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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: C-244/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/36/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 93/36/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Richtlinie 93/36 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge ist entsprechend dem, was der Gerichtshof zu den Richtlinien 92/50 und 93/37 entschieden hat, dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein von ihm eingeleitetes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags nach Maßgabe des niedrigsten Preises abbrechen kann, ohne den Auftrag zu vergeben, wenn er nach Prüfung und Vergleich der Angebote feststellt, dass die Ausschreibungsbedingungen es aufgrund von Fehlern, die ihm selbst bei seiner vorher durchgeführten Bewertung unterlaufen sind, nicht zulassen, den Auftrag in der wirtschaftlich günstigsten Weise zu vergeben, sofern er bei seiner Entscheidung die Grundregeln des gemeinschaftlichen Vergaberechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet.

( vgl. Randnr. 36 und Tenor )


Beschluss des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 16. Oktober 2003. - Kauppatalo Hansel Oy gegen Imatran kaupunki. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Korkein hallinto-oikeus - Finnland. - Rechtssache C-244/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-244/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom finnischen Korkein hallinto-oikeus in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Kauppatalo Hansel Oy

gegen

Imatran kaupunki

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 328, S. 1)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen, des Richters V. Skouris (Berichterstatter) und der Richterin N. Colneric,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts von der Absicht des Gerichtshofes, gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Das Korkein hallinto-oikeus hat mit Beschluss vom 1. Juli 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juli 2002, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 328, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 93/36) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Kauppatalo Hansel Oy, einer Gesellschaft finnischen Rechts (im Folgenden: Klägerin), und der Imatran kaupunki (im Folgenden: Stadt Imatra) (Finnland) über deren Verzicht auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Lieferung von Elektrizität, um den sich die Klägerin beworben hatte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 93/36 bestimmt:

Der öffentliche Auftraggeber teilt den Bewerbern und Bietern so rasch wie möglich die bezüglich der Auftragsvergabe getroffenen Entscheidungen sowie die Gründe mit, aus denen er beschlossen hat, einen Auftrag, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, nicht zu vergeben oder das Verfahren von neuem einzuleiten; auf Antrag teilt er ihnen dies schriftlich mit. Er unterrichtet außerdem das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften von diesen Entscheidungen."

Nationales Recht

4 Die Richtlinie 93/36 wurde im finnischen Recht durch das julkisista hankinnoista annettu laki (Gesetz über öffentliche Aufträge) 1505/1992, geändert durch die Gesetze 1523/1994, 725/1995, 1247/1997 und 633/1999 (im Folgenden: Gesetz 1505/1992), umgesetzt.

5 Nach § 1 des Gesetzes 1505/1992 müssen die staatlichen und kommunalen Behörden sowie die anderen von diesem Gesetz erfassten öffentlichen Auftraggeber bei der Auftragsvergabe die Vorschriften dieses Gesetzes beachten, um Wettbewerb zu ermöglichen und sicherzustellen, dass die Teilnehmer eines Ausschreibungsverfahrens gleich und ohne Diskriminierung behandelt werden. Nach § 2 dieses Gesetzes sind öffentliche Auftraggeber u. a. die kommunalen Behörden.

6 § 5 Absatz 1 des Gesetzes 1505/1992 bestimmt, dass bei der Vergabe des Auftrags alle bestehenden Wettbewerbsmöglichkeiten auszunutzen sind.

7 Nach § 7 Absatz 1 des Gesetzes 1505/1992 ist der Auftrag zu den günstigsten Bedingungen zu vergeben, was nach den Kriterien des niedrigsten Preises oder des bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung günstigsten Angebots bestimmt wird.

8 Die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge sind näher geregelt in der asetus kynnysarvot ylittävistä tavara- ja palveluhankinnoista sekä rakennusurakoista (Verordnung über Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge, die einen bestimmten Schwellenwert überschreiten) 380/1998 (Suomen säädöskokoelma Nr. 378-381, S. 1210, im Folgenden: Verordnung 380/1998).

9 § 19 Absatz 4 der Verordnung 380/1998 bestimmt:

Der öffentliche Auftraggeber hat dem Bewerber oder Bieter auf Antrag die Gründe mitzuteilen, aus denen er beschlossen hat, einen Auftrag, der öffentlich ausgeschrieben wurde, nicht zu vergeben oder das Vergabeverfahren von neuem einzuleiten. Er hat seine Entscheidung außerdem dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften mitzuteilen."

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

10 Dem Vorlagebeschluss zufolge übersandte die Stadt Imatra als öffentlicher Auftraggeber 20 Elektrizitätsunternehmen die Ausschreibung eines Auftrags über die Lieferung elektrischer Energie für bestimmte, in der Ausschreibung aufgeführte Gebiete dieser Stadt für den Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001. In der Ausschreibung, die am 2. März 2000 im Julkiset Hankinnat (Teil des finnischen Amtsblatts über öffentliche Aufträge) veröffentlicht wurde, wurde als Vergabekriterium der niedrigste Preis genannt.

11 Unter den Angeboten, die fristgerecht bei der Stadt Imatra eingingen, wurde in dem der Klägerin der niedrigste Preis gefordert.

12 In seiner Sitzung vom 23. Mai 2000 wurde dem Imatran tekninen lautakunta (Technischer Ausschuss der Stadt Imatra, im Folgenden: technischer Ausschuss) bewusst, dass durch einen Wechsel des Lieferanten nicht berücksichtigte Zusatzkosten entstehen würden; er kam zu dem Schluss, dass das Angebot des damaligen Lieferanten, der Imatran Seudun Sähkö Oy, bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung das günstigste sei.

13 Der technische Dienst der Stadt Imatra bereitete einen Entscheidungsvorschlag vor, wonach der Vertrag mit der Imatran Seudun Sähko Oy über die Lieferung von Elektrizität für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001 fortgesetzt werden sollte. Dieser Vorschlag wurde jedoch von der Tagesordnung des technischen Ausschusses abgesetzt, so dass der Auftrag nicht auf der Grundlage der genannten Ausschreibung vergeben wurde.

14 Am 31. August 2000 veröffentlichte die Stadt Imatra eine neue Ausschreibung, in der aufgrund einer umfassenderen Beurteilung der Gesamtkosten des Auftrags die den Auftrag bildende Elektrizitätsmenge auf 25 GWh im Jahr - statt auf 16 GWh im Jahr, wie es in der ersten Ausschreibung vorgesehen war - veranschlagt wurde, um zu gewährleisten, dass das beste Angebot auch das bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung günstigste sei. In dem neuen Verfahren wurde das beste Angebot von der Lappeenrannan Energia Oy vorgelegt, an die der Auftrag vergeben wurde.

15 Gegen die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, das mit der Veröffentlichung der Ausschreibung vom 2. März 2000 eingeleitete Vergabeverfahren abzubrechen, erhob die Klägerin Klage beim Kilpailuneuvosto (Wettbewerbsrat) (Finnland) und beantragte, diese Entscheidung aufzuheben und die Stadt Imatra zu verpflichten, den Vergleich der abgegebenen Angebote gemäß den nationalen Vorschriften über öffentliche Aufträge vorzunehmen, hilfsweise, ihr eine Entschädigung in Höhe von 15 % des Gesamtwerts des Auftrags zu zahlen.

16 Die Klägerin stützte ihre Klage insbesondere darauf, dass die Stadt Imatra keinen berechtigten Grund gehabt habe, ein Angebot, das die Voraussetzungen erfuellt habe, zurückzuweisen und das Auftragsvergabeverfahren abzubrechen, sowie darauf, dass die Durchführung eines neuen Verfahrens, mit dem das ursprüngliche Vergabekriterium des niedrigsten Preises durch dasjenige des bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung günstigsten Angebots ersetzt worden sei, rechtswidrig sei. Zudem handele es sich bei dem neuen Auftragsvergabeverfahren um einen Kuhhandel. Die Stadt Imatra habe über die erste Ausschreibung versucht, eine Vorstellung von den Preisen zu gewinnen, und anschließend ein neues Auftragsvergabeverfahren eingeleitet, um unter Heranziehung der bei der ersten Ausschreibung bekannt gewordenen Daten über die Preise der vorgelegten Angebote verhandeln zu können.

17 Der Kilpailuneuvosto wies die Klage ab. Er stellte insbesondere fest, dass, von einer Informationspflicht abgesehen, der Abbruch eines laufenden Vergabeverfahrens nicht ausdrücklich geregelt sei. Der Kilpailuneuvosto vertrat die Ansicht, dass ein solcher Abbruch nur aus triftigen Gründen erfolgen dürfe, und kam zu dem Schluss, dass die Stadt Imatra unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses und der effizienten Verwendung öffentlicher Mittel einen nach § 5 des Gesetzes 1505/1992 ausreichenden Grund gehabt habe.

18 Die Ausschreibung sei unzureichend vorbereitet worden, da nicht alle kostenträchtigen Faktoren berücksichtigt worden seien. Doch könne die Stadt Imatra nicht verpflichtet sein, einen Vergabevertrag abzuschließen, der zu einer Erhöhung ihrer Gesamtkosten führe. Außerdem könne das mit der zweiten Ausschreibung eingeleitete neue Verfahren nicht als Kuhhandel angesehen werden.

19 Gegen die Entscheidung des Kilpailuneuvosto legte die Klägerin ein Rechtsmittel beim Korkein hallinto-oikeus ein und beantragte die Aufhebung dieser Entscheidung und die Verurteilung der Stadt Imatra zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 15 % des Gesamtwerts des Auftrags.

20 In seinem Vorlagebeschluss führt das Korkein hallinto-oikeus aus, dass es im finnischen Recht außer den Bestimmungen über die Informationspflicht keine speziellen Vorschriften gebe, in denen der Abbruch eines laufenden Vergabeverfahrens geregelt würde, so dass bei der Prüfung der Rechtssache die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auszulegen seien, um zu klären, ob die Stadt Imatra rechtswidrig gehandelt habe, als sie ein auf das Kriterium des niedrigsten Preises ausgerichtetes Vergabeverfahren abgebrochen habe, ohne den Auftrag zu vergeben, weil es der Inhalt der Ausschreibung ihr nicht ermöglicht habe, das Angebot mit den günstigsten wirtschaftlichen Gesamtkosten anzunehmen.

21 Das vorlegende Gericht sieht es insoweit als erwiesen an, dass zum einen dem öffentlichen Auftraggeber erst nach dem Erhalt der Angebote bewusst wurde, dass die Gesamtkosten des Kaufes von Elektrizität nicht allein von deren Preis, sondern auch von anderen Faktoren abhingen, und dass zum anderen der Verzicht auf die Vergabe des Auftrags nach dem in der ersten Ausschreibung angekündigten Kriterium auf dem Bemühen beruhte, die Annahme eines Angebots zu vermeiden, das bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung nicht das günstigste gewesen wäre.

22 Das Korkein hallinto-oikeus führt aus, dass sich mit dem Urteil vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-27/98 (Fracasso und Leitschutz, Slg. 1999, I-5697) nicht die Fragen beantworten ließen, ob der Abbruch des Vergabeverfahrens in Ermangelung ausdrücklicher Vorschriften im freien Ermessen des öffentlichen Auftraggebers stehe und ob der Umstand, dass ein solcher Abbruch auf einem den Inhalt der Ausschreibung betreffenden Einschätzungsfehler beruhe, für die Beurteilung der Rechtfertigung des Abbruchs erheblich sei.

23 Das Korkein hallinto-oikeus hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein von ihm eingeleitetes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags nach Maßgabe des niedrigsten Preises abbrechen kann, ohne den Auftrag zu vergeben, wenn er nach Prüfung und Vergleich der Angebote feststellt, dass die Ausschreibungsbedingungen es nicht zulassen, den Auftrag auf der Grundlage der betreffenden Ausschreibung in der von den Gesamtkosten her günstigsten Weise zu vergeben?

2. Ist es für die Zulässigkeit des Abbruchs von Bedeutung, dass die Ausschreibung aufgrund der Fehlerhaftigkeit einer vom Auftraggeber vorher durchgeführten Bewertung fehlerhaft ist?

Zu den Vorlagefragen

24 Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 93/36 dahin auszulegen ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein von ihm eingeleitetes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags nach Maßgabe des niedrigsten Preises abbrechen kann, ohne den Auftrag zu vergeben, wenn er nach Prüfung und Vergleich der Angebote feststellt, dass die Ausschreibungsbedingungen es aufgrund von Fehlern, die ihm selbst bei seiner vorher durchgeführten Bewertung unterlaufen sind, nicht zulassen, den Auftrag in der wirtschaftlich günstigsten Weise zu vergeben.

25 Da die Antwort auf die umformulierte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, hat der Gerichtshof nach Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung das vorlegende Gericht von seiner Absicht unterrichtet, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, und den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.

26 Keiner der Adressaten hat gegen die Absicht des Gerichtshofes, durch mit Gründen zu versehenden Beschluss unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zu entscheiden, Bedenken geäußert.

27 Die einzige Bestimmung der Richtlinie 93/36, die sich spezifisch auf die Entscheidung bezieht, einen ausgeschriebenen Auftrag nicht zu vergeben, ist Artikel 7 Absatz 2, der u. a. vorschreibt, dass öffentliche Auftraggeber, die beschlossen haben, ein Vergabeverfahren abzubrechen, den Bewerbern und Bietern so rasch wie möglich die Gründe ihrer Entscheidung mitzuteilen haben.

28 Der Gerichtshof hat sich bereits im Zusammenhang mit der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) in der Fassung der Richtlinie 97/52 (im Folgenden: Richtlinie 93/37) und im Zusammenhang mit der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 97/52 (im Folgenden: Richtlinie 92/50) zum Umfang der Verpflichtung, die Gründe für den Verzicht auf die Vergabe eines Auftrags mitzuteilen, geäußert; diese Richtlinien enthalten in Artikel 8 Absatz 2 bzw. Artikel 12 Absatz 2 Bestimmungen, die denen des Artikels 7 Absatz 2 der Richtlinie 93/36 im Wesentlichen entsprechen.

29 Insbesondere hat der Gerichtshof in den Randnummern 23 und 25 seines Urteils Fracasso und Leitschutz festgestellt, dass aus Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 93/37 nicht hervorgehe, dass die in dieser Richtlinie implizit anerkannte Befugnis des öffentlichen Auftraggebers, auf die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden habe, zu verzichten, auf Ausnahmefälle begrenzt sei oder in jedem Fall voraussetze, dass schwerwiegende Gründe angeführt würden.

30 Weiter hat der Gerichtshof in Randnummer 41 seines Urteils vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-92/00 (HI, Slg. 2002, I-5553) ausgeführt, dass Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen sei, dass ein Auftraggeber, der beschließe, die Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, den Bewerbern und Bietern zwar die Gründe für seine Entscheidung mitteilen müsse, dass er danach aber nicht verpflichtet sei, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen.

31 In Randnummer 42 des Urteils HI hat der Gerichtshof ergänzt, dass die Richtlinie 92/50 außer der Verpflichtung, die Gründe für den Widerruf der Ausschreibung mitzuteilen, keine Bestimmung enthalte, die sich speziell auf die materiellen und formellen Voraussetzungen dieser Entscheidung bezöge, dass diese aber gleichwohl den fundamentalen Regeln des Gemeinschaftsrechts unterworfen bleibe, insbesondere den Grundsätzen des EG-Vertrags über die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit.

32 Des Näheren hat der Gerichtshof bei der Auslegung der Verpflichtung nach Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie 92/50, die Gründe des Widerrufs der Ausschreibung mitzuteilen, im Licht der beiden Ziele dieser Richtlinie - Öffnung für den Wettbewerb und Transparenz - festgestellt, diese Verpflichtung solle ein Mindestmaß an Transparenz bei den Verfahren zur Vergabe der Aufträge, für die diese Richtlinie gelte, und damit die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherstellen (Urteil HI, Randnrn. 43 bis 46).

33 Der Gerichtshof folgerte hieraus, dass ein Auftraggeber, der eine solche Entscheidung treffe, die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten habe, auch wenn die Richtlinie 92/50 die Modalitäten des Widerrufs der Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags nicht speziell regele (Urteil HI, Randnr. 47).

34 Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, verfolgen die Richtlinien 92/50, 93/36 und 93/37, die in ihrer Gesamtheit den harten Kern des Gemeinschaftsrechts über öffentliche Aufträge darstellen, in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen ähnliche Ziele (Urteil vom 17. September 2002 in der Rechtssache C-513/99, Concordia Bus Finland, Slg. 2002, I-7213, Randnr. 90).

35 Daher gibt es keinen Grund, Vorschriften, die in denselben Bereich des Gemeinschaftsrechts fallen und die im Wesentlichen übereinstimmen, unterschiedlich auszulegen (Urteil Concordia Bus Finland, Randnr. 91).

36 Somit ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Richtlinie 93/36 dahin auszulegen ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein von ihm eingeleitetes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags nach Maßgabe des niedrigsten Preises abbrechen kann, ohne den Auftrag zu vergeben, wenn er nach Prüfung und Vergleich der Angebote feststellt, dass die Ausschreibungsbedingungen es aufgrund von Fehlern, die ihm selbst bei seiner vorher durchgeführten Bewertung unterlaufen sind, nicht zulassen, den Auftrag in der wirtschaftlich günstigsten Weise zu vergeben, sofern er bei seiner Entscheidung die Grundregeln des gemeinschaftlichen Vergaberechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der österreichischen und der finnischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

auf die ihm vom Korkein hallinto-oikeus mit Beschluss vom 1. Juli 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge in der Fassung der Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein von ihm eingeleitetes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags nach Maßgabe des niedrigsten Preises abbrechen kann, ohne den Auftrag zu vergeben, wenn er nach Prüfung und Vergleich der Angebote feststellt, dass die Ausschreibungsbedingungen es aufgrund von Fehlern, die ihm selbst bei seiner vorher durchgeführten Bewertung unterlaufen sind, nicht zulassen, den Auftrag in der wirtschaftlich günstigsten Weise zu vergeben, sofern er bei seiner Entscheidung die Grundregeln des gemeinschaftlichen Vergaberechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet.

Ende der Entscheidung

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