Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.09.1996
Aktenzeichen: C-251/94
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 1408/71, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 47
VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 46
EG-Vertrag Art. 51
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung Nr. 2001/83, die durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik angepasst worden ist, gilt für eine Regelung zur Berechnung von Invaliditätsleistungen wie die nach den spanischen Rechtsvorschriften vorgesehene, bei der eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage herangezogen wird und die Rentenhöhe in der Regel auf der Grundlage des Durchschnitts der Beitragsbemessungsgrundlagen des Arbeitnehmers während eines dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit unmittelbar vorausgehenden Bezugszeitraums berechnet wird.

2. Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 ist entsprechend dem Zweck des Artikels 51 des Vertrages auszulegen, wonach die Wanderarbeitnehmer durch die Ausübung ihres Rechts auf Freizuegigkeit insbesondere keine Verminderung der Leistungen der sozialen Sicherheit erleiden dürfen. Das bedeutet, daß in einem Fall, in dem der Betroffene zum einen in einem Mitgliedstaat erwerbsunfähig geworden ist, dessen Rechtsvorschriften zu einem anderen Typ gehören als die, die anzuwenden sind, und er zum andern keine Beträge nach den letztgenannten Rechtsvorschriften in dem Zeitraum entrichtet hat, der für die Ermittlung der Durchschnittsbeitragsgrundlage, auf der die Berechnung des Leistungsbetrages beruht, maßgeblich ist, dieser Betrag genauso hoch sein muß, als wenn der Betroffene nach den betreffenden Rechtsvorschriften weiterhin beitragspflichtig gewesen wäre. So ist in einem solchen Fall der theoretische Betrag der Leistung, der allein gemäß den nach diesen Rechtsvorschriften entrichteten Beiträgen ermittelt worden ist, so anzupassen und zu erhöhen, als wenn der Betroffene in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wäre.

3. Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1408/71 in seiner im Juli 1990 geltenden Fassung, wonach für die Anwendung der Vorschriften über die Zusammenrechnung und anteilige Berechnung unter bestimmten Umständen die für die Gewährung der vollen Rente vorgeschriebene Hoechstdauer anstelle der Gesamtdauer der zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen ist, betrifft nicht die Berechnung von Invaliditätsleistungen gemäß einer Regelung, wie sie in den spanischen Rechtsvorschriften enthalten ist und nach der die Höhe der Leistungen von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist. Da nämlich diese Vorschrift die für die Gewährung der vollen Leistung erforderliche Dauer betrifft, kann sie nur Rechtsvorschriften betreffen, nach denen die Leistungen grundsätzlich nach der Dauer der zurückgelegten Zeit berechnet werden.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. September 1996. - Eduardo Lafuente Nieto gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) und Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Autónoma del País Vasco - Spanien. - Soziale Sicherheit - Invalidität - Artikel 46 und 47 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Berechnung der Leistungen. - Rechtssache C-251/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Autónoma del País Vasco hat mit Beschluß vom 31. Mai 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 13. September 1994, sechs Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit des Artikels 47 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6), die durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik angepasst worden ist (ABl. 1985, L 302, S. 170, im folgenden: Verordnung), sowie nach der Auslegung des Artikels 46 Absatz 2 dieser Verordnung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen E. Lafuente Nieto und den Trägern der sozialen Sicherheit in Spanien, dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (nachstehend: INSS) und der Tesorería General de la Seguridad Social (nachstehend: TGSS), wegen der Berechnung seiner Invaliditätsrente.

3 Herr Lafuente Nieto, ein Arbeitnehmer spanischer Staatsangehörigkeit, der (vor 1969) in Spanien, anschließend (bis 1990) in Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt war, wurde im Juli 1990 vollständig und auf Dauer erwerbsunfähig. Der zuständige deutsche Träger gewährte ihm eine Invaliditätsrente, deren Höhe aus Gründen, die dem Vorlagegericht nicht bekannt sind, ohne Berücksichtigung der in Spanien zurückgelegten Beitragszeiten berechnet wurde. Das INSS, der zuständige spanische Träger, gewährte dem Betroffenen eine Invaliditätsrente wegen dauernder vollständiger Erwerbsunfähigkeit, die auf nicht berufsbedingter Krankheit beruht.

4 Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, ändert sich nach den spanischen Rechtsvorschriften die Höhe der Rente, auf die ein gewerblicher Arbeitnehmer Anspruch hat, der bei Eintritt einer nicht auf berufsbedingter Krankheit beruhenden dauernden vollständigen Erwerbsunfähigkeit das Alter von 48 Jahren und drei Monaten erreicht hat ° was für Herrn Lafuente Nieto zutrifft °, nicht nach Maßgabe der Beitrags- oder Arbeitszeiten des Arbeitnehmers. Nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b des Gesetzes 26/1985 vom 31. Juli 1985 hängt der Rentenanspruch jedoch davon ab, daß der Arbeitnehmer zumindest während eines Viertels der nach Vollendung des 20. Lebensjahres zurückgelegten Zeit Beiträge entrichtet hat und daß ein Fünftel der Mindestbeitragszeit in den letzten zehn Jahren vor dem Eintritt der Invalidität liegt.

5 Sind diese Voraussetzungen erfuellt, wird die Höhe der Rente anhand des Durchschnitts der Beitragsbemessungsgrundlagen errechnet, die für den Arbeitnehmer in den 84 Monaten, die dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit unmittelbar vorangegangen sind, gegolten haben. Enthält dieser Zeitraum jedoch auch Abschnitte, in denen der Arbeitnehmer nicht beitragspflichtig war, wird die Berechnung so durchgeführt, als wenn er Beiträge entsprechend der Mindestbemessungsgrundlage entrichtet hätte. Darüber hinaus sind die ° tatsächlichen oder fiktiven ° Beitragsbemessungsgrundlagen der ersten 60 Monate dieses Zeitraums an die Entwicklung des amtlichen Index der Preise für Verbrauchsgüter in jedem dieser Monate bis zum Ende des zu aktualisierenden Zeitraums gebunden (Artikel 3 Absätze 1 und 4 des genannten Gesetzes vom 31. Juli 1985).

6 Die Höhe der Herrn Lafuente Nieto zuerkannten Rente, die auf 9 226 PTA monatlich (zahlbar 14mal jährlich) festgesetzt wurde, war im Verhältnis der in Spanien zurückgelegten Versicherungszeiten zu den Versicherungszeiten bestimmt worden, die der Betroffene in zwei anderen Mitgliedstaaten, in denen er beschäftigt gewesen war, zurückgelegt hatte, wobei die für nicht beitragspflichtige Arbeitnehmer geltende Regelung über die Ermittlung der Mindestbeitrags-Bemessungsgrundlagen angewandt worden war. Das INSS war nämlich der Ansicht, daß in den für die Ermittlung des Grundbetrags maßgeblichen 84 Monaten (d. h. von Juli 1983 bis Juni 1990) der Betroffene, der damals in Deutschland beschäftigt war, nicht beitragspflichtig im Sinne der spanischen Rechtsvorschriften gewesen sei.

7 Herr Lafuente Nieto war mit diesem Betrag nicht einverstanden und forderte einen Betrag von 56 485 PTA, der nach einer Methode berechnet worden war, die in zwei Punkten von der Berechnungsmethode des INSS abwich. Zum einen wurden bei dem für die Rentenhöhe maßgeblichen Grundbetrag die Grundlagen berücksichtigt, nach denen die in der Zeit unmittelbar vor Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit in Deutschland entrichteten Beiträge bemessen wurden, wobei diese Grundlagen aber nicht die seinerzeit in Spanien geltende Obergrenze überschreiten konnten, und für die Monate, in denen in Deutschland keine Beiträge entrichtet worden waren, die Mindestbemessungsgrundlage galt. Zum andern wurde die Pro-rata-Regel in der Weise angewandt, daß die Beitragszeit in Spanien nicht im Verhältnis zu sämtlichen Beitragszeiten in Spanien und Deutschland, sondern zu der nach den spanischen Rechtsvorschriften für den Erwerb des Rentenanspruchs erforderlichen Mindestbeitragszeit gesetzt wurde.

8 Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Autónoma del País Vasco, bei dem Berufung eingelegt wurde, hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erfasst Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (in der im Juli 1990 geltenden Fassung) tatbestandlich solche Rechtsvorschriften wie die in Artikel 3 des Gesetzes 26/1985 vom 31. Juli 1985, die vorstehend im Tatbestand unter 2. Absatz B dieses Beschlusses wiedergegeben sind, oder fallen diese Rechtsvorschriften unter Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe b dieser Gemeinschaftsverordnung?

2. Wie ist Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zu verstehen, wenn die vorhergehende Frage dahin gehend beantwortet wird, daß die genannten spanischen Rechtsvorschriften den Tatbestand dieser Bestimmung erfuellen:

a) Ist die Bestimmung dahin auszulegen, daß sie eine eigene gemeinschaftsrechtliche Regelung neben der des innerstaatlichen spanischen Rechts über die Art der Ermittlung der Durchschnittsbeitrags-Bemessungsgrundlage aufstellt, wonach diese durch das arithmetische Mittel der in Spanien geltenden Hoechst- und Mindestbeitrags-Bemessungsgrundlagen zu bestimmen ist?

b) Oder ist die Bestimmung so zu verstehen, daß sie keine eigene Regelung über die Art der Ermittlung der Durchschnittsbeitrags-Bemessungsgrundlage enthält und deren Berechnung nach dem innerstaatlichen spanischen Recht erfolgt, jedoch ohne daß insoweit eine Beitragsbemessungsgrundlage berücksichtigt werden kann, die der zuständige Träger eines anderen Mitgliedstaats gemäß dessen Rechtsvorschriften angewandt hat?

c) Oder ist die Bestimmung schließlich in dem Sinne auszulegen, daß sie keine eigene Regelung über die Art der Ermittlung der Durchschnittsbeitrags-Bemessungsgrundlage enthält, die nach dem innerstaatlichen spanischen Recht zu berechnen ist, wobei jedoch für diese Berechnung die Beitragsbemessungsgrundlagen, die der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats gemäß dessen Rechtsvorschriften angewandt hat, zu berücksichtigen sind, soweit diese Bemessungsgrundlagen auch in Spanien nach spanischem Recht anzuwenden gewesen wären, wenn der sie in dem anderen Mitgliedstaat begründende Umstand als in Spanien eingetreten anzusehen wäre?

3. Verstösst Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, falls eine der ersten beiden in der vorhergehenden Vorlagefrage genannten Alternativen die richtige Auslegung darstellt, gegen Artikel 51 EWG-Vertrag im Zusammenhang mit der in Artikel 48 niedergelegten Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, und ist diese Bestimmung damit ungültig?

4. Falls auf die erste Vorlagefrage zu antworten ist, daß Artikel 3 des Gesetzes 26/1985 vom 31. Juli den Tatbestand des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfuellt:

a) Ist diese letztgenannte Vorschrift so zu verstehen, daß sie für die Berechnung der Bemessungsgrundlage der Rente bei dauernder Invalidität oder bei Alter die Berücksichtigung von Beiträgen nicht gestattet, die an den zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats gemäß dessen Rechtsvorschriften entrichtet worden sind?

b) Oder ist diese Vorschrift so zu verstehen, daß sie für die Berechnung die Berücksichtigung der Beiträge, die an den zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats gemäß dessen Rechtsvorschriften entrichtet worden sind, insoweit gestattet, als diese Beiträge in Spanien nach spanischem Recht angefallen wären, wenn der die Beiträge in dem anderen Mitgliedstaat begründende Umstand als in Spanien eingetreten anzusehen wäre?

5. Wenn die erste der beiden in der vorhergehenden Vorlagefrage aufgeführten Alternativen die richtige Auslegung des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1408/71 ist: Verstösst diese Bestimmung gegen Artikel 51 EWG-Vertrag in Verbindung mit der in Artikel 48 niedergelegten Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, und ist sie insoweit ungültig?

6. Unabhängig davon, wie die vorhergehenden Vorlagefragen zu beantworten sind: Ist der Tatbestand des Artikels 46 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in seiner im Juli 1990 geltenden Fassung so auszulegen, daß er die Renten bei dauernder Invalidität aufgrund nicht berufsbedingter Krankheit gemäß dem spanischen allgemeinen System der sozialen Sicherheit umfasst und somit davon auszugehen ist, daß die dort genannte Hoechstdauer in diesen Fällen die Mindestbeitragszeit ist, die für den Erwerb eines Rentenanspruchs erforderlich ist?

Zum gemeinschaftsrechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits

9 Vor einer Antwort auf die Vorlagefragen ist zunächst der Wortlaut der im Ausgangsverfahren streitigen Bestimmungen der Verordnung in der Fassung wiederzugeben, die zu dem vom Vorlagegericht genannten Zeitpunkt galt.

10 Wie sich aus den Akten ergibt, gehören die Rechtsvorschriften der beiden Mitgliedstaaten, in denen der Betroffene einen Anspruch auf Leistungen bei Invalidität hat, nicht zum selben Typ von Vorschriften. Die spanischen Rechtsvorschriften sind in Anhang IV der Verordnung als Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 37 Absatz 1 aufgeführt, nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität nicht von der Dauer der Versicherungszeiten abhängt. Dagegen gehören die deutschen Rechtsvorschriften nicht zu diesen Rechtsvorschriften.

11 Nach Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung gelten für Arbeitnehmer, die erwerbsunfähig geworden sind und nacheinander diesen beiden Typen von Rechtsvorschriften unterlagen, die Bestimmungen des Kapitels der Verordnung über die Renten bei Alter und Tod, d. h. die Artikel 44 bis 51, entsprechend.

12 Nach Artikel 45 Absatz 1 müssen, wenn nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Anspruchs auf Leistungen davon abhängig ist, daß Versicherungs- oder Wohnzeiten zurückgelegt worden sind, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften jedes anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten berücksichtigt werden.

13 Artikel 46 regelt die Feststellung der Leistungen. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung, der anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auch ohne Anwendung des Artikels 45 erfuellt sind, ist die sich aus den anwendbaren Rechtsvorschriften ergebende Höhe der Leistung mit der Höhe, die sich bei Anwendung der Vorschriften nach Absatz 2 Buchstaben a und b ergibt, zu vergleichen und nur der höhere Betrag zu berücksichtigen.

14 Artikel 46 Absatz 2, der anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nur nach Anwendung des Artikels 45 erfuellt sind, enthält folgende Regelung:

"a) Der Träger berechnet den theoretischen Betrag der Leistung, auf die die betreffende Person Anspruch hätte, wenn alle nach den für den Arbeitnehmer oder Selbständigen geltenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten nur in dem betreffenden Staat und nach den für diesen Träger zum Zeitpunkt der Feststellung der Leistung geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Ist nach diesen Rechtsvorschriften der Betrag der Leistung von der Dauer der zurückgelegten Zeiten unabhängig, so gilt dieser Betrag als theoretischer Betrag;

b) der Träger ermittelt sodann den tatsächlich geschuldeten Betrag auf der Grundlage des nach Buchstabe a) errechneten theoretischen Betrages nach dem Verhältnis zwischen den nach seinen Rechtsvorschriften vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten und den gesamten nach den Rechtsvorschriften aller beteiligten Mitgliedstaaten vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten;

c) übersteigt die Gesamtdauer der vor Eintritt des Versicherungsfalls nach den Rechtsvorschriften aller beteiligten Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten die in den Rechtsvorschriften eines dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung der vollen Leistung vorgeschriebene Hoechstdauer, so berücksichtigt der zuständige Träger dieses Staates bei Anwendung dieses Absatzes diese Hoechstdauer anstelle der Gesamtdauer dieser Zeiten; diese Berechnungsmethode kann den betreffenden Versicherungsträger nicht zur Gewährung einer Leistung verpflichten, deren Betrag die volle nach seinen Rechtsvorschriften vorgesehene Leistung übersteigt."

15 Schließlich enthält Artikel 47 ergänzende Vorschriften für die Berechnung der Leistungen. In Absatz 1 dieser Bestimmung sind besondere Vorschriften für die Berechnung des theoretischen Betrages nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a festgelegt, zu denen u. a. die beiden folgenden Vorschriften gehören:

"...

b) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung von Leistungen die Höhe der Arbeitsentgelte, Arbeitseinkommen, Beiträge oder Zuschläge zugrunde zu legen ist, ermittelt die Entgelte, Einkommen, Beiträge oder Zuschläge für die nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten auf der Grundlage der Durchschnittsarbeitsentgelte, -arbeitseinkommen, -beiträge oder -zuschläge, die für die nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates zurückgelegten Versicherungszeiten festgestellt worden sind.

...

e) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung von Leistungen eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen ist, ermittelt diese Durchschnittsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften dieses Staates zurückgelegten Versicherungszeiten."

Zur ersten Frage

16 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche der beiden Regelungen in den zitierten Bestimmungen des Artikels 47 Absatz 1 der Verordnung für die in den spanischen Rechtsvorschriften vorgesehene Regelung zur Berechnung von Invaliditätsleistungen gilt.

17 Nach Ansicht von Herrn Lafuente Nieto gilt für dieses System, da es in Wirklichkeit eine unmittelbare Verbindung zwischen der Höhe der Leistungen und den Arbeitsentgelten, Beiträgen und Zuschlägen herstelle, die erste Regelung gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe b.

18 Dagegen vertritt die spanische Regierung die Auffassung, daß das System unter die zweite Regelung gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e falle, da die Berechnung der Leistungen von einer "Beitragsbemessungsgrundlage" abhänge, die nicht dem tatsächlichen Arbeitsentgelt entspreche.

19 Die Kommission meint, daß keine der Bestimmungen des Artikels 47 Absatz 1 auf ein System wie das streitige anwendbar sei, nach dem die Höhe der Leistung unabhängig von der Dauer der Versicherungszeiten sei.

20 Die erste Regelung gelte für den Fall, daß nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats bei der Berechnung der Leistungen die Höhe des Arbeitsentgelts, der Beiträge oder der Zuschläge zugrunde gelegt würden und die Versicherungs- oder Wohnzeiten in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt würden.

21 Dieser Fall liege bei einer Regelung wie der vom Vorlagegericht beschriebenen nicht vor, nach der die Höhe der Leistungen unabhängig von der Dauer der Versicherungszeiten sei und für die Berechnung dieser Höhe der Durchschnitt der Beitragsbemessungsgrundlagen zu berücksichtigen sei, die dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer während einer bestimmten Anzahl von Jahren vor dem Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit bezogen habe, oder gegebenenfalls für die Zeiten, in denen der Betroffene nicht beitragspflichtig gewesen sei, einem Mindestarbeitsentgelt entsprächen. Bei einer solchen Regelung werde nämlich bei der Berechnung der Leistungen nicht die tatsächliche Höhe des Arbeitseinkommens, der Beiträge oder der Zuschläge zugrunde gelegt, die während der insgesamt zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten bezogen bzw. entrichtet worden seien.

22 Die zweite Regelung unter Buchstabe e, die anläßlich des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zur Gemeinschaft in Artikel 47 Absatz 1 aufgenommen worden sei, gelte für den Fall, daß nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats bei der Berechnung der Leistungen eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen sei, die gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften dieses Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermitteln sei.

23 Wie das vorlegende Gericht und die spanische Regierung hervorgehoben haben, ergibt sich aus den Umständen, unter denen diese Regelung in die Verordnung aufgenommen worden ist, daß sie gerade eine Regelung zur Berechnung der Invaliditätsleistungen wie die nach den spanischen Rechtsvorschriften vorgesehene erfasst, bei der in der Tat bei der Berechnung der Leistungen, von einigen Ausnahmen abgesehen, auf eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage abgestellt wird.

24 Nach Ansicht der Kommission ist jedoch die Auslegung des Gerichtshofes im Urteil vom 29. November 1984 in der Rechtssache 181/83 (Weber, Slg. 1984, 4007), nach der unter bestimmten Umständen die Anwendung des Artikels 47 Absatz 1 ausgeschlossen sei, ohne daß zwischen den verschiedenen damals erfassten Fällen unterschieden worden sei, auf den Fall unter Buchstabe e auszudehnen. Die Regelung in diesem Absatz könne nicht für den vorliegenden Fall gelten, da nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-406/93 (Reichling, Slg. 1994, I-4061) entschieden habe, bei der Berechnung des theoretischen Betrages der Leistung das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei, das der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Eintritts seiner Invalidität in einem anderen Mitgliedstaat als dem, nach dessen Rechtsvorschriften der theoretische Betrag berechnet werde, bezogen habe.

25 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

26 Auch wenn die Lösung, zu der der Gerichtshof im Urteil Weber gelangt ist, alle damals in Artikel 47 Absatz 1 enthaltenen Fälle betraf, bedeutet dies nicht, daß sie verallgemeinert und auf alle später in diesen Absatz eingefügte Bestimmungen ausgedehnt werden muß. Im übrigen betraf dieses Urteil, wie der Generalanwalt in Nummer 25 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ein System von Invaliditätsleistungen, das zwar mit dem in diesem Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden bestimmte Ähnlichkeiten aufweist, sich aber in verschiedener Hinsicht von diesem unterscheidet.

27 Die Auslegung des Gerichtshofes im Urteil Reichling betrifft Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung und nicht Artikel 47 Absatz 1, der ergänzende Vorschriften enthält. Auch wenn diese Auslegung für die Auslegung der letztgenannten Bestimmung und gegebenenfalls für die Beurteilung ihrer Gültigkeit, um die es in anderen Fragen des vorlegenden Gerichts geht, von Nutzen sein kann, bedeutet dies nicht, daß Buchstabe e für eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige gelten kann.

28 Schließlich sind mit der Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 136, S. 7), die nach dem vom vorlegenden Gericht genannten Zeitpunkt in Kraft getreten ist, neue Bestimmungen erlassen worden, durch die, wie sich aus der 32. Begründungserwägung und den Ergänzungen zu Anhang VI Abschnitt D Nr. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt, die näheren Einzelheiten für die Durchführung des Artikels 47 der Verordnung für Spanien, insbesondere hinsichtlich der Berechnung der spanischen theoretischen Leistung, festgelegt werden sollten. Diese neuen Bestimmungen sind eine Bestätigung dafür, daß Artikel 47 Absatz 1, der gerade die Berechnung des theoretischen Betrages der Leistung betrifft, Regelungen enthält, die für die spanischen Rechtsvorschriften gelten. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Kommission auf eine Frage des Gerichtshofes sind diese Vorschriften im übrigen nicht nur auf die Systeme, die die Renten bei Alter und Tod betreffen, anwendbar, sondern nach Artikel 40 Absatz 1 der Verordnung auch entsprechend auf die Systeme, die Invaliditätsleistungen betreffen, wenn der betroffene Arbeitnehmer wie im Ausgangsverfahren nacheinander unterschiedlichen Typen von Rechtsvorschriften unterliegt.

29 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, daß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung in ihrer im Juli 1990 geltenden Fassung für eine Regelung wie die nach den spanischen Rechtsvorschriften zur Berechnung von Invaliditätsleistungen vorgesehene gilt, bei der eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage herangezogen wird.

Zur zweiten und zur dritten Frage

30 Mit diesen beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, wie die vorgenannte Regelung des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung auszulegen ist und ob sie gegebenenfalls mit den Grundsätzen des Artikels 51 des Vertrages vereinbar ist. Das Gericht fragt insbesondere, ob die Beachtung dieser Grundsätze nicht verlangt, daß bei der Berechnung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats die Beiträge, die aufgrund der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats entrichtet worden sind, bis zur Höhe der Beiträge zu berücksichtigen sind, die aufgrund der erstgenannten Rechtsvorschriften zu entrichten gewesen wären, wenn der Betroffene bei Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit diesen Vorschriften noch unterworfen gewesen wäre.

31 Herr Lafuente Nieto hält diese letzte Auslegung für die einzig zulässige, wenn Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e auf seinen Fall anwendbar sei.

32 Für die spanische Regierung ergibt sich dagegen gerade aus dieser Bestimmung, daß die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften des betroffenen Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu berechnen sei.

33 Ebenso wie sämtliche anderen Bestimmungen des Artikels 47 Absatz 1 in der Fassung, die zu dem vom vorlegenden Gericht genannten Zeitpunkt in Kraft war, ist die Regelung unter Buchstabe e eine Ergänzungsvorschrift für die Berechnung des theoretischen Betrages der Leistung nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a. Diese Regelung ist daher unter Berücksichtigung der letztgenannten Bestimmung und, wie der Gerichtshof im Urteil Reichling dazu festgestellt hat, unter Berücksichtigung des Zweckes des Artikels 51 des Vertrages auszulegen, der insbesondere darin besteht, daß die Wanderarbeitnehmer nicht dadurch, daß sie ihr Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt haben, eine Verminderung der Höhe der Leistungen erleiden dürfen.

34 Die Auslegung der streitigen Regelung wirft keine ernsthaften Probleme auf, wenn die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden sind, in dem die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, und die Versicherungszeiten zur Ermittlung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage tatsächlich in diesem Staat zurückgelegt worden sind. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der in Spanien erwerbsunfähig geworden ist, nach den Rechtsvorschriften dieses Staates nur Anspruch auf Leistungen hat, wenn man die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach einem anderen Typ von Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind, und wenn er in Spanien während des Zeitraums, der bei der Berechnung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage zugrunde zu legen ist, Beiträge entrichtet hat.

35 Anders ist die Lage aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Betroffene zum einen in einem Mitgliedstaat erwerbsunfähig geworden ist, dessen Rechtsvorschriften zu einem anderen Typ gehören als die, die anzuwenden sind, und zum andern in dem für die Ermittlung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage maßgeblichen Zeitraum keine Beiträge nach den letztgenannten Rechtsvorschriften entrichtet hat. In einem solchen Fall ist nach den spanischen Rechtsvorschriften bei der Berechnung der Leistungen nicht einfach eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage im Sinne der streitigen Regelung heranzuziehen. Nach diesen Bestimmungen tritt, wenn für einen Teil oder die gesamte Dauer des Bezugszeitraums keine Beitragspflicht bestand, eine Mindestbeitrags-Bemessungsgrundlage teilweise oder ganz an die Stelle der Durchschnittsgrundlage, was zu einer Benachteiligung des Wanderarbeitnehmers führen kann.

36 Es ist nämlich unstreitig, daß Herr Lafuente Nieto, wenn er stets in Spanien beschäftigt gewesen wäre und dort sämtliche Versicherungszeiten zurückgelegt hätte, nicht als ein in der Zeit unmittelbar vor dem Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit der Beitragspflicht nicht unterworfener Arbeitnehmer angesehen worden wäre. Er hätte daher Anspruch auf eine höhere Invaliditätsrente als die ihm gewährte gehabt.

37 Die Regelung in Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung, die ein System der Rentenberechnung anhand einer durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage betrifft, wie es grundsätzlich in den spanischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, soll und kann jedenfalls nicht dazu führen, daß ausnahmsweise in bestimmten Fällen, wie sie für Arbeitnehmer, die ihr Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt haben, typisch sind, eine andere Berechnungsweise, die auf einer Mindestbeitrags-Bemessungsgrundlage beruht, zulässig ist.

38 Im Fall des Ausgangsrechtsstreits war Herr Lafuente Nieto in dem nach den spanischen Rechtsvorschriften für die Ermittlung der Durchschnittsbeitrags-Bemessungsgrundlage maßgeblichen Zeitraum zwar nicht in Spanien, aber in einem anderen Mitgliedstaat beitragspflichtig. Dem hätte vom zuständigen spanischen Träger gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e, wie er unter Berücksichtigung des in der vorstehenden Randnummer 33 wiedergegebenen Zweckes auszulegen ist, Rechnung getragen werden müssen, da der Wanderarbeitnehmer keine Verminderung der Höhe der Leistung erleiden darf, die er als Nichtwanderarbeitnehmer erhalten hätte (Urteil Reichling, a. a. O., Randnr. 26).

39 Dies bedeutet jedoch nicht, daß die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage entgegen Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e, nach dem diese Durchschnittsgrundlage gemäß den allein nach den betreffenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermitteln ist, nach der Höhe der in dem anderen Mitgliedstaat entrichteten Beiträge zu berechnen ist. Es bedeutet lediglich, daß in einem solchen Fall diese Grundlage für den Betroffenen die gleiche sein muß, wie wenn er nach den betreffenden Rechtsvorschriften weiterhin beitragspflichtig gewesen wäre.

40 So ist in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits, wenn nur die Höhe der Beiträge zu berücksichtigen sind, die nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates entrichtet worden sind, dieser Betrag zu aktualisieren und anzupassen, so daß er dem Betrag entspricht, den der Betroffene tatsächlich entrichtet hätte, wenn er in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wäre.

41 Diese Auslegung wird durch die neuen Bestimmungen bestätigt, die durch die Verordnung Nr. 1248/92 in den Anhang VI Abschnitt D Nr. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 eingefügt worden sind und nach denen "die Berechnung der spanischen theoretischen Leistung anhand der Bemessungsgrundlagen für tatsächlich entrichtete Beiträge des Versicherten in den Jahren unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrages zur spanischen sozialen Sicherheit" erfolgt und der "so ermittelte Betrag der Rente... für Renten gleicher Art um die für jedes bis zu dem Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls folgende Jahr errechneten Steigerungs- und Anpassungsbeträge erhöht" wird.

42 Diese neuen Bestimmungen, die nach dem vom Vorlagegericht genannten Zeitpunkt in Kraft getreten sind, sind normalerweise nicht unmittelbar auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar; den Betroffenen ist jedoch nach Artikel 95a der Verordnung die Möglichkeit vorbehalten, die Neufeststellung ihrer Ansprüche nach Maßgabe dieser Bestimmungen zu beantragen. Wie der Generalanwalt in Nummer 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sollen die betreffenden Bestimmungen, die die Modalitäten der Verordnung, wonach die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermitteln ist, nur näher regeln, die aber den Inhalt des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe e nicht ändern, lediglich sicherstellen, daß diese Bestimmung mit den Grundsätzen des Artikels 51 EG-Vertrag vereinbar ist.

43 Somit ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, daß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung in der im Juli 1990 geltenden Fassung in einer dem Zweck des Artikels 51 EG-Vertrag entsprechenden Auslegung bedeutet, daß die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage ausschließlich nach der Höhe der nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats entrichteten Beiträge zu berechnen ist und der auf diese Weise ermittelte theoretische Betrag der Leistung entsprechend angepasst und erhöht werden muß, als wenn der Betroffene in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wäre.

Zur vierten und zur fünften Frage

44 Angesichts der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Antwort auf die vierte und die fünfte Frage.

Zur sechsten Frage

45 Mit dieser letzten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung in seiner damals geltenden Fassung für eine Invaliditätsrentenregelung gilt, wie sie die spanischen Rechtsvorschriften vorsehen, und ob dementsprechend die für die Gewährung der vollen Leistung vorgeschriebene Hoechstdauer, die der zuständige Träger nach dieser Vorschrift anstatt der Gesamtdauer der Versicherungszeiten berücksichtigen muß, der für den Erwerb des Pensionsanspruchs erforderlichen Mindestbeitragszeit entspricht.

46 Herr Lafuente Nieto schlägt vor, diese Frage zu bejahen, da nach Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten niemals das erforderliche Maß übersteigen dürfe und die entsprechende Anwendung des Artikels 46 Absatz 2 Buchstabe c vom Gerichtshof in mehreren Urteilen für zulässig erklärt worden sei (vgl. u. a. Urteil vom 11. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-90/91 und C-91/91, Di Crescenzo und Casagrande, Slg. 1992, I-3851).

47 Dagegen sind die spanische Regierung und die Kommission der Ansicht, daß die genannte Bestimmung auf eine Regelung, wie sie die spanischen Rechtsvorschriften vorsähen und nach der die Höhe der Leistungen von den Versicherungszeiten unabhängig sei, nicht anwendbar sei.

48 Der letzteren Auffassung ist zuzustimmen.

49 Zunächst ist festzustellen, daß Artikel 45 Absatz 1, auf den sich der Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens beruft, den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs und nicht die Berechnung der Leistungshöhe betrifft, die in den Artikeln 46 ff. geregelt ist.

50 Sodann betrifft die von Herrn Lafuente Nieto angeführte Rechtsprechung nicht die Fälle, in denen wie im vorliegenden Ausgangsrechtsstreit die Versicherungszeiten nach Artikel 45 zusammengerechnet werden müssen, um einen Anspruch auf Leistungen zu erhalten. Sie betrifft Fälle, in denen der Leistungsanspruch erworben wurde, ohne daß auf diesen Artikel zurückgegriffen werden musste, und in denen nach Artikel 46 Absatz 1 ein Vergleich zwischen den Leistungen, auf die ein Anspruch nach den nationalen Rechtsvorschriften besteht, und denjenigen, die bei Anwendung des Gemeinschaftsrechts beansprucht werden können, vorzunehmen war (vgl. insbesondere Urteil Di Crescenzo und Casagrande, a. a. O., Randnrn. 15 bis 17).

51 Schließlich ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Artikels 46 Absatz 2 Buchstabe c in der Fassung, die zu dem vom Vorlagegericht genannten Zeitpunkt in Kraft war, daß die Regelung Anwendung findet, wenn die Gesamtdauer der nach den Rechtsvorschriften aller beteiligten Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten die in den Rechtsvorschriften eines dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung der vollen Leistung vorgeschriebenen Hoechstdauer übersteigt. Diese letztgenannte Definition kann nur Rechtsvorschriften betreffen, nach denen die Leistungen grundsätzlich nach der Dauer der zurückgelegten Zeiten berechnet werden.

52 Die streitige Regelung wurde eingeführt, um den Problemen zu begegnen, die sich bei der Berechnung von Altersrenten in Abhängigkeit von der Dauer der Versicherungszeiten ergeben können, wenn eine Hoechstdauer festgelegt ist, über die hinaus der Rentenbetrag nicht mehr ansteigen kann. Diese Regelung, die ursprünglich in Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung niedergelegt war, wurde durch die Verordnung Nr. 1248/92 zu Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe a, und sie wurde wie folgt ergänzt: "Diese Bestimmung gilt nicht für Leistungen, deren Höhe sich nach der Versicherungsdauer richtet."

53 Die Tatsache, daß die Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1248/92 hierzu keine Erklärung enthalten, belegt, daß diese Umstellung der Vorschrift und diese Ergänzung nicht als Aufnahme einer Neuerung in die Regelung verstanden werden können, sondern als eine einfache Maßnahme der Klarstellung, die die vorstehende Auslegung bestätigt (vgl. Urteil Reichling, a. a. O., Randnr. 29).

54 Somit ist auf die sechste Frage zu antworten, daß Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung in der im Juli 1990 geltenden Fassung nicht die Berechnung von Invaliditätsleistungen gemäß einer Regelung betrifft, wie sie in den spanischen Rechtsvorschriften enthalten ist und nach der die Höhe der Leistungen von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

55 Die Auslagen der spanischen Regierung und des Rates der Europäischen Union sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Autónoma del País Vasco mit Beschluß vom 31. Mai 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983, die durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik angepasst worden ist, gilt für eine Regelung wie die nach den spanischen Rechtsvorschriften zur Berechnung von Invaliditätsleistungen vorgesehene, bei der eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage herangezogen wird.

2. Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 in einer dem Zweck des Artikels 51 EWG-, jetzt EG-Vertrag entsprechenden Auslegung bedeutet, daß die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage ausschließlich nach der Höhe der nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats entrichteten Beiträge zu berechnen ist und der auf diese Weise ermittelte theoretische Betrag der Leistung entsprechend angepasst und erhöht werden muß, als wenn der Betroffene in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wäre.

3. Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft nicht die Berechnung von Invaliditätsleistungen gemäß einer Regelung, wie sie in den spanischen Rechtsvorschriften enthalten ist und nach der die Höhe der Leistungen von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist.

Ende der Entscheidung

Zurück