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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: C-253/03
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 52
EG-Vertrag Art. 58
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

23. Februar 2006

"Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Steuern auf die Gewinne von Gesellschaften"

Parteien:

In der Rechtssache C-253/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2003, in dem Verfahren

CLT-UFA SA

gegen

Finanzamt Köln-West

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet, S. von Bahr (Berichterstatter) und U. Lõhmus,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der CLT-UFA SA, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Raupach und D. Pohl,

- des Finanzamts Köln-West, vertreten durch K.-H. Vanyek und G. Sasonow als Bevollmächtigte,

- der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski, M. Lumma und W.-D. Plessing als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und G. Braun als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. April 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und Artikel 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CLT-UFA SA und dem Finanzamt Köln-West (im Folgenden: Finanzamt) über die Besteuerung der Gewinne der deutschen Zweigniederlassung der CLT-UFA.

Ausgangsverfahren und rechtlicher Rahmen

3. Die Gesellschaft CLT-UFA hat ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Luxemburg. Sie unterhielt im Jahr 1994 (im Folgenden: Streitjahr) in Deutschland eine Zweigniederlassung.

4. Das Finanzamt veranlagte die CLT-UFA als in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit ihrem durch die deutsche Zweigniederlassung erzielten Einkommen für das Streitjahr zur Körperschaftsteuer, und zwar gemäß Artikel 5 Absatz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern mit Schlussprotokoll und Notenwechsel zu diesem am 23. August 1958 in Luxemburg unterzeichneten Abkommen in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15. Juni 1973 (im Folgenden: deutsch-luxemburgisches Doppelbesteuerungsabkommen).

5. Das Finanzamt setzte den Steuersatz gemäß § 23 Absätze 2 und 3 des Körperschaftsteuergesetzes 1991 in der im Ausgangsverfahren maßgebenden Fassung (im Folgenden: KStG) auf 42 % des zu versteuernden Einkommens fest.

6. Einspruch und Klage zum Finanzgericht, mit denen die CLT-UFA geltend machte, dieser Steuersatz sei diskriminierend und verletze ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 52 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 58 EG-Vertrag, waren erfolglos. Die CLT-UFA beantragte daraufhin beim Bundesfinanzhof, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid dahin gehend zu ändern, dass die Steuer auf 30 % des zu versteuernden Einkommens herabgesetzt wird.

7. Der Bundesfinanzhof führt aus, dass die CLT-UFA aufgrund ihres Sitzes und ihrer Geschäftsleitung in Luxemburg hinsichtlich ihrer deutschen Zweigniederlassung anders und ungünstiger behandelt worden sei, als wenn sie ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland in der Rechtsform einer GmbH oder Aktiengesellschaft mit Sitz und/oder Geschäftsleitung in Deutschland ausgeübt hätte.

8. Eine Aktiengesellschaft mit Sitz und/oder Geschäftsleitung in Deutschland unterliege der Körperschaftsteuer, die in dem Fall, dass der Gewinn nicht ausgeschüttet worden sei, 45 % des Gewinns vor Abzug der Steuer betragen habe. Diese hohe Steuerbelastung habe jedoch gemindert werden können. Die Körperschaftsteuer habe sich nach § 27 Absatz 1 und § 49 Absatz 1 KStG und § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 44d Absatz 1 Einkommensteuergesetz 1994 (im Folgenden: EStG) nachträglich auf 33,5 % gemindert, wenn die Gewinnausschüttung der Muttergesellschaft bis zum Ablauf des 30. Juni 1996 zugeflossen sei. Falls der Gewinn nach dem 30. Juni 1996 an die Muttergesellschaft ausgeschüttet worden sei, habe sich die Steuerbelastung nach § 44d Absatz 1 Satz 3 EStG in Verbindung mit § 49 Absatz 1 KStG auf 30 % des Gewinns gemindert. Die Tochtergesellschaften hätten in der Regel von dieser Möglichkeit, die Steuerbelastung zu mindern, Gebrauch gemacht.

9. Es sei zweifelhaft, ob eine Anwendung unterschiedlicher Steuersätze zu Lasten der CLT-UFA gerechtfertigt werden könne. Falls der Steuersatz für Zweigstellen von 42 % gegen den EG-Vertrag verstößt, möchte der Bundesfinanzhof wissen, welcher Steuersatz anzuwenden ist, um den Verstoß zu beseitigen. Der Bundesfinanzhof hält es für ausreichend, wenn der Satz der Steuer auf die Gewinne der Betriebsstätte der CLT-UFA auf 33,5 % herabgesetzt würde, da die CLT-UFA bereits bei Ablauf des Streitjahres über die Gewinne habe verfügen können.

Vorlagefragen

10. Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 58 EG-Vertrag dahin gehend auszulegen, dass es gegen das Recht auf freie Niederlassung verstößt, wenn der von einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft im Jahr 1994 durch eine Zweigniederlassung in Deutschland erzielte Gewinn einer deutschen Körperschaftsteuerbelastung von 42 v. H. (so genannter Betriebsstättensteuersatz) unterliegt, obwohl

a) der Gewinn nur mit 33,5 v. H. deutscher Körperschaftsteuer belastet worden wäre, wenn eine in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Tochterkapitalgesellschaft der ausländischen EU-Kapitalgesellschaft ihn erzielt und bis zum Ablauf des 30. Juni 1996 voll an die Muttergesellschaft ausgeschüttet hätte;

b) der Gewinn zwar zunächst mit deutscher Körperschaftsteuer in Höhe von 45 v. H. belastet worden wäre, wenn die Tochterkapitalgesellschaft ihn bis zum Ablauf des 30. Juni 1996 thesauriert hätte, sich die Körperschaftsteuerbelastung aber im Fall einer vollständigen Ausschüttung nach dem 30. Juni 1996 nachträglich auf 30 v. H. vermindert hätte?

2. Muss der Betriebsstättensteuersatz, falls er gegen Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 58 EG-Vertrag verstößt, für das Streitjahr auf 30 v. H. herabgesetzt werden, um den Verstoß zu beseitigen?

Zur ersten Frage

11. Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach die Gewinne einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, mit einem höheren Steuersatz belastet werden als die Gewinne einer Tochtergesellschaft einer solchen Gesellschaft, die ihre Gewinne voll an die Muttergesellschaft ausschüttet.

12. Artikel 52 EG-Vertrag ist eine der grundlegenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar (vgl. u. a. Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 34).

13. Nach dieser Vorschrift umfasst die Niederlassungsfreiheit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaats für seine eigenen Angehörigen. Die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit erstreckt sich auch auf Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig sind (Urteile vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 13, und vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 22).

14. Da Artikel 52 Absatz 1 Satz 2 EG-Vertrag den Wirtschaftsteilnehmern ausdrücklich die Möglichkeit lässt, die geeignete Rechtsform für die Ausübung ihrer Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat frei zu wählen, darf diese freie Wahl nicht durch diskriminierende Steuerbestimmungen eingeschränkt werden (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 22).

15. Die Freiheit, die geeignete Rechtsform für die Ausübung von Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat zu wählen, hat insbesondere zum Ziel, es den Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu eröffnen, um ihre Tätigkeiten dort unter den gleichen Bedingungen auszuüben, wie sie für Tochtergesellschaften gelten.

16. Insoweit ist festzustellen, dass die Anwendung des endgültigen Steuersatzes von 42 %, der für die Gewinne der Zweigniederlassungen von Muttergesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gilt, allgemein eine nachteilige Behandlung gegenüber dem niedrigeren Steuersatz von 33,5 % und sogar 30 % darstellt, der für die Gewinne der Tochtergesellschaften solcher Gesellschaften gilt.

17. Daraus folgt, dass es aufgrund der Weigerung, auf Zweigniederlassungen den niedrigeren Steuersatz anzuwenden, für die Gesellschaften, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten haben, weniger attraktiv ist, die Niederlassungsfreiheit durch eine Zweigniederlassung auszuüben. Demzufolge schränkt eine nationale Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, die Freiheit ein, die geeignete Rechtsform für die Ausübung von Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat zu wählen.

18. Es ist daher zu prüfen, ob diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.

19. Das Finanzamt und die deutsche Regierung machen geltend, dass sich die unterschiedliche Behandlung von Zweigniederlassungen gegenüber Tochtergesellschaften auf Situationen beziehe, die nicht objektiv vergleichbar seien.

20. Insbesondere verließen die Gewinne, die eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausschütte, das Vermögen der Tochtergesellschaft, während die Gewinne, die von einer Zweigniederlassung an ihr Stammhaus transferiert würden, nach wie vor zum Vermögen ein und derselben Gesellschaft gehörten. Dieser grundlegende Unterschied sowie praktische Gründe hätten den nationalen Gesetzgeber veranlasst, die Anwendung des niedrigeren Steuersatzes auf die Gewinne der Zweigniederlassungen auszuschließen.

21. Das Finanzamt führt weiter aus, dass der für Tochtergesellschaften geltende niedrigere Steuersatz dadurch gerechtfertigt sei, dass die bei einer Tochtergesellschaft erhobene Steuer auf die Steuerschuld der begünstigten Muttergesellschaft, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sei, angerechnet werden müsse, um eine Doppelbesteuerung dieser Steuerpflichtigen zu verhindern.

22. Was zunächst das Argument der deutschen Regierung und des Finanzamts betrifft, dass zwischen der Ausschüttung der Gewinne durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft und dem Transfer der Gewinne innerhalb einer Gesellschaft ein grundlegender Unterschied bestehe, so ist auf Folgendes hinzuweisen.

23. In beiden Fällen werden die Gewinne der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, die die Tochtergesellschaft oder die Zweigniederlassung kontrolliert. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen diesen beiden Sachverhalten besteht darin, dass die Ausschüttung der Gewinne einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft eine entsprechende förmliche Entscheidung voraussetzt, während die Gewinne einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft auch ohne eine förmliche Entscheidung zum Vermögen dieser Gesellschaft gehören.

24. Außerdem ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss sowie aus den Erklärungen des Finanzamts und der deutschen Regierung, dass die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne, auch wenn sie das Vermögen der Tochtergesellschaft verlassen, dieser von der Muttergesellschaft wieder zur Verfügung gestellt werden können, und zwar als Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen.

25. Daher rechtfertigt der Umstand, dass die Gewinne einer Tochtergesellschaft mit ihrer Ausschüttung an deren Muttergesellschaft das Vermögen der Tochtergesellschaft verlassen, es nicht, auf diese Gewinne einen niedrigeren Steuersatz als den anzuwenden, der für die gleichen Gewinne einer Zweigniederlassung gilt.

26. Zu dem Argument des Finanzamts, dass die Anwendung des niedrigeren Steuersatzes auf die Tochtergesellschaften gerechtfertigt sei, um eine Doppelbesteuerung der in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen zu verhindern, ist festzustellen, dass dieser Steuersatz nicht nur für die Gewinne gilt, die an diese Gruppe von Steuerpflichtigen ausgeschüttet werden. Der niedrigere Steuersatz gilt nämlich auch für die Ausschüttung der Gewinne durch deutsche Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, z. B. in Luxemburg.

27. Zur Lage einer deutschen Tochtergesellschaft einer luxemburgischen Gesellschaft ist außerdem darauf hinzuweisen, dass der für die Gewinne einer solchen Tochtergesellschaft geltende Steuersatz, der niedriger ist als der für die Gewinne einer Zweigniederlassung geltende Steuersatz, nicht durch eine höhere Besteuerung dieser Gewinne bei der luxemburgischen Muttergesellschaft ausgeglichen wird.

28. Der Bundesfinanzhof führt nämlich aus, dass nach den Artikeln 5 Absatz 1, 13 Absätze 1 und 2 sowie 20 Absätze 1 und 2 des deutsch-luxemburgischen Doppelbesteuerungsabkommens sowohl die Gewinne, die eine luxemburgische Gesellschaft von einer deutschen Zweigniederlassung erhält, als auch die Gewinne, die ihr von einer deutschen Tochtergesellschaft zufließen, von der luxemburgischen Körperschaftsteuer ausgenommen sind.

29. Im Licht der Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Vorlagebeschluss ergibt sich darüber hinaus, dass die nationale Regelung in Bezug auf die Modalitäten der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage bei Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, offenbar keine Unterscheidung danach, ob sie ihre Tätigkeiten durch eine Zweigniederlassung oder eine Tochtergesellschaft ausüben, vornimmt, die geeignet wäre, eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Kategorien von Gesellschaften zu rechtfertigen.

30. Unter diesen Umständen befinden sich die deutschen Tochtergesellschaften und die deutschen Zweigniederlassungen der Gesellschaften, die ihren Sitz in Luxemburg haben, in einer objektiv vergleichbaren Situation.

31. Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach die Gewinne einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, mit einem höheren Steuersatz belastet werden als die Gewinne einer Tochtergesellschaft einer solchen Gesellschaft, die ihre Gewinne voll an die Muttergesellschaft ausschüttet.

Zur zweiten Frage

32. Mit seiner zweiten Frage möchte der Bundesfinanzhof im Wesentlichen wissen, ob ein Steuersatz, der auf die Gewinne einer Zweigniederlassung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, anwendbar ist, auf 33,5 % - dieser Steuersatz galt für die Gewinne, die bis zum 30. Juni 1996 ausgeschüttet wurden - oder auf 30 % - dieser Steuersatz galt von diesem Zeitpunkt an - herabgesetzt werden muss, um mit den Artikeln 52 und 58 EG-Vertrag vereinbar zu sein.

33. Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass auf die Gewinne einer Zweigniederlassung ein Steuersatz anzuwenden ist, der dem Gesamtsteuersatz entspricht, der unter den gleichen Umständen im Fall der Ausschüttung der Gewinne einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft anzuwenden gewesen wäre.

34. Dieser Vergleich ist unter Berücksichtigung der im Ausgangsverfahren gegebenen tatsächlichen Umstände vorzunehmen.

35. Insoweit ist daran zu erinnern, dass in einem Verfahren nach Artikel 234 EG-Vertrag, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, für die Würdigung des konkreten Sachverhalts das vorlegende Gericht zuständig ist (Urteile vom 15. November 1979 in der Rechtssache 36/79, Denkavit Futtermittel, Slg. 1979, 3439, Randnr. 12, vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-235/95, Dumon und Froment, Slg. 1998, I-4531, Randnr. 25, vom 5. Oktober 1999 in den Rechtssachen C-175/98 und C-177/98, Lirussi und Bizzaro, Slg. 1999, I-6881, Randnr. 37, und vom 15. Mai 2003 in der Rechtssache C-282/00, RAR, Slg. 2003, I-4741, Randnr. 46).

36. Der Gerichtshof ist somit nicht befugt, über den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu entscheiden oder die von ihm ausgelegten Gemeinschaftsvorschriften auf nationale Maßnahmen oder Gegebenheiten anzuwenden, da diese Fragen in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts fallen (vgl. Urteile vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68, Salgoil, Slg. 1968, 680, vom 23. Januar 1975 in der Rechtssache 51/74, Van der Hulst, Slg. 1975, 79, Randnr. 12, vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, Randnr. 11, Lirussi und Bizzaro, Randnr. 38, sowie RAR, Randnr. 47).

37. Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, den Steuersatz, der auf die Gewinne einer Zweigniederlassung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anzuwenden ist, nach Maßgabe des Steuersatzes zu ermitteln, der im Fall der Ausschüttung des Gewinns einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft insgesamt anzuwenden gewesen wäre.

Kostenentscheidung:

Kosten

38. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und Artikel 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG) stehen einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach die Gewinne einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, mit einem höheren Steuersatz belastet werden als die Gewinne einer Tochtergesellschaft einer solchen Gesellschaft, die ihre Gewinne voll an die Muttergesellschaft ausschüttet.

2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Steuersatz, der auf die Gewinne einer Zweigniederlassung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anzuwenden ist, nach Maßgabe des Steuersatzes zu ermitteln, der im Fall der Ausschüttung der Gewinne einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft insgesamt anzuwenden gewesen wäre.



Ende der Entscheidung

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