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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: C-243/03
Rechtsgebiete: Sechste Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 17
Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C-243/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 6. Juni 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch E. Traversa als Bevollmächtigten, im Beistand von N. Coutrelis, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik , vertreten durch G. de Bergues und C. Jurgensen-Mercier als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien , vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, S. von Bahr (Berichterstatter), J. Malenovský und U. Lõhmus,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. März 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere aus den Artikeln 17 und 19 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) verstoßen hat, dass sie eine besondere Regel zur Einschränkung der Abziehbarkeit der Mehrwertsteuer beim Erwerb von mittels Subventionen finanzierten Investitionsgütern erlassen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

2. Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301) in der Fassung der Sechsten Richtlinie (im Folgenden: Erste Richtlinie) bestimmt: "Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat."

3. Gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage

"bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b, c und d genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen".

4. Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der genannten Richtlinie sieht in seiner sich aus ihrem Artikel 28f ergebenden Fassung vor: "Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen: ... die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden."

5. Artikel 17 Absatz 5 bestimmt:

"Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

..."

6. Artikel 19 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie mit der Überschrift "Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs" lautet:

"Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

- im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

- im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a genannt sind."

Nationale Regelung

7. Artikel 271 des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) bestimmt:

"(1) Die Mehrwertsteuer auf die Kostenelemente eines steuerbaren Umsatzes ist von der Mehrwertsteuer auf diesen Umsatz abziehbar.

...

II. 1. Soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwendet werden und unter der Voraussetzung, dass für diese Umsätze ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, können die Steuerschuldner abziehen

a) die Steuer, die in den ihnen von ihren Verkäufern ausgestellten Einkaufsrechnungen ausgewiesen wird, wenn der Ausweis der Steuer in den genannten Rechnungen rechtens war;

..."

8. Artikel 212 in Anhang II des CGI in der Fassung des Dekrets Nr. 94-452 vom 3. Juni 1994 (JORF vom 5. Juni 1994, S. 8143) sieht vor:

"1. Die Steuerschuldner, die im Rahmen ihrer in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Tätigkeiten nicht ausschließlich Umsätze tätigen, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, sind befugt, einen Teil der Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die Gegenstände belastet worden sind, die zur Durchführung dieser Tätigkeiten verwendetes Anlagevermögen darstellen.

Dieser Teil entspricht dem Betrag der erhaltenen abziehbaren Steuer, gegebenenfalls nach Anwendung der Bestimmungen des Artikels 207 bis, multipliziert mit der Verhältniszahl, die sich ergibt aus dem

a) im Zähler stehenden Jahresgesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze abzüglich der Mehrwertsteuer, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, und dem

b) im Nenner stehenden Jahresgesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer, und aller Subventionen einschließlich derjenigen, die nicht unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängen. ..."

9. Die Weisung des Service de la législation fiscale (Dienststelle für Steuergesetzgebung) vom 8. September 1994 (Bulletin officiel des impôts , Sondernummer 3 CA-94, vom 22. September 1994, im Folgenden: Weisung vom 8. September 1994) erläutert in ihrem Zweiten Buch hinsichtlich der Regeln des Rechts auf Vorsteuerabzug:

"150. Begriff der Ausstattungssubvention

Dabei handelt es sich um nicht der Steuer unterliegende Subventionen, die zum Zeitpunkt ihrer Auszahlung zur Finanzierung eines bestimmten Investitionsguts gewährt werden.

...

151. Für die Ausstattungssubventionen geltende Regeln

Die Steuer, die auf mit der Subvention finanzierte Investitionen entfällt, kann unter den üblichen Voraussetzungen tatsächlich abgezogen werden, wenn der Steuerschuldner die Zuweisungen für Abschreibungen der ganz oder teilweise mit dieser Subvention finanzierten Gegenstände in den Preis seiner Umsätze einbezieht.

Stellt sich heraus, dass die Voraussetzung der Abwälzung der Abschreibungen für diese Gegenstände auf die Preise nicht beachtet wurde, so kann die auf diese Gegenstände entfallende Mehrwertsteuer für den Teil des Betrages, der mit der Ausstattungssubvention finanziert wurde, nicht abgezogen werden.

Beispiel:

Ein Investitionsgut, dessen Preis 1 186 000 FRF inklusive Steuern beträgt und bei dem sich die Mehrwertsteuer auf 186 000 FRF beläuft, wird zum Teil (20 %) mit einer sich auf 237 200 FRF belaufenden Ausstattungssubvention finanziert.

Der Steuerschuldner hat den Abschreibungsanteil des Gegenstands, der dem mit der Ausstattungssubvention finanzierten Teil entspricht, nicht auf den Preis dieser steuerbaren Umsätze abgewälzt. Folglich kann die Steuer auf den Gegenstand (186 000 FRF) nur in Höhe von 80 % dieses Betrages (148 800 FRF) abgezogen werden.

Der Steuerschuldner wendet gegebenenfalls und unter den üblichen Voraussetzungen auf die so berechnete Steuer die Abzugsquote des Unternehmens an."

Vorverfahren

10. Auf eine Beschwerde hin richtete die Kommission am 23. April 2001 ein Mahnschreiben an die französische Regierung, in dem sie der Französischen Republik vorwarf, dadurch gegen die Artikel 17 Absätze 2 und 5 und 19 der Sechsten Richtlinie zu verstoßen, dass ein Pro-rata-Abzug bei der Mehrwertsteuer für alle Steuerpflichtigen einschließlich derer gelte, die nur besteuerte und zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze tätigten (im Folgenden: umfassend Steuerpflichtige), und dass das Recht auf Vorsteuerabzug durch die Regelung über die Ausstattungssubventionen unter nicht in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen eingeschränkt werde.

11. Da die Kommission innerhalb der gesetzten Frist keine Antwort auf dieses Mahnschreiben erhalten hatte, gab sie am 20. Dezember 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie den Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

12. Mit Schreiben vom 7. Januar 2002 erwiderte die französische Regierung auf das Mahnschreiben der Kommission u. a., dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nur für Steuerpflichtige gelte, die sowohl besteuerte als auch von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze tätigten (im Folgenden: gemischt Steuerpflichtige), nicht aber auf umfassend Steuerpflichtige.

13. Am 26. Juni 2002 übersandte die Kommission ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem sie die erste Rüge fallen ließ, die sich auf die Anwendung eines Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs auf umfassend Steuerpflichtige stützte, aber die zweite Rüge aufrechterhielt, die sich aus der Einschränkung des Rechts auf Abzug der Mehrwertsteuer bei mit Subventionen finanzierten Gegenständen herleitet.

14. Da die Antwort der französischen Regierung auf dieses ergänzende Mahnschreiben die Kommission nicht zufrieden stellte, hat diese beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

15. Die Kommission wirft der französischen Regierung vor, in den Nummern 150 und 151 der Weisung vom 8. September 1994 eine Einschränkung des Rechts auf Abzug der Mehrwertsteuer eingeführt zu haben, die nicht in der Sechsten Richtlinie vorgesehen sei und die auch nicht auf der Grundlage von Artikel 2 der Ersten Richtlinie gerechtfertigt werden könne.

16. Hierbei weist die Kommission darauf hin, dass nach der Sechsten Richtlinie bei den gemischt Steuerpflichtigen der Mehrwertsteuerabzug bei den Umsätzen, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe, entweder durch die Anwendung einer allgemeinen Unternehmensquote, wie in Artikel 19 Absatz 1 dieser Richtlinie angegeben, oder gegebenenfalls, wenn der Mitgliedstaat dies insbesondere zur Verhinderung von Missbrauch wünsche, nach einer der in Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 3 der genannten Richtlinie angegebenen Methoden (verschiedene Sätze für verschiedene Tätigkeitsbereiche des Unternehmens oder unmittelbare Zuordnung eines Gegenstands zu einer bestimmten Tätigkeit) eingeschränkt sei. Wenn ein Mitgliedstaat einen Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs anwende, erlaube keine Bestimmung der Sechsten Richtlinie, die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer, für die dieser Pro-rata-Satz gelte, vorab dadurch zu verringern, dass auf die Herkunft der zum Erwerb eines Gegenstands verwendeten Mittel oder die Berechnungsmethode des Preises der besteuerten Umsätze abgestellt werde, die der jeweilige Steuerpflichtige tätige.

17. Bei den umfassend Steuerpflichtigen erlaube keine Bestimmung der Sechsten Richtlinie, den Abzug der Mehrwertsteuer auf Investitionsgüter einer Einschränkung zu unterwerfen, die mit der Herkunft der Mittel, die den Erwerb dieser Gegenstände ermöglicht hätten, oder mit den Berechnungsmodalitäten des Preises der getätigten Umsätze in Zusammenhang stehe.

18. Was die von einem Steuerpflichtigen erhaltenen Subventionen anbelange, so sehe die Sechste Richtlinie außer in ihren Artikeln 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a und 19 keine Berücksichtigung der Subventionen beim Ausweis der von den Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer vor. Nach ständiger Rechtsprechung seien Einschränkungen des Rechts auf Vorsteuerabzug nur in den ausdrücklich in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Fällen zulässig (vgl. Urteile vom 21. September 1988 in der Rechtssache 50/87, Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 4797, Randnrn. 16 und 17, und vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883).

19. Zu Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie macht die Kommission geltend, dass diese Bestimmung keinen anderen Inhalt als Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie habe.

20. Die französische Regierung ist der Auffassung, dass die Bestimmungen über die Ausstattungssubventionen und insbesondere die mit der Abschreibung des Gegenstands verbundene Bedingung nur die allgemeinen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug umsetzten, die Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie aufgestellt habe und die durch die Bestimmungen von Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie weiter ausgestaltet würden.

21. Sehe man die Bestimmungen dieser beiden Artikel nämlich im Zusammenhang, so ergebe sich daraus, dass das Recht auf Vorsteuerabzug dann bestehe, wenn ein Gegenstand für Tätigkeiten verwendet werde, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe, und wenn der Preis der sodann getätigten, mehrwertsteuerpflichtigen Umsätze die Kosten dieses Gegenstands mit einbeziehe, unabhängig davon, ob er mit einer Ausstattungssubvention oder über eine andere Quelle des Steuerpflichtigen finanziert worden sei.

22. Nach Ansicht der französischen Regierung ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass nur der Mehrwertsteuerbetrag abgezogen werden könne, der die verschiedenen Kostenelemente des Preises eines besteuerten Umsatzes unmittelbar belastet habe, und dass die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen eine direkte und unmittelbare Verbindung mit einem mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz oder einem ähnlichen Umsatz aufweisen müssten (vgl. u. a. Urteile vom 5. Mai 1982 in der Rechtssache 15/81, Schul, Slg. 1982, 1409, Randnr. 10, und vom 27. September 2001 in der Rechtssache C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001, I-6663, Randnrn. 31 bis 33).

23. Die französische Regierung meint außerdem, dass der Rückgriff auf die von Artikel 19 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gebotene Möglichkeit, die Ausstattungssubventionen in den Nenner des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs aufzunehmen, dazu führen würde, die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug für die Gesamtheit der Aufwendungen des Steuerpflichtigen zu beschränken, während notwendigerweise die Zuteilung dieser Subventionen nur punktueller Art sei.

24. Ferner könne der Rückgriff auf diese Möglichkeit, die nur die gemischt Steuerpflichtigen betreffe, somit bedeutende Wettbewerbsverzerrungen zwischen diesen und den umfassend Steuerpflichtigen hervorrufen.

25. Mit der Voraussetzung, dass die Aufwendungskosten des Steuerpflichtigen auf den Preis der mehrwertsteuerpflichtigen Umsätze abgewälzt worden seien, lasse sich vermeiden, dass Empfänger nicht steuerpflichtiger Subventionen den Mechanismus des Vorsteuerabzugs missbräuchlich zu ihren Gunsten umkehren könnten. Soweit dieser Mechanismus mit Ausstattungssubventionen finanzierte Investitionsgüter betreffe, könne er so angewandt werden, dass die auf vorausgehenden Umsatzstufen abziehbare Mehrwertsteuer höher sei als die später vereinnahmte Mehrwertsteuer.

26. Die spanische Regierung macht geltend, dass die unmittelbare Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug der beim Erwerb von mit Subventionen finanzierten Investitionsgütern angefallenen Mehrwertsteuer eine konkrete Anwendung der Grundsätze sei, die der Einbeziehung der Subventionen, die nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie nicht zur Besteuerungsgrundlage gehörten, in den Nenner des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Artikel 19 Absatz 1 dieser Richtlinie zugrunde lägen. Diese Einschränkung sei daher mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar und durch die Vorschriften der Sechsten Richtlinie gerechtfertigt.

27. Auch könnten die Mitgliedstaaten Artikel 19 der Sechsten Richtlinie unabhängig von deren Artikel 17 Absatz 5 anwenden und folglich diese Bestimmung nicht nur auf gemischt Steuerpflichtige, sondern auf alle Steuerpflichtigen anwenden.

Würdigung durch den Gerichtshof

28. Nach ständiger Rechtsprechung ist das in den Artikeln 17 ff. der Sechsten Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dieses Recht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug wirkt sich auf die Höhe der steuerlichen Belastung aus und muss in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten. Ausnahmen sind daher nur in den in der Sechsten Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig (vgl. u. a. oben zitierte Urteile Kommission/Frankreich, Randnrn. 15 bis 17, BP Soupergaz, Randnr. 18, und Urteil vom 8. Januar 2002 in der Rechtssache C-409/99, Metropol und Stadler, Slg. 2002, I-81, Randnr. 42).

29. Insoweit sieht Artikel 17 Absatz 1 der genannten Richtlinie vor, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, und nach Artikel 17 Absatz 2 ist der Steuerpflichtige, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden.

30. Für gemischt Steuerpflichtige folgt aus Artikel 17 Absatz 5 Unterabsätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie, dass sich das Recht auf Vorsteuerabzug nach einem gemäß Artikel 19 dieser Richtlinie bestimmten Pro-rata-Satz ermittelt. Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 3 ermächtigt jedoch die Mitgliedstaaten, eine der anderen in diesem Unterabsatz aufgeführten Methoden zur Bestimmung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorzusehen, nämlich u. a. die Festlegung eines besonderen Pro-rata-Satzes für jeden Tätigkeitsbereich oder den Abzug der Vorsteuer nach der Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeit aller oder eines Teiles der Gegenstände und Dienstleistungen.

31. Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sind die unmittelbar mit dem Preis eines Gegenstands oder einer Dienstleistung zusammenhängenden Subventionen ebenso wie diese zu besteuern. Für andere als die unmittelbar mit dem Preis zusammenhängenden Subventionen einschließlich der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden sieht Artikel 19 Absatz 1 dieser Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, sie bei der Ermittlung des anwendbaren Pro-rata-Satzes in den Nenner einzubeziehen, wenn ein Steuerpflichtiger sowohl Umsätze tätigt, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch steuerbefreite Umsätze.

32. Mit Ausnahme dieser beiden Bestimmungen sieht die Sechste Richtlinie, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, bei der Ermittlung der Mehrwertsteuer keinerlei Berücksichtigung von Subventionen vor.

33. Es ist festzustellen, dass die fraglichen nationalen Bestimmungen dann, wenn der Erwerb des betreffenden Gegenstands mit einer Subvention finanziert wird, das Recht auf Vorsteuerabzug der Mehrwertsteuer von der Voraussetzung abhängig machen, dass sich die Abschreibungen dieses Gegenstands im Preis der vom Steuerpflichtigen getätigten Umsätze niederschlagen; diese Voraussetzung ist in der Sechsten Richtlinie nicht vorgesehen und stellt folglich eine nach ihr nicht statthafte Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug dar.

34. Insoweit ist zum einen die Argumentation zu verwerfen, die die französische Regierung aus Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie herleitet. Denn diese Bestimmung, die lediglich den Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug zum Ausdruck bringt, deren Regelung Gegenstand der ihm gewidmeten Bestimmungen der Sechsten Richtlinie ist, kann nicht als Grundlage für eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug herangezogen werden, die nicht in diesen Bestimmungen vorgesehen ist (vgl. oben zitiertes Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 23).

35. Zum anderen ist klarzustellen, dass die Mitgliedstaaten, wie der Generalanwalt in Nummer 23 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Sechste Richtlinie auch dann anzuwenden haben, wenn sie sie für verbesserungsfähig halten. Wie aus dem Urteil vom 8. November 2001 in der Rechtssache C-338/98 (Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I-8265, Randnrn. 55 und 56) hervorgeht, dürfen die Mitgliedstaaten, selbst wenn die Auslegung, die einige von ihnen vorschlagen, es erlauben würde, bestimmte mit der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziele, wie die Steuerneutralität, besser zu erreichen, nicht von den in dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Bestimmungen abweichen.

36. Zum auf Artikel 19 der Sechsten Richtlinie gestützten Vorbringen des Königreichs Spanien ist festzustellen, dass diese Bestimmung nur für gemischt Steuerpflichtige und nur für die von ihr vorgesehenen Situationen gilt (vgl. Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache C-204/03, Kommission/Spanien, Slg. 2005, I-0000, Randnrn. 24 und 25).

37. Somit ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere aus den Artikeln 17 und 19 der Sechsten Richtlinie verstoßen hat, dass sie eine besondere Regel zur Einschränkung der Abziehbarkeit der Mehrwertsteuer beim Kauf von mittels Subventionen finanzierten Investitionsgütern erlassen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

38. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 trägt das Königreich Spanien, das dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere aus den Artikeln 17 und 19 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung verstoßen, dass sie eine besondere Regel zur Einschränkung der Abziehbarkeit der Mehrwertsteuer beim Kauf von mittels Subventionen finanzierten Investitionsgütern erlassen hat.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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