre Teilnahme an den regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller nicht bestreite und daher davon auszugehen sei, daß sie an allen Sitzungen teilgenommen habe, die nach den Feststellungen in der Polypropylen-Entscheidung abgehalten worden seien. In Randnummer 83 hat das Gericht ausgeführt, die Kommission habe auf der Grundlage der Angaben von ICI in deren Antwort auf das Auskunftsverlangen, die durch zahlreiche Sitzungsberichte bestätigt worden seien, zu Recht angenommen, daß der Zweck der Sitzungen insbesondere die Festsetzung von Preiszielen und von Verkaufsmengenzielen gewesen sei.
18 In Randnummer 84 hat das Gericht ferner ausgeführt, die Sitzungsberichte von ICI würden durch verschiedene Unterlagen, so z. B. durch eine Reihe von Tabellen mit Zahlen über das Absatzvolumen einzelner Hersteller und durch Preisinstruktionen, die mit den in diesen Sitzungsberichten genannten Preiszielen übereinstimmten, sowie - in ihrer Gesamtheit - durch die Antworten verschiedener Hersteller auf das Auskunftsverlangen der Kommission inhaltlich bestätigt. Die Kommission habe deshalb, so weiter in Randnummer 85, davon ausgehen können, daß die bei ICI gefundenen Sitzungsberichte hinreichend objektiv den Inhalt der Sitzungen wiedergäben. Unter diesen Umständen, hat das Gericht in Randnummer 86 ausgeführt, obliege es Monte, durch die Vorlage konkreter Beweismittel eine andere Erklärung für den Inhalt der Sitzungen zu geben, an denen sie teilgenommen habe; solche Beweismittel habe sie aber weder vorgelegt noch angeboten.
19 Laut Randnummer 88 des angefochtenen Urteils hat die Kommission aus der Antwort von ICI zu den "Chef"- und "Experten"-Sitzungen sowie aus der Identität von Art und Zweck der Sitzungen zu Recht geschlossen, daß diese Teil eines Systems regelmäßiger Sitzungen waren.
20 Zu der besonderen Rolle der großen Vier innerhalb des Systems der Sitzungen hat das Gericht in Randnummer 89 darauf hingewiesen, daß Monte nicht bestreite, daß an den von der Kommission angegebenen Tagen gemeinsame Sitzungen dieser Unternehmen stattgefunden hätten. Diese Sitzungen fanden laut Randnummer 90 ab Dezember 1982 jeweils am Tag vor den "Chef"-Sitzungen statt und dienten dazu, die Maßnahmen festzulegen, die die großen Vier dort gemeinsam für eine Preisanhebung hätten treffen können, wie sich aus dem Vermerk eines Angestellten von ICI über den Inhalt des Vorgesprächs der großen Vier vom 19. Mai 1983 ergebe.
21 In Randnummer 91 hat das Gericht aus alledem abgeleitet, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß Monte regelmäßig an den regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zwischen Ende 1977 und September 1983 teilgenommen habe, Angestellte von Monte bis August 1982 den Vorsitz in diesen Sitzungen innegehabt hätten, Zweck dieser Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen gewesen sei und die Sitzungen Teil eines Systems gewesen seien.
Die Preisinitiativen
22 In Randnummer 128 hat das Gericht festgestellt, daß die Berichte über die regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zeigten, daß die Hersteller, die an diesen Sitzungen teilgenommen hätten, dort die in der Polypropylen-Entscheidung genannten Preisinitiativen vereinbart hätten. Da bewiesen sei - so heißt es in Randnummer 129 -, daß Monte an diesen Sitzungen teilgenommen habe, könne sie nicht behaupten, den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht zugestimmt zu haben, ohne Anhaltspunkte für die Erhärtung dieser Behauptung vorzutragen.
23 In Randnummer 131 hat das Gericht ausgeführt, dem Vorbringen von Monte, daß sie sich bei der Festlegung ihres Preisverhaltens auf dem Markt nicht von den Sitzungsergebnissen habe leiten lassen, lasse sich nichts entnehmen, was die Behauptung von Monte erhärten könnte, daß sie den in den Sitzungen vereinbarten Preisinitiativen nicht zugestimmt habe; dieses Vorbringen beweise höchstens, daß Monte das Ergebnis der Sitzungen nicht in die Tat umgesetzt habe. Jedenfalls könne Monte sich - so das Gericht in Randnummer 132 - nicht darauf berufen, daß ihre Preisinstruktionen rein interner Natur gewesen seien; auch wenn sie sicherlich insofern rein interner Natur gewesen seien, als sie vom Hauptsitz an die Verkaufsabteilungen gerichtet gewesen seien, seien sie doch erteilt worden, um ausgeführt zu werden und somit unmittelbar oder mittelbar Außenwirkungen zu erzeugen, was ihnen ihren internen Charakter nehme.
24 Zum wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem die Preisinitiativen standen, hat das Gericht in Randnummer 133 ausgeführt, er könne keine Erklärung für die Übereinstimmung der Preisinstruktionen der einzelnen Hersteller untereinander und mit den in den Sitzungen der Hersteller festgesetzten Preiszielen sein. Laut Randnummer 134 können diese gleichen Zwänge auch nicht erklären, daß die Preisinstruktionen von Monte und die der anderen Hersteller fast gleichzeitig erteilt worden seien.
25 Ferner kann gemäß Randnummer 135 auch nicht von einer Art Preisführerschaft eines Herstellers die Rede sein, weil der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß dieser Hersteller sich mit anderen über die Preise abgestimmt habe. Ebenfalls zu Recht habe die Kommission, so hat das Gericht in Randnummer 136 weiter ausgeführt, aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen abgeleitet, daß diese Initiativen Teil eines Systems zur Festsetzung von Preiszielen gewesen seien.
26 In Randnummer 137 hat das Gericht festgestellt, folglich sei der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß Monte zu den Polypropylenherstellern gehört habe, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen sei, die auf die in der Polypropylen-Entscheidung genannten Preisinitiativen gerichtet gewesen seien, daß diese Preisinitiativen Teil eines Systems gewesen seien und daß deren Wirkungen bis zum November 1983 angehalten hätten.
Die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen
27 In Randnummer 143 hat das Gericht ausgeführt, die Polypropylen-Entscheidung sei so auszulegen, daß dort jedem einzelnen Hersteller der Vorwurf gemacht werde, in den Sitzungen zu verschiedenen Zeiten mit den anderen Herstellern einen Komplex von Maßnahmen vereinbart zu haben, mit denen insbesondere durch eine künstliche Verknappung des Polypropylenangebots günstige Voraussetzungen für eine Preisanhebung hätten geschaffen werden sollen, wobei die Durchführung einvernehmlich auf die verschiedenen Hersteller nach Maßgabe ihrer spezifischen Lage verteilt worden sei. In Randnummer 144 hat das Gericht festgestellt, Monte habe sich durch die Teilnahme an den Sitzungen, in denen dieser Komplex von Maßnahmen beschlossen worden sei, an diesen Maßnahmen beteiligt, da sie nichts zum Beweis des Gegenteils vorgetragen habe.
28 Zur "Kundenführerschaft" hat das Gericht in Randnummer 145 festgestellt, aus den Berichten über die Sitzungen vom 2. September 1982, vom 2. Dezember 1982 und vom Frühjahr 1983, an denen Monte teilgenommen habe, ergebe sich, daß die in diesen Sitzungen anwesenden Hersteller sich diesem System angeschlossen hätten. Laut Randnummer 146 ist die von Monte vorgelegte Untersuchung wegen ihrer zu starken Beschränkung nicht zu beweisen geeignet, daß Monte keine Rolle als Kundenführer gegenüber den Kunden gespielt hat, für die sie als solcher bestimmt worden war.
29 In den Randnummern 147 und 148 hat das Gericht festgestellt, die zumindest teilweise Durchführung dieses Systems werde durch den Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983, durch den Bericht über eine andere Sitzung im Frühjahr 1983 und durch die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen belegt. Im übrigen hat das Gericht in Randnummer 149 festgestellt, daß Monte ihre Beteiligung an der Entscheidung über andere Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen nicht substantiiert bestreite.
30 Aufgrund dessen ist das Gericht in Randnummer 150 zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß Monte zu den Polypropylenherstellern gehört habe, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen über die Maßnahmen gekommen sei, mit denen die Durchführung der in der Polypropylen-Entscheidung genannten Preisinitiativen habe gefördert werden sollen.
Absatzziele und Quoten
31 In Randnummer 175 hat das Gericht zunächst daran erinnert, daß Monte von Anfang an an den regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen habe, in denen die Verkaufsmengen der verschiedenen Hersteller diskutiert und Informationen hierüber ausgetauscht worden seien. In Randnummer 176 hat das Gericht ausgeführt, daß parallel zu dieser Teilnahme von Monte an den Sitzungen ihr Name in verschiedenen bei Polypropylenherstellern aufgefundenen Tabellen genannt sei, deren Inhalt eindeutig darauf hinweise, daß sie zur Festlegung von Verkaufsmengenzielen bestimmt gewesen seien. Die Kommission sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Monte betreffenden Angaben in diesen Tabellen, die auf der Grundlage von durch die Hersteller erteilten Informationen und nicht von Statistiken des Fides-Systems erstellt worden sein müßten, von Monte im Rahmen der Sitzungen gemacht worden seien. Zum angeblich irreführenden Charakter dieser Informationen hat das Gericht in Randnummer 177 bemerkt, zum einen werde er durch die Erwähnung eines Vergleichs zwischen den von einzelnen gelieferten Zahlen und den Zahlen des Fides-Systems in einer der Tabellen widerlegt. Zum anderen spreche der eventuell irreführende Charakter der Informationen dafür, daß sie für eine Entscheidung im Anschluß an Verhandlungen bestimmt gewesen seien, durch die zwar im Einzelfall gegenläufige, global aber gleichgerichtete Interessen zum Ausgleich hätten gebracht werden sollen. In Randnummer 178 hat das Gericht festgestellt, die in den Tabellen für die Jahre 1979 und 1980 benutzte Terminologie lasse den Schluß zu, daß es zwischen den Herstellern zu Willensübereinstimmungen gekommen sei.
32 In Randnummer 179 hat das Gericht ausgeführt, in dem Bericht über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 und die bei ICI sichergestellte Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" werde festgehalten, daß das zunächst für 1979 vereinbarte Quotensystem für die letzten drei Monate dieses Jahres verschärft werden müsse.
33 In Randnummer 180 hat das Gericht festgestellt, daß die Festlegung von Verkaufsmengenzielen für das gesamte Jahr 1980 aus der bei der Atochem SA aufgefundenen Tabelle vom 26. Februar 1980 und aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981 hervorgehe. Dazu sei festzustellen, wenn sich die in diesen beiden Schriftstücken genannten Zahlen unterrschieden, so ergebe sich dies daraus, daß die Vorausschätzungen der Hersteller nach unten hätten korrigiert werden müssen. Weiter hat das Gericht in Randnummer 181 ausgeführt, daß Monte nach dem genannten Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981 ihre Absatzzahlen für 1980 für einen Vergleich mit den Verkaufsmengenzielen mitgeteilt habe, die für 1980 festgelegt und angenommen worden seien.
34 In den Randnummern 182 bis 187 hat das Gericht festgestellt, für 1981 werde den Herstellern vorgeworfen, an den Verhandlungen teilgenommen zu haben, um zu einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr zu kommen, sowie ihre "Bestrebungen" mitgeteilt zu haben, übereingekommen zu sein, ihre monatlichen Verkäufe während der Monate Februar und März 1981 vorübergehend auf ein Zwölftel von 85 % des für 1980 vereinbarten "Zieles" zu reduzieren, sich für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen zu haben, jeden Monat in den Sitzungen ihre Verkäufe bekanntgegeben zu haben und schließlich überprüft zu haben, ob ihre Verkäufe die zugeteilte theoretische Quote einhielten. Daß die genannten Verhandlungen stattgefunden hätten und die "Bestrebungen" mitgeteilt worden seien, werde durch verschiedene Beweismittel wie Tabellen und einen internen Vermerk von ICI belegt. Die Annahme vorläufiger Maßnahmen in den Monaten Februar und März 1981 ergebe sich aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981. Die Tatsache, daß sich die Hersteller für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen und deren Einhaltung durch den monatlichen Austausch ihrer Verkaufszahlen überprüft hätten, werde durch eine Tabelle vom 20. Dezember 1989, eine bei ICI gefundene Tabelle ohne Datum mit der Bezeichnung "Scarti per società" und durch eine ebenfalls bei ICI gefundene, nicht datierte Tabelle bewiesen. Die Teilnahme von Monte an diesen verschiedenen Aktivitäten ergebe sich aus ihrer Teilnahme an den Sitzungen, in denen diese Aktionen stattgefunden hätten, und aus der Erwähnung ihres Namens in den genannten Schriftstücken.
35 In den Randnummern 188 bis 192 hat das Gericht festgestellt, für 1982 werde den Herstellern vorgeworfen, an den Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung teilgenommen zu haben, ihre "Bestrebungen" im Hinblick auf die Verkaufsmengen mitgeteilt zu haben, in Ermangelung einer endgültigen Vereinbarung ihre monatlichen Verkaufszahlen für das erste Halbjahr mitgeteilt und mit dem im Vorjahr erzielten prozentualen Anteil verglichen zu haben und sich während des zweiten Halbjahrs bemüht zu haben, ihre monatlichen Verkäufe auf den prozentualen Anteil des Gesamtmarkts zu beschränken, den sie in der ersten Hälfte dieses Jahres erzielt hätten. Daß zwischen den Herstellern die genannten Verhandlungen stattgefunden hätten und die "Bestrebungen" mitgeteilt worden seien, werde durch ein Schriftstück mit der Bezeichnung "Scheme for discussions 'quota system 1982'", einen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene 1982, Guidelines", eine Tabelle vom 17. Februar 1982 und eine auf italienisch abgefaßte Tabelle, die einen komplexen Vorschlag darstelle, belegt. Die für das erste Halbjahr getroffenen Maßnahmen würden durch den Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 und die darin wiedergegebenen Erklärungen von Monte und die Durchführung dieser Maßnahmen werde durch die Berichte über die Sitzungen vom 9. Juni, vom 20. und 21. Juli und vom 20. August 1982 bewiesen. Die Maßnahmen für das zweite Halbjahr würden durch den Bericht über die Sitzung vom 6. Oktober 1982 bewiesen, und ihre Aufrechterhaltung werde durch den Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 bestätigt.
36 In der Randnummer 193 hat das Gericht ferner festgestellt, daß die Kommission für die Jahre 1981 und 1982 aus der Tatsache, daß in den regelmäßigen Sitzungen eine gegenseitige Überwachung der Durchführung eines Systems zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum stattgefunden habe, zu Recht gefolgert habe, daß dieses System zuvor von den Teilnehmern an den Sitzungen angenommen worden sei.
37 Für das Jahr 1983 hat das Gericht in den Randnummern 194 bis 200 festgestellt, aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken ergebe sich, daß die Polypropylenhersteller Ende 1982 und Anfang 1983 eine Quotenregelung für das Jahr 1983 erörtert hätten, daß Monte an den Sitzungen, in denen die Erörterungen stattgefunden hätten, teilgenommen habe, daß sie bei dieser Gelegenheit Angaben über ihre Verkäufe gemacht habe, daß in der dem Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 beigefügten Tabelle 2 das Wort "acceptable" neben der beim Namen von Monte aufgeführten Quote stehe und daß Monte demnach an den Verhandlungen zur Erreichung einer Quotenregelung für 1983 teilgenommen habe. Die Kommission habe zu Recht aus den im Zusammenhang miteinander gesehenen Berichten über die Sitzung vom 1. Juni 1983 und über eine interne Sitzung der Shell-Gruppe vom 17. März 1983, die durch zwei andere, den Marktanteil für Shell mit 11 % beziffernde Schriftstücke bestätigt würden, gefolgert, daß diese Verhandlungen zur Einführung einer Quotenregelung geführt hätten. Die Tatsache, daß die Verkäufe von Monte nicht immer den ihr zugeteilten Quoten entsprochen hätten, sei ohne Bedeutung, da die Entscheidung der Kommission den Nachweis der Beteiligung von Monte nicht darauf stütze, daß Monte dieses System tatsächlich durchgeführt habe. Da mit den verschiedenen Maßnahmen zur Begrenzung der Verkaufsmengen dasselbe Ziel verfolgt worden sei, nämlich den durch das Überangebot hervorgerufenen Druck auf die Preise zu mindern, habe die Kommission diese Maßnahmen zu Recht als Teil einer Quotenregelung ansehen können.
38 Aufgrund dessen ist das Gericht in Randnummer 201 zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß Monte zu den Herstellern gehört habe, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen über die in der Polypropylen-Entscheidung genannten Verkaufsmengenziele für die Jahre 1979 und 1980 und die erste Hälfte des Jahres 1983 sowie über die dort genannte Begrenzung ihrer monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum gekommen sei, die Teil eines Quotensystems gewesen seien.
Die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
Die rechtliche Qualifizierung
39 In den Randnummern 228 und 229 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, daß die Kommission jeden Monte zur Last gelegten tatsächlichen Einzelakt entweder unter den Begriff der Vereinbarung oder hilfsweise den der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages subsumiert habe. Unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69 (ACF Chemiefarma/Kommisssion, Slg. 1970, 661) und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78 (Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125) hat das Gericht in Randnummer 230 festgestellt, eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages liege schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Die Kommission habe die Willensübereinstimmungen zwischen Monte und den anderen Herstellern, die auf Mindestpreise im Jahr 1977, auf Preisinitiativen, auf Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen, auf Verkaufsmengenziele für die Jahre 1979 und 1980 und für das erste Halbjahr 1983 sowie auf Maßnahmen zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum gerichtet gewesen seien, deshalb zu Recht als Vereinbarungen angesehen. Da der Kommission - so das Gericht in Randnummer 231 - rechtlich der Beweis gelungen sei, daß die Wirkungen der Preisinitiativen bis November 1983 angehalten hätten, sei sie auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Zuwiderhandlung mindestens bis November 1983 angedauert habe. Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83 (Binon, Slg. 1985, 2015) hat das Gericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, Artikel 85 des Vertrages sei auch auf außer Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Außerkrafttreten hinaus fortbestuenden.
40 In Randnummer 232 hat das Gericht für die Bestimmung des Begriffes der abgestimmten Verhaltensweise auf das Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663) verwiesen. In Randnummer 233 hat es ausgeführt, im vorliegenden Fall habe Monte an Sitzungen teilgenommen, deren Zweck es gewesen sei, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen, und in denen die Wettbewerber Informationen darüber ausgetauscht hätten. Sie habe sich so an einer Abstimmung beteiligt, deren Zweck es gewesen sei, das Marktverhalten der Hersteller zu beeinflussen und offenzulegen, welches Marktverhalten die einzelnen Hersteller selbst in Erwägung zögen. Monte habe damit, so das Gericht weiter in Randnummer 234, nicht nur das Ziel verfolgt, im voraus die Ungewißheit über das künftige Verhalten ihrer Wettbewerber zu beseitigen, sondern sie habe bei der Festlegung der Politik, die sie auf dem Markt habe verfolgen wollen, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen müssen. Auch ihre Wettbewerber hätten bei der Festlegung der Politik, die sie hätten verfolgen wollen, zwangsläufig unmittelbar oder mittelbar die Informationen berücksichtigen müssen, die ihnen Monte über das Marktverhalten gegeben habe, das sie selbst für sich beschlossen oder in Erwägung gezogen habe. Folglich habe die Kommission, so das Gericht in Randnummer 235, die regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, an denen Monte zwischen Ende 1977 und September 1983 teilgenommen habe, wegen ihres Zweckes zu Recht hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen.
41 Zum Vorliegen einer einzigen, in Artikel 1 der Polypropylen-Entscheidung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" bezeichneten Zuwiderhandlung hat das Gericht in Randnummer 236 zunächst darauf hingewiesen, daß die verschiedenen abgestimmten Verhaltensweisen und Vereinbarungen, die von den Beteiligten eingehalten und abgeschlossen worden seien, wegen ihres übereinstimmenden Zweckes Teil von Systemen regelmäßiger Sitzungen zur Festsetzung von Preiszielen und Quoten gewesen seien. In Randnummer 237 hat das Gericht dann ausgeführt, diese Systeme seien wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen gewesen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt worden sei, nämlich die normale Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt zu verfälschen. Es wäre daher, so das Gericht weiter, gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen. Tatsächlich habe sich Monte - jahrelang - an einem Komplex integrierter Systeme beteiligt, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellten. Diese einheitliche Zuwiderhandlung habe sich nach und nach sowohl in rechtswidrigen Vereinbarungen als auch in rechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen konkretisiert.
42 Das Gericht hat daher in Randnummer 238 festgestellt, die Kommission habe diese einheitliche Zuwiderhandlung zu Recht als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert, da diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufgewiesen habe, die als "Vereinbarungen" anzusehen seien, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt hätten. Angesichts einer komplexen Zuwiderhandlung sei die von der Kommission in Artikel 1 der Polypropylen-Entscheidung vorgenommene doppelte Subsumtion nicht so zu verstehen, daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich sei, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuelle. Sie beziehe sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarungen und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages anzusehen seien, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Subsumtion vorschreibe.
Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung
43 Zu dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, daß die Beteiligung von Monte an den regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller keine wettbewerbswidrige Wirkung gehabt habe, hat das Gericht in Randnummer 246 darauf hingewiesen, daß diese Sitzungen jedenfalls die Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes namentlich durch die Festlegung von Preis- und Verkaufsmengenzielen bezweckt hätten und daß die Teilnahme von Monte an diesen Sitzungen folglich eines wettbewerbswidrigen Zweckes im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht entbehrt habe.
Die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten
44 In Randnummer 253 hat das Gericht darauf hingewiesen, daß die Kommission im Licht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht verpflichtet gewesen sei, darzutun, daß sich die Beteiligung von Monte an einer Vereinbarung und einer abgestimmten Verhaltensweise spürbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ausgewirkt habe; vielmehr müßten die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen lediglich geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Unter Hinweis auf das Urteil Landewyck u. a./Kommission hat das Gericht insoweit festgestellt, daß die Wettbewerbsbeschränkungen im vorliegenden Fall geeignet gewesen seien, die Handelsströme aus der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten. Folglich sei der Kommission, so das Gericht in Randnummer 254, rechtlich der Beweis gelungen, daß die Zuwiderhandlung, an der Monte beteiligt gewesen sei, geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, ohne daß sie habe darzutun brauchen, daß der individuelle Tatbeitrag von Monte diesen Handel beeinträchtigt habe.
Rechtfertigungsgründe
45 Im Hinblick auf das Vorbringen von Monte, daß die Kommission den Inhalt der Vereinbarungen in ihrem wirtschaftlichen Kontext hätte untersuchen und auf jeden Fall die "rule of reason" hätte anwenden müssen, erinnert das Gericht in Randnummer 264 daran, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß mit den Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ein wettbewerbswidriger Zweck im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages verfolgt worden sei. Die Frage des wettbewerbswidrigen Zweckes dieser Vereinbarungen und Verhaltensweisen sei daher nur noch für die Beurteilung der Höhe der Geldbuße von Bedeutung. Jedenfalls stehe, so das Gericht in Randnummer 265, der Anwendung einer "rule of reason", selbst wenn eine solche Regel im Rahmen des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft Anwendung finden sollte, die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung entgegen, da die Zuwiderhandlung in diesem Fall ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln schlechthin sei.
46 In Randnummer 271 hat das Gericht festgestellt, Monte könne sich nicht darauf berufen, daß auf die von ihr abgeschlossenen Vereinbarungen und die abgestimmten Verhaltensweisen, an denen sie beteiligt gewesen sei, Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages hätte Anwendung finden müssen. Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 hätte Monte nämlich die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, für die sie Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages habe in Anspruch nehmen wollen, erst einmal bei der Kommission anmelden müssen, was sie aber nicht getan habe. Monte könne somit, so das Gericht in Randnummer 272, nicht behaupten, gegenüber den Unternehmen diskriminiert worden zu sein, deren Vereinbarungen gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages freigestellt worden seien.
47 Zum Vorbringen von Monte, daß die Maßnahmen der Hersteller um den Preis hoher Verluste für diese außerordentlich günstige Auswirkungen gehabt hätten, hat das Gericht in den Randnummern 279 und 280 festgestellt, daß Monte, selbst wenn eine solche positive Marktentwicklung eingetreten sei und ihr im vorliegenden Fall überhaupt eine Bedeutung beizumessen wäre, jedenfalls nicht dargetan habe, daß diese Entwicklung auf die von ihr abgeschlossenen Vereinbarungen und die abgestimmten Verhaltensweisen, an denen sie beteiligt gewesen sei, zurückzuführen gewesen sei. Wenn Monte in diesem Zusammenhang vortrage, daß die auf dem Markt etablierten Hersteller den Zugang der Neuankömmlinge zum Markt hätten behindern können, statt ihr Auftreten zu kanalisieren, so übersehe sie dabei, daß diese Neuankömmlinge Unternehmen von beachtlicher Größe gewesen seien, die sich, um auf dem Polypropylenmarkt Fuß zu fassen, mehrere Jahre selbst hohe Verluste hätten erlauben können.
48 In den Randnummern 286 und 287 hat das Gericht festgestellt, daß das Prinzip der einvernehmlichen Aufteilung der Opfer auf mehrere Unternehmen, auf die sich Monte im Hinblick auf einen Notstand berufen habe, im Widerspruch zum Wettbewerb stehe, den Artikel 85 des Vertrages schützen solle. Deshalb seien die Unternehmen nicht befugt, diesen Grundsatz anzuwenden, ohne den Fall der zuständigen Behörde zu unterbreiten und die einschlägigen Verfahren einzuhalten.
49 In den Randnummern 295 und 296 hat das Gericht festgestellt, daß der Verkauf unter den Gestehungskosten eine Form des unlauteren Wettbewerbs sein könne, wenn dadurch die Wettbewerbsposition eines Unternehmens zum Nachteil seiner Wettbewerber verstärkt werden solle, nicht aber, wenn der Verkauf unter den Gestehungskosten durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bedingt sei, wie dies vorliegend der Fall gewesen sei. Infolgedessen könnten die Teilnehmer an einem Kartell, mit dessen Hilfe die unterhalb der Gestehungskosten liegenden Preise auf ein diesen Kosten entsprechendes oder sie übersteigendes Niveau angehoben werden sollten, sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens nicht darauf berufen, daß dieses Kartell auf die Beendigung eines unlauteren Wettbewerbs abziele.
50 In Randnummer 301 hat das Gericht ausgeführt, die von Monte behauptete Analogie zu den Zusammenschlüssen der Erzeuger und/oder Verbraucher von Rohstoffen, die die Märkte stabilisiert hätten, entbehre jeder Grundlage, da die fraglichen Vereinbarungen Maßnahmen öffentlicher Marktbewirtschaftung darstellten, die mit den im vorliegenden Fall von den Polypropylenherstellern getroffenen Vereinbarungen nicht zu vergleichen seien.
51 In den Randnummern 310 und 311 hat das Gericht festgestellt, daß sämtliche angeblichen Verpflichtungen von Monte aus einer Gewerkschaftsvereinbarung zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und aufgrund der Feststellung der Krisenlage, durch die sie nach dem Gesetz Nr. 675 vom 12. August 1977 Beihilfen habe erhalten können und die sie daran gehindert hätten, die von ihr geplanten Entlassungen durchzuführen, mehr als drei Jahre nach dem Abschluß der Mindestpreisvereinbarung begründet worden seien. Monte habe ihnen zugestimmt, um in den Genuß der Vorteile zu gelangen, die an die von ihr übernommenen Verpflichtungen geknüpft gewesen seien. Sie könne daher, so das Gericht in Randnummer 312, nicht behaupten, daß ihre Pflichten sie in eine Lage versetzt hätten, die ihre Beteiligung an gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen unvermeidbar gemacht habe. Schließlich hat das Gericht in Randnummer 313 das in der Erwiderung enthaltene Vorbringen von Monte bezüglich ihrer angeblichen Erpressung durch die "Roten Brigaden" als unzulässig zurückgewiesen, da es ein neues Angriffsmittel im Sinne der Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts und 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes darstelle.
Zur Höhe der Geldbuße
Die Verjährung
52 In Randnummer 330 hat das Gericht festgestellt, daß nach Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) die fünfjährige Verjährungsfrist für die Befugnis der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen erst mit dem Tag beginne, an dem die Zuwiderhandlung beendet sei. In den Randnummern 331 und 332 heißt es, im vorliegenden Fall sei Monte ohne Unterbrechung vom Abschluß der Mindestpreisvereinbarung Mitte 1977 bis November 1983 an einer einzigen "dauernden" Zuwiderhandlung (in der Verfahrenssprache Italienisch: "un'infrazione unica e continuata") beteiligt gewesen und könne sich deshalb gegenüber der Festsetzung der Geldbußen nicht auf Verjährung berufen.
Die Dauer der Zuwiderhandlung
53 In Randnummer 336 heißt es, das Gericht habe bereits festgestellt, daß die Kommission den Zeitraum, in dem Monte gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßen habe, zutreffend beurteilt habe.
Die Schwere der Zuwiderhandlung
54 In Randnummer 346 hat das Gericht festgestellt, die Kommission habe nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bei der für die Festsetzung der Geldbuße erforderlichen Beurteilung der Schwere eines Rechtsverstoßes nicht nur die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen und sicherzustellen, daß ihr Vorgehen vor allem in bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigten, die notwendige abschreckende Wirkung habe. Die Kommission dürfe auch dem Umstand Rechnung tragen, daß Zuwiderhandlungen einer bestimmten Art wegen des Gewinns, den eine Reihe der betroffenen Unternehmen daraus ziehen könne, immer noch verhältnismäßig häufig seien, und könne daher das Niveau der Geldbußen anheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Die Kommission werde dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt habe, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich sei, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 109).
55 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hat das Gericht in Randnummer 347 festgestellt, daß die Kommission die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen sowie den Erlaß von Maßnahmen zur Förderung der Durchführung von Preisinitiativen, die eine normale Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt hätten verhindern sollen, zu Recht als besonders schwere und offenkundige Verstöße eingestuft habe.
56 In den Randnummern 351 bis 355 hat das Gericht festgestellt, daß die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße zum einen die bei weitem das allgemeine Niveau der verhängten Geldbuße rechtfertigenden Kriterien für die Bestimmung des allgemeinen Niveaus der gegen die Unternehmen, an die die Polypropylen-Entscheidung gerichtet sei, verhängten Geldbußen (Polypropylen-Entscheidung, Randnr. 108) und zum anderen die Kriterien für die gerechte Abstufung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbußen (Polypropylen-Entscheidung, Randnr. 109) festgelegt habe. Zu der letztgenannten Gruppe von Kriterien hat das Gericht ausgeführt, daß die Kommission die Berücksichtigung der Kriterien der Rolle jedes Unternehmens bei den geheimen Absprachen und der Dauer seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung in bezug auf Monte hinreichend individualisiert und die Kriterien des jeweiligen Polypropylenabsatzes der einzelnen Hersteller in der Gemeinschaft und ihres jeweiligen Gesamtumsatzes nicht unbillig angewandt habe.
57 In den Randnummern 361 bis 363 hat das Gericht festgestellt, daß die Kommission die von Monte gespielte Rolle zutreffend festgestellt habe und daß sie daher bei der Berechnung der gegen Monte zu verhängenden Geldbuße zu Recht von dieser Rolle ausgegangen sei. Zudem zeige die Schwere, die die festgestellten Handlungen charakterisiere - insbesondere die Festsetzung von Zielpreisen und Verkaufsmengen -, daß Monte nicht leichtfertig oder auch nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt habe. Insoweit hat das Gericht darauf hingewiesen, daß die beteiligten Unternehmen nahezu den gesamten Markt beherrschten und die gemeinsam begangene Zuwiderhandlung daher offensichtlich den Wettbewerb habe beschränken können.
58 In Randnummer 369 hat das Gericht festgestellt, daß die Kommission zwei Arten von Wirkungen unterschieden habe, nämlich erstens die Preisinstruktionen der Hersteller an ihre Verkaufsabteilungen und zweitens die Entwicklung der den einzelnen Kunden berechneten Preise. Laut Randnummer 370 ist der Kommission rechtlich der Beweis für den Eintritt der Wirkungen der ersten Art aufgrund der zahlreichen von den einzelnen Herstellern erteilten Preisinstruktionen gelungen. Zu den Wirkungen der zweiten Art hat das Gericht in Randnummer 371 festgestellt, aus der Polypropylen-Entscheidung gehe hervor, daß die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen mildernd berücksichtigt habe, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ihr ganzes Ziel erreicht hätten und daß keine Maßnahmen vorgesehen gewesen seien, um die Befolgung der Quoten oder anderer Maßnahmn zu erzwingen. In den Randnummern 372 und 373 hat das Gericht aus alledem abgeleitet, daß die Kommission zu Recht die Wirkungen der ersten Art in vollem Umfang berücksichtigt und der begrenzten Natur der Wirkungen der zweiten Art Rechnung getragen habe, ohne daß Monte dargetan habe, inwieweit sie dies nicht ausreichend getan habe. Die Gründe der Entscheidung der Kommission trügen deren verfügenden Teil und es gebe entgegen dem Vorbringen von Monte keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Kommission die Polypropylen-Entscheidung auf die Berücksichtigung weitergehender Wirkungen gestützt habe, als in der Begründung dieser Entscheidung angeführt seien. Von einem Ermessensmißbrauch könne daher keine Rede sein.
59 In Randnummer 379 hat das Gericht festgestellt, die Kommission habe dem Umstand Rechnung getragen, daß die Unternehmen lange Zeit erhebliche Verluste im Polypropylensektor hätten hinnehmen müssen, und sie habe damit bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen auch den ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen des Sektors Rechnung getragen. Im übrigen gelte, so hat das Gericht in Randnummer 380 weiter ausgeführt, die Hoechstgrenze von 10 % des Umsatzes in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 unter allen Umständen.
60 In den Randnummern 385 und 386 hat das Gericht darauf hingewiesen, daß die verschiedenen von Monte als Rechtfertigungsgründe geltend gemachten Umstände im Zusammenhang mit den innerstaatlichen politischen und sozialen Gegebenheiten oder den positiven Auswirkungen des Kartells die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens nicht ausschließen könnten, weil die Beteiligung an einem rechtswidrigen Kartell nicht als ein Mittel der Notwehr anerkannt werden könne. Die Kommission hätte diese Umstände höchstens bei der Festsetzung der Geldbuße mildernd berücksichtigen können, ohne dazu allerdings verpflichtet zu sein. Soweit Monte das Gericht um unbeschränkte Nachprüfung ersuche, sei daran zu erinnern, daß insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung die in Randnummer 108 der Polypropylen-Entscheidung aufgeführten Kriterien bei weitem das allgemeine Niveau der verhängten Geldbußen rechtfertigten.
61 Aus alledem hat das Gericht in Randnummer 388 abgeleitet, daß die gegen Monte verhängte Geldbuße der Dauer und der Schwere des Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln angemessen sei. Da die Polypropylen-Entscheidung der Kommission in keiner Weise rechtswidrig sei oder ein Verschulden erkennen lasse, könne eine Haftung der Kommission nicht in Frage kommen.
Zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
62 In seiner Entscheidung über den in Randnummer 389 erwähnten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat es das Gericht gemäß Randnummer 390 nach erneuter Anhörung des Generalanwalts nicht für angezeigt gehalten, wie von Monte beantragt, gemäß Artikel 62 seiner Verfahrensordnung die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen oder eine Beweisaufnahme anzuordnen.
63 In Randnummer 391 hat das Gericht ausgeführt:
"Es ist darauf hinzuweisen, daß das Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-102/89 und T-104/89 (BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315) als solches keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren rechtfertigt. Das Gericht stellt nämlich fest, daß ein Rechtsakt, der zugestellt und veröffentlicht worden sei, als gültig anzusehen ist. Es ist daher Sache desjenigen, der die formelle Gültigkeit eines Rechtsakts anzweifelt oder sich auf dessen Inexistenz beruft, dem Gericht Gründe vorzutragen, die den Anschein der Gültigkeit des förmlich zugestellten und veröffentlichten Rechtsakts in Frage stellen. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in dieser Rechtssache keine Anhaltspunkte vorgebracht, die die Annahme stützen könnten, daß die zugestellte und veröffentlichte Polypropylen-Entscheidung nicht von den Mitgliedern der Kommission als Kollegium gebilligt oder erlassen worden sei. Insbesondere haben die Klägerinnen im Gegensatz zu den PVC-Verfahren (Urteil vom 27. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-102/89 und T-104/89, a. a. O., Randnrn. 32 ff.) im vorliegenden Verfahren keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß der Grundsatz der Unantastbarkeit eines beschlossenen Rechtsakts durch eine Abänderung des Wortlauts der Entscheidung nach der Sitzung der Kommissionsmitglieder, in der sie erlassen worden ist, verletzt wurde."
64 Das Gericht hat die Klage abgewiesen und Monte die Kosten auferlegt.
Der Wiederaufnahmeantrag und der Beschluß des Gerichts
65 Monte hat mit Schriftsatz, der am 11. Juni 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß den Artikeln 41 der EG-Satzung des Gerichtshofes und 125 der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem angefochtenen Urteil abgeschlossenen Verfahrens gestellt.
66 Mit Beschluß vom 4. November 1992 in der Rechtssache T-14/89 REV (Montecatini/Kommission, Slg. 1992, II-2409) hat das Gericht den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig zurückgewiesen.
Das Rechtsmittel
67 In ihrer Rechtsmittelschrift beantragt die Rechtsmittelführerin,
- die Klage für zulässig zu erklären;
- das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung des Sachverhalts, soweit sie unterlassen worden ist, und zur Anwendung der richtigen Rechtsgrundsätze, soweit sie verletzt worden sind, an eine andere Kammer des Gerichts zurückzuverweisen;
- hilfsweise, das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben und die Sache wie vorstehend beantragt zurückzuverweisen;
- der Kommission auf jeden Fall die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen.
68 Mit Beschluß vom 30. September 1992 hat der Gerichtshof die DSM NV als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin zugelassen. Die Streithelferin beantragt,
- das angefochtene Urteil aufzuheben;
- die Inexistenz der Polypropylen-Entscheidung festzustellen oder sie für nichtig zu erklären;
- unabhängig davon, ob die Adressaten der Polypropylen-Entscheidung ein Rechtsmittel gegen das sie betreffende Urteil eingelegt haben und ob ihr Rechtsmittel zurückgewiesen worden ist, gegenüber allen Adressaten dieser Entscheidung, jedenfalls aber gegenüber ihr selbst, die Inexistenz der Polypropylen-Entscheidung festzustellen oder sie für nichtig zu erklären;
- hilfsweise, die Sache zur Entscheidung darüber, ob die Polypropylen-Entscheidung inexistent ist oder ob sie für nichtig zu erklären ist, an das Gericht zurückzuverweisen und
- der Kommission auf jeden Fall die Kosten sowohl für das Verfahren vor dem Gerichtshof als auch für das Verfahren vor dem Gericht einschließlich der ihr für die Streithilfe entstandenen Kosten aufzuerlegen.
69 Die Kommission beantragt,
- das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen;
- die Abweisung der Klage vor dem Gericht zu bestätigen;
- der Rechtsmittelführerin die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen;
- die Streithilfe insgesamt als unzulässig zurückzuweisen;
- hilfsweise, den Antrag der Streithelferin, der dahin geht, unabhängig davon, ob die Adressaten der Polypropylen-Entscheidung ein Rechtsmittel gegen das sie betreffende Urteil eingelegt haben und ob ihr Rechtsmittel zurückgewiesen worden ist, gegenüber allen Adressaten dieser Entscheidung, jedenfalls aber gegenüber der Streithelferin, die Inexistenz der Polypropylen-Entscheidung festzustellen oder sie für nichtig zu erklären, als unzulässig und die Streithilfe im übrigen als unbegründet zurückzuweisen,
- weiter hilfsweise, die Streithilfe als unbegründet zurückzuweisen;
- der Streithelferin auf jeden Fall die durch die Streithilfe entstandenen Kosten aufzuerlegen.
70 Zur Begründung ihres Rechtsmittels bringt die Rechtsmittelführerin fünf Rechtsmittelgründe vor, mit denen sie die Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Sinne von Artikel 51 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes rügt, und zwar im Zusammenhang erstens damit, daß nicht von Amts wegen die Existenz der Polypropylen-Entscheidung geprüft worden sei, zweitens mit der Verletzung von Artikel 85 des Vertrages, drittens mit der Sachverhaltsaufklärung, viertens mit der Verletzung der Vorschriften über die Verjährung und fünftens hilfsweise mit der Bemessung der Geldbuße.
71 Auf Antrag der Kommission hat der Präsident des Gerichtshofes das Verfahren ohne Widerspruch von seiten der Rechtsmittelführerin durch Entscheidung vom 27. Juli 1992 zur Prüfung der Konsequenzen ausgesetzt, die aus dem Urteil vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P (Kommission/BASF u. a., Slg. 1994, I-2555; im folgenden: PVC-Urteil des Gerichtshofes), das auf das Rechtsmittel gegen das PVC-Urteil des Gerichts ergangen ist, zu ziehen sind.
Zur Zulässigkeit der Streithilfe
72 Die Kommission vertritt die Ansicht, der Streithilfeantrag von DSM sei für unzulässig zu erklären. DSM habe nämlich erklärt, daß sie als Streithelferin ein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils gegenüber der Rechtsmittelführerin habe. Nach Ansicht der Kommission kann die Nichtigerklärung nicht allen einzelnen Adressaten einer Entscheidung zugute kommen, sondern nur denjenigen, die eine dahin gehende Klage erhoben haben; gerade dies sei einer der Unterschiede zwischen der Nichtigerklärung eines Rechtsakts und seiner Inexistenz. Durch eine Leugnung dieses Unterschieds würde den Fristen für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage jede Verbindlichkeit genommen. DSM könnte sich somit nicht auf eine eventuelle Nichtigerklärung berufen, da sie selbst das sie betreffende Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-8/89 (DSM/Kommission, Slg. 1991, II-1833) nicht beim Gerichtshof angefochten habe. Mit ihrer Streithilfe versuche sie somit, eine Ausschlußfrist zu umgehen.
73 Der schon erwähnte Beschluß vom 30. September 1992, durch den die Streithilfe von DSM zugelassen worden sei, sei zu einer Zeit ergangen, als die Entscheidung des Gerichtshofes über die Nichtigerklärung oder die Inexistenz in seinem PVC-Urteil noch nicht vorgelegen habe. Nach Ansicht der Kommission können die geltend gemachten Mängel nach Erlaß des genannten Urteils, sofern sie tatsächlich vorliegen, lediglich zur Nichtigerklärung der Polypropylen-Entscheidung und nicht zur Feststellung ihrer Inexistenz führen. Demgemäß habe DSM kein Interesse an einer Streithilfe mehr.
74 Ferner bestreitet die Kommission die Zulässigkeit des Antrags von DSM, der dahin gehe, daß das Urteil des Gerichts unabhängig davon, ob die Adressaten der Polypropylen-Entscheidung ein Rechtsmittel gegen das sie betreffende Urteil eingelegt hätten und ob ihr Rechtsmittel zurückgewiesen worden sei, Bestimmungen zur Feststellung der Inexistenz oder zur Nichtigerklärung der Polypropylen-Entscheidung gegenüber allen ihren Adressaten, zumindest aber gegenüber der Streithelferin, enthalten solle. Dieser Antrag sei unzulässig, weil die Streithelferin damit eine nur sie selbst betreffende Frage aufzuwerfen versuche, obwohl sie den Rechtsstreit nur in der Lage annehmen könne, in der er sich befinde. Nach Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes könne der Streithelfer nur die Anträge einer Partei unterstützen und keine eigenen Anträge stellen. Der genannte Antrag von DSM bestätige, daß sie die Streithilfe dazu verwenden wolle, sich dem Ablauf der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittel gegen das genannte sie betreffende Urteil DSM/Kommission zu entziehen.
75 In bezug auf die gegen die Streithilfe insgesamt erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist vorab zu bemerken, daß der Beschluß vom 30. September 1992, durch den der Gerichtshof DSM als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin zugelassen hat, einer erneuten Prüfung der Zulässigkeit der Streithilfe von DSM nicht entgegensteht (siehe in diesem Sinn Urteil vom 29. Oktober 1980 in der Rechtssache 138/79, Roquette Frères/Rat, Slg. 1980, 3333).
76 Nach Artikel 37 Absatz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes steht das Recht, einem beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreit beizutreten, allen Personen zu, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits glaubhaft machen. Nach Absatz 4 derselben Bestimmung können mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden.
77 Die Anträge der Rechtsmittelführerin sind u. a. darauf gerichtet, das angefochtene Urteil aufzuheben, weil das Gericht nicht die Inexistenz der Polypropylen-Entscheidung festgestellt habe. Wie sich aus Randnummer 49 des PVC-Urteils des Gerichtshofes ergibt, entfalten Rechtsakte, die offenkundig mit einem so schweren Fehler behaftet sind, daß die Gemeinschaftsrechtsordnung ihn nicht tolerieren kann, abweichend von der Gültigkeitsvermutung für Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane nicht einmal vorläufig Rechtswirkung, sind also rechtlich inexistent.
78 Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist das Interesse von DSM nicht infolge des Erlasses des Urteils entfallen, durch das der Gerichtshof das PVC-Urteil des Gerichts aufgehoben und die von diesem festgestellten Mängel nicht für geeignet angesehen hat, die Inexistenz der in den PVC-Sachen angefochtenen Entscheidung nach sich zu ziehen. Das PVC-Urteil des Gerichtshofes betraf nämlich nicht die Inexistenz der Polypropylen-Entscheidung und hat daher das Interesse von DSM an der Feststellung dieser Inexistenz nicht entfallen lassen.
79 Zur Einrede der Kommission gegen den Antrag der Streithelferin auf Feststellung der Inexistenz oder der Nichtigerklärung der Polypropylen-Entscheidung gegenüber allen ihren Adressaten, zumindest aber gegenüber ihr selbst, ist festzustellen, daß dieser Antrag speziell die Streithelferin betrifft und nicht den Anträgen der Rechtsmittelführerin entspricht. Daher genügt er nicht den Anforderungen des Artikels 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes und ist deshalb für unzulässig zu erklären.
Zu den Rechtsmittelgründen
80 Unter Hinweis auf die Randnummern 389 bis 391 des angefochtenen Urteils macht die Rechtsmittelführerin zur Begründung ihres Rechtsmittels erstens geltend, soweit das Gericht nicht die Existenz der Polypropylen-Entscheidung geprüft habe, habe es die Beweislastregeln verletzt und gegen seine Verpflichtung, von Amts wegen die erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen, verstoßen. Zweitens macht die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 57 bis 202 und 203 bis 315 des angefochtenen Urteils geltend, bei der Feststellung des von ihm zu würdigenden Sachverhalts und der Prüfung der Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf diesen Sachverhalt habe das Gericht gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßen. Drittens macht die Rechtsmittelführerin wiederum im Hinblick auf die schon erwähnten Randnummern 57 bis 202 geltend, bei der Feststellung des von ihm zu würdigenden Sachverhalts habe das Gericht gegen das Beweisrecht und die Grundsätze für die Beurteilung der individuellen Verantwortlichkeit der an der Zuwiderhandlung Beteiligten verstoßen. Viertens macht die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 236 und 237 sowie 328 bis 337 des angefochtenen Urteils geltend, das Gericht habe gegen die Vorschriften über die Verjährung verstoßen. Fünftens macht die Rechtsmittelführerin hilfsweise geltend, das Gericht habe dadurch die Vorschriften über die Bemessung von Geldbußen verletzt, daß es eine Herabsetzung der Geldbuße abgelehnt habe.
Zu der Unterlassung, wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften die Inexistenz der Polypropylen-Entscheidung festzustellen oder sie für nichtig zu erklären
81 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht die Beweislastregeln verletzt und gegen den Grundsatz verstoßen habe, daß das Gericht von Amts wegen die Existenz der angefochtenen Handlung zu prüfen und alle rechtswidrigen Handlungen auszuscheiden habe. Durch die PVC-Rechtssache vor dem Gericht und die in der Presse wiedergegebenen Erklärungen des Sprechers der Kommission sei klar geworden, daß bestimmte Texte im Zeitpunkt der Unterzeichnung und damit des Erlasses der Polypropylen-Entscheidung körperlich nicht existiert hätten und daß infolge des Eingreifens der Dienststellen der Kommission nach Erlaß der Handlung teilweise beträchtliche Abweichungen zwischen den zur Zeit der Unterzeichnung fertigen Texten und den zugestellten Texten bestanden hätten. Solche Verfahrensweisen seien um so schwerwiegender, wenn es sich wie hier um eine Bußgeldentscheidung handele.
82 Außerdem habe sie im vorliegenden Fall jeden Grund zu der Annahme, daß die Polypropylen-Entscheidung am 26. April 1986 nicht in ihrer italienischen Fassung erlassen worden sei. Dieser Mangel führe zur Inexistenz dieser Entscheidung, und das Gericht hätte diesen Punkt gemäß einem im Recht der Mitgliedstaaten wohl verankerten Grundsatz von Amts wegen prüfen müssen. Mit der Inexistenz gleichzusetzen seien alle schwerwiegendsten Arten der Nichtigkeit, die Wirkungen ex tunc entfalteten und nicht verjährbar seien.
83 Die Rechtsmittelführerin macht geltend, die Kommission habe die Identität des PVC-Falles und des Polypropylen-Falles selbst eingeräumt, als sie beantragt habe, dieses Verfahren bis zum Erlaß des PVC-Urteils des Gerichtshofes auszusetzen. Wenn die Kommission geltend mache, daß die Mängel, die gemäß den im PVC-Urteil des Gerichtshofes aufgestellten Grundsätzen zur Nichtigkeit und nicht zur Inexistenz der Entscheidung führten, mit der Klage in der ersten Instanz hätten gerügt werden müssen, so vergesse sie, daß der Gerichtshof in diesem Urteil die Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt habe, ohne daß wegen dieses Mangels eine besondere Rüge erhoben worden sei. Auch wenn es sich aber um Inexistenz und nicht um Nichtigkeit handeln sollte, habe der Gerichtshof in seinem PVC-Urteil die Auffassung vertreten, daß dies nichts an seiner Befugnis zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ändere.
84 Die Inexistenz sei keine selbständige Kategorie von Mängeln des Verwaltungsakts, sondern nur eine besondere Art innerhalb der Nichtigkeitskategorie. Mit sehr gewichtigen Mängeln behaftete Handlungen würden nur in sehr engen Grenzen und in extremen Fällen als inexistent angesehen (Schlußanträge des Generalanwalts Trabucchi in den Rechtssachen 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73, Kortner u. a./Rat u. a., Urteil vom 21. Februar 1974, Slg. 1974, 177). Im vorliegenden Fall brauche keine von Amts wegen getroffene Feststellung des Mangels der Nichtigkeit angeführt zu werden, da dieser Mangel, wenn auch als Inexistenzgrund, in der Rechtsmittelschrift angeführt worden sei.
85 Hier lägen ebenso wie in den PVC-Sachen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, daß die italienische Fassung der Entscheidung erst nach dem Erlaß der Entscheidung erstellt und daß diese vor der Zustellung an sie Änderungen unterzogen worden sei. Das Gericht hätte somit, so wie es nun der Gerichtshof tun müsse, der Kommission die Vorlage der Urschrift der Entscheidung aufgeben müssen.
86 Die Streithelferin trägt vor, in anderen beim Gericht anhängigen Rechtssachen seien neue Entwicklungen eingetreten. Aus diesen ergebe sich, daß die Kommission ihre Einhaltung der wesentlichen Verfahrensregeln, die sie selbst für sich festgesetzt habe, hätte nachweisen müssen und daß das Gericht zur Klärung dieser Frage von Amts wegen oder auf Antrag eine Beweisaufnahme zur Nachprüfung der einschlägigen Urkundenbeweise hätte anordnen müssen. In den jeweils mit Urteil vom 29. Juni 1995 abgeschlossenen Rechtssachen T-30/91 (Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1775) und T-36/91 (ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1847) (im folgenden: Soda-Sachen) habe die Kommission geltend gemacht, daß die von ICI nach Erlaß des PVC-Urteils des Gerichts in diesen Rechtssachen eingereichte Ergänzung der Erwiderung keinen Beweis für einen Verstoß der Kommission gegen ihre Geschäftsordnung enthalte und daß es sich bei dem Antrag von ICI auf eine Beweisaufnahme um ein neues Angriffsmittel handele. Das Gericht habe dennoch Fragen nach den Konsequenzen aus dem PVC-Urteil des Gerichtshofes an die Kommission und ICI gestellt und die Kommission dennoch gefragt, ob sie im Hinblick auf Randnummer 32 des PVC-Urteils des Gerichtshofes die Protokollauszüge und die angefochtenen Entscheidungen in ihrem festgestellten Wortlaut vorlegen könne. Nach weiteren Entwicklungen in dem Verfahren habe die Kommission schließlich eingeräumt, daß die als festgestellt vorgelegten Urkunden erst nach dem Vorlageverlangen des Gerichts festgestellt worden seien.
87 Weiter trägt die Streithelferin vor, in den Polyäthylen niedriger Dichte betreffenden Rechtssachen T-80/89, T-81/89, T-83/89, T-87/89, T-88/89, T-90/89, T-93/89, T-95/89, T-97/89, T-99/89, T-100/89, T-101/89, T-103/89, T-105/89, T-107/89 und T-112/89 (BASF u. a./Kommission, Urteil vom 6. April 1995, Slg. 1995, II-729; im folgenden: LDEP-Sachen) habe das Gericht der Kommission ebenfalls aufgegeben, eine beglaubigte Fassung der angefochtenen Entscheidung vorzulegen. Die Kommission habe eingeräumt, daß in der Sitzung, in der das Kommissionskollegium diese Entscheidung gefaßt habe, keine Feststellung erfolgt sei. Demnach müsse das Verfahren zur Feststellung von Rechtsakten der Kommission nach dem März 1992 eingeführt worden sein. Daraus folge, daß derselbe Mangel der fehlenden Feststellung auch der Polypropylen-Entscheidung anhaften müsse.
88 In entsprechender Weise wie in den Polypropylen-Sachen habe das Gericht in den Urteilen vom 27. Oktober 1994 in den Rechtssachen T-34/92 (Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905, Randnrn. 24 bis 27) und T-35/92 (Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957, Randnrn. 28 bis 31) argumentiert, als es das Vorbringen der Klägerinnen mit der Begründung zurückgewiesen habe, daß diese nicht den geringsten Anhaltspunkt zur Widerlegung der Gültigkeitsvermutung für die von ihnen angefochtene Entscheidung vorgetragen hätten. Im Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92 (Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441) sei die Argumentation der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß die Entscheidung gemäß der Geschäftsordnung der Kommission erlassen und zugestellt worden sei. In keiner dieser Rechtssachen habe das Gericht die Argumentation der Klägerinnen zur Fehlerhaftigkeit des Erlasses der angefochtenen Handlung mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Verfahrensregeln nicht eingehalten worden seien.
89 Die einzigen Ausnahmen ergäben sich aus den Beschlüssen vom 26. März 1992 in der Rechtssache T-4/89 REV (BASF/Kommission, Slg. 1992, II-1591) und vom 4. November 1992 in der Rechtssache T-8/89 REV (DSM/Kommission, Slg. 1992, II-2399); doch hätten sich selbst in diesen Rechtssachen die Antragstellerinnen nicht auf das PVC-Urteil des Gerichts als neue Tatsache, sondern auf andere Tatsachen berufen. Im Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P (Bayer/Kommission, Slg. 1994, I-5619) habe der Gerichtshof das Vorbringen, daß die Kommission gegen ihre Geschäftsordnung verstoßen habe, zurückgewiesen, weil dies nicht wirksam vor dem Gericht geltend gemacht worden sei. Dagegen sei dieselbe Rüge im Polypropylen-Verfahren vor dem Gericht erhoben und mit der Begründung, daß kein genügender Anhaltspunkt vorliege, zurückgewiesen worden.
90 Die Streithelferin vertritt die Ansicht, die Verteidigung der Kommission in dieser Rechtssache sei auf Verfahrensargumente gestützt, die angesichts des Inhalts des angefochtenen Urteils, das im wesentlichen die Frage der Beweislast betreffe, unerheblich seien. Wenn die Kommission in den Polypropylen-Sachen nicht selbst Beweise für die Fehlerfreiheit der anzuwendenden Verfahren vorbringe, so deshalb, weil sie die Einhaltung ihrer eigenen Geschäftsordnung nicht nachweisen könne.
91 Die Kommission trägt vor, seit dem Erlaß des PVC-Urteils des Gerichtshofes sei die von der Rechtsmittelführerin geäußerte Kritik durch die Ereignisse überholt. Selbst wenn anzunehmen wäre, daß die Inexistenz von Amts wegen festgestellt werden müsse, gehe aus dem genannten Urteil hervor, daß Monte auf die angeblichen Verfahrensmängel nur einen Antrag auf Nichtigerklärung der Polypropylen-Entscheidung hätte stützen können. Nichtigkeitsrügen seien aber in der Klageschrift zu erheben, was indessen unterblieben sei.
92 Weiter trägt die Kommission vor, selbst wenn anzunehmen sei, daß der Antrag auf Feststellung der Inexistenz den Antrag auf Nichtigerklärung mit umfasse, bezögen sich die kritischen Ausführungen der Rechtsmittelführerin in der Rechtsmittelschrift, wonach das Gericht hätte von Amts wegen tätig werden müssen, auf den Fall der Inexistenz und nicht auf den der Nichtigkeit. Durch das Verfahren in den Polypropylen-Sachen seien keine Tatsachen zutage getreten, die denen entsprochen hätten, die im Laufe des Verfahrens in den PVC-Sachen ans Licht gekommen seien.
93 Zu den Argumenten der Streithelferin trägt die Kommission vor, sie enthielten einen unheilbaren Mangel, da darin die Unterschiede zwischen den PVC-Sachen und dieser Rechtssache außer acht gelassen würden und sie auf einem falschen Verständnis des PVC-Urteils des Gerichtshofes beruhten.
94 Außerdem vertritt die Kommission weiterhin die Ansicht, die Klägerinnen hätten in den Soda-Sachen keine so ausreichenden Anhaltspunkte vorgebracht, daß eine Anforderung von Dokumenten bei der Kommission durch das Gericht gerechtfertigt gewesen wäre. Jedenfalls habe das Gericht sowohl in den genannten Rechtssachen als auch in den ebenfalls von der Streithelferin angeführten DEP-Rechtssachen unter Berücksichtigung besonderer Umstände des bei ihm anhängigen Falles entschieden. Im Polypropylen-Verfahren hätte schon 1986 auf die angeblichen Unzulänglichkeiten der Polypropylen-Entscheidung hingewiesen werden können, doch habe dies niemand getan.
95 Wenn das Gericht in den Urteilen Fiatagri und New Holland Ford/Kommission und Deere/Kommission das rechtzeitige Vorbringen wegen fehlender Beweisangebote zurückgewiesen habe, so sei dies in dieser Rechtssache, in der die Argumente zu den formellen Mängeln der Polypropylen-Entscheidung verspätet und ohne Beweise vorgebracht worden seien, erst recht geboten.
96 Erstens ist zu den Voraussetzungen für die Inexistenz eines Rechtsakts darauf hinzuweisen, daß für die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane, wie sich u. a. aus den Randnummern 48 bis 50 des PVC-Urteils des Gerichtshofes ergibt, grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit spricht und sie daher selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen werden.
97 Abweichend von diesem Grundsatz entfalten allerdings Rechtsakte, die offenkundig mit einem so schweren Fehler behaftet sind, daß die Gemeinschaftsrechtsordnung ihn nicht tolerieren kann, nicht einmal vorläufig Rechtswirkung, sind also rechtlich inexistent. Diese Ausnahme von dem Grundsatz soll einen Ausgleich zwischen zwei grundlegenden, manchmal jedoch einander widerstreitenden Erfordernissen herstellen, denen eine Rechtsordnung genügen muß, nämlich zwischen der Stabilität der Rechtsbeziehungen und der Wahrung der Rechtmäßigkeit.
98 Die Schwere der Folgen, die mit der Feststellung der Inexistenz eines Rechtsaktes der Gemeinschaftsorgane verbunden sind, verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit, daß diese Feststellung auf ganz außergewöhnliche Fälle beschränkt wird.
99 Ebenso wie in den PVC-Sachen sind die von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Fehler, die das Verfahren des Erlasses der Polypropylen-Entscheidung betreffen, aber - für sich allein oder auch insgesamt betrachtet - nicht so offenkundig schwer, daß die genannte Entscheidung als rechtlich inexistent anzusehen wäre.
100 Somit hat das Gericht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Inexistenz eines Rechtsakts nicht das Gemeinschaftsrecht verletzt.
101 Zweitens ist zu der Weigerung des Gerichts, Mängel beim Erlaß und der Bekanntgabe der Polypropylen-Entscheidung festzustellen, die zu deren Nichtigkeit führen können, lediglich zu bemerken, daß die betreffende Rüge erstmals im Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vorgebracht worden ist. Daher fällt die Frage, ob das Gericht sie hätte prüfen müssen, mit der Frage zusammen, ob das Gericht dem genannten Antrag hätte stattgeben müssen.
102 Insoweit, als sich dieser Antrag auf eine Beweisaufnahme bezieht, ergibt sich hierzu aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (u. a. die Urteile vom 16. Juni 1971 in der Rechtssache 77/70, Prelle/Kommission, Slg. 1971, 561, Randnr. 7, und vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 53), daß einem solchen Antrag, wenn er nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, nur stattgegeben werden kann, wenn er Tatsachen von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits betrifft, die der Betroffene nicht schon vor dem Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen konnte.
103 Das gleiche gilt für den Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Zwar verfügt das Gericht nach Artikel 62 seiner Verfahrensordnung auf diesem Gebiet über ein Ermessen. Es braucht einem solchen Antrag jedoch nur stattzugeben, wenn die betroffene Partei sich auf Tatsachen von entscheidender Bedeutung beruft, die sie nicht schon vor dem Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen konnte.
104 Im vorliegenden Fall war der vor dem Gericht gestellte Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf Erklärungen auf einer Pressekonferenz nach Verkündung des genannten Urteils gestützt.
105 Die eine mutmaßliche Praxis der Kommission auf dem Gebiet der Sprachenregelung oder bei nachträglichen Änderungen betreffenden Hinweise allgemeiner Art, die sich aus einem Urteil in anderen Rechtssachen oder aus anläßlich anderer Verfahren abgegebenen Erklärungen ergaben, konnten als solche nicht als entscheidend für den Ausgang des beim Gericht anhängigen Rechtsstreits angesehen werden.
106 Außerdem hätte Monte dem Gericht schon in ihrer Klageschrift wie einige Kläger in den PVC-Sachen zumindest einen Anhaltspunkt für die Sachdienlichkeit der prozeßleitenden Maßnahmen oder der Beweisaufnahme für das Verfahren geben können, um nachzuweisen, daß die Polypropylen-Entscheidung unter Verstoß gegen die anzuwendende Sprachenregelung erlassen oder nach ihrem Erlaß durch das Kommissionskollegium geändert worden war oder aber daß es an Urschriften fehlte (dahin gehend Urteil vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417, Randnrn. 93 f.).
107 Auch war das Gericht nicht gehalten, aufgrund einer angeblichen Verpflichtung, Rügen in bezug auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zum Erlaß der Polypropylen-Entscheidung von Amts wegen aufzugreifen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Eine solche Verpflichtung, den Ordre public betreffende Rügen von Amts wegen aufzugreifen, könnte nämlich nur eventuell aufgrund im Verfahren vorgetragener tatsächlicher Anhaltspunkte bestehen.
108 Somit hat das Gericht nicht dadurch einen Rechtsirrtum begangen, daß es die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, den Erlaß prozeßleitender Maßnahmen und die Anordnung einer Beweisaufnahme abgelehnt hat.
109 Drittens ist schließlich zu dem Antrag der Rechtsmittelführerin vor dem Gerichtshof, eine Beweisaufnahme zur Klärung der Umstände anzuordnen, unter denen die Kommission die Polypropylen-Entscheidung erlassen hat, lediglich festzustellen, daß in dem auf Rechtsfragen beschränkten Rechtsmittelverfahren kein Raum für Beweiserhebungen ist.
110 Denn zum einen würden Beweiserhebungen den Gerichtshof notwendigerweise zu Entscheidungen über Tatsachenfragen veranlassen und unter Verstoß gegen Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand verändern.
111 Zum anderen betrifft das Rechtsmittel nur das angefochtene Urteil und ermöglicht es dem Gerichtshof gemäß Artikel 54 Absatz 1 seiner EG-Satzung nur bei dessen Aufhebung, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden. Infolgedessen hat der Gerichtshof, solange das angefochtene Urteil nicht aufgehoben ist, nicht über eventuelle Mängel der Polypropylen-Entscheidung zu befinden.
112 Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zur Verletzung von Artikel 85 des Vertrages
113 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund beanstandet die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht Artikel 85 des Vertrages sowohl hinsichtlich seines Wortlauts als auch bezüglich seiner Auslegung durch die Kommission und den Gerichtshof verletzt habe.
Die Wettbewerbsverzerrungen
114 Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe die Wettbewerbsverzerrungen außer acht gelassen, die durch unternehmensfremde Umstände und insbesondere durch den wirtschaftlichen Zusammenhang hervorgerufen seien. Sie habe schon mit ihrer Klage in der ersten Instanz ausgeführt, daß der Markt Ende der siebziger Jahre durch eine Überkapazität gekennzeichnet gewesen sei, die durch die Verdreifachung des Erdölpreises durch das Kartell der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (im folgenden: OPEC), der sich die Kommission niemals zu widersetzen versucht habe, noch vergrößert worden sei. Die schwerwiegenden Verzerrungen auf dem Polypropylenmarkt seien nicht auf die Sitzungen der Hersteller, sondern auf die von der OPEC vorgegebenen Preise und damit auf Umstände zurückzuführen, die nichts mit dem Verhalten der Unternehmen zu tun hätten. Die Rechtsmittelführerin verweist insoweit auf das Urteil Suiker Unie u. a./Kommission und auf die Schlußanträge des Generalanwalts Mayras in der betreffenden Rechtssache.
115 Entgegen dem Vorbringen der Kommission sei der im Urteil Suiker Unie u. a./Kommission aufgestellte Grundsatz nicht durch die spätere Rechtsprechung überholt, insbesondere nicht durch das Urteil Van Landewyck u. a./Kommission oder das Urteil vom 10. Dezember 1985 in den Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/92 (Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, Slg. 1985, 3831).
116 Bei der gebotenen Beachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs habe sich das Gericht auf die Berücksichtigung der in Randnummer 257 des angefochtenen Urteils erwähnten Verlustproduktion der Polypropylenhersteller beschränkt und die Gründe, die Bedeutung und die Dauer dieser auf die oben genannten Faktoren zurückzuführenden negativen Zeit außer acht gelassen. Ferner habe das Gericht weder die förmlichen Instruktionen der italienischen Regierung zur Aufrechterhaltung der Kontakte unter den italienischen Unternehmen sowie zwischen diesen und den multinationalen Unternehmen noch die größere Vertragsmacht der Polypropylenverwender und die den betroffenen Unternehmen obliegende rechtliche und moralische Pflicht zur Verlustminderung berücksichtigt.
117 Gegenüber diesem Komplex von Umständen, von denen jeder eine ganz andere Auslegung ihres Verhaltens hätte rechtfertigen können, habe sich das Gericht in Randnummer 264 mit dem Hinweis begnügt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß mit den festgestellten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt werde. Es sei aber niemals eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise festgestellt worden, denn die Kommission habe nur die Sitzungen als solche nachweisen können. Nur in Unkenntnis aller tatsächlichen Gegebenheiten habe das Gericht somit die Beurteilung der von der Kommission zugrunde gelegten Tatsachen bestätigen können. Damit habe es gegen den vom Gerichtshof im Urteil vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 (Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667) bekräftigten Grundsatz verstoßen, daß der Kläger gegenüber einer Argumentation der Kommission, die auf einer Annahme beruhe, nur Umstände nachzuweisen brauche, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen und damit eine andere Erklärung dieses Sachverhalts ermöglichten, als sie von der Kommission gegeben worden sei.
118 Die Kommission entgegnet, keine Regelung und kein allgemeiner Grundsatz gebe den Unternehmen das Recht, auf das wettbewerbswidrige Verhalten Dritter hin gegen Artikel 85 des Vertrages zu verstoßen. Nach dem Urteil Suiker Unie u. a./Kommission hätte sie den Wirkungen der Regelung eines Mitgliedstaats Rechnung tragen müssen, doch sei die Tätigkeit der OPEC nicht Gegenstand einer solchen Regelung. Das genannte Urteil sei im übrigen insoweit durch die Urteile Van Landewyck u. a./Kommssion und Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission überholt, in denen der Gerichtshof geprüft habe, ob die nationale Regelung in der Praxis jede Wettbewerbsmöglichkeit ausschließe. Die Erhöhung des Erdölpreises habe aber für sich genommen nicht den Wettbewerb zwischen den Polypropylenherstellern ausgeschlossen. Dieser sei vielmehr durch die von ihr und vom Gericht festgestellten Kartelle vermindert worden. Jedenfalls könnten die Aufforderungen der italienischen Verwaltung und die Schwierigkeit, in der Praxis die mit dem Kartell angestrebten Preisziele zu erreichen, den Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages nicht entschuldigen.
119 Erstens ist darauf hinzuweisen, daß ein Rechtsmittel nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes gemäß den Artikeln 168a EG-Vertrag (jetzt Artikel 225 EG) und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes nur auf Gründe gestützt werden kann, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen. Die vom Gericht vorgenommene Würdigung der ihm vorgelegten Beweismittel ist, sofern diese nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt (u. a. Urteil Hilti/Kommission, Randnrn. 10 und 42).
120 Soweit die Rügen der Rechtsmittelführerin die vom Gericht vorgenommene Würdigung des Sachverhalts betreffen sollten, den Monte dem Gericht unterbreitet hat, können sie im Rechtsmittelverfahren nicht geprüft werden.
121 Soweit die Rechtsmittelführerin rügt, daß das Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen der Zuwiderhandlung nicht den wirtschaftlichen Kontext berücksichtigt habe, ist zweitens darauf hinzuweisen, daß das Gericht nach seiner Feststellung, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen sei, daß mit den Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt worden sei, hat davon ausgehen dürfen, daß nicht geprüft zu werden braucht, ob sich diese Vereinbarungen und diese Verhaltensweisen auf die Wettbewerbsbedingungen ausgewirkt haben.
122 Nach ständiger Rechtsprechung brauchen nämlich bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt (Urteil vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390; dahin gehend auch die Urteile vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87, Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnrn. 14 f.).
123 Auch fällt eine abgestimmte Verhaltensweise selbst dann unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten.
124 Aus der genannten Vorschrift ergibt sich unmittelbar, daß aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen wie Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird.
125 Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, daß dieses Verhalten sich konkret in einer Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt.
126 Schließlich ist die hier vorgenommene Auslegung nicht mit dem restriktiven Charakter des Verbotes nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages unvereinbar (Urteil vom 29. Februar 1968 in der Rechtssache 24/67, Parke Davis, Slg. 1968, 85, 112), da sie keineswegs den Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausdehnt, sondern deren wörtlichem Sinn entspricht.
127 Soweit die Rechtsmittelführerin mit ihrer Kritik darzutun sucht, daß die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, die Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung sind, wegen außerhalb des Verhaltens der beteiligten Unternehmen liegender Umstände keinen wettbewerbswidrigen Zweck hätten haben können, ist drittens festzustellen, daß die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen, seine Begründetheit einmal unterstellt, nicht zu beweisen vermag, daß durch den wirtschaftlichen Kontext jede Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs ausgeschlossen war (dahin gehend die Urteile Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 153, und Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, Randnrn. 24 bis 29).
128 Soweit die Rechtsmittelführerin rügt, daß das Gericht die an sie gerichteten Einladungen der italienischen Regierung übergangen habe, ist viertens, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob ein von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgeübter unwiderstehlicher Druck die Verantwortung eines Unternehmens für die Verletzung des gemeinsamen Wettbewerbsrechts auszuschließen vermag, lediglich festzustellen, daß Monte nicht einmal geltend gemacht hat, einem solchen Druck ausgesetzt und daher zur Teilnahme an einem Kartell mit den anderen Polypropylenherstellern gezwungen gewesen zu sein. Dieses Vorbringen vermag somit nicht die Verantwortung von Monte für die festgestellten Verletzungen von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auszuschließen.
129 Somit ist der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
Die "rule of reason"
130 Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, in Randnummer 265 des angefochtenen Urteils habe das Gericht zu Unrecht die Anwendbarkeit der "rule of reason" mit der Begründung ausgeschlossen, daß die Zuwiderhandlung offenkundig sei. In der Lehre und im Europäischen Parlament sei Kritik an der Haltung der Kommission geübt worden, den Wettbewerbsschutz unter rein formellem, nicht durch den Geist der Gemeinschaftsvorschriften erhelltem Aspekt zu sehen. Der Gerichtshof habe in diesem Zusammenhang stets ausgeführt, daß bei der Durchführung des Wettbewerbsschutzes niemals der wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhang sowie die Wirkungen der angeblichen Zuwiderhandlungen außer acht gelassen werden dürften.
131 Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin macht die Kommission geltend, die "rule of reason" sei eine Eigenheit der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika, und will diesen Grundsatz anscheinend dahin gehend beschränken, daß das Gericht zu prüfen hat, ob die Vorteile für den Wettbewerb nicht eventuell die Nachteile überwiegen. Zum einen sei nicht ersichtlich, weshalb man um einer vernünftigen statt unsinnigen Rechtsanwendung willen auf einen Grundsatz des nordamerikanischen Rechts zurückgreifen müsse. Zum anderen sei zunächst nach der anzuwendenden Ratio legis zu suchen und dann zu klären, ob die Verhaltensweisen gegen diese Norm verstießen. Zu diesem Zweck sei es unerläßlich, den Kontext zu beurteilen, in dem diese Verhaltensweisen angewandt worden seien. Im vorliegenden Fall spreche jede Vernunft und Wahrscheinlichkeit gegen die - weit von einer Tatsachenfeststellung entfernte - Annahme, daß mit den Sitzungen wettbewerbswidrige Zwecke verfolgt worden seien. Man könne nicht einmal eine Bilanz der eingetretenen Nachteile und Vorteile für den Wettbewerb aufstellen, da ein näher bei den Produktionskosten liegender Preisvorschlag nicht als eine Wettbewerbsbeeinträchtigung angesehen werden könne, sobald der Käufer diesen Vorschlag ablehnen und mit der Entscheidung für einen anderen Lieferanten drohen könne.
132 Die Kommission erinnert daran, daß das Gericht auf das Vorbringen von Monte, daß zur Auslegung von Artikel 85 des Vertrages die "rule of reason" heranzuziehen sei, geantwortet habe, der Kommission sei rechtlich der Beweis gelungen, daß mit dem Kartell ein wettbewerbswidriger Zweck im Sinne dieser Vorschrift verfolgt worden sei. Zu Recht habe das Gericht weiter ausgeführt, selbst wenn der genannte Grundsatz im Rahmen des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft anwendbar sein sollte, habe die Kommission darauf verzichten können, die Auswirkung auf den Wettbewerb zu untersuchen, da außer Zweifel stehe, daß ein Kartell mit einer Festsetzung der Preise, einer Beschränkung der Produktion und einer Aufteilung der Märkte eine Zuwiderhandlung schlechthin sei. Wegen der extrem wettbewerbsschädigenden Natur einer solchen Zuwiderhandlung bestehe mit anderen Worten kein Anlaß, sich zu fragen, ob die negativen Auswirkungen durch positive Umstände aufgewogen würden. Jedenfalls seien horizontale Preiskartelle in Europa wie in den Vereinigten Staaten von Amerika selbst dann unzulässig, wenn die Unternehmen mit Verlust produzierten. In einem solchen Fall bremsten die Kartelle die notwendige Umstrukturierung des Angebots durch das Verschwinden marginaler und die Konsolidierung der rentabelsten Unternehmen.
133 Insoweit ist lediglich festzustellen, daß die "rule of reason", selbst wenn sie einen Platz im Rahmen von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages haben sollte, keinesfalls die Anwendung dieser Vorschrift im Fall eines Kartells ausschließen kann, an dem Hersteller, die fast den ganzen Gemeinschaftsmarkt innehatten, beteiligt sind und das Preisziele, die Einschränkung der Produktion und die Aufteilung des Marktes betrifft. Das Gericht hat also nicht dadurch einen Rechtsirrtum begangen, daß es annahm, daß jedenfalls die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung der Anwendung der "rule of reason" entgegenstehe.
134 Somit ist der zweite Teil dieses Rechtsmittelgrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Die Vermutung der Rechtswidrigkeit der Herstellersitzungen
135 Mit dem dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, in den Randnummern 82 und 91 des angefochtenen Urteils habe das Gericht angenommen, daß die Teilnahme an Sitzungen von Mitgliedern derselben Sparte für sich genommen für einen Unternehmer rechtswidrig sei. Unter Mißachtung der Versammlungsrechte sowie der Meinungs-, der Diskussions- und der Vereinigungsfreiheit habe das Gericht so eine willkürliche Vermutung der Rechtswidrigkeit der Herstellersitzungen aufgestellt, die doch nie geheim gewesen seien.
136 Nach Ansicht der Kommission nimmt die Rechtsmittelführerin mit dieser Rüge eine unzutreffende Auslegung des angefochtenen Urteils vor, die auch das Gegenteil dessen besage, was sich aus diesem Urteil ergebe. Diese Rüge sei daher unzulässig oder zumindest offensichtlich unbegründet. Das Gericht verbinde die Verletzung der Wettbewerbsregeln eindeutig nicht mit der bloßen Teilnahme an Sitzungen, sondern u. a. mit deren Zweck, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen.
137 Die Meinungsfreiheit sowie das Recht, sich friedlich zu versammeln, und die Vereinigungsfreiheit, die u. a. in den Artikeln 10 und 11 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 verankert sind, gehören zu den Grundrechten, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union (nach Änderung jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU) erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden (dahin gehend Urteil Bosman, Randnr. 79).
138 Jedoch ergibt sich ausdrücklich aus Randnummer 91 des angefochtenen Urteils, auf den die Rechtsmittelführerin verweist, daß die regelmäßigen Sitzungen der Polypropylenhersteller nicht als solche als Verstöße gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen wurden, sondern insofern, als sie einen wettbewerbswidrigen Zweck hatten. Im übrigen ist dieser Zweck vom Gericht aufgrund der in den Randnummern 83 bis 90 des angefochtenen Urteils genannten Beweise und nicht auf der Grundlage einer Vermutung festgestellt worden.
139 Auch der dritte Teil dieses Rechtsmittelgrundes ist somit zurückzuweisen.
Die willkürliche Vermutung eines Kausalzusammenhangs
140 Mit dem vierten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, in den Randnummer 132 bis 134 des angefochtenen Urteils habe das Gericht willkürlich das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen vermutet. Damit die Auffassung der Kommission einen Sinn gehabt hätte, wäre es notwendig gewesen, daß die Sitzungen ein anderes Verhalten der Unternehmen ausgelöst hätten, als sie mutmaßlich ohne diese Sitzungen an den Tag gelegt hätten. Im vorliegenden Fall habe es keine Alternative zu dem Verhalten der Unternehmen gegeben, da alle Hersteller schwere und substantielle finanzielle Verluste erlitten hätten, die sie notwendigerweise hätten verringern müssen. Das beanstandete Verhalten entspreche somit sowohl in wirtschaftlicher als auch in rechtlicher und moralischer Hinsicht einer zwingenden Pflicht der Unternehmen. Wenn Schiffbrüchige alle auf das in Sicht befindliche Land zuschwämmen, so sei dies nicht das Ergebnis einer Vereinbarung, sondern Ausdruck eines natürlichen Überlebensinstinkts. Durch die Wettbewerbsregeln solle die Freiheit der Unternehmen, darunter die zur Gewinnerzielung, gegenüber den Zwängen von außen, nicht aber gegenüber den aus ihrem Betrieb selbst erwachsenden Erfordernissen erhalten werden.
141 Die Kommission trägt vor, gemäß der Rechtsmittelführerin hätten die Sitzungen einen anderen Zweck als die Herbeiführung wechselseitiger Verpflichtungen haben sollen. Dieser Rechtsmittelgrund sei unzulässig, weil damit versucht werde, die Tatsachenfeststellungen in Frage zu stellen. Jedenfalls sei er unbegründet, da das Gericht, gestützt auf Urkundenbeweise, wie sie angenommen habe, daß die Sitzungen die Festlegung von Preisen und Marktanteilen zum Zweck gehabt hätten.
142 Soweit mit dieser Rüge die in Randnummer 133 des angefochtenen Urteils dargelegte Ansicht des Gerichts in Frage gestellt werden soll, daß der wirtschaftliche Zusammenhang keine Erklärung für die Übereinstimmung der Preisinstruktionen der einzelnen Hersteller untereinander und mit den in den Sitzungen der Hersteller festgesetzten Preiszielen sein könne, betrifft sie die Beweiswürdigung des Gerichts und kann nicht im Rechtsmittelverfahren vom Gerichtshof geprüft werden.
143 Soweit die Rechtsmittelführerin an dem angefochtenen Urteil beanstandet, daß darin nicht einem Notstand Rechnung getragen worden sei, durch den die Adressaten der Polypropylen-Entscheidung zu dem ihnen vorgeworfenen Verhalten gezwungen worden seien, ist festzustellen, daß zwar nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Notstand ein notfalls auch gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßendes Verhalten gestattet, daß sich ein Notstand aber keinesfalls aus dem bloßen Erfordernis ergeben kann, einen wirtschaftlichen Verlust zu vermeiden.
144 Somit ist auch der vierte Teil dieses Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
Die zur Rechtfertigung des Verhaltens geeignete Begründung
145 Mit dem fünften Teil dieses Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin im Hinblick auf die Randnummern 232 und 233 des angefochtenen Urteils vor, das Gericht habe gegen den Grundsatz verstoßen, daß im Zweifel zwischen zwei möglichen Begründungen eines Verhaltens derjenigen zu folgen sei, die zur Rechtfertigung des Verhaltens geeignet sei. Wenn sich ein paralles Verhalten anders als durch gegenseitige Abstimmung begründen lasse, so könne das Gericht nicht annehmen, daß es durch eine wettbewerbswidrige Vereinbarung und nicht durch die andere Ursache hervorgerufen werde. Die Rechtsmittelführerin verweist auf das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 395/87 (Tournier, Slg. 1989, 2521). Im vorliegenden Fall sei es normal, daß die Initiativen der Unternehmen mehr oder weniger gleichzeitig stattgefunden hätten, da es sich um eine Marktpraxis gehandelt habe, die ein für industrielle Verwender bestimmtes Halbfabrikat betroffen habe. Es habe sich also um eine Kundschaft gehandelt, die die notwendigen Lieferungen habe vorausplanen und ihre Kaufentscheidungen lange im voraus habe treffen müssen. Auf Märkten dieser Art sei es üblich, daß die Preise von den Unternehmen in festen Abständen und für eine im voraus festgelegte Dauer angekündigt würden. Daß in den Tagen nach der Ankündigung einer Preisänderung alle anderen Hersteller ihre eigenen Preise bekanntgegeben hätten, entspreche diesen Erfordernissen der Verwender und der Praxis in dem Wirtschaftszweig. Außerdem sei es gängige Praxis, daß ein oder mehrere größere Unternehmen eine Preisführerschaft übernähmen und den anderen bei der Preisfestsetzung vorausgingen. Dies entziehe jedem Abstimmungsverdacht den Boden. Was den Umfang der versuchten Anhebungen betreffe, so seien sie durch die Notwendigkeit, sich an die Realität des Marktes zu halten, mehr oder weniger gleich ausgefallen.
146 Nach Ansicht der Kommission ist der geltend gemachte Rechtsverstoß trotz der Verweisung auf die Randnummern 232 und 233 an keiner Passage des Urteils festzumachen, da weder sie noch das Gericht jemals Zweifel an der Deutung des Verhaltens der Rechtsmittelführerin gehabt habe. Diese Rüge sei daher unzulässig, da sie mit dem angefochtenen Urteil überhaupt nichts zu tun habe. Insoweit verweist die Kommisson auf das Urteil des Gerichtshofes vom 22. Dezember 1993 in der Rechtssache C-354/92 P (Eppe/Kommission, Slg. 1993, I-7027) sowie auf die Beschlüsse des Gerichtshofes vom 26. April 1993 in der Rechtssache C-244/92 P (Kupka-Floridi/Wirtschafts- und Sozialausschuß, Slg. 1993, I-2041) und vom 7. März 1994 in der Rechtssache C-338/93 P (De Hoe/Kommission, Slg. 1994, I-819). Aus diesen gehe hervor, daß nach den Artikeln 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes und 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes in der Rechtsmittelschrift rechtliche Argumente angegeben sein müßten, durch die ein bestimmter Aspekt des angefochtenen Urteils in spezifischer Weise beanstandet werde. Dieser Anforderung entspreche eine Rechtsmittelschrift nicht, mit der lediglich die bereits vor dem Gericht vorgetragenen Argumente wiederholt, aber keine Rechtsausführungen zur Begründung der Rechtsmittelanträge gemacht würden. Dies käme nämlich einem bloßen Antrag auf erneute Prüfung der Klageschrift gleich, zu der der Gerichtshof nicht befugt sei; ein solcher Antrag wäre nach Artikel 119 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen. Hierzu gehöre die bloße Verweisung auf bereits vor dem Gericht dargelegte Gründe und Argumente oder das bloße Vorbringen, daß das Gericht anders hätte entscheiden können.
147 Zum einen betrifft die von der Rechtsmittelführerin angeführte Rechtsprechung den Fall, daß eine Parallelität zwischen dem Marktverhalten mehrerer Unternehmen besteht und daher geklärt werden muß, ob dies auf eine Abstimmung zwischen den Unternehmen zurückzuführen oder aber durch andere Gründe zu erklären ist. Sie ist also im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da der Kommission nach den Feststellungen des Gerichts rechtlich der Beweis einer Abstimmung mit wettbewerbswidrigem Zweck gelungen ist.
148 Zum anderen hat das Gericht in Randnummer 135 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt, daß nicht von einer Art Preisführerschaft eines Herstellers die Rede sein kann, weil dieser Hersteller sich mit anderen über die Preise abgestimmt hat.
149 Nach alledem ist der fünfte Teil dieses Rechtsmittelgrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Die Pflicht der Unternehmen, die zum Produzieren unter Verlust gezwungen sind, sich untereinander lauter zu verhalten
150 Mit dem sechsten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht das Vorbringen zurückgewiesen habe, daß die Unternehmen aufgrund der Pflicht zu lauterem Verhalten gehalten seien, ihre Verluste zu verringern zu suchen und kein "predatory pricing" zu praktizieren. Die in Randnummer 295 des angefochtenen Urteils dargelegte Auffassung, daß der Verkauf unter den Gestehungskosten eine Form des unlauteren Wettbewerbs sein könne, wenn dadurch die Wettbewerbsposition eines Unternehmens zum Nachteil seiner Wettbewerber verstärkt werden solle, nicht aber, wenn der Verkauf unter den Gestehungskosten durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bedingt sei, treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Was die Unternehmen einander vorwürfen, sei, noch weiter als nötig unter dem Gestehungspreis zu verkaufen, um Kunden zu gewinnen und die Konkurrenten zum Ausscheiden aus dem Markt zu zwingen. Die Versuche, die Preise anzuheben, hätten darauf abgezielt, die Verluste zu verringern und die in hohem Maße rechtswidrige Lösung eines "predatory pricing" zu verhindern. Sie habe niemals behauptet, daß es auch nur zu dem Zweck, einen unlauteren Wettbewerb untereinander zu unterbinden, ein Kartell gegeben habe. Vielmehr habe sie stets geltend gemacht, daß ein durch den wirtschaftlichen Zusammenhang hervorgerufenes Verhalten nicht Ergebnis von Abstimmungen gewesen sei oder habe sein können, da es das einzige rechtlich und wirtschaftlich gebotene Verhalten gewesen sei.
151 Laut Kommission hat Monte vor dem Gericht geltend gemacht, daß eine Vereinbarung zwischen Unternehmen zu dem Zweck, daß keine unter dem Gestehungspreis liegenden Preise angewandt würden, nicht gegen Artikel 85 des Vertrages verstoße, weil sie auf die Verhinderung einer Art des unlauteren Wettbewerbs abziele. Diese Auffassung sei zwar mehrdeutig formuliert worden, doch lasse sich nicht bestreiten, daß sie vorgetragen und vom Gericht in Randnummer 295 seines Urteils behandelt worden sei. Die Rechtsmittelführerin beschränke sich in ihrer Rechtsmittelschrift auf die Beanstandung, daß das Gericht einen bestimmten Inhalt des Kartells statt eines anderen zugrunde gelegt habe, wobei sie ausführe, daß die Unternehmen weiter als nötig unter dem Gestehungspreis verkauft hätten und deshalb übereingekommen seien, weniger billig, wenn auch noch immer unter dem Gestehungspreis zu verkaufen. Dieses Vorbringen sei unzulässig, weil es zum einen auf eine erneute Sachverhaltsprüfung und zum anderen unter Verstoß gegen Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes auf eine Veränderung des vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstands gerichtet sei. Vor dem Gericht habe Monte nämlich nicht von einem weiter als nötig niedrigen Verkaufspreisniveau gesprochen. Diese Rüge sei jedenfalls unbegründet, da das Gericht zu Recht angenommen habe, daß ein Verkauf unter den Gestehungskosten nur dann als unlauterer Wettbewerb angesehen werden könne, wenn er von einem Unternehmen in marktbeherrschender Stellung zu dem Zweck vorgenommen werde, die noch vorhandene Konkurrenz vom Markt zu verdrängen.
152 Zu alldem ist lediglich zu bemerken, daß diese Rüge insoweit, als sie dahin geht, daß die betroffenen Unternehmen zu noch niedrigeren Preisen verkauft haben sollen, als sich aus der Wirkung von Angebot und Nachfrage ergeben hätten, aus den beiden Gründen als unzulässig zurückzuweisen ist, daß damit die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage gestellt werden soll und daß sie ein neues Angriffsmittel darstellt, durch das unter Verstoß gegen Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der vor dem Gericht verhandelte Streitgegenstand verändert wird.
Die diskriminierende Anwendung von Artikel 85 des Vertrages zum ausschließlichen Vorteil der Verwender
153 Mit dem siebten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 132 und 237 des angefochtenen Urteils geltend, das Gericht habe Artikel 85 des Vertrages in diskriminierender Weise ausschließlich zugunsten der Verwender angewandt, während die Freiheit der Hersteller durch ihre Position zwischen den Erdöllieferanten, die ihre beherrschende Stellung mißbraucht hätten, und den mit einer stärkeren Vertragsmacht ausgestatteten Kunden beschränkt gewesen sei. Insoweit bestreitet sie, daß die Ankündigung einer leichten Preiserhöhung gegenüber jemandem, der den Markt in seiner Hand habe und daher schon wisse, daß er diese Preiserhöhung ablehnen könne, eine schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung darstelle. Es handele sich dabei um einen Schutz des Wettbewerbs, der auf die Wahrung allein der Interessen der industriellen Abnehmer zum Nachteil der anderen Gewerbe abziele. Ein solches Verständnis des Artikels 85 des Vertrages sei unvereinbar mit Artikel 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 2 EG), der der Gemeinschaft die Aufgabe zuweise, eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens, eine ständige und ausgewogene Expansion und eine zunehmende Stabilität zu fördern. Es laufe jeder Ratio legis zuwider, die nach der Erhöhung des Erdölpreises bestehende Lage als das normale Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage anzusehen, obwohl die Auswirkungen nur die Polypropylenhersteller getroffen hätten. Außerdem widerspreche es Artikel 2 des Vertrages, einen Wirtschaftszweig daran zu hindern, auf die Übermacht eines anderen Wirtschaftszweigs zu reagieren.
154 Die Kommission trägt zur Begründetheit vor, für den Fall, daß diese Rüge nicht schon ihrer Allgemeinheit wegen unzulässig sei, genüge der Hinweis darauf, daß Artikel 85 des Vertrages gegenüber Unternehmen, die wettbewerbsbeschränkende Kartelle schlössen, anwendbar sei und daß dies den Käufern zugute komme, wenn es sich um Kartelle über den Verkauf handele. Es sei nicht ersichtlich, worin eine Diskriminierung liegen solle. Jedenfalls habe das Gericht zu Recht angenommen, daß die Lage auf dem "Käufermarkt" nicht von der Einhaltung des Verbots aus Artikel 85 des Vertrages befreie.
155 Hierzu ist lediglich zum einen mit der Kommission zu bemerken, daß eine Entscheidung über von den Verkäufern geschlossene wettbewerbsbeschränkende Kartelle den Käufern zugute kommen kann, ohne daß sich daraus irgendeine Diskriminierung ergibt. Zum anderen ist die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf solche Kartelle nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Käufer sich in einer günstigen Situation auf dem Markt befinden.
156 Somit ist auch der siebte Teil dieses Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
Die fehlende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität
157 Mit dem achten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 143, 199 und 200 des angefochtenen Urteils geltend, das Gericht habe bei der Bejahung des Vorwurfs der "künstlichen Verknappung des Angebots und der Einführung eines Quotensystems" die wirtschaftliche Realität nicht berücksichtigt. Die Unternehmen hätten mit 60 % ihrer Kapazität und mit Verlust gearbeitet und hätten nur unter Erhöhung ihrer Verluste mehr verkaufen können. Die Hersteller hätten die von den Abnehmern auferlegten Bedingungen akzeptieren müssen. Das Bestehen eines Quotensystems im vorliegenden Fall sei nicht nur ein unbewiesener, sondern auch ein unrealisierbarer Rechtsverstoß, da nur ein Unternehmen, das frei über sein Produktionsniveau entscheiden könne, zur Beschränkung seiner Verkaufsquote in der Lage sei. Eine solche Situation könne aber dann nicht eintreten, wenn es durch die Erhöhung der Quote infolge weiter sinkender Preise zu höheren Verlusten käme; eine Senkung der eigenen Quote würde nicht zu ansteigenden Preisen, sondern nur zur Zunahme der Verluste führen, die sich aus der geringen Auslastung der Anlagen ergäben.
158 Die Kommission trägt vor, die Rechtsmittelführerin erhebe im wesentlichen dieselben Einwendungen wie im Rahmen des vierten Teils dieses Rechtsmittelgrundes. Zum einen sei dieses Vorbringen unzulässig, weil es darauf gerichtet sei, den festgestellten Sachverhalt in Frage zu stellen. Zum anderen sei es unbegründet, weil die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an dem Kartell durch Urkundenbeweise untermauert sei.
159 Dieser Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist im wesentlichen auf dieselben Rügen gestützt wie sie im Rahmen des ersten und des vierten Teils geprüft worden sind. Er ist daher aus denselben Gründen zurückzuweisen.
Die Einführung neuer Formen der Zuwiderhandlung: Willensübereinstimmung und wettbewerbswidriger Zweck
160 Mit dem neunten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 150, 201, 230 und 264 des angefochtenen Urteils geltend, durch die Billigung der Auffassung der Kommission habe das Gericht neue Formen der Zuwiderhandlung, nämlich "Willensübereinstimmung" und "scopo anticoncorrenziale" (wettbewerbswidriger Zweck) eingeführt. Erstere sei unerheblich, wenn sie nicht das Ergebnis einer Vereinbarung oder einer Abstimmung untereinander sei. Bezüglich des "scopo anticoncorrenziale" vertritt die Rechtsmittelführerin die Ansicht, diese Möglichkeit führe zur Ahndung eines an sich zulässigen Verhaltens, das keinerlei verbotene Wirkung gehabt habe, wenn es vielleicht auch auf "wettbewerbswidrige" Ziele (obiettivi) gerichtet gewesen sei. Dies komme einer Bestrafung bloßer Absichten gleich. Da das Gericht weder einen wettbewerbswidrigen Zweck (oggetto) noch eine wettbewerbswidrige Wirkung festgestellt habe, habe es eine dritte Voraussetzung eingeführt, bei deren Vorliegen Artikel 85 des Vertrages angewandt werden könne, nämlich das "scopo anticoncorrenziale".
161 Nach Ansicht der Kommission wollte das Gericht mit "Willensübereinstimmung" das grundlegende Merkmal bezeichnen, aufgrund dessen das Vorliegen einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 des Vertrages festgestellt werden könne. In der Wendung "scopo anticoncorrenziale" werde in der italienischen Fassung des angefochtenen Urteils ein alternativer Ausdruck ("scopo") für die Bezeichnung des Zweckes benutzt, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. "Scopo" sei somit gleichbedeutend mit "oggetto". Diese Rüge sei somit unbegründet.
162 Wie sich eindeutig aus dem angefochtenen Urteil ergibt, wurde der Ausdruck "Willensübereinstimmung" zur Beschreibung eines Verhaltens verwendet, das sich rechtlich als Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages qualifizieren läßt. Nach der in Randnummer 230 des angefochtenen Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich eine solche Vereinbarung daraus, daß die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (u. a. Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 86). Somit hat das Gericht keineswegs neue Formen von Zuwiderhandlungen festgelegt, sondern aus gutem Grund zur Bezeichnung eines als Vereinbarung subsumierbaren Verhaltens den Ausdruck "Willensübereinstimmung" verwendet.
163 Die Wendung "scopo anticoncorrenziale" wurde in Randnummer 264 des angefochtenen Urteils als Synonym für "oggetto anticoncorrenziale" verwendet. Dies stimmt, wie sie sich aus einem Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen dieser Vorschrift, insbesondere im Dänischen ("formål"), Deutschen ("bezwecken"), Finnischen ("tarkoituksena"), Irischen ("gcuspóir"), Niederländischen ("strekken"), Portugiesischen ("objectivo") und Schwedischen ("syfte"), ergibt, offenbar mit der in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages stehenden Zweckbenennung überein.
164 Somit ist diese Rüge zurückzuweisen.
Die unzutreffende Beurteilung durch die Fachpresse verbreiteter Daten als geheim
165 Mit dem zehnten Teil dieses Rechtsmittelgrundes beanstandet die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht in den Randnummern 175 bis 177 des angefochtenen Urteils von der Fachpresse allgemein verbreitete Daten wie die Produktionsdaten fälschlich als geheim beurteilt habe. Jedermann habe Zugang zu diesen "Geheimnissen" gehabt. Die Kommission hätte nachweisen müssen, daß diese Daten vor jeder Verbreitung durch die Presse formwidrig gesammelt worden seien, und sie hätte darlegen müssen, daß die Kenntnis dieser Daten Wettbewerbsverzerrungen bewirkt habe. Dies habe die Kommission aber nicht getan.
166 Die Kommission trägt vor, diese Rüge sei aus mehreren Gründen unzulässig. Es sei weder ersichtlich, auf welche Daten sich die Rechtsmittelführerin beziehe, noch gegen welchen Teil des angefochtenen Urteils sich ihre Rüge richte. Die Anführung der Randnummern 175 bis 177 genüge dafür nicht. Außerdem würden mit dieser Rüge Tatsachenfragen aufgeworfen, die im übrigen anscheinend nicht vor dem Gericht aufgeworfen worden seien. Die Rechtsmittelführerin versuche demnach entgegen Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, den Streitgegenstand zu verändern.
167 Da diese Rüge die Tatsachenwürdigung durch das Gericht betrifft, ist sie als unzulässig zurückzuweisen.
Die Beeinträchtigung des Handels
168 Im Rahmen des elften Teils dieses Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 253 und 254 des angefochtenen Urteils vor, der Handel sei in keiner Weise beeinträchtigt worden, da ein Unternehmen, habe es auf dem Markt bleiben wollen, nichts anderes habe tun können, als weitere sechs Jahre lang mit Verlust zu verkaufen. Wenn sie ihre Tätigkeit eingestellt hätte, hätten sich zwar die Handelsströme verändert, doch wäre dies von keinerlei Nutzen gewesen.
169 Nach Ansicht der Kommission umfaßt dieser Rechtsmittelgrund keine Argumentation, die zur Beanstandung der Gedankenführung des Gerichts geeignet wäre. Er laufe auf die Behauptung hinaus, daß das Gericht anders hätte entscheiden müssen. Dieser Rechtsmittelgrund sei daher gemäß dem Urteil Eppe/Kommission und den Beschlüssen Kupka-Floridi/Wirtschafts- und Sozialausschuß und De Hoe/Kommission unzulässig.
170 Hierzu ist festzustellen, daß dieser Rechtsmittelgrund auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffes der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten beruht. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Voraussetzung dann erfuellt, wenn sich anhand einer Gesamtheit rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß das festgestellte Kartell den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinn beeinflussen kann (dahin gehend u. a. Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 99/79, Lancôme, Slg. 1980, 2511, Randnr. 23).
171 Daraus folgt, daß das Gericht keinen Rechtsirrtum begangen hat, so daß auch diese letzte Rüge zurückzuweisen ist. Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
Zu den Verletzungen des Gemeinschaftsrechts bei der Feststellung des vom Gericht zu würdigenden Sachverhalts
172 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin unter Hinweis auf die Randnummern 82, 86, 89, 129, 144, 146 und 149 des angefochtenen Urteils geltend, das Gericht habe bei der Feststellung des Sachverhalts die Beweislast umgekehrt, gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung und des persönlichen Charakters der Schuld verstoßen, ihr nicht vorliegende Geständnisse und Einräumungen zugeschrieben, ohne Nachweis behauptet, daß die Hersteller einen gemeinsamen Plan unterzeichnet hätten, und irrigerweise das Argument, im Rahmen dessen als ihr Verhalten bestimmender Faktor der Terrorismus der Roten Brigaden angeführt worden sei, zurückgewiesen.
173 Das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, daß sie ihre Teilnahme an den regelmäßigen Sitzungen der Hersteller nicht bestritten habe und daß deshalb anzunehmen sei, daß sie an sämtlichen Sitzungen teilgenommen habe. Ebenso zu Unrecht habe das Gericht weiter ausgeführt, daß es ihr obliege, eine andere Erklärung für den Inhalt der Sitzungen, an denen sie teilgenommen habe, zu geben. Es habe damit die Beweislast umgekehrt und eine Schuldvermutung eingeführt, da die Teilnahme an einer Sitzung für das Gericht eine Zustimmung zu allen Initiativen darstelle, von denen vermutet werde, daß sie dort ergriffen worden seien. Es obliege somit dem Beschuldigten, seine Unschuld zu beweisen. In diesem Zusammenhang trägt die Rechtsmittelführerin ferner vor, nach einem allen zivilisierten Rechtsordnungen gemeinsamen Grundsatz dürfe das Gericht ein mutmaßliches Geständnis nicht in der Weise verwenden, daß es nur die die Anklage stützenden Elemente daraus entnehme. Es sei rechtswidrig, lediglich die Einräumung, daß diese Sitzungen stattgefunden hätten, heranzuziehen und dieser dabei einen Inhalt zuzuschreiben, den sie immer bestritten habe. Sie habe im Gegenteil nachgewiesen, daß das angebliche System der Kundenführerschaft bei ihr gegenüber vielen ihrer angeblichen Vorzugskunden nicht funktioniert habe, ohne daß die Kommission habe beweisen können, daß das System gegenüber anderen Kunden angewandt worden sei. Außerdem habe sie bewiesen, daß sich ihre Preise sowohl unabhängig von den Preisen in ihrer Preisliste als auch unabhängig von den angeblichen Zielpreisen oder den von der Fachpresse angegebenen Preisen entwickelt hätten. Im übrigen habe das Gericht ihr vorgeworfen, nicht die von ihren Beschäftigten verfaßten Sitzungsprotokolle vorgelegt zu haben, ohne irgendeinen Anhaltspunkt für deren Existenz zu haben.
174 Die Kommission trägt vor, nachdem einmal die Teilnahme der Rechtsmittelführerin festgestanden und die bei ICI gefundenen Sitzungsprotokolle vorgelegen hätten, habe es der Rechtsmittelführerin oblegen, eine andere Erklärung für den Inhalt dieser Sitzungen zu geben. Dabei handele es sich um die Anwendung grundlegender Beweislastregeln. Zu den Protokollen der Beschäftigten der Rechtsmittelführerin stellt die Kommission fest, das Gericht habe nicht deren Existenz festgestellt, sondern sie als Beispiel für Dinge erwähnt, die die Rechtsmittelführerin zur Rechtfertigung ihrer Teilnahme an den Sitzungen hätte anführen können. Die Rechtsmittelführerin scheine auch behaupten zu wollen, daß sie sich an keinem, nicht einmal an einem rechtmäßigen Kartell beteiligt habe, obwohl sich eine solche Beteiligung aus Urkundenbeweisen ergebe. Das Gericht habe aufgrund vorliegender Urkundenbeweise zutreffend die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am System der Kundenführerschaft festgestellt. Die Rechtsmittelführerin übersehe, daß die abschließende Feststellung des Gerichts sich auf die Existenz und nicht etwa die Durchführung der Vereinbarung beziehe und auf eine Reihe von Beweisen gestützt sei. Der eventuelle Fehlschlag der Vereinbarung auf faktischer Ebene hätte jedenfalls nicht ausgereicht, die anderen Beweise für das Vorliegen der Vereinbarung zu entkräften. Dieser Rechtsmittelgrund sei somit nicht stichhaltig.
175 In diesem Zusammenhang ist erstens anzuerkennen, daß die Unschuldsvermutung, wie sie sich insbesondere aus Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, zu den Grundrechten gehört, die nach der in Randnummer 137 dieses Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.
176 Ferner ist anzuerkennen, daß der Grundsatz der Unschuldsvermutung angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der für sie verhängten Sanktionen in Verfahren wegen der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln anwendbar ist, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (dahin gehend u. a. die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache Öztürk, Serie A, Bd. 73, und vom 25. August 1987 in der Rechtssache Lutz, Serie A, Bd. 123-A).
177 Zur Stichhaltigkeit der von der Rechtsmittelführerin erhobenen Rügen ist erstens zu bemerken, daß die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht nicht bestritten hat, an den in der Polypropylen-Entscheidung erwähnten Sitzungen teilgenommen zu haben, sondern daß sie geltend gemacht hat, daß diese Sitzungen nicht von der in der Polypropylen-Entscheidung beschriebenen Art und Bedeutung gewesen seien.
178 Unter diesen Umständen hat das Gericht zu Recht ohne Verfälschung der Erklärungen von Monte ausgeführt, daß diese ihre Teilnahme an den fraglichen Sitzungen als solche nicht bestritten habe.
179 Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen hat, durch die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend bewiesen wird (Urteil Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 58).
180 Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin hat sich das Gericht für die Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit der fraglichen Sitzungen keineswegs auf Vermutungen, sondern auf die in den Randnummern 83 bis 85 des angefochtenen Urteils genannten Beweismittel gestützt. Seine Würdigung dieser Beweismittel kann im Rechtsmittelverfahren nicht in Frage gestellt werden.
181 Da die Kommission nach den Feststellungen des Gerichts hatte nachweisen können, daß Monte an offensichtlich wettbewerbswidrigen Sitzungen von Unternehmen teilgenommen hatte, hat das Gericht zu Recht angenommen, daß es der Rechtsmittelführerin oblag, eine andere Erklärung für den Inhalt dieser Sitzungen zu geben. Das Gericht hat daher weder unzulässigerweise die Beweislast umgekehrt noch gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.
182 Insofern ist die in Randnummer 86 des angefochtenen Urteils enthaltene Erwähnung der Aufzeichnungen der Angestellten von Monte über die Sitzungen, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, als bloßes Beispiel für Beweismittel anzusehen, die Monte zur Untermauerung ihrer Ansichten über Art und Zweck der Sitzungen hätte vorlegen können. Das Gericht hat somit keine Vermutung über das Vorliegen solcher Aufzeichnungen aufgestellt.
183 Soweit die Rechtsmittelführerin drittens die Feststellungen in den Randnummern 145 bis 148 des angefochtenen Urteils bestreiten will, die ihre Beteiligung am System der Kundenführerschaft und an dessen mindestens teilweiser Durchführung betreffen, bezieht sich ihre Rüge auf die Beweiswürdigung durch das Gericht und kann daher im Rechtsmittelverfahren nicht geprüft werden.
184 Viertens hat das Gericht zu Recht angenommen, daß das Vorbringen zur Erpressung von Monte durch die Roten Brigaden gemäß Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes unzulässig sei, da es sich dabei um ein erstmals in der Erwiderung vorgebrachtes neues Angriffsmittel handele. Das Gericht hat nämlich festgestellt, dieses Angriffsmittel beziehe sich auf ein Ereignis, das nicht während des Verfahrens, sondern schon 1981, d. h. lange vor Beginn des Verfahrens, zutage getreten sei.
Zur Verjährung
185 Unter Hinweis auf die Randnummern 236, 237 und 336 des angefochtenen Urteils macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe gegen Artikel 1 Absatz 1 der Verjährungsverordnung Nr. 2988/74 und gegen die Beweislast für die für die Verjährung relevante Fortdauer des Verhaltens verstoßen. Wie der als Generalanwalt vor dem Gericht bestellte Richter Vesterdorf ausgeführt habe, gebe es keinen Beweis für eine Fortdauer des Verhaltens zwischen 1977 und 1983. Dies habe die Verjährung für den Fünfjahreszeitraum vor der Abmahnung zur Folge. Es könne nicht angenommen werden, daß diese Verjährung durch an andere Unternehmen gerichtete Handlungen unterbrochen worden sei, da insofern keine Mittäterschaft nachgewiesen sei. Eine solche Mittäterschaft könne nicht in der bloßen Teilnahme an den Sitzungen bestehen.
186 In ihrer Erwiderung trägt die Rechtsmittelführerin ferner vor, gemäß der genannten Verordnung hätte das Gericht seine Begründung für die Zurückweisung der Verjährungseinrede auf die Fortdauer der Zuwiderhandlung und ihre Beteiligung an dieser Fortdauer stützen müssen. Nach dem angefochtenen Urteil habe die einzige Gemeinsamkeit zwischen allen vom Gericht zugrunde gelegten beanstandeten Verhaltensweisen darin bestanden, daß ein und dasselbe wirtschaftliche Ziel, die Verfälschung der normalen Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt, verfolgt worden sei, das seinerseits in einem fortgesetzten Verhalten bestanden habe. Demgemäß sei für das Gericht der einzige eine Einheit herbeiführende Gesichtspunkt des Verhaltens die "Verfälschung der normalen Entwicklung der Preise". Ein Markt, der die oben beschriebenen Merkmale aufweise, könne aber nicht als "normal" eingestuft werden, so daß die Versuche zur Herabsetzung der Verluste nicht die alleinige die Verhaltensweisen der Unternehmen zu einer Einheit verbindende Absicht hätten darstellen können. Überdies habe das Gericht keinen Umstand angeführt, aufgrund dessen das Verhalten von Monte als dauernd oder fortgesetzt angesehen werden könne. Schließlich hätte das Gericht die Zahl der Sitzungen, an denen Monte teilgenommen habe, sowie den Zeitraum angeben müssen, während dessen sie an diesen Sitzungen teilgenommen habe. Mangels dieser Angaben fehle es an einer Begründung für die Anwendung der Verjährungsvorschrift für dauernde oder fortgesetzte multilaterale Zuwiderhandlungen.
187 Die Kommission vertritt die Ansicht, dieser Rechtsmittelgrund sei aus mehreren Gründen unzulässig. Zum einen seien der Gedankengang der Rechtsmittelführerin und die Beanstandung des angefochtenen Urteils unverständlich. Während das Gericht die Tatsachen als eine einheitliche Zuwiderhandlung eingestuft habe, indem es den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen der Unternehmen hervorgehoben habe, sei in der Überschrift zu diesem Rechtsmittelgrund von der Verletzung der Beweislast für die Fortdauer des Verhaltens die Rede, sodann werde auf die Schlußanträge des Generalanwalts verwiesen und schließlich werde ausgeschlossen, daß an andere Unternehmen gerichtete Handlungen die Verjährung unterbrechen könnten. Die Kommission erinnert insoweit daran, daß eine Argumentation durch Verweisung unzulässig sei. Soweit sich der Rechtsmittelgrund auf die Einstufung der Tatsachen als eine einheitliche Zuwiderhandlung beziehe, handele es sich um eine Tatsachenfrage, die der Zuständigkeit des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren entzogen sei.
188 Nach Ansicht der Kommission hat die Rechtsmittelführerin erstmals in der Erwiderung geltend gemacht, daß das Gericht zur Verneinung der Verjährung auf den Begriff des "fortgesetzten Verhaltens" hätte zurückgreifen müssen. Die Kommission stellt die Entscheidung über die Zulässigkeit dieses Vorbringens in das Ermessen des Gerichtshofes.
189 Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin hat das Gericht erstens in Randnummer 202 des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß der Kommission für sämtliche tatsächlichen Feststellungen, die sie in der angefochtenen Entscheidung zu Lasten von Monte getroffen habe, rechtlich der Beweis gelungen sei. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, daß die verschiedenen Monte zur Last gelegten Verhaltensweisen zu einem bestimmten Zeitpunkt unterbrochen worden sind.
190 Dem Gerichtshof steht es in der Entscheidung über ein Rechtsmittel nicht zu, die Begründetheit dieser Sachverhaltswürdigung zu überprüfen.
191 Sodann hat das Gericht in den Randnummern 230, 231 und 235 des angefochtenen Urteils festgestellt, daß sich Monte an als Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen eingestuften Aktivitäten beteiligt habe, die sich auf den Zeitraum von 1977 bis September 1983 erstreckt hätten und deren Wirkungen bei den Vereinbarungen bis November 1983 angehalten hätten. In den Randnummern 236 und 237 hat es ausgeführt, daß diese Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wegen ihres übereinstimmenden Zweckes Teil von Systemen regelmäßiger Sitzungen zur Festsetzung von Preiszielen und Quoten gewesen seien und daß diese Systeme wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen gewesen seien, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt worden sei, nämlich die normale Entwicklung der Preise zu verfälschen. Das Gericht hat angenommen, daß es gekünstelt wäre, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen; vielmehr handele es sich um eine einheitliche Zuwiderhandlung, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen entwickelt habe.
192 Die einzige von der Rechtsmittelführerin dagegen vorgebrachte Kritik geht dahin, daß das allen Bemühungen der beteiligten Unternehmen gemeinsame wirtschaftliche Ziel, das dem Gericht zufolge darin bestanden habe, "die normale Entwicklung der Preise zu verfälschen", beim Polypropylenmarkt, der nicht als normal habe angesehen werden können, gegenstandslos gewesen sei.
193 Diese Rüge greift nicht durch, da die Wendung "normale Entwicklung der Preise" als Bezeichnung dafür zu verstehen ist, wie sich die Preise ohne die den Unternehmen zur Last gelegten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen entwickelt hätten. Der Umstand, daß sich der Polypropylenmarkt seinerzeit in einer nicht als normal qualifizierbaren unausgewogenen Situation befunden haben mag, ist daher ohne Belang.
194 Schließlich hat das Gericht in Randnummer 331 ausgeführt, daß Monte vom Abschluß der Mindestpreisvereinbarung Mitte 1977 bis November 1983 an einer einzigen "dauernden" (richtigerweise im Deutschen: "fortgesetzten") Zuwiderhandlung (in der Verfahrenssprache Italienisch: "un'infrazione unica e continuata") beteiligt gewesen sei.
195 Hierzu ist lediglich zu bemerken, daß der Begriff der fortgesetzten Zuwiderhandlung zwar in den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten einen etwas verschiedenen Inhalt haben mag, jedenfalls aber eine Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen oder von Handlungen zur Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung umfaßt, die durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind.
196 Daher hat das Gericht zu Recht annehmen können, daß zu Systemen verbundene, auf ein und dasselbe Ziel ausgerichtete Tätigkeiten eine fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstellen, so daß die fünfjährige Verjährungsfrist nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 2988/74 erst mit dem Tag beginnen konnte, an dem die Zuwiderhandlung beendet war, also den Feststellungen des Gerichts zufolge an einem im November 1983 liegenden Tag.
197 Ohne daß die Rügen bezüglich der die Verjährung unterbrechenden Verhandlungen geprüft zu werden brauchen, ist daher festzustellen, daß das Gericht nicht dadurch einen Rechtsirrtum begangen hat, daß es die Berufung von Monte auf die Verjährung der Geldbußen als unbegründet angesehen hat.
198 Der vierte Rechtsmittelgrund ist somit ebenfalls zurückzuweisen.
Zur Bemessung der Geldbuße
199 Mit ihrem fünften, hilfsweise vorgebrachten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin im Hinblick auf die Artikel 70, 374, 379 und 385 des angefochtenen Urteils, das Gericht habe die angebliche Berücksichtigung von Rechtfertigungsgründen durch die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße nicht begründet, eine unbillige Gleichsetzung von nicht angemeldetem Kartell oder Verhalten mit in höchstem Maße rechtswidrigen Verhaltensweisen vorgenommen und die Versagung einer wesentlichen Herabsetzung der Geldbuße nicht begründet. Wenn eine Zuwiderhandlung keine Wirkungen auf dem Markt habe, so sei sie sicher weniger schwerwiegend, als wenn dies der Fall wäre. Die Geldbuße habe über den Abschreckungszweck hinaus auch den Zweck, dadurch wieder ausgeglichene Wettbewerbsverhältnisse herzustellen, daß einem für einen Rechtsverstoß verantwortlichen Unternehmen ein finanzielles Opfer auferlegt werde, das u. a. auf die Gewinne abgestimmt sei, die es durch sein rechtswidriges Verhalten erzielt habe. Wenn die Feststellung der Zuwiderhandlung weder durch den Nachweis der konkreten Anwendung der angeblichen Kartelle noch durch Daten, die den von den verantwortlichen Unternehmen erzielten Gewinn belegten, untermauert werde, so sei die Geldbuße besonders behutsam zu bemessen, da sie in diesem Fall lediglich einen Abschreckungszweck erfuelle. Das Gericht habe diese Gesichtspunkte bei der Beurteilung der Angemessenheit der Geldbuße zu Unrecht nicht berücksichtigt.
200 Weiter trägt die Rechtsmittelführerin vor, es sei schwer zu verstehen, wie das Gericht die Angemessenheit der Geldbuße habe beurteilen können, ohne die dem logisch vorausgehende Frage zu beantworten, wie schwer der Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages gewesen sei. Bei der Beurteilung der restriktiven Wirkungen eines Kartells hätte die Kommission die besondere Lage auf dem von den Käufern beherrschten Markt berücksichtigen müssen. Außerdem müsse sie bei der Prüfung der Möglichkeit, eine Geldbuße zu verhängen, und bei deren Bemessung den spezifischen Beitrag jedes Unternehmens zur Herbeiführung solcher Wirkungen berücksichtigen. Da es sich bei Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 um eine Ahndungsnorm handele, könne bei ihrer Anwendung nicht von einer rigorosen Klärung der individuellen Verantwortung der mit der Ahndung belegten Person abgesehen werden.
201 Das Gericht habe dem Vorbringen der Kommission zugestimmt, daß nicht geprüft zu werden brauche, ob eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages für die angeblichen Kartelle möglich sei, und habe dabei übersehen, daß es einer solchen Prüfung auf jeden Fall zur Bemessung der Geldbuße bedürfe. Ein Kartell, das an sich für eine Freistellung in Betracht komme, könne nicht so geahndet werden wie ein Kartell, das nicht freistellbar sei. Das Gericht hätte diesen Begründungsmangel der Polypropylen-Entscheidung aufgreifen müssen.
202 Das Gericht habe anscheinend auch nicht in vollem Umfang den Klagegrund abgewogen, der die Vorsätzlichkeit des Rechtsverstoßes betroffen habe. Das subjektive Element der Zuwiderhandlung sei eine unerläßliche Voraussetzung für die Verhängung der Geldbuße und entgegen der Ansicht der Kommission nicht nur ein erschwerender Umstand. Das Gericht habe diesen Aspekt des Klagegrundes bezüglich der Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung nicht geprüft. Im Anschluß an die Feststellung, daß Monte vorsätzlich gehandelt habe, hätte das Gericht ferner prüfen müssen, ob dieser Umstand sanktionserschwerend berücksichtigt werden könne. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ist die Feststellung der Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung ein wichtiger Gesichtspunkt für die Beurteilung der immanenten Schwere des Rechtsverstoßes und damit für die Bemessung der Geldbuße. Die Nichtberücksichtigung dieses Gesichtspunktes durch das Gericht stelle demnach einen Mangel in der Urteilsbegründung dar.
203 Die Kommission macht zunächst geltend, die von der Rechtsmittelführerin angesprochenen Punkte seien nicht wirklich relevant, während kein Argument zu den Randnummern 365 bis 374 vorgetragen worden sei, in denen sich das Gericht ausführlich mit dem Problem der Wirkungen auseinandergesetzt habe. Große Bedeutung komme auch Randnummer 386 zu, die im Licht der Randnummer 385 (nur diese habe die Rechtsmittelführerin angeführt) zeige, daß das Gericht sowohl die Liste der von der Kommission berücksichtigten Umstände einschließlich des mildernden Umstands, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ganz ihr Ziel erreicht hätten, als auch die Höhe der unter Berücksichtigung dieser Umstände festgesetzten Geldbuße gebilligt habe.
204 Ferner sei das Gericht in Randnummer 254 davon ausgegangen, daß für den Nachweis der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten die Wirkungen des Kartells und nicht diejenigen des Tatbeitrags jedes Unternehmens zu berücksichtigen seien. Insoweit gehe es darum, das Vorliegen einer der Voraussetzungen der Zuwiderhandlung zu prüfen. Dagegen belege diese Gedankenführung des Gerichts keineswegs, daß die individuelle Verantwortung des Unternehmens bei der Bemessung der Geldbuße nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden sei.
205 Schließlich macht die Kommission zu den Argumenten, die sich auf die fehlende Berücksichtigung der Freistellbarkeit nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages und auf die fehlende Beurteilung der Frage beziehen, ob die Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung einen erschwerenden Umstand darstellen konnte, geltend, sie seien vor dem Gericht nicht vorgebracht worden und daher gemäß Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes unzulässig. Jedenfalls habe das Gericht wiederholt die besondere Schwere der Zuwiderhandlung hervorgehoben, so daß sich die Frage der Freistellbarkeit materiell nicht gestellt habe.
206 Erstens hat das Gericht, wie sich ausdrücklich aus den Randnummern 369, 371 und 372 des angefochtenen Urteils ergibt, angenommen, daß die Kommission zu Recht die Begrenztheit der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die Entwicklung der den verschiedenen Abnehmern in Rechnung gestellten Preise berücksichtigt habe. Die insoweit erhobene Rüge der Rechtsmittelführerin ist somit unbegründet.
207 Zweitens ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, daß bei Begehung einer Zuwiderhandlung durch mehrere Unternehmen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen ist (dahin gehend Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 623). Jedoch hat das Gericht in Randnummer 361 des angefochtenen Urteils festgestellt, daß die Kommission die Rolle, die Monte bei der Zuwiderhandlung gespielt hat, zutreffend festgestellt habe und daß sie daher bei der Berechnung der gegen Monte zu verhängenden Geldbuße zu Recht von dieser Rolle ausgegangen sei. Somit kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, daß es insoweit einen Rechtsirrtum begangen habe.
208 Drittens ist die Rüge bezüglich der Prüfung der Freistellbarkeit des Kartells nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages als neues Angriffsmittel, durch das der vor dem Gericht verhandelte Streitgegenstand unter Verstoß gegen Artikel 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes verändert wird, unzulässig.
209 Viertens geht schließlich aus Randnummer 362 des angefochtenen Urteils hervor, daß nach Ansicht des Gerichts die Schwere, die die festgestellten Handlungen charakterisiert, zeigt, daß Monte nicht leichtfertig oder auch nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt hat. Offenkundig hat das Gericht somit bei der Entscheidung über die Geldbuße gegen Monte die Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung als erschwerenden Umstand berücksichtigt, so daß es an einer Grundlage für die Rüge der Rechtsmittelführerin fehlt.
210 Somit ist auch der fünfte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
211 Da keiner der Rechtsmittelgründe durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
212 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach deren Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Die Streithelferin hat ihre eigenen Kosten zu tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
(Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten.
3. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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