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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 14.02.1996
Aktenzeichen: C-245/95 P (1)
Rechtsgebiete: VerfO


Vorschriften:

VerfO Art. 114
VerfO Art. 115 § 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Recht, einem bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreit beizutreten, steht nach Artikel 37 der Satzung des Gerichtshofes allen Personen zu, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang des betreffenden Rechtsstreits glaubhaft machen; mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen können nur die Anträge einer Partei unterstützt werden.

Ein Unternehmen, dem ein besonderer Antidumpingzoll auferlegt wurde, muß einem Rechtsstreit über die Gültigkeit einer Verordnung, durch die ein Antidumpingzoll eingeführt wird, beitreten können, da es unmittelbar und individuell von der streitigen Verordnung betroffen ist und ein eigenständiges Recht zur Klageerhebung gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag besitzt. Sofern dieses Unternehmen keine Nichtigkeitsklage gegen die betreffende Verordnung erhoben hat, sind seine Rechte als Streithelfer allerdings auf die Unterstützung der Anträge der Partei beschränkt, die sie unterstützt.

Auch die Unternehmen, die das Erzeugnis einführen und dafür einen besonderen Antidumpingzoll zahlen müssen, können ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft machen.

2. Nach Artikel 93 § 1 Absatz 2 Buchstabe f der Verfahrensordnung des Gerichtshofes müssen Anträge auf Zulassung als Streithelfer eine Schilderung der Umstände enthalten, aus denen sich das Recht zum Streitbeitritt ergibt.

Ein Unternehmen, das nicht dargetan hat, weshalb es einen Antidumpingzoll hätte zahlen müssen oder noch zahlen müsste, macht kein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits über die Gültigkeit einer Verordnung, durch die ein Antidumpingzoll eingeführt wird, gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes glaubhaft.


Beschluss des Gerichtshofes vom 14. Februar 1996 (512032). - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen NTN Corporation und Koyo Seiko Co. Ltd. - Streithilfe. - Rechtssache C-245/95 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die NSK Ltd, Gesellschaft japanischen Rechts mit Sitz in Tokio (Japan) und acht ihrer europäischen Tochtergesellschaften, die NSK Bearings Europe Ltd, Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), die NSK-RHP France SA, Gesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Guyancourt (Frankreich), die NSK-RHP UK Ltd, Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in Ruddington (Vereinigtes Königreich), die NSK-RHP Deutschland GmbH, Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Ratingen (Deutschland), die NSK-RHP Italia SpA, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Mailand (Italien), die NSK-RHP Nederland BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Amstelveen (Niederlande), die NSK-RHP European Distribution Centre BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Amstelveen (Niederlande), und die NSK-RHP Iberica SA, Gesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Barcelona (Spanien), sowie die Permarin SA, Gesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Valencia (Spanien), sämtlich vertreten durch Barrister David Vaughan QC, beauftragt von Solicitor Robin Griffith, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Lösch, 8, rü Zithe, Luxemburg, haben mit Schriftsatz, der am 12. Oktober 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, beantragt, in der Rechtssache C-245/95 P als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der NTN Corporation und der Koyo Seiko Co. Ltd zugelassen zu werden.

2 In dieser Rechtssache geht es um ein Rechtsmittel der Kommission gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 2. Mai 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-163/94 und T-165/94 (NTN Corporation und Koyo Seiko/Rat, Slg. 1995, II-1381). Durch dieses Urteil hat das Gericht Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2849/92 des Rates vom 28. September 1992 zur Änderung des durch die Verordnung (EWG) Nr. 1739/85 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Kugellager mit einem grössten äusseren Durchmesser von mehr als 30 mm mit Ursprung in Japan (ABl. L 286, S. 2, im folgenden: streitige Verordnung) für nichtig erklärt, soweit er den Klägerinnen einen Antidumpingzoll auferlegte.

3 Der Streithilfeantrag entspricht den Artikeln 93 und 123 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.

4 Die NSK Ltd und ihre acht Tochtergesellschaften (im folgenden: NSK-Gruppe) führen in ihrem Streithilfeantrag aus, sie hätten ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, da nach Artikel 1 der streitigen Verordnung, der vom Gericht für nichtig erklärt worden sei, die Tochtergesellschaften der NSK-Gruppe Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Kugellagern in die Gemeinschaft hätten zahlen müssen. Somit hätten die Tochtergesellschaften der NSK-Gruppe, wenn das Rechtsmittel zurückgewiesen und die Nichtigerklärung des Artikels 1 der streitigen Verordnung aufrechterhalten würde, keine Antidumpingzölle auf die fraglichen Kugellager mehr zu zahlen und könnten die Erstattung der Antidumpingzölle verlangen, die sie bereits gezahlt hätten und die sie noch zahlen würden, bis der Gerichtshof über das Rechtsmittel entschieden habe.

5 Auch die NSK Ltd habe ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, da sie, wenn die Nichtigerklärung des Artikels 1 der streitigen Verordnung aufrechterhalten würde, unmittelbar in den Genuß der Erstattungen der fraglichen Zölle käme, die an ihre Tochtergesellschaften geleistet würden. Darüber hinaus wolle sie sichergehen, daß die NSK-Kugellager im Wettbewerb nicht weiter durch die Erhebung eines Antidumpingzolls von 6,5 % benachteiligt würden.

6 Auch die Permarin SA meint, ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu haben, da sie 30 % des Kapitals der NSK-RHP Iberica SA halte und NSK-Kugellager von dieser Gesellschaft auf der Grundlage eines Nettopreises kaufe, der einen Antidumpingzoll von 6,5 % enthalte.

7 Nach Artikel 37 der EG-Satzung des Gerichtshofes können die Mitgliedstaaten und die Organe der Gemeinschaft einem bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreit beitreten. Mit Ausnahme bestimmter Rechtsstreitigkeiten gilt dasselbe für alle anderen Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang des bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits glaubhaft machen. Mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen können nur die Anträge einer Partei unterstützt werden.

8 Die NSK Ltd besaß gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag (nunmehr Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag) ein eigenständiges Recht zur Erhebung einer Klage gegen die streitige Verordnung. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteil vom 10. März 1992 in der Rechtssache C-174/87, Ricoh/Rat, Slg. 1992, I-1335, Randnr. 7) betrifft eine Verordnung, die einer Reihe von Wirtschaftsteilnehmern unterschiedliche Antidumpingzölle auferlegt, einen einzelnen von ihnen nur in denjenigen ihrer Bestimmungen individuell, die ihm einen besonderen Antidumpingzoll auferlegen und dessen Höhe festsetzen, nicht aber in denjenigen, mit denen anderen Unternehmen Antidumpingzölle auferlegt werden. Da im vorliegenden Fall der NSK Ltd (die in der streitigen Verordnung mit ihrer alten Firma Nippon Seiko Co Ltd bezeichnet wurde) durch Artikel 1 der Verordnung ein besonderer Antidumpingzoll von 6,5 % auferlegt wurde, war sie unmittelbar und individuell von dieser Verordnung betroffen.

9 Die NSK Ltd muß folglich dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelferin beitreten können. Da sie keine Klage erhoben hat, sind ihre Rechte als Streithelferin allerdings auf die Unterstützung der Anträge der Beklagten zu beschränken (Beschlüsse des Gerichtshofes vom 28. Januar 1987 in der Rechtssache 150/86, Usinor und Sacilor/Kommission, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlicht, und des Gerichts vom 28. November 1991 in der Rechtssache T-35/91, Eurosport/Kommission, Slg. 1991, II-1359).

10 Das auf das Rechtsmittel ergehende Urteil wird auch die Interessen der Tochtergesellschaften der NSK-Gruppe berühren. Sie führen nämlich von der NSK Ltd hergestellte Kugellager in die Gemeinschaft ein und zahlen dafür entsprechend der streitigen Verordnung einen besonderen Antidumpingzoll von 6,5 %. Sie machen somit ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran glaubhaft, daß der Gerichtshof den Anträgen der Beklagten stattgibt.

11 Folglich ist den Anträgen aller Gesellschaften der NSK-Gruppe auf Zulassung als Streithelferinnen stattzugeben.

12 Gemäß Artikel 93 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der nach Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Verfahren vor dem Gerichtshof, das ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts zum Gegenstand hat, entsprechend anwendbar ist, werden der NSK Ltd und ihren acht Tochtergesellschaften alle den Parteien zugestellten Schriftstücke übermittelt. Dabei wird ihnen eine Frist zur schriftlichen Begründung ihrer Anträge gesetzt.

13 Aus dem Antrag der Permarin SA auf Zulassung als Streithelferin ergibt sich, daß sie 30 % des Kapitals der NSK-RHP Iberica SA hält und von dieser Gesellschaft NSK-Kugellager zu einem Nettopreis kauft, der den Antidumpingzoll von 6,5 % enthält.

14 Nach Artikel 93 § 1 Absatz 2 Buchstabe f der Verfahrensordnung müssen Anträge auf Zulassung als Streithelfer eine Schilderung der Umstände enthalten, aus denen sich das Recht zum Streitbeitritt ergibt. Nur auf der Grundlage einer solchen Schilderung kann der Gerichtshof in Rechtsmittelverfahren über den Antrag entscheiden.

15 Im vorliegenden Fall ermöglichen es die von der Permarin SA angeführten Gründe dem Gerichtshof nicht, mit hinreichender Sicherheit festzustellen, daß diese Gesellschaft ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft macht. Nach den Akten ist sie nämlich nicht verpflichtet, den besonderen Antidumpingzoll von 6,5 % auf die NSK-Kugellager zu bezahlen. Auch ist nicht dargetan worden, weshalb sie aufgrund der streitigen Verordnung einen Antidumpingzoll hätte zahlen müssen oder noch zahlen müsste. Das berechtigte Interesse der Permarin SA am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne des Artikels 37 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes ist somit nicht hinreichend dargetan.

16 Nach alledem ist dem Antrag der NSK Ltd und ihrer acht Tochtergesellschaften auf Zulassung als Streithelferinnen stattzugeben; der Antrag der Permarin SA ist zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

1. Die NSK Ltd, die NSK Bearings Europe Ltd, die NSK-RHP France SA, die NSK-RHP UK Ltd, die NSK-RHP Deutschland GmbH, die NSK-RHP Italia SpA, die NSK-RHP Nederland BV, die NSK-RHP European Distribution Centre BV und die NSK-RHP Iberica SA werden in der Rechtssache C-245/95 P als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen.

2. Den Streithelferinnen werden durch die Kanzlei abschriftlich sämtliche Verfahrensakten übermittelt.

3. Den Streithelferinnen wird eine Frist zur schriftlichen Begründung ihrer Anträge gesetzt.

4. Der Antrag der Permarin SA auf Zulassung als Streithelferin wird zurückgewiesen.

5. Die Entscheidung über die Kosten bleibt vorbehalten; jedoch trägt die Permarin SA die Kosten, die durch ihren Antrag auf Zulassung als Streithelferin verursacht worden sind, selbst.

Luxemburg, den 14. Februar 1996

Ende der Entscheidung

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