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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.09.1996
Aktenzeichen: C-254/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verordnung Nr. 3477/92 vom 01.12.1992


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 3477/92 vom 01.12.1992 Art. 3 Abs. 3
Verordnung Nr. 3477/92 vom 01.12.1992 Art. 9
Verordnung Nr. 3477/92 vom 01.12.1992 Art. 10
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Artikel 3 Absatz 3, 9 und 10 der Verordnung Nr. 3477/92 mit Durchführungsbestimmungen zur Verarbeitungsquotenregelung im Rohtabaksektor für die Ernten 1993 und 1994 verstossen nicht gegen die Grundsätze der durch die Verordnung Nr. 2075/92 errichteten gemeinsamen Marktorganisation für diesen Sektor, denn die für das Verarbeitungsunternehmen bestehende Verpflichtung zur Erteilung von Anbaubescheinigungen, in denen die Lieferung von Rohtabak durch den Erzeuger an das Verarbeitungsunternehmen bei den vorangegangenen Ernten sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht bestätigt wird, entspricht dem Anliegen des Gemeinschaftsgesetzgebers, die nationalen und gemeinschaftlichen Behörden in die Lage zu versetzen, an diese Angaben durch ein wirksames und transparentes System zu gelangen, das betrügerische Manipulationen verhüten soll und das gleichzeitig den Erzeugern ermöglicht, das Verarbeitungsunternehmen von einer Ernte zur anderen zu wechseln, und diesen Unternehmen, sich an verschiedene Erzeuger zu wenden.

Diese Befugnis der Erzeuger aus Artikel 10 der Verordnung Nr. 3477/92, Anbauverträge mit einem anderen Unternehmen zu schließen als demjenigen, das die Anbaubescheinigung ausgestellt hat, soll ihnen im Einklang mit Artikel 39 des Vertrages eine angemessene Lebenshaltung gewährleisten, da sie verhindert, daß sie sich gegenüber dem Verarbeitungsunternehmen, das die Bescheinigung ausgestellt hat, in einer Abhängigkeitssituation befinden.

Die vorgenannten Artikel 3 Absatz 3, 9 und 10 verstossen auch nicht gegen Artikel 10 der Verordnung Nr. 2075/92, denn bei der Quote, auf die diese Vorschrift zur Angabe der Hoechstmengen, für die die Verarbeitungsunternehmen Anbauverträge schließen dürfen, Bezug nimmt, handelt es sich um die dem Verarbeitungsunternehmen aufgrund der im Bezugszeitraum verarbeiteten Mengen zugeteilte Quote, die gegebenenfalls aufgrund von Quotenübertragungen gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 geändert wurde, die ihrerseits Folge der Wahlfreiheit sind, die jedem Erzeuger in bezug auf das Unternehmen, dem er Tabak einer bestimmten Sortengruppe liefern will, zusteht.

Das durch die Verordnung Nr. 3477/92 eingeführte System der Anbaubescheinigungen wahrt schließlich den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, denn es ermöglicht, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebten Ziele zu erreichen, ohne daß die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen offensichtlich ausser Verhältnis zu diesen Zielen stuenden.

2. Aus Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Rohtabaksektor für die Ernten 1993 und 1994 ergibt sich, daß, wenn die Produktion eines Erzeugers bei einer bei der Erteilung der Anbaubescheinigung zu berücksichtigenden Ernte aufgrund aussergewöhnlicher Umstände anormal zurückgegangen ist, der betreffende Mitgliedstaat zunächst eine zusätzliche Referenzmenge für diese Ernte zuteilen und sodann den Durchschnitt der so berichtigten Erzeugung im Bezugszeitraum berechnen muß. Unter diesem Vorbehalt verfügen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung dieser Vorschrift über eine erhebliche Beurteilungsfreiheit, so daß weder die vorab erfolgende Bildung von Reservequoten, die im Verhältnis zu den Mengen der verschiedenen erzeugten Tabaksorten und unter Berücksichtigung des Umstands berechnet werden, daß bestimmte Sorten häufiger von Naturkatastrophen heimgesucht werden als andere, noch die Aufteilung dieser Quoten unter den betroffenen Erzeugern nach einem System, das nicht zwangsläufig zu einer Aufteilung führt, die genau dem Verlust jedes einzelnen Erzeugers entspricht, als grundsätzlich mit Artikel 9 Absatz 3 unvereinbar angesehen werden können, vorausgesetzt jedoch, daß ein solches System nach objektiven Kriterien funktioniert.

3. Die Artikel 2 dritter Gedankenstrich und 21 der Verordnung Nr. 3477/92 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Rohtabaksektor für die Ernten 1993 und 1994 stehen einer nationalen Regelung entgegen, die nicht die Erteilung einer einzigen Anbaubescheinigung oder die Zuteilung einer einzigen Produktionsquote an eine Erzeugervereinigung mit dem Zweck der Förderung und Unterstützung des Tabakanbaus der Gesellschafter, die gleichzeitig die erste Verarbeitung dieses Tabaks in ihrem eigenen Betrieb übernimmt, gestattet.

4. Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2075/92, der die Berechnungsregeln für die auf die Erstverarbeitungsunternehmen verteilten Verarbeitungsquoten festlegt, ist dahin auszulegen, daß diese Unternehmen in sieben verschiedene Gruppen aufgeteilt werden können, sofern die Bestimmung der Verarbeitungsquote nach den Berechnungsregeln erfolgt, die für diejenige der drei Gruppen von Unternehmen, die diese Vorschrift unterscheidet, gelten, zu der die betreffende Untergruppe gehört. Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3477/92 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Rohtabaksektor für die Ernten 1993 und 1994 können auf die Erzeuger je nachdem, an welches Unternehmen sie im Bezugszeitraum geliefert haben, unterschiedliche Regelungen zur Berechnung der Verarbeitungsquote angewandt werden.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. September 1996. - Fattoria autonoma tabacchi, Lino Bason u.a. und Associazione Professionale Trasformatori Tabacchi Italiani (APTI) u.a. gegen Ministero dell'Agricoltura e delle Foreste, Azienda di Stato per gli interventi sul mercato agricolo (AIMA), Consorzio Nazionale Tabacchicoltori (CNT), Unione Nazionale Tabacchicoltori (Unata) und Ditta Mario Pittari. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale del Lazio - Italien. - Gemeinsame Marktorganisation - Rohtabak - Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 des Rates - Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 der Kommission. - Verbundene Rechtssachen C-254/94, C-255/94 und C-269/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale amministrativo regionale del Lazio hat mit drei Beschlüssen vom 27. Januar 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September (C-254/94 und C-255/94) und 26. September 1994 (C-269/94), gemäß Artikel 177 EG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak (ABl. L 215, S. 70) sowie nach der Gültigkeit und der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 der Kommission vom 1. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Rohtabaksektor für die Ernten 1993 und 1994 (ABl. L 351, S. 11) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten der Kläger der Ausgangsverfahren gegen die italienische Verwaltung über die Zuteilung von Verarbeitungsquoten für die Ernten 1993 und 1994 nach der Gemeinschaftsregelung auf dem Gebiet der gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak.

Verordnungsrechtlicher Rahmen

3 Die Verordnung Nr. 2075/92 hat die Gemeinschaftsregelung für den Rohtabakmarkt grundlegend geändert. Aus ihrer zweiten und dritten Begründungserwägung ergibt sich insoweit, daß die Verordnung in einer durch ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gekennzeichneten Lage auf dem Tabakmarkt die Märkte stabilisieren und der betreffenden landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung gewährleisten soll, und zwar durch eine qualitätsorientierte Politik, die unter Beibehaltung des Tabakanbaus durch die traditionellen Erzeuger die Marktverwaltungsmechanismen vereinfacht und eine Produktionsregulierung gewährleistet, die den Marktbedürfnissen, den Haushaltserfordernissen und dem verstärkten Kontrollbedarf gerecht wird, um auf diese Weise das ordnungsgemässe Funktionieren der Verwaltungsmechanismen zu erreichen.

4 Artikel 1 der Verordnung Nr. 2075/92 bestimmt, daß die durch die Verordnung errichtete gemeinsame Marktorganisation u. a. eine Prämienregelung (Titel I) und eine Produktionsregulierung (Titel II) umfasst.

5 Was zunächst die Prämienregelung anbelangt, so wird in der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2075/92 dargelegt, daß "die Wettbewerbslage auf dem Tabakmarkt... eine Stützung der traditionellen Tabakerzeuger erforderlich [macht]. Diese Stützung muß auf einer Prämienregelung beruhen, die den Absatz des Tabaks in der Gemeinschaft ermöglicht."

6 Dazu führt Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2075/92 ab der Ernte 1993 eine Prämienregelung ein, die bis zur Ernte 1997 Anwendung findet und bei der die Prämie gemäß Artikel 4 Absatz 1 festgesetzt wird.

7 Nach der sechsten Begründungserwägung lässt sich eine wirksame Verwaltung der Prämienregelung durch Anbauverträge zwischen dem Tabakpflanzer und dem Erstverarbeitungsunternehmen gewährleisten, da diese Verträge zum einen den Tabakpflanzern einen sicheren Absatz und zum anderen den Verarbeitungsunternehmen eine regelmässige Versorgung garantieren. Zahlt das Verarbeitungsunternehmen dem Erzeuger zum Zeitpunkt der Anlieferung des Tabaks, der Gegenstand des Vertrages ist und bestimmten Qualitätsanforderungen entspricht, die Prämie, so wird zur Stützung der Tabakbauern beigetragen und gleichzeitig die Verwaltung der Prämienregelung erleichtert.

8 So knüpft Artikel 5 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2075/92 die Gewährung der Prämie an die Bedingung, daß der Erzeuger die Tabakblätter an das Erstverarbeitungsunternehmen im Rahmen eines Anbauvertrags liefert, der gemäß Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 derselben Verordnung die Verpflichtung des Erstverarbeitungsunternehmens enthalten muß, dem Tabakpflanzer zusätzlich zum Kaufpreis den Prämienbetrag zu zahlen.

9 Zur Produktionsregulierung wird sodann in der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2075/92 ausgeführt: "Um die Tabakerzeugung in der Gemeinschaft zu begrenzen und den Anbau von Sorten, die sich schwer absetzen lassen, zu drosseln, ist eine allgemeine Garantiehöchstschwelle für die Gemeinschaft festzulegen und jährlich auf spezielle Garantieschwellen für die einzelnen Sortengruppen aufzuteilen."

10 Insoweit setzt Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2075/92 für die Gemeinschaft eine allgemeine Hoechstgarantieschwelle in Höhe von 350 000 Tonnen Rohtabak (Tabakblätter) je Ernte fest. Für 1993 galt jedoch eine Schwelle von 370 000 Tonnen. Nach Absatz 2 setzt der Rat jährlich besondere Garantieschwellen für die einzelnen Sortengruppen fest und berücksichtigt dabei u. a. die Marktverhältnisse sowie die sozioökonomischen und agronomischen Bedingungen der betroffenen Produktionsgebiete.

11 In der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2075/92 heisst es: "Um die Einhaltung der Garantieschwellen zu gewährleisten, ist für eine begrenzte Zeit eine Verarbeitungsquotenregelung einzuführen. Es obliegt den Mitgliedstaaten, im Rahmen der festgesetzten Garantieschwellen Verarbeitungsquoten vorübergehend auf die einzelnen Unternehmen zu verteilen. Zu diesem Zweck sind entsprechende Gemeinschaftsvorschriften einzuführen, die eine gerechte Verteilung sicherstellen, wobei von den in der Vergangenheit verarbeiteten Mengen auszugehen ist und festgestellte anomale Produktionen unberücksichtigt bleiben müssen. Die erforderlichen Maßnahmen, die eine spätere Aufteilung der Quoten auf die Erzeuger unter zufriedenstellenden Bedingungen erlauben, werden getroffen werden. Mitgliedstaaten, die über die benötigten Daten verfügen, können die Quoten den Erzeugern anhand der in der Vergangenheit erzielten Ergebnisse zuteilen."

12 So bestimmt Artikel 9 der Verordnung Nr. 2075/92:

"(1) Um die Einhaltung der Garantieschwellen zu gewährleisten, wird für die Ernten von 1993 bis 1997 eine Verarbeitungsquotenregelung eingeführt.

(2) Der Rat verteilt nach dem Verfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages je Ernte die für die einzelnen Sortengruppen verfügbaren Mengen auf die Erzeugermitgliedstaaten.

(3) Auf der Grundlage der gemäß Absatz 2 festgesetzten Mengen und unbeschadet der Anwendung von Absatz 5 verteilen die Mitgliedstaaten die Bearbeitungsquoten für die Ernten 1993 und 1994 vorübergehend auf die Erstbearbeitungsunternehmen, wobei sie jeweils vom Durchschnitt der Mengen ausgehen, die bei den einzelnen Sortengruppen während der letzten drei Jahre vor dem Erntejahr zur Bearbeitung angeliefert wurden. Die Erzeugung von 1992 und die Lieferungen aus dieser Ernte werden nicht berücksichtigt. Diese Verteilung greift den Einzelheiten der Verteilung der Bearbeitungsquoten für die folgenden Ernten nicht vor.

Erstbearbeitungsunternehmen, die ihre Tätigkeit nach Beginn des Bezugszeitraums aufgenommen haben, erhalten eine Menge im Verhältnis zum Durchschnitt der Mengen, die ihnen seit Aufnahme ihrer Tätigkeit zur Bearbeitung angeliefert wurden.

Für Erstbearbeitungsunternehmen, die ihre Tätigkeit während des Erntejahres oder während des vorhergehenden Jahres aufnehmen, sehen die Mitgliedstaaten 2 % der Gesamtmengen vor, über die sie für die einzelnen Sortengruppen verfügen. Im Rahmen dieses Prozentsatzes erhalten diese Unternehmen eine Menge von höchstens 70 % ihrer Bearbeitungskapazität, sofern sie ausreichende Garantien hinsichtlich der Effizienz und Dauerhaftigkeit ihrer Tätigkeit bieten.

(4) Die Mitgliedstaaten können jedoch unmittelbar Quoten an Erzeuger verteilen, wenn sie über die Erzeugung aller Erzeuger in den drei Jahren vor dem letzten Erntejahr, bezogen auf die erzeugten und an einen Verarbeiter gelieferten Mengen und Sorten, über genaue Angaben verfügen.

(5) Bei der Verteilung der Verarbeitungsquoten gemäß den Absätzen 3 und 4 werden bei der Berechnung der Bezugserzeugung insbesondere nicht die Rohtabakmengen berücksichtigt, die über den Hoechstgarantiemengen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 727/70 lagen.

Gegebenenfalls wird die Erzeugung nur im Rahmen der Quote berücksichtigt, die während der betreffenden Jahre zugeteilt wurde."

13 Es ist festzustellen, daß sich die Italienische Republik für die in Artikel 9 Absatz 3 genannte Methode entschieden hat, wonach die Quoten auf die Erstverarbeitungsunternehmen und nicht unmittelbar an die Erzeuger verteilt werden.

14 Gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 2075/92 dürfen "Erstbearbeitungsunternehmen... für Mengen, die über die ihnen oder dem Erzeuger jeweils zugeteilte Bearbeitungsquote hinausgehen, keine Anbauverträge schließen und keine Erstattung des Prämienbetrages erhalten".

15 Schließlich bestimmt Artikel 11 der Verordnung Nr. 2075/92: "Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Titel werden nach dem Verfahren des Artikels 23 erlassen. Hierzu gehören unter anderem auch die in Artikel 9 Absatz 5 vorgesehenen Berichtigungen bei der Aufteilung der Quoten sowie die Vorbedingungen für die Auswirkungen der Quoten auf die Erzeuger, insbesondere im Vergleich mit der früheren Lage."

16 Diese Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung sind in der Verordnung Nr. 3477/92 festgelegt worden, deren Artikel 3 bestimmt:

"(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Verarbeitungsquoten für jedes Verarbeitungsunternehmen und jede im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 bestimmte Sortengruppe für die Ernte 1993 spätestens am 15. Januar 1993 und für die Ernte 1994 spätestens am 15. Dezember 1993 fest.

(2) Die Mitgliedstaaten legen die Angaben, die in den Anträgen auf Quotenzuteilung enthalten sein müssen, und die Fristen für die Einreichung dieser Anträge bei der zuständigen Behörde fest.

(3) Die Quoten werden nur Verarbeitungsunternehmen zugeteilt, die sich verpflichten, die Anbaubescheinigung gemäß Artikel 9 zu erteilen."

17 Aus der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3477/92 ergibt sich, daß die den Erzeugern zu erteilenden Anbaubescheinigungen es ihnen ermöglichen sollen, auf Vorlage dieser Bescheinigung das Verarbeitungsunternehmen von einer Ernte zur nächsten zu wechseln.

18 In Artikel 9 der Verordnung Nr. 3477/92, der die Erteilung von Anbaubescheinigungen regelt, heisst es:

"(1) Für jede Sortengruppe erteilt das Verarbeitungsunternehmen den Erzeugern, die in einem gemäß Artikel 5 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 anerkannten Produktionsgebiet ansässig sind, gegebenenfalls auf deren Antrag, im Rahmen seiner Verarbeitungsquote und nach Maßgabe ihrer Lieferungen von Tabak dieser Sortengruppe bei den Ernten 1989, 1990 und 1991 Anbaubescheinigungen. Sind die für die Ernten 1989, 1990 und/oder 1991 festgesetzten Hoechstgarantiemengen überschritten worden, so gilt Artikel 6 entsprechend für die Berechnung dieser Lieferungen. In den Anbaubescheinigungen sind insbesondere der Anspruchsberechtigte, die Sortengruppe und die Tabakmenge anzugeben, für die sie gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten regeln das Verfahren zur Erteilung der Anbaubescheinigungen sowie die Betrugsverhütungsmaßnahmen gemäß Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92.

Sie können Mindestmengen für die Erteilung der Anbaubescheinigungen vorsehen. Diese Mengen dürfen 500 kg nicht überschreiten.

(3) Weist ein Erzeuger nach, daß seine Erzeugung bei einer bestimmten Ernte aufgrund aussergewöhnlicher Umstände anormal niedrig war, so setzt der Mitgliedstaat auf Antrag des Betreffenden die Menge fest, die für diese Ernte bei der Erteilung der Anbaubescheinigung zu berücksichtigen ist. Die Referenzmenge des betreffenden Verarbeitungsunternehmens wird entsprechend angepasst. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission darüber, welche Entscheidungen sie zu treffen gedenken.

...

(6) Die Anbaubescheinigungen werden spätestens am 1. März des Erntejahres erteilt."

19 Schließlich bestimmt Artikel 10 der Verordnung Nr. 3477/92:

"(1) Jeder Erzeuger darf Tabak einer bestimmten Sortengruppe nur an ein einziges Verarbeitungsunternehmen liefern. Erhält er Anbaubescheinigungen von mehreren Verarbeitungsunternehmen, denen er bei den Ernten 1989, 1990 und 1991 Tabak derselben Sortengruppe geliefert hat, so werden diese Mengen bei dem Verarbeitungsunternehmen zusammengefasst, dem er diesen Tabak bei der Ernte 1991 geliefert hat. Hat der Erzeuger bei dieser Ernte an mehrere Verarbeitungsunternehmen Tabak geliefert, so gibt er das Unternehmen an, von dem er die Anbaubescheinigung erhalten möchte.

Erzeugervereinigungen, die selber die Eigenschaft von Erzeugern gemäß Artikel 2 dritter Gedankenstrich haben, dürfen ihre Erzeugung jedoch an mehrere Verarbeiter liefern.

(2) Auf Vorlage der Anbaubescheinigung kann der Erzeuger einen Anbauvertrag mit einem anderen Verarbeitungsunternehmen schließen als demjenigen, das diese Bescheinigung ausgestellt hat.

(3) Der Mitgliedstaat nimmt die zur Anwendung dieses Artikels erforderlichen Quotenübertragungen zwischen den Verarbeitungsunternehmen vor."

Die Ausgangsverfahren

20 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die Fattoria autonoma tabacchi, die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-254/94, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zweck der Förderung und Unterstützung des Tabakanbaus der Gesellschafter ist, dessen Ertrag sie verarbeitet. Sie wirft den italienischen Behörden vor, sie hätten ihr eine um einen Zuschlag für Naturkatastrophen ergänzte Verarbeitungsquote für Tabak zugeteilt, die hinter der ihr zustehenden weit zurückbleibe.

21 Ihrer Ansicht nach ergibt sich ihr Schaden hauptsächlich und unmittelbar aus der Verordnung Nr. 3477/92, die im Widerspruch zur Verordnung Nr. 2075/92 stehe, und zum Teil aus dem Runderlaß Nr. 368/G des italienischen Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 1. März 1993 zur Durchführung der Verordnungen Nrn. 2075/92 und 3477/92 (im folgenden: Runderlaß), auf dessen Grundlage die Maßnahme zur Zuteilung der Verarbeitungsquote ergangen sei. Diesem Runderlaß ging eine in der Note Nr. VI/003136 vom 20. Januar 1993 enthaltene Stellungnahme der Kommission voraus, die auf eine Anfrage der italienischen Landwirtschafts- und Forstverwaltung abgegeben wurde.

22 Herr Bason u. a., Tabakerzeuger und Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-255/94, machen geltend, ihnen sei aufgrund der Zuteilung erheblich geringerer Quoten, als ihnen zustuenden, ein Schaden entstanden. Dieser Schaden ergebe sich aus der Ungültigkeit der Gemeinschaftsregelung und der unrichtigen Anwendung dieser Regelung auf nationaler Ebene, wie sie durch den Runderlaß durchgeführt worden sei.

23 Die Rügen der Associazione Professionali Trasformatori Tabacchi Italiani (APTI) u. a., der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-269/94, die in Italien im Tabakverarbeitungssektor tätig sind, betreffen schließlich ebenfalls die Verordnung Nr. 3477/92 und den Runderlaß.

24 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, daß sich die Frage nach der Gültigkeit der Verordnung Nr. 3477/92 stelle und daß zudem angesichts der Komplexität des gemeinschaftlichen Stützungsmechanismus für diesen Sektor vernünftige Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts blieben, die für die Lösung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung seien.

25 Das vorlegende Gericht hält es daher, um jeden Zweifel hinsichtlich der Auslegung und Gültigkeit der Verordnung Nr. 3477/92 auszuräumen, für unerläßlich, eine Entscheidung des Gerichtshofes herbeizuführen, da es sich nicht auf die Ansicht der Kommission stützen könne, wie sie sich aus der genannten Note vom 20. Januar 1993 ergebe, die nach dem Vorbringen der Kläger der Ausgangsverfahren mit dem Vertrag und den Bestimmungen der Verordnung Nr. 2075/92 unvereinbar sei.

26 Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

Rechtssachen C-254/94 und C-269/94 (gemeinsame Fragen):

1. Sind Artikel 3 Absatz 3 und die Artikel 9 und 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 der Kommission, insbesondere die Regelung, nach der Verarbeitungsunternehmen, die sich nicht zur Erteilung der Anbaubescheinigungen gemäß Artikel 9 verpflichten, keine Quoten zugeteilt werden, sowie die Einführung solcher Bescheinigungen und die für Verarbeitungsunternehmen bestehende Möglichkeit, für die Mengen, die über die ihnen zugeteilte Verarbeitungsquote hinausgehen, Anbauverträge zu schließen und eine Prämienerstattung zu verlangen, mit den tragenden Grundsätzen der mit der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 des Rates durchgeführten Reform dieses Sektors ° und insbesondere mit dem in Artikel 10 dieser Verordnung enthaltenen Verbot ° vereinbar, oder stellen sie vielmehr "eine völlige Verkehrung der Ziele und der Strategie" des Rates bei der Einleitung der ersten Phase der Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak dar?

2. Sind ° unabhängig von der Frage 1 ° die nach der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 von den Verarbeitungsunternehmen zu erfuellenden administrativen Pflichten im Zusammenhang mit der Erteilung der Anbaubescheinigungen mit dem "Grundsatz der Verhältnismässigkeit" vereinbar, nach dem zwischen jeder Belastung, die den einzelnen auferlegt wird, und den für die Erreichung des verfolgten Zieles erforderlichen Maßnahmen ein angemessenes Verhältnis bestehen muß, oder bewirken sie eine "unnötige Komplizierung der Verwaltung", die diesem fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zuwiderläuft?

3. Bei Bejahung der vorstehenden Fragen: Kann Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 dahin ausgelegt werden, daß er den Mitgliedstaaten die Bildung eigener, nach Sortengruppen differenzierter Reserven gestattet, die gemäß der im Runderlaß Nr. 368/G des Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 1. März 1993 (S. 9, Punkt 8) vorgesehenen Regelung unter den beteiligten Wirtschaftsteilnehmern prozentual aufgeteilt werden?

Rechtssache C-254/94 (vierte Frage):

4. Sind mit Artikel 2 dritter Gedankenstrich und Artikel 21 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 die Vorschriften des genannten ministeriellen Runderlasses (Nr. 368/G vom 1. März 1993) vereinbar, die die Erteilung einer einzigen Anbaubescheinigung und/oder die Zuteilung einer einzigen Produktionsquote an die "Erzeugervereinigungen" und insbesondere an eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ohne Rechtspersönlichkeit mit dem Zweck der Förderung und Unterstützung des Tabakanbaus der Gesellschafter, die gleichzeitig die erste Verarbeitung dieses Tabaks in ihrem eigenen Betrieb übernimmt, jährlich die Tabakanbaufläche festlegt und unter den zur Übereignung des gesamten erzielten Ertrags verpflichteten Gesellschaftern aufteilt, nicht gestatten?

Rechtssache C-255/94:

1. Widerspricht die in Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 vorgesehene Einführung von "Anbaubescheinigungen" den tragenden Grundsätzen der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 und den Zielen und der Strategie des Rates in der ersten Phase der Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Tabak, weil mit ihr stillschweigend de facto die Verwirklichung des ° von Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 nur als Ausnahme in der ersten Phase vorgesehenen ° Systems der Produktionsquoten vorweggenommen und dadurch jede Umstellung auf Sorten, die den Marktforderungen besser entsprechen, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird?

2. Sind Artikel 10 und die achte Begründungserwägung der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 dahin auszulegen, daß die dem Erstverarbeitungsunternehmen oder dem Erzeuger zugeteilte Verarbeitungsquote eine "feste" Quote ist, und, wenn ja, widerspricht diesem Grundsatz die mit der in der Note Nr. VI/003136 vom 20. Januar 1993 genannten Entscheidung der Kommission getroffene Regelung, nach der die Verarbeitungsquoten infolge der von den einzelnen Erzeugern getroffenen Entscheidungen erhöht oder gekürzt werden können?

3. Bewirken ° unabhängig von der Frage 1 ° die in der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 vorgesehenen Anbaubescheinigungen "eine unnötige Komplizierung der Verwaltung", die als solche dem gemeinschaftsrechtlichen "Grundsatz der Verhältnismässigkeit" widerspricht, nach dem zwischen den administrativen Belastungen, die den einzelnen auferlegt werden, und den von den Gemeinschaftsorganen verfolgten Zielen ein angemessenes Verhältnis bestehen muß?

4. Stellt es eine erhebliche Nichtbeachtung der Gemeinschaftsregelung, insbesondere des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92, dar, daß gemäß Punkt 8, Seite 3, Buchstabe G des ministeriellen Runderlasses Nr. 368/G vom 1. März 1993 "eigene, nach Sortengruppen differenzierte Reserven" gebildet werden, die auf der nationalen "Pauschalierung" einer prozentualen Reservemenge beruhen, mit der eine vollständige Anpassung der Referenzmenge an die tatsächliche Verringerung der erzeugten Menge, die der einzelne Erzeuger infolge widriger Einfluesse hinnehmen muß, nicht möglich ist?

5. Stellt es eine erhebliche Umgehung oder Nichtbeachtung der Artikel 9 Absatz 1 und 10 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 dar, daß nach dem genannten ministeriellen Runderlaß (Anhang 4, Seite 9) vorab eine Aufteilung der Verarbeitungsunternehmen in sieben verschiedene Gruppen vorgesehen ist, wobei für jede Gruppe für die Berechnung des Durchschnitts des dreijährigen Bezugszeitraums eine andere Regelung gilt, was zur Folge hat, daß für Erzeuger, die die gleiche Tabakmenge derselben Sortengruppe geerntet haben, eine jeweils andere Regelung für die Berechnung der Produktionsquote gilt, je nachdem, an welches Verarbeitungsunternehmen sie den Tabak im letzten Dreijahreszeitraum geliefert haben?

27 Zunächst ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof im Verfahren nach Artikel 177 EG-Vertrag zwar nicht über die Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit dem Vertrag entscheiden kann. Er ist aber befugt, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, bei der Entscheidung über das bei ihm anhängige Verfahren die Frage der Vereinbarkeit zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 6/64, Costa, Slg. 1964, 1253). In diesem Sinne sind daher die verschiedenen Fragen nach der Vereinbarkeit des Runderlasses mit der gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak, wie sie sich aus den Verordnungen Nrn. 2075/92 und 3477/92 ergibt, zu beantworten.

28 Bevor die Fragen nach der Auslegung der anwendbaren Gemeinschaftsregelung geprüft werden, sind zunächst die Fragen nach der Gültigkeit des durch die Verordnung Nr. 3477/92 eingeführten Systems der Anbaubescheinigungen zu untersuchen.

Zur Gültigkeit des Systems der Anbaubescheinigungen, insbesondere der Artikel 3, 9 und 10 der Verordnung Nr. 3477/92 (erste Frage in den Rechtssachen C-254/94, C-255/94 und C-269/94, zweite Frage in den Rechtssachen C-254/94, C-255/94 und C-269/94 sowie dritte Frage in der Rechtssache C-255/94)

29 Diese Fragen des vorlegenden Gerichts gehen in erster Linie dahin, ob die Artikel 3 Absatz 3, 9 und 10 der Verordnung Nr. 3477/92 mit der Verordnung Nr. 2075/92, insbesondere mit den tragenden Grundsätzen der mit ihr eingeführten Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak und ihrem Artikel 10, vereinbar sind. Sodann fragt sich das Gericht, ob Artikel 9 der Verordnung Nr. 3477/92 wegen Verstosses gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit ungültig ist.

30 Die Kläger der Ausgangsverfahren sind der Ansicht, daß die Artikel 3 Absatz 3, 9 und 10 der Verordnung Nr. 3477/92 ungültig seien, weil sie sowohl gegen den Geist der Verordnung Nr. 2075/92 als auch gegen deren Artikel 10 verstießen. Ausserdem verstosse Artikel 9 der Verordnung Nr. 3477/92 gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

A ° Zum angeblichen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2075/92

° Zum behaupteten Verstoß gegen die Grundsätze der durch die Verordnung Nr. 2075/92 errichteten gemeinsamen Marktorganisation

31 Die Kläger der Ausgangsverfahren meinen, die Verordnung Nr. 3477/92 habe, anstatt die vom Rat in der Verordnung Nr. 2075/92 aufgestellten Grundsätze näher auszuführen, Neuerungen eingeführt, die im Widerspruch zu der der Übergangsregelung zugrunde liegenden Philosophie stuenden und faktisch die Verwirklichung der endgültigen Regelung vorwegnähmen, die durch die unmittelbare Zuteilung von Produktionsquoten an die Tabakpflanzer, denen es freistehe, sie dem Verarbeitungsunternehmen ihrer Wahl anzubieten, gekennzeichnet sei.

32 Denn nach der Verordnung Nr. 3477/92 stehe im Zentrum des durch sie eingeführten Systems ein Dokument, das in der Verordnung Nr. 2075/92 nicht genannt sei, nämlich die Anbaubescheinigungen, die regelrechte Wertpapiere über bestimmte Tabakmengen und -sorten darstellten, die für die subventionierte Verarbeitung in Betracht kämen, und von den Erzeugern, die Inhaber der Bescheinigungen seien, bei jedem Verarbeitungsunternehmen verwendet werden könnten, das eine Verarbeitungsquote besitze, selbst wenn es sich um ein anderes Unternehmen als dasjenige handele, das die betreffenden Bescheinigungen ausgestellt habe. Daher handele es sich in Wirklichkeit um verschleierte Produktionsquoten.

33 Ausserdem hätte die Übergangsphase (1993 bis 1997) einen Sinn gehabt, wenn sie nicht nur dazu gedient hätte, die Tabakproduktion zu regulieren, sondern auch dazu, sie neu zu organisieren und auf Sorten auszurichten, die weniger gesundheitsschädlich seien und auf dem Markt mehr Anklang fänden. Die Erteilung von Anbaubescheinigungen nach den in den Jahren 1989 bis 1991 vorgenommenen Lieferungen bewirke aber tatsächlich ein Einfrieren der früheren Anbauentscheidungen, indem jedem Erzeuger das Recht verliehen werde, weiterhin dieselben Sorten zu produzieren wie bisher, und demzufolge jede Umstellung auf Sorten, die den Marktbedürfnissen besser gerecht würden, in hohem Masse erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werde.

34 Nach Ansicht der Kläger der Ausgangsverfahren hat die Kommission unter diesen Umständen die durch den Rat eingeführte Übergangsregelung, die ausschließlich auf Verarbeitungsquoten ausgerichtet sei, umgangen. Der Verstoß gegen den eigentlichen Geist der Verordnung Nr. 2075/92 sei offensichtlich.

35 Diese Argumentation ist zurückzuweisen.

36 Aus Artikel 9 der Verordnung Nr. 2075/92 ergibt sich, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber zur Gewährleistung der Einhaltung der in Artikel 8 dieser Verordnung geregelten Garantieschwellen für eine begrenzte Zeit eine Regelung der Verarbeitungsquoten eingeführt hat, die die Mitgliedstaaten für die Ernten 1993 und 1994 vorübergehend auf die Erstverarbeitungsunternehmen verteilen, es sei denn, sie verfügen über genaue Angaben über die Tabakerzeugung; in diesem Fall können sie die Quoten unmittelbar an die Erzeuger verteilen.

37 Wie die Kommission zutreffend bemerkt, sollen aufgrund der durch Artikel 9 der Verordnung Nr. 2075/92 eingeführten Quotenregelung der Umfang der Gemeinschaftserzeugung der verschiedenen Tabaksorten sowie die Lage jedes Erzeugers und jedes Verarbeitungsunternehmens genau festgestellt werden, um die endgültige Regelung vorzubereiten, die auf der Verteilung der Quoten unmittelbar an die Erzeuger beruht.

38 Insoweit ermächtigt Artikel 11 der Verordnung Nr. 2075/92 die Kommission, nach dem in Artikel 23 der Verordnung beschriebenen sogenannten "Verwaltungsausschuß"-Verfahren die für die Einführung der Quotenregelung erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, wobei insbesondere klargestellt wird, daß zu diesen Bestimmungen die Vorbedingungen für die Auswirkungen der Quoten auf die Erzeuger gehören.

39 Wie die Kommission zu Recht betont, entspricht die für das Verarbeitungsunternehmen bestehende Verpflichtung zur Erteilung von Anbaubescheinigungen, in denen die Lieferung von Rohtabak durch den Erzeuger an das Verarbeitungsunternehmen bei den Ernten 1989, 1990 und 1991 sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht bestätigt wird, genau dem oben in Randnummer 37 genannten Anliegen des Gemeinschaftsgesetzgebers, die nationalen und gemeinschaftlichen Behörden in die Lage zu versetzen, an diese Angaben durch ein wirksames und transparentes System zu gelangen, das betrügerische Manipulationen verhüten soll und das gleichzeitig den Erzeugern ermöglicht, das Verarbeitungsunternehmen von einer Ernte zur anderen zu wechseln, und diesen Unternehmen, sich an verschiedene Erzeuger zu wenden.

40 In diesem Zusammenhang entspricht die den Erzeugern in Artikel 10 der Verordnung Nr. 3477/92 eingeräumte Befugnis, Anbauverträge mit einem anderen Unternehmen zu schließen als demjenigen, das die Anbaubescheinigung ausgestellt hat, einem der grundlegenden Ziele der Gemeinschaftsintervention, die u. a. in der zweiten und der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2075/92 genannt sind, wonach die streitige Regelung den Tabakerzeugern im Einklang mit Artikel 39 EG-Vertrag eine angemessene Lebenshaltung gewährleisten soll.

41 Indem Artikel 10 der Verordnung Nr. 3477/92 es dem Erzeuger erlaubt, das Verarbeitungsunternehmen von einem Jahr zum anderen zu wechseln, verhindert er nämlich, daß sich der Erzeuger gegenüber dem Verarbeitungsunternehmen, das die betreffende Bescheinigung ausgestellt hat und das ohne eine derartige Möglichkeit den Ankaufspreis des Tabaks bestimmen könnte, ohne die Konkurrenz anderer Unternehmen berücksichtigen zu müssen, in einer Abhängigkeitssituation befindet.

42 Zu dem vom vorlegenden Gericht ebenfalls genannten Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 genügt die Bemerkung, daß der Zusammenhang, der nach dieser Vorschrift zwischen der Zuteilung der Verarbeitungsquote und der Verpflichtung des Verarbeitungsunternehmens, den Erzeugern Anbaubescheinigungen zu erteilen, besteht, eine unerläßliche Voraussetzung für das ordnungsgemässe Funktionieren der in dieser Verordnung vorgesehenen Durchführungsregelung ist.

43 Im übrigen ist das Argument zurückzuweisen, daß die Ausstellung der Anbaubescheinigungen auf der Grundlage der Lieferungen im Rahmen der Ernten von 1989, 1990 und 1991 ein Einfrieren der von den Tabakpflanzern früher getroffenen Anbauentscheidungen bewirkt und damit die nach der Verordnung Nr. 2075/92 gewollte Neuausrichtung auf gefragtere und weniger gesundheitsschädliche Sorten verhindert habe, insbesondere da gerade die Verordnung Nr. 2075/92 in Artikel 9 vorsieht, daß die Quote nach den im Bezugszeitraum 1989 bis 1991 erfolgten Lieferungen berechnet wird.

44 Schließlich genügt zu dem Vorbringen, daß die streitige Regelung die endgültige Marktorganisation, die durch die unmittelbare Vergabe von Quoten an die Erzeuger gekennzeichnet sei, zu Unrecht vorwegnehme, die Feststellung, daß dieses Vorbringen auf der irrigen Prämisse beruht, daß die Übergangsregelung nach dem Willen des Rates im wesentlichen auf ein System von Quoten ausgerichtet sei, die nur den Verarbeitungsunternehmen zu erteilen sind. Die Verordnung Nr. 2075/92 sieht nämlich in Artikel 9 Absatz 4 selbst vor, daß die Mitgliedstaaten, sofern sie über die erforderlichen Angaben verfügen, die Quoten schon von der Übergangsphase an unmittelbar an die Erzeuger verteilen können.

45 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß ein Verstoß gegen die Grundsätze der durch die Verordnung Nr. 2075/92 errichteten gemeinsamen Marktorganisation nicht nachgewiesen ist.

° Zum behaupteten Verstoß gegen Artikel 10 der Verordnung Nr. 2075/92

46 Die Kläger der Ausgangsverfahren tragen vor, die durch die Verordnung Nr. 3477/92 eröffnete Möglichkeit, daß die einem Rohtabak verarbeitenden Unternehmen zugeteilte Quote je nach den von den einzelnen Erzeuger, die im Besitz von Anbaubescheinigungen seien, von einer Ernte zur anderen getroffenen Entscheidungen erhöht oder gekürzt werden könne, sei offensichtlich unvereinbar mit Artikel 10 der Verordnung Nr. 2075/92, der es dem Verarbeitungsunternehmen verbiete, für "Mengen, die über die ihnen... zugeteilte Bearbeitungsquote hinausgehen", Anbauverträge zu schließen und eine Erstattung des Prämienbetrags zu erhalten.

47 Diese Argumentation ist zurückzuweisen.

48 Entgegen dem Vorbringen der Kläger der Ausgangsverfahren erlaubt nämlich nichts die Annahme, daß die in Artikel 10 der Verordnung Nr. 2075/92 enthaltene Wendung "die ihnen... zugeteilte Bearbeitungsquote" dem System der Anbaubescheinigungen insofern entgegensteht, als dieses je nach der Entscheidung der Erzeuger, die im Besitz dieser Bescheinigungen sind, zu einer Änderung der den Verarbeitungsunternehmen zugeteilten Quote führen kann.

49 Wie der Generalanwalt in Nummer 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bezieht sich diese Wendung auf die Quote, die dem Verarbeitungsunternehmen aufgrund der im Bezugszeitraum verarbeiteten Mengen unter Berücksichtigung etwaiger Änderungen zugeteilt worden ist, die sich aus Quotenübertragungen gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 ergeben, die ihrerseits Folge der Wahlfreiheit sind, die jedem Erzeuger in bezug auf das Unternehmen, dem er Tabak einer bestimmten Sortengruppe liefern will, zusteht.

50 Unter diesen Umständen steht die Veränderlichkeit der Verarbeitungsquote je nach der von den Erzeugern im Einklang mit Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3477/92 getroffenen Entscheidung nicht im Widerspruch zu Artikel 10 der Verordnung Nr. 2075/92, der, worauf die Kommission in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, nur verdeutlichen soll, daß über die zugeteilte Quote hinaus kein Anbauvertrag geschlossen und demzufolge auch keine Prämie gezahlt werden kann.

51 Aus allen vorstehenden Erwägungen folgt, daß keiner der behaupteten Verstösse gegen die Verordnung Nr. 2075/92 nachgewiesen ist.

B ° Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

52 Die Kläger der Ausgangsverfahren tragen vor, daß die Verordnung Nr. 2075/92, indem sie konkret Durchführungsbestimmungen zur Übergangsregelung erlasse, über das hinausgegangen sei, was erforderlich sei, um gemäß der sechsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3477/92 sicherzustellen, daß die Verarbeitungsquoten gleichmässig und ohne Diskriminierung auf die Erzeuger aufgeteilt würden, die den Verarbeitungsunternehmen während der Bezugszeiträume Tabak geliefert hätten.

53 Durch die Einführung des Systems der Anbaubescheinigungen seien nämlich die Erzeuger zu den eigentlichen Hauptpersonen bei der Verwaltung der Garantieschwellen geworden, wobei die Verarbeitungsunternehmen auf eine Nebenrolle beschränkt würden und für sie nur administrative Pflichten weiterbestuenden. So stellten die Anbaubescheinigungen eine Komplizierung der Verwaltung dar, die sich in erheblichen finanziellen Belastungen für die Verarbeitungsunternehmen äussere, die gezwungen seien, ohne jede Gegenleistung ein kompliziertes Buchführungssystem einzurichten. Der Runderlaß zeige die unnötige Kompliziertheit des in der italienischen Rechtsordnung eingeführten Verfahrens. So seien die Verarbeitungsunternehmen u. a. verpflichtet, eine Datenbank mit den einschlägigen Daten anzulegen und der Azienda di Stato per gli interventi nel mercato agricolo (AIMA) auf einem magnetischen Datenträger die nach technischen Anweisungen geordneten Angaben zu den Anträgen, eine Kopie der Anträge der Erzeuger mit den dazugehörenden Unterlagen und ein Inhaltsverzeichnis des magnetischen Datenträgers vorzulegen.

54 Diese Argumentation ist zurückzuweisen.

55 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verlangt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, der zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, daß die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist; dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen, und die Nachteile müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. u. a. Urteil vom 29. Februar 1996 in den Rechtssachen C-296/93 und C-307/93, Frankreich und Irland/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30).

56 Zur gerichtlichen Nachprüfung der genannten Voraussetzungen ist jedoch festzustellen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik über ein Ermessen verfügt, das der politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Artikel 40 und 43 EG-Vertrag übertragen (vgl. u. a. Urteil vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 179/84, Bozzetti, Slg. 1985, 2301, Randnr. 30). Daher muß sich der Richter, wenn er die Rechtmässigkeit der Ausübung einer solchen Befugnis prüft, auf die Frage beschränken, ob diese Ausübung nicht offensichtlich fehlerhaft oder ermessensmißbräuchlich ist oder ob die betreffende Stelle nicht offensichtlich die Grenzen ihres Ermessens überschritten hat.

57 Wie sich aus den Randnummern 39 bis 41 des vorliegenden Urteils ergibt, erlauben die Anbaubescheinigungen es nicht nur den Erzeugern, von einer Ernte zur anderen das Unternehmen zu wechseln, dem sie ihre Rohtabakproduktion anliefern, sondern sie verschaffen auch den zuständigen Behörden die Informationen, die für die Einführung einer Politik im Rohtabaksektor unerläßlich sind, die es dem Markt ermöglicht, das gravierende Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf diesem Markt zu überwinden, und die durch die Transparenz, die dieses System mit sich bringt, Betrugsfällen vorbeugt.

58 Es ist aber nicht vorgetragen worden, daß diese Ziele mit anderen Mitteln erreicht werden könnten, deren Auswirkungen offensichtlich weniger belastend wären als diejenigen, die sich aus der Einführung der Anbaubescheinigungen ergeben. Ausserdem ist nicht behauptet worden, daß das Ziel, das in der Sicherung einer gleichen und angemessenen Aufteilung der Verarbeitungsquoten auf die Erzeuger, die während der Bezugszeiträume Tabak geliefert haben, besteht, mit anderen Mitteln als den in Artikel 9 der Verordnung Nr. 3477/92 beschriebenen, wonach die Aufteilung nach Maßgabe der Lieferungen bei den Ernten 1989, 1990 und 1991 erfolgt, erreicht werden könnte.

59 Ausserdem wird die administrative Belastung, die für die Verarbeitungsunternehmen mit dem System der Anbaubescheinigungen verbunden ist, entgegen dem Vorbringen der Kläger der Ausgangsverfahren, durch die Vorteile, die ihnen dieses System verschafft, weitgehend ausgeglichen.

60 Wie die Kommission zutreffend bemerkt, ist die Erteilung der Bescheinigungen für das Verarbeitungsunternehmen zwar mit einer gewissen administrativen Tätigkeit verbunden, doch profitiert dieses Unternehmen gleichzeitig von dem Zufluß an Mitteln, die für die Auszahlung der Prämie an die Erzeuger, mit denen es Anbauverträge geschlossen hat, bestimmt sind.

61 Schließlich ist, wie die italienische Regierung und die Kommission ebenfalls zutreffend vortragen, mit den Auskünften, die das Unternehmen zu erteilen hat, nur die Tätigkeit des Sammelns von Buchungs- und Vertragsunterlagen verbunden, die das Unternehmen bereits besitzt und deren es sich im übrigen bedient, um die Zuteilung einer Verarbeitungsquote zu beantragen.

62 Aus dem Vorstehenden folgt, daß das durch die Verordnung Nr. 3477/92 eingeführte System der Anbaubescheinigungen es ermöglicht, die gesteckten Ziele zu erreichen, ohne daß die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen offensichtlich ausser Verhältnis zu den angestrebten Zielen stuenden. Der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist daher ebenfalls nicht nachgewiesen.

63 Unter diesen Umständen ist zu antworten, daß die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Artikel 3 Absatz 3, 9 und 10 der Verordnung Nr. 3477/92 beeinträchtigen könnte.

Zur dritten Frage in den Rechtssachen C-254/94 und C-269/94 und zur vierten Frage in der Rechtssache C-255/94

64 Diese Fragen des vorlegenden Gerichts gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 es verbietet, daß vorab gemäß einem pauschalen Berechnungssystem nach Tabaksorten differenzierte Reserven gebildet werden, die unter den Erzeugern aufgeteilt werden sollen, deren Produktion aus aussergewöhnlichen Gründen zurückgegangen ist, ohne daß der tatsächliche Verlust der einzelnen Erzeuger vollständig berücksichtigt wird.

65 Die Kläger der Ausgangsverfahren bemerken, daß diese Frage die Vereinbarkeit des durch den Runderlaß zur Bestimmung der zusätzlichen Quoten im Fall aussergewöhnlicher Umstände errichtete System betreffe, das auf der pauschalen Bestimmung einer prozentual ausgedrückten Reservemenge beruhe, die für jede angebaute Sortengruppe landesweit festgelegt und sodann in jedem Einzelfall unabhängig von der tatsächlichen Verringerung der Produktion des einzelnen Erzeugers angewandt werde. Der Wortlaut der in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 aufgestellten Regel, die Billigkeit und der gesunde Menschenverstand legten aber eine Auslegung nahe, wonach die nationalen Behörden die zusätzliche Quote nach Kriterien zu bestimmen hätten, die die beim Tabakpflanzer tatsächlich eingetretene Verringerung berücksichtigten.

66 Ausserdem müsse die Quote zwar im Verhältnis zur Erzeugung in den Jahren 1989, 1990 und 1991 stehen und die im Fall einer anormal niedrigen Ernte zu berücksichtigende Menge vom Mitgliedstaat bestimmt werden, doch hätte eine zutreffende Auslegung der Gemeinschaftsregelung dazu führen müssen, daß zunächst die von den einzelnen Erzeugern geernteten Mengen bestimmt würden, die wegen Naturkatastrophen ergänzt werden könnten, und erst dann die durchschnittliche Erzeugung während des Bezugszeitraums berechnet werde. In Italien sei das Gegenteil der Fall.

67 Es ist daran zu erinnen, daß nach Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92, wenn ein Erzeuger nachweist, daß seine Erzeugung bei einer bestimmten Ernte aufgrund aussergewöhnlicher Umstände anormal niedrig war, der fragliche Mitgliedstaat auf Antrag des Betreffenden die Menge festsetzt, die für diese Ernte bei der Erteilung der Anbaubescheinigung zu berücksichtigen ist. Die Mitgliedstaaten haben die Kommission darüber zu unterrichten, welche Entscheidungen sie zu erlassen gedenken, um diese Vorschrift durchzuführen.

68 Wie der Generalanwalt in den Nummern 56 bis 59 seiner Schlussanträge dargelegt hat, ergibt sich aus dieser Vorschrift, daß, da sich ein solcher Rückgang auf eine der für die Bestimmung der Anbaubescheinigung zu berücksichtigenden Ernten bezieht, der betreffende Mitgliedstaat zunächst eine zusätzliche Referenzmenge für diese Ernte zuteilen und sodann den Durchschnitt der so berichtigten Erzeugung im Bezugszeitraum berechnen muß. Unter diesem Vorbehalt verfügen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung dieser Vorschrift über eine erhebliche Beurteilungsfreiheit, so daß weder die vorab erfolgende Bildung von Reservequoten, die im Verhältnis zu den Mengen der verschiedenen erzeugten Tabaksorten und unter Berücksichtigung des Umstands berechnet werden, daß bestimmte Sorten häufiger von Naturkatastrophen heimgesucht werden als andere, noch die Aufteilung dieser Quoten unter den betroffenen Erzeugern nach einem System, das nicht zwangsläufig zu einer Aufteilung führt, die genau dem Verlust des Erzeugers entspricht, als grundsätzlich mit Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 unvereinbar angesehen werden können, vorausgesetzt jedoch, daß ein solches System nach objektiven Kriterien funktioniert.

69 Unter diesen Umständen ist zu antworten, daß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 es nicht verbietet, daß vorab gemäß einem pauschalen Berechnungssystem nach Tabaksorten differenzierte Reserven gebildet werden, die unter den Erzeugern aufgeteilt werden sollen, deren Produktion aus aussergewöhnlichen Gründen zurückgegangen ist, ohne daß der tatsächliche Verlust der einzelnen Erzeuger vollständig berücksichtigt wird.

Zur vierten Frage in der Rechtssache C-254/94

70 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 2 dritter Gedankenstrich in Verbindung mit Artikel 21 der Verordnung Nr. 3477/92 einer nationalen Regelung entgegensteht, die nicht die Erteilung einer einzigen Anbaubescheinigung oder die Zuteilung einer einzigen Produktionsquote an eine Erzeugervereinigung mit dem Zweck der Förderung und Unterstützung des Tabakanbaus der Gesellschafter, die gleichzeitig die erste Verarbeitung dieses Tabaks in ihrem eigenen Betrieb übernimmt, gestattet.

71 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt vor, daß in Anbetracht ihrer funktionellen und strukturellen Merkmale kein Zweifel an ihrer Eigenschaft als "Erzeuger" im Sinne der Definition in Artikel 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3477/92 bestehen könne und daß sie sich daher auf Artikel 21 dieser Verordnung berufen könne. Daher hätte sie eine einzige Quote oder Produktionsbescheinigung erhalten müssen, die auf der Grundlage der Summe der Quoten oder Produktionsbescheinigungen zu berechnen sei, die rein theoretisch auf die Gesellschafter hätten entfallen müssen.

72 Nach Artikel 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3477/92 umfasst die Definition des Erzeugers jede natürliche oder juristische Person oder jede Vereinigung dieser Personen, die im eigenen Namen und für eigene Rechnung von ihr oder ihren Mitgliedern erzeugten Tabak im Rahmen eines von ihr oder in ihrem Namen geschlossenen Anbauvertrags an ein Verarbeitungsunternehmen liefert, ohne daß nach dieser Definition Vereinigungen ausgeschlossen wären, die wie die des Ausgangsverfahrens den Rohtabak auch verarbeiten.

73 Artikel 21 der Verordnung Nr. 3477/92 stellt klar, daß, wenn die Anbaubescheinigung zugunsten einer solchen Erzeugervereinigung erteilt wurde, die selber Tabakerzeuger im Sinne von Artikel 2 dritter Gedankenstrich dieser Verordnung ist, der betreffende Mitgliedstaat für die gerechte Aufteilung auf alle Mitglieder dieser Vereinigung sorgt, daß aber diese Vereinigung im Einvernehmen mit allen ihren Mitgliedern im Hinblick auf eine bessere Organisation der Erzeugung eine andere Aufteilung vornehmen kann.

74 Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß eine Erzeugervereinigung im Sinne von Artikel 2 der Verordnung eine einzige Quote oder Anbaubescheinigung erhalten können muß; in diesem Fall hat der betreffende Mitgliedstaat im übrigen dafür zu sorgen, daß die fragliche Menge auf alle Mitglieder der Vereinigung grundsätzlich gerecht aufgeteilt wird.

75 Hinzu kommt, daß, wie die Kommission zutreffend bemerkt, die Zuteilung einer einzigen Quote oder die Erteilung einer einzigen Bescheinigung jedenfalls nicht zu einer Behinderung der Freiheit der Erzeuger einer Vereinigung führen darf, das Unternehmen auszuwählen, dem sie ihren Tabak liefern wollen, was dann der Fall wäre, wenn die Betreffenden bei einem Wechsel des Verarbeitungsunternehmens einen Nachteil in bezug auf die zugeteilten Mengen hätten. Eine solche Konsequenz würde nämlich den freien Wettbewerb zwischen den Verarbeitungsunternehmen hindern und daher einem der mit der gemeinsamen Marktorganisation verfolgten Ziele, nämlich den Tabakerzeugern eine angemessenen Lebenshaltung zu gewährleisten, zuwiderlaufen.

76 Nach alledem ist zu antworten, daß Artikel 2 dritter Gedankenstrich in Verbindung mit Artikel 21 der Verordnung Nr. 3477/92 einer nationalen Regelung entgegensteht, die nicht die Erteilung einer einzigen Anbaubescheinigung oder die Zuteilung einer einzigen Produktionsquote an eine Erzeugervereinigung mit dem Zweck der Förderung und Unterstützung des Tabakanbaus der Gesellschafter, die gleichzeitig die erste Verarbeitung dieses Tabaks in ihrem eigenen Betrieb übernimmt, gestattet.

Zur fünften Frage in der Rechtssache C-255/94

77 Diese Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob die Artikel 9 Absatz 1 und 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3477/92 dahin auszulegen sind, daß die Verarbeitungsunternehmen in sieben verschiedene Gruppen aufgeteilt werden können, für die je nach dem Zeitabschnitt, in dem sie ihre Tätigkeit aufgenommen haben, unterschiedliche Regelungen zur Berechnung des dreijährigen Bezugszeitraums gelten, so daß auf die Erzeuger je nachdem, an welches Unternehmen sie im Bezugszeitraum geliefert haben, unterschiedliche Regelungen zur Berechnung der Verarbeitungsquote angewandt werden.

78 Die Kläger des Ausgangsverfahrens tragen vor, der Runderlaß habe bei der Einführung der Methode zur Berechnung der vom Erzeuger an das Verarbeitungsunternehmen gelieferten Tabakmenge im Hinblick auf die Erteilung der Anbaubescheinigungen vorab eine Aufteilung der Verarbeitungsunternehmen in sieben verschiedene Gruppen vorgesehen, wobei für jede Gruppe eine andere Methode zur Berechnung der Referenzmengen gelte, von denen bei der Festsetzung der Verarbeitungsquoten ausgegangen werden solle. Da sich die Produktionsquote für das Jahr 1993 nach der gleichen Formel bestimme, wie sie bei der Berechnung der Referenzmenge angewandt worden sei, die dem Unternehmen, an das der Erzeuger im Bezugszeitraum geliefert habe, zugeteilt worden sei, habe dieses System zur Folge, daß auf Erzeuger, die die gleiche Menge Tabak derselben Sortengruppe produziert hätten, rein zufällig eine Regelung zur Berechnung der Produktionsquote angewandt werde, die je nachdem, ob sie den Tabak an das eine oder das andere Verarbeitungsunternehmen geliefert hätten, unterschiedlich sei.

79 Ausserdem habe die Anwendung des Runderlasses zur Folge, daß auf die Unternehmen, die ihre Tätigkeit erst 1991 aufgenommen hätten, eine Berechnungsmethode zur Bestimmung der Verarbeitungsquote angewandt werde, die allein auf die Erzeugung im Jahr 1991 gestützt sei, wodurch die Unternehmen, die während der drei Jahre des Bezugszeitraums verarbeitet hätten, benachteiligt würden.

80 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

81 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß, wie die Kommission zutreffend bemerkt, die Artikel 9 und 10 der Verordnung Nr. 3477/92, auf die sich die Vorlagefrage bezieht, die in Artikel 9 der Verordnung Nr. 2075/92 enthaltenen Vorschriften zur Berechnung der Verarbeitungsquoten unangetastet lassen und nur den Zweck haben, die sich daraus ergebenden Folgen zu regeln. So wird die aufgrund der Berechnung nach Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2075/92 erhaltene Quote anschließend gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3477/92 vom Verarbeitungsunternehmen im Rahmen seiner Quote unter den Erzeugern nach Maßgabe ihrer Tabaklieferungen bei den Ernten 1989, 1990 und 1991 aufgeteilt.

82 Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2075/92 unterscheidet drei Fälle. Erstens wird den Unternehmen, die während des dreijährigen Bezugszeitraums Tabak verarbeitet haben, eine Referenzmenge in Höhe des Durchschnitts der in diesen drei Jahren verarbeiteten Mengen zugeteilt (erster Unterabsatz). Zweitens haben die Unternehmen, die ihre Tätigkeit erst nach Beginn des Bezugszeitraums aufgenommen haben, Anspruch auf eine Menge im Verhältnis zum Durchschnitt der Mengen, die ihnen in dieser Zeit zur Bearbeitung angeliefert wurden (Unterabsatz 2). Drittens erhalten die Unternehmen, die ihre Tätigkeit während des Erntejahres oder während des vorhergehenden Jahres aufnehmen, eine Menge, die sich nach Unterabsatz 3 dieser Vorschrift bestimmt.

83 Wie der Generalanwalt in den Nummern 73 und 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre es aber ungereimt, wenn bei einem Verarbeitungsunternehmen, das seine Tätigkeit nach dem Beginn des Bezugszeitraums aufgenommen hat, die von ihm im Bezugszeitraum verarbeitete Menge durch drei geteilt würde, als ob es während der drei Bezugsjahre Tabak verarbeitet hätte; deshalb hat die Verordnung Nr. 2075/92 in einem solchen Fall die Festsetzung einer Quote im Verhältnis zum Durchschnitt der Mengen vorgesehen, die ihm seit Aufnahme seiner Tätigkeit angeliefert wurden. Zwar wird den Erzeugern, die 1991 an ein Verarbeitungsunternehmen geliefert haben, das seine Tätigkeit erst 1990 aufgenommen hatte, eine höhere Quote zugeteilt als den Erzeugern, die an ein Unternehmen geliefert haben, das bereits im Jahr 1989, in dem die Ernte schlecht war, verarbeitet hatte, weil das erstgenannte Unternehmen über eine höhere Verarbeitungsquote verfügt als das zweitgenannte. In einem solchen Fall gestattet Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 es aber gerade, daß den Tabakpflanzern, deren Erzeugung aufgrund aussergewöhnlicher Umstände anormal niedrig war, eine zusätzliche Quote zugeteilt und die Referenzmenge des betreffenden Verarbeitungsunternehmens entsprechend angepasst wird.

84 Im übrigen kann man zwar nicht ausschließen, daß ein Mitgliedstaat innerhalb der drei Gruppen von Verarbeitungsunternehmen, wie sie in den drei Unterabsätzen des Artikels 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2075/92 festgelegt sind, weitere Unterteilungen vornimmt, doch verlangt diese Vorschrift jedenfalls, daß die Berechnung der Verarbeitungsquote dieser verschiedenen Unternehmen nach derjenigen Methode der drei in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2075/92 vorgesehenen Methoden erfolgt, die für die Gruppe gilt, der das einzelne Unternehmen angehört.

85 Unter diesen Umständen ist zu antworten, daß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2075/92 dahin auszulegen ist, daß die Verarbeitungsunternehmen in sieben verschiedene Gruppen aufgeteilt werden können, sofern die Bestimmung der Verarbeitungsquote nach den Berechnungsregeln erfolgt, die für die Gruppe gelten, zu der die betreffende Untergruppe gehört. Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3477/92 ist dahin auszulegen, daß auf die Erzeuger je nachdem, an welches Unternehmen sie im Bezugszeitraum geliefert haben, unterschiedliche Regelungen zur Berechnung der Verarbeitungsquote angewandt werden können.

Kostenentscheidung:

Kosten

86 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio mit Beschlüssen vom 27. Januar 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Artikel 3 Absatz 3, 9 und 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3477/92 der Kommission vom 1. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Rohtabaksektor für die Ernten 1993 und 1994 beeinträchtigen könnte.

2. Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3477/92 verbietet es nicht, daß vorab gemäß einem pauschalen Berechnungssystem nach Tabaksorten differenzierte Reserven gebildet werden, die unter den Erzeugern aufgeteilt werden sollen, deren Produktion aus aussergewöhnlichen Gründen zurückgegangen ist, ohne daß der tatsächliche Verlust der einzelnen Erzeuger vollständig berücksichtigt wird.

3. Die Artikel 2 dritter Gedankenstrich und 21 der Verordnung Nr. 3477/92 stehen einer nationalen Regelung entgegen, die nicht die Erteilung einer einzigen Anbaubescheinigung oder die Zuteilung einer einzigen Produktionsquote an eine Erzeugervereinigung mit dem Zweck der Förderung und Unterstützung des Tabakanbaus der Gesellschafter, die gleichzeitig die erste Verarbeitung dieses Tabaks in ihrem eigenen Betrieb übernimmt, gestattet.

4. Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak ist dahin auszulegen, daß die Verarbeitungsunternehmen in sieben verschiedene Gruppen aufgeteilt werden können, sofern die Bestimmung der Verarbeitungsquote nach den Berechnungsregeln erfolgt, die für die Gruppe gelten, zu der die betreffende Untergruppe gehört. Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3477/92 ist dahin auszulegen, daß auf die Erzeuger je nachdem, an welches Unternehmen sie im Bezugszeitraum geliefert haben, unterschiedliche Regelungen zur Berechnung der Verarbeitungsquote angewandt werden können.

Ende der Entscheidung

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