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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.04.1992
Aktenzeichen: C-256/90
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2537/89 EWG, Verordnung Nr. 150/90 EWG, Verordnung Nr. 1491/85 EWG, Verordnung Nr. 2217/88 EWG, Verordnung Nr. 2194/85 EWG, Verordnung Nr. 1231/89 EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2537/89 EWG
Verordnung Nr. 150/90 EWG
Verordnung Nr. 1491/85 EWG
Verordnung Nr. 2217/88 EWG
Verordnung Nr. 2194/85 EWG
Verordnung Nr. 1231/89 EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die den Herstellern von Nahrungs- oder Futtermitteln, die eine Behilfe für die Verarbeitung von Sojabohnen gemäß der Verordnung Nr. 1491/85 beantragt haben, auferlegte Verpflichtung, innerhalb ihres Betriebsgeländes über eine Lagereinrichtung zu verfügen, ist im Hinblick auf das angestrebte Ziel der Verhinderung betrügerischer Machenschaften als unangemessen anzusehen. Zum einen sieht die Beihilferegelung nämlich eine Vielzahl von Kontrollmöglichkeiten vor, insbesondere was den Ursprung des verarbeiteten Saatguts betrifft, und zum anderen lässt diese Pflicht die Entstehung hoher Kosten für die Unternehmen befürchten, da diese gegebenenfalls genötigt sind, neue Lagereinrichtungen zu schaffen. Die Regelung verstösst zugleich gegen den Gleichheitsgrundsatz, da sie für Verarbeitungsbetriebe gilt, die Nahrungs- oder Futtermittel herstellen, nicht aber für Verarbeitungsbetriebe, die Sojaöl erzeugen, ohne daß diese unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen von Verarbeitungsbetrieben sachlich gerechtfertigt wäre. Aus diesen Gründen ist Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2537/89 in der durch Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 150/90 ergänzten Fassung ungültig.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 8. APRIL 1992. - MIGNINI SPA GEGEN AZIENDA DI STATO PER GLI INTERVENTI SUL MERCATO AGRICOLO (AIMA). - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETORE DI PERUGIA - ITALIEN. - PRODUKTIONSBEIHILFENREGELUNG FUER SOJA. - RECHTSSACHE C-256/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Pretura circondariale Perugia (Italien) hat mit Beschluß vom 6. August 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission vom 8. August 1989 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen (ABl. L 245, S. 8) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 150/90 der Kommission vom 19. Januar 1990 (ABl. L 18, S. 10; nachstehend: streitige Bestimmungen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit, der zwischen der Mignini SpA (nachstehend: Firma Mignini), einer Herstellerin von Futtermitteln auf der Basis von Sojabohnen, und der Azienda di Stato per gli interventi nel mercato agricolo (nachstehend: AIMA) infolge der Weigerung entstanden ist, der genannten Firma die in Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1491/85 des Rates vom 23. Mai 1985 über Sondermaßnahmen für Sojabohnen (ABl. L 151, S. 15), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2217/88 des Rates vom 19. Juli 1988 (ABl. L 197, S. 11), vorgesehene sogenannte Beihilfe "für den Erstkäufer" auszuzahlen.

3 Die Weigerung der AIMA, die von der Firma Mignini beantragte Beihilfe für den Erwerb einer Partie von 37,7 Doppelzentnern Sojabohnen zu zahlen, wurde damit begründet, dieses Saatgut sei entgegen den streitigen Bestimmungen nicht auf dem Gelände des Herstellungsbetriebs identifiziert worden.

4 Die Firma Mignini erhob daraufhin bei der Pretura circondariale Perugia Klage mit dem Antrag, nach vorheriger Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes die streitigen Bestimmungen für ungültig zu erklären und die AIMA zu verurteilen, an sie einen Betrag von 1 650 000 LIT als Beihilfe für den Erstkäufer zu zahlen.

5 Die Pretura circondariale Perugia hat infolgedessen das Verfahren bis zu einer "Vorabentscheidung [des Gerichtshofes] über die Gültigkeit von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission vom 8. August 1989 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 150/90 vom 19. Januar 1990 ergänzten Fassung" ausgesetzt.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Ausgangsverfahrens, der in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Einleitend ist daran zu erinnern, daß nach der vorerwähnten, im Ausgangsverfahren anwendbaren Verordnung Nr. 1491/85 des Rates in der Fassung der genannten Verordnung Nr. 2217/88 zur Förderung der Sojärzeugung in der Gemeinschaft jedem Sojabohnenverarbeiter eine Beihilfe zu gewähren ist, der mit einzelnen oder zusammengeschlossenen Erzeugern von Sojabohnen einen Vertrag geschlossen hat, der die Zahlung eines Preises vorsieht, der mindestens ebenso hoch ist wie der jährlich von den Gemeinschaftsbehörden festgesetzte Mindestpreis (nachstehend: Anbauvertrag). Dieser Mindestpreis garantiert den Sojabohnenerzeugern, daß sie das Erzeugnis unter Berücksichtigung der Marktschwankungen und der Kosten für die Verbringung vom Erzeugungs- zum Verwendungsgebiet zu einem Preis verkaufen können, der möglichst nahe beim Zielpreis liegt. Die Beihilfe, die dem Unterschied zwischen Zielpreis und Weltmarktpreis entspricht, sofern dieser niedriger liegt, wird für in der Gemeinschaft geerntete und verarbeitete Sojabohnen gewährt, wenn der Nachweis der Verarbeitung erbracht ist.

8 Weiterhin bestimmt Artikel 2 Absatz 2 dieser Verordnung, daß in "den Mitgliedstaaten, in denen die Vermarktung von Sojabohnen einzelstaatlichen Vorschriften unterliegt, die eine ausreichende Organisation und Kontrolle gewährleisten,... die Beihilfe bis zum 31. Dezember 1992... einem ersten Käufer, der nicht Verarbeiter ist, gewährt werden [kann]".

9 In dem im Ausgangsverfahren anwendbaren Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2194/85 des Rates vom 25. Juli 1985 zur Festlegung der Grundregeln der Sondermaßnahmen für Sojabohnen (ABl. L 204, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1231/89 des Rates vom 3. Mai 1989 (ABl. L 128, S. 24) heisst es:

"(1) Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet 'Identifizierung' die auf Antrag des Marktbeteiligten von der zuständigen Stelle des Mitgliedstaates ausgestellte Bescheinigung, nach der für die Sojabohnenmenge, die Gegenstand des Antrags ist, die am Tag der Antragstellung geltende Beihilfe zu gewähren ist.

...

Die Sojabohnen werden nach ihrer Lieferung an den Betrieb, in dem sie verarbeitet werden sollen, und vor ihrer Verarbeitung identifiziert.

(2) Der Mitgliedstaat nimmt die Identifizierung auf Antrag des Marktbeteiligten vor."

10 Nach Artikel 2 Absatz 1 der vorerwähnten Verordnung Nr. 2537/89 der Kommission in der Fassung der Verordnung Nr. 150/90 vom 19. Januar 1990 ist im Sinne der Beihilferegelung, um die es hier geht, unter "Betrieb" zu verstehen:

"a) entweder eine Ölmühle mit

- allen innerhalb des Betriebsgeländes gelegenen Räumen oder sonstigen Einrichtungen,

- allen im Zollgebiet des Mitgliedstaats, in dem der Herstellungsbetrieb ansässig ist, befindlichen Lagereinrichtungen ausserhalb dieses Geländes, in denen die gelagerten Erzeugnisse ordnungsgemäß kontrolliert werden können und die von der mit der Kontrolle beauftragten Stelle im voraus zugelassen worden sind;

b) oder ein Betrieb zur Herstellung von Nahrungsmitteln oder Futtermitteln, die dazu bestimmt sind, vom Endverbraucher in unverändertem Zustand verwendet zu werden.

Diese Einrichtung muß auf ihrem Gelände über Lagereinrichtungen verfügen, deren Kapazität, die von der mit der Kontrolle beauftragten Stelle bestimmt wird, den Anforderungen dieser Verordnung hinsichtlich der Identifizierung der Sojabohnen und der Kontrolle ihres Vorhandenseins und ihrer Verwendung durch den Betrieb entspricht;

c) oder jeder Betrieb eines zugelassenen Erstkäufers, der nicht Verarbeiter ist, der nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2194/85 im voraus von der mit der Kontrolle beauftragten Stelle zugelassen wurde und über Lagereinrichtungen verfügt, in denen die gelagerten Erzeugnisse ordnungsgemäß kontrolliert werden können."

11 Die Firma Mignini und die italienische Regierung machen geltend, die den Futtermittelherstellern, nicht aber den Ölmühlen auferlegte Verpflichtung, über Lagereinrichtungen auf dem Gelände des Herstellungsbetriebs zu verfügen, widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, was die Kommission bestreitet.

12 Die Firma Mignini und die italienische Regierung führen im wesentlichen aus, unter Kontrollgesichtspunkten sei die Lage der Futter- und Nahrungsmittelhersteller (im folgenden: beimischende Betriebe) mit derjenigen der Ölerzeuger vergleichbar. Insbesondere könnten die für die Erzeugung verwendeten Sojabohnenmengen anhand der erzeugten Nahrungs- oder Futtermittel mit der gleichen Zuverlässigkeit kontrolliert werden wie die Ölherstellung. Die streitige Maßnahme sei somit für die Zwecke der Kontrolle unnötig, dafür aber für die betroffenen Betriebe sehr kostspielig, ja geradezu abschreckend.

13 Die Kommission vertritt die Auffassung, die beimischenden Betriebe befänden sich in einer anderen Lage als die übrigen Verarbeiter, da bei ihnen die Anzahl der Beihilfeberechtigten potentiell viel höher und die Kontrolle des Saatguts schwieriger sei, weil man hier nicht von einheitlichen Erträgen ausgehen könne. Sie macht weiterhin geltend, angesichts der in der Gemeinschaft erzeugten und dorthin eingeführten Sojamengen sowie der Anzahl und der Schwierigkeit der auf dem betroffenen Sektor durchzuführenden Kontrollen seien die umstrittenen Bestimmungen erforderlich, um eine Zweckentfremdung der Beihilfe zu vermeiden.

14 Aus der Natur der umstrittenen Bestimmungen wie aus dem Vorbringen der Firma Mignini und der italienischen Regierung einerseits und der Kommission andererseits geht hervor, daß sich bei der Prüfung dieser Bestimmungen der Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung nicht von dem der Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit trennen lässt. Infolgedessen ist die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen sowohl im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung als auch auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beurteilen.

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteil vom 29. Juni 1988 in der Rechtssache 300/86, Van Landschoot, Slg. 1988, 3443, Randnr. 9) untersagt es das Diskriminierungsverbot nach Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages als eine besondere Ausformung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, vergleichbare Sachverhalte ungleich zu behandeln, ausser wenn eine Unterscheidung objektiv gerechtfertigt ist.

16 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteil vom 11. März 1987 in den verbundenen Rechtssachen 279/85, 280/85, 285/85 und 286/85, Rau/Kommission, Slg. 1987, 1069, Randnr. 34) geht weiterhin hervor, daß es für die Frage, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entspricht, darauf ankommt, ob die in ihr gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet sind und das Maß des hierzu Erforderlichen nicht übersteigen. Ausserdem kann zwar die Rechtmässigkeit einer Maßnahme dadurch beeinträchtigt werden, daß diese für das vom zuständigen Organ verfolgte Ziel offensichtlich ungeeignet ist, jedoch ist den Gemeinschaftsorganen mit Rücksicht auf die ihnen im Vertrag zugewiesenen Aufgaben auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik ein weites Ermessen zuzugestehen.

17 Sowohl der zwanzigsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2537/89 der Kommission als auch der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 150/90 ist zu entnehmen, daß die streitigen Bestimmungen dazu bestimmt sind, den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich bei der Kontrolle der zur Förderung des Sojaanbaus in der Gemeinschaft eingeführten, aber an die Hersteller von Futter- oder Nahrungsmitteln gezahlten Beihilfen ergeben haben.

18 Die Ziele und allgemeinen Modalitäten der Kontrolle der an die Erstkäufer gezahlten Beihilfen werden in Artikel 6 der Verordnung Nr. 2194/85 des Rates näher bestimmt, der in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren geänderten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2218/88 des Rates vom 19. Juli 1988 (ABl. L 197, S. 12) wie folgt lautet:

"(1) Die Erzeugermitgliedstaaten tragen durch die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems dafür Sorge, daß nur für beihilfefähige Erzeugnisse eine Beihilfe gezahlt wird. Dieses System schließt insbesondere eine Überprüfung durch Stichproben bezueglich der Anbauflächen sowie der Bestandsbuchhaltung und gegebenenfalls der Finanzbuchhaltung des Antragstellers ein.

Der Mitgliedstaat führt geeignete Kontrollen durch:

- wenn die von einem Erzeuger an einen ersten Käufer gelieferte Menge die auf der betreffenden Anbaufläche normalerweise erzeugbare Menge übersteigt oder

- in Zweifelsfällen.

(2) Die Mitgliedstaaten leisten einander Amtshilfe."

19 Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 2537/89 der Kommission soll diese Kontrolle insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob zwischen der in dem Betrieb eingehenden Menge an Sojabohnen, der Menge an sogenannten "identifizierten" Sojabohnen, und der Menge der zu Futtermitteln verarbeiteten Sojabohnen Übereinstimmung besteht.

20 Die Absätze 2 und 3 des gleichen Artikels lauten wie folgt:

"(2) Jeder Erstkäufer führt eine gesonderte Bestandsbuchhaltung für in der Gemeinschaft geerntete sowie für vom Weltmarkt eingeführte Sojabohnen, die mindestens folgende Angaben enthält:

- die eingegangenen Mengen mit Angabe des Gewichts des unverarbeiteten Erzeugnisses sowie bei in der Gemeinschaft geernteten Erzeugnissen des Gehalts an Feuchtigkeit und Fremdbestandteilen,

- die Umlagerungen der Erzeugnisse innerhalb der Lagereinrichtungen des Betriebs,

- die verarbeiteten Sojabohnenmengen sowie Art und Menge der gewonnenen Erzeugnisse, wenn der Erstkäufer auch der Verarbeiter ist; auf Verlangen der zuständigen Stelle den Prozentsatz an in den hergestellten Erzeugnissen verwendeten Sojabohnen,

- die Mengen an Bohnen oder Verarbeitungserzeugnissen, die den Betrieb verlassen haben, sowie ihre Bestimmung,

- die regelmässige Warenbestandsaufnahme in mindestens vierteljährlichem Abstand,

- die Hinweise auf Verträge, Liefererklärungen, Rechnungen oder entsprechende Belege für die gekauften oder verkauften Erzeugnisse sowie die Hinweise auf die entsprechenden Dokumente, die sich auf die Lieferungen an den Verarbeiter beziehen, wenn der Erstkäufer nicht der Verarbeiter ist.

(3) Der Betrieb muß der mit der Kontrolle beauftragten Stelle auch Einsicht in seine Finanzbuchhaltung gewähren."

21 Nach Absatz 4 des gleichen Artikels verpflichtet sich jeder Erstkäufer namentlich, den Bediensteten der mit der Kontrolle beauftragten Stelle Zugang zu seinen Einrichtungen zu gewähren, alle Unterlagen über die abgewickelten Geschäfte einschließlich der Finanzbuchhaltung zu deren Verfügung zu halten und die Kontrollmaßnahmen zu erleichtern.

22 Jeder Erstkäufer hat ausserdem nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2194/85 der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Sojabohnen geerntet wurden, die mit den Gemeinschaftserzeugern geschlossenen "Anbauverträge" sowie die Erklärungen über jede von den Erzeugern erhaltene Lieferung Sojabohnen einzureichen.

23 Die Verträge müssen die in Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2537/89 der Kommission aufgezählten Angaben enthalten, darunter die Angabe der eingesäten Fläche und der von dem betroffenen Erzeuger erzielten Erträge. Die Liefererklärungen müssen gemäß Artikel 8 Absatz 4 dieser Verordnung namentlich einen Hinweis auf den "Anbauvertrag" enthalten sowie Lieferdatum und Gewicht des Erzeugnisses benennen.

24 Die mit der Kontrolle beauftragten Stellen verfügen somit über eine Vielzahl von Kontrollmöglichkeiten, insbesondere was den Ursprung des verarbeiteten Saatguts betrifft. Sie können insbesondere die Informationen vergleichen, um deren wechselseitige Übereinstimmung zu prüfen und etwaige Betrugsmanöver aufzudecken.

25 Die Kommission macht zunächst geltend, eine 1988 in Italien durchgeführte Untersuchung habe, was die den beimischenden Betrieben gezahlte Beihilfe betreffe, die Mängel der damals geltenden Regelung bestätigt, die keine Verpflichtung zur Lagerung innerhalb des Geländes des Herstellungsbetriebs vorsah.

26 Der diese Untersuchung abschließende Bericht, der auf Ersuchen des Gerichtshofes zu den Akten gegeben wurde, beleuchtet zwar die Schwächen der von den italienischen Behörden durchgeführten Kontrolle, lässt aber, namentlich was die beimischenden Betriebe betrifft, keine Schwierigkeiten bei der Anwendung der damals geltenden Kontrollvorschriften erkennen.

27 Die Kommission trägt weiterhin vor, einzig und allein physische Kontrollen der Fertigerzeugnisse könnten die Zuverlässigkeit der auf andere Weise vorgenommenen Nachprüfungen gewährleisten. Derartige Kontrollen ließen sich zwar bei der Öl-, nicht aber bei der Futtermittelerzeugung durchführen.

28 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Zum einen lassen der Akteninhalt und die mündlichen Ausführungen der Beteiligten vor dem Gerichtshof erkennen, daß der Ölertrag von Sojabohnen einer bestimmten Qualität Schwankungen unterliegt und das Risiko betrügerischer Machenschaften auf diesem Sektor ungeachtet der am Fertigerzeugnis vorgenommenen physischen Kontrollen nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Zum anderen steht fest, daß, wie die Firma Mignini insoweit unwidersprochen ausgeführt hat, die Zusammensetzung von Futtermitteln genauen Regeln folgt, die sich schwer ändern lassen und die es gestatten, anhand des Fertigerzeugnisses die Menge des verarbeiteten Saatguts zu ermitteln. Diese Menge kann auch durch mikroskopische Analysen des Fertigerzeugnisses festgestellt werden, wie die Kommission nicht bestreitet.

29 Die Kommission hat ferner vorgetragen, da die beimischenden Betriebe potentiell viel zahlreicher seien als die Ölerzeuger, könne sich die Kontrolle der zwischen Herstellungsbetrieb und Lagereinrichtungen stattfindenden Warenbewegungen, sofern sich diese Einrichtungen ausserhalb des Betriebsgeländes befänden, bei den beimischenden Betrieben als schwieriger erweisen. Die streitige Maßnahme sei notwendig, um zu vermeiden, daß ein und dieselbe Menge Saatgut mehrfach in den Genuß der Gemeinschaftsbeihilfe gelange.

30 Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Wie die Firma Mignini darlegt, lassen sich die Warenbewegungen mit Hilfe von Verfahren begrenzen, die weniger einschneidend sind als das in Rede stehende Verfahren, so z. B. durch die Zulassung der Lagereinrichtungen, wie sie für andere Erstkäufer vorgesehen ist, wodurch die Zahl der Lagerorte reduziert werden und es gewährleistet werden könnte, daß diese den Kontrollerfordernissen entsprechen. Ausserdem ist zu bemerken, daß die Kosten der Anwendung der streitigen Maßnahmen für die betroffenen Unternehmen hoch sein kann, da diese gegebenenfalls genötigt sind, innerhalb des Geländes ihrer Herstellungsbetriebe neue Lagereinrichtungen zu schaffen und zusätzliche Lagerungskosten zu tragen. Derartige Maßnahmen können sich als hinreichend abschreckend herausstellen, um eine Reihe von Erzeugern zum Verzicht auf die Beihilfe zu bewegen.

31 Schließlich ist die Kommission, obwohl sie im Laufe sowohl des schriftlichen als auch des mündlichen Verfahrens hierzu aufgefordert worden ist, nicht imstande gewesen, mit Hilfe anderer Argumente als derjenigen, die oben untersucht und verworfen worden sind, die Notwendigkeit der in den streitigen Bestimmungen vorgesehenen unterschiedlichen Behandlung der Ölerzeuger und der beimischenden Betriebe sowie die Angemessenheit dieser Bestimmungen im Hinblick auf das angestrebte Ziel nachzuweisen.

32 Hieraus folgt, daß die streitigen Bestimmungen, die die beimischenden Betriebe einerseits und die Ölerzeuger andererseits hinsichtlich der Kontrolle der Gemeinschaftsbeihilfe für Soja unterschiedlich behandeln und offensichtlich das Maß an Unterschiedlichkeit überschreiten, das im Hinblick auf die Erreichung des angestrebten Zieles angemessen und erforderlich sein könnte, sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung als auch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzen.

33 Die Frage des vorlegenden Gerichts ist somit dahin zu beantworten, daß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission vom 8. August 1989 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen in der durch Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 150/90 der Kommission vom 19. Januar 1990 ergänzten Fassung ungültig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit ; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm von der Pretura circondariale Perugia (Italien) mit Beschluß vom 6. August 1990 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission vom 8. August 1989 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen in der durch Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 150/90 der Kommission vom 19. Januar 1990 ergänzten Fassung ist ungültig.

Ende der Entscheidung

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