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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 28.06.1995
Aktenzeichen: C-258/94 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Beamtenstatut


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Beamtenstatut Art. 45
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die vom Paritätischen Ausschuß bei der Aufstellung des Verzeichnisses der aufgrund ihrer Verdienste für eine Beförderung in Betracht kommenden Bewerber getroffene Entscheidung, keine Abwägung der Verdienste eines Bewerbers vorzunehmen, ist nur eine Maßnahme zur Vorbereitung der Beförderungsentscheidungen, die als solche nicht Gegenstand einer Klage sein kann.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 28. JUNI 1995. - PAULO BRANCO GEGEN RECHNUNGSHOF DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - OFFENSICHTLICH UNBEGRUENDETES RECHTSMITTEL. - RECHTSSACHE C-258/94 P.

Entscheidungsgründe:

1 Der Rechtsmittelführer hat mit Rechtsmittelschrift, die am 20. September 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und gemäß den entsprechenden Bestimmungen der EAG- und der EGKS-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts erster Instanz vom 20. Juli 1994 in der Rechtssache T-45/93 (Branco/Rechnungshof, Slg. ÖD 1994, II-641) eingelegt, mit dem das Gericht seine Klage erstens auf Aufhebung der Verfahrenshandlung in bezug auf die vom Rechnungshof 1992 vorgenommenen Beförderungen, zweitens auf Wiederaufnahme des gesamten Beförderungsverfahrens ° auch bezueglich des Rechtsmittelführers als eine für eine Beförderung in Frage kommende Person ° unter ordnungsgemässen Bedingungen und drittens auf Verurteilung des Rechnungshofes zur Tragung der Kosten des Verfahrens abgewiesen hat.

2 Das Gericht hat im Hinblick auf den Sachverhalt, der dem Rechtsstreit zwischen dem Rechtsmittelführer und dem Rechnungshof zugrunde liegt, folgende Feststellungen getroffen:

"1 Der Kläger nahm vom 11. März 1992 bis zum 14. August 1992, während er Beamter des Rechnungshofs war, einen Urlaub aus persönlichen Gründen in Anspruch.

2 Während dieses Urlaubs wurde das Beförderungsverfahren für das Jahr 1992 eingeleitet. Es lief gemäß den Regeln ab, die in der Entscheidung Nr. 90-38 vom 12. Oktober 1990 betreffend die Abschnitte des Verfahrens für vom Generalsekretär beschlossene Beförderungen (mittlerweile ersetzt durch die Entscheidung Nr. 93-41 vom 14. Juni 1993) festgelegt waren. Die Entscheidung Nr. 90-38 sah für das Beförderungsverfahren sieben Abschnitte vor:

1. Veröffentlichung des Verzeichnisses der für eine Beförderung in Frage kommenden Beamten;

2. Zusammenkunft des Generalsekretärs und der Direktoren zur Vorbereitung der Aufstellung der Verzeichnisse der Direktoren;

3. Aufstellung der Verzeichnisse der Direktoren;

4. Übermittlung der Verzeichnisse der Direktoren an die Anstellungsbehörde;

5. Befassung des Paritätischen Beförderungsausschusses;

6. Veröffentlichung des vom Paritätischen Beförderungsausschusses in alphabetischer Reihenfolge aufgestellten Verzeichnisses;

7. Erlaß der Beförderungsentscheidungen durch die Anstellungsbehörde."

3 Aus dem Beschluß ergibt sich ferner, daß der Name des Rechtsmittelführers mit dem Vermerk "vorbehaltlich Wiedereinweisung nach Abschluß des Urlaubs aus persönlichen Gründen am 14. 8. 1992" im ersten Verzeichnis der für eine Beförderung in Frage kommenden Beamten (erster Abschnitt) und im endgültigen Verzeichnis der für eine Beförderung in Frage kommenden Beamten, dem Verzeichnis der Direktoren (dritter Abschnitt), stand. Diese Verzeichnisse wurden am 20. April und am 20. Mai 1992 veröffentlicht; sie wurden der Anstellungsbehörde übermittelt, die sie ihrerseits an den Paritätischen Ausschuß weiterleitete (vierter Abschnitt). Dagegen stand der Name des Rechtsmittelführers nicht mehr in dem vom Paritätischen Beförderungsausschuß aufgestellten (fünfter Abschnitt) und anschließend von der Anstellungsbehörde am 17. Juli 1992 veröffentlichten (sechster Abschnitt) Verzeichnis der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Beamten.

4 Das Gericht hat ferner festgestellt:

"6... Der Paritätische Ausschuß hatte keine Abwägung der Verdienste des Klägers vorgenommen, weil sich dieser im Urlaub aus persönlichen Gründen befand, und sein Name nicht in diesem Verzeichnis stand.

7 Die Beförderungsentscheidungen wurden wenig später getroffen und durch Mitteilungen vom 23. und vom 30. Juli 1992 veröffentlicht, die in der Zeit vom 24. Juli bis zum 24. August 1992 und vom 3. August bis zum 3. September 1992 aushingen.

8 Mit Schreiben vom 3. September 1992 ersuchte die Anstellungsbehörde den Vorsitzenden des Paritätischen Ausschusses um eine Stellungnahme betreffend den Rechtsmittelführer, der am 15. August 1992 wieder in seine Stelle eingewiesen worden war. Der Paritätische Ausschuß fügte den Namen des Rechtsmittelführers dem Verzeichnis hinzu, das er in dem mit den Beförderungsentscheidungen von Ende Juli abgeschlossenen Verfahren aufgestellt hatte. Dieses Verzeichnis wurde vom 17. Dezember 1992 bis zum 17. Januar 1993 ausgehängt.

9 Die Anstellungsbehörde beförderte den Rechtsmittelführer nicht.

10 Am 6. Januar 1993 legte der Rechtsmittelführer eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) ein, mit der er beantragte, die Entscheidung über die Beförderungen für das Jahr 1992 aufzuheben oder zu ändern, so daß er in das Verzeichnis der Beförderten aufgenommen werden könne.

...

12 Mit Schreiben vom 6. Mai 1993 wies die Anstellungsbehörde beide Beschwerden als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, zurück."

5 Gegen diese Zurückweisungsentscheidung hat der Rechtsmittelführer beim Gericht Klage erhoben. Der Rechnungshof hat vor dem Gericht eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

6 Das Gericht hat die Klage des Rechtsmittelführer mit Beschluß vom 20. Juli 1994 als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

7 Zur Stützung seines Beschlusses hat das Gericht zunächst ausgeführt:

"22 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine gemäß den Artikeln 179 EG-Vertrag und 91 des Statuts beim Gericht erhobene Klage nur zulässig, wenn das vorprozessuale Verfahren ordnungsgemäß und unter Einhaltung der für dieses geltenden Fristen abgelaufen ist (Beschluß des Gerichts vom 11. Mai 1992 in der Rechtssache T-34/91, Whitehead/Kommission, Slg. 1992, II-1723).

23 Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden.

24 Zunächst ist zu klären, durch welche Maßnahme der Kläger beschwert ist. Insoweit kann nicht angenommen werden, daß das Beförderungsverfahren als Ganzes eine beschwerende Maßnahme darstellt. Zum einen handelt es sich nicht, wie vom Kläger ausgeführt, um eine einzige Maßnahme, sondern um eine Folge von Maßnahmen, die zu Beförderungsentscheidungen, die den Kläger beschweren könnten, geführt haben. Zum anderen ist die Veröffentlichung des geänderten Verzeichnisses des Paritätischen Ausschusses kein Bestandteil dieses Verfahrens, da sie erst nach Erlaß dieser Entscheidungen erfolgte.

25 Der Kläger hat jedoch nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des Artikels 90 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Statuts gegen die Beförderungsentscheidungen für das Jahr 1992, die sämtlich vor dem 4. September 1992 veröffentlicht wurden, Beschwerde eingelegt. Seine erste Beschwerde stammt nämlich vom 6. Januar 1993."

8 Der Rechtsmittelführer stützt sein Rechtsmittel gegen diesen Beschluß auf zwei eng miteinander zusammenhängende Rechtsmittelgründe.

9 Erstens sei der Beschluß des Gerichts nicht ausreichend begründet. Das Gericht habe nicht über den dritten von ihm für die Zulässigkeit angeführten Grund entschieden, wonach es sich bei der beschwerenden Maßnahme um die Einzelfallentscheidung handele, mit der ihn die Anstellungsbehörde von der durch die Artikel 45 Absatz 1 und 5 Absatz 3 des Statuts vorgeschriebenen Abwägung der Verdienste und der Beurteilungen ausgeschlossen habe und die zur Veröffentlichung des Verzeichnisses des Paritätischen Beförderungsausschusses am 17. Juli 1992 geführt habe. Da dem Rechtsmittelführer diese Entscheidung nicht mitgeteilt worden sei, habe er von ihr erst am 17. Dezember 1992, als das geänderte Verzeichnis veröffentlicht worden sei, mittels eines Umkehrschlusses Kenntnis erlangen können. Da seine Beschwerde sehr wohl innerhalb von drei Monaten nach dieser Veröffentlichung eingereicht worden sei, sei sie also zulässig.

10 Zweitens habe das Gericht einen offensichtlichen Rechtsirrtum begangen, indem es Artikel 90 Absatz 2 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich anstelle von Artikel 90 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich angewendet habe. Da es sich bei der im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes angeführten Ausschlußmaßnahme um eine Einzelmaßnahme handele, habe die Frist nicht am Tag der Bekanntmachung der Beförderungsentscheidungen, sondern an dem "Tag, an dem [der Empfänger der Entscheidung] Kenntnis" von dieser Ausschlußmaßnahme erhalten habe, also am 17. Dezember 1992, begonnen.

11 Der Rechnungshof beantragt in seinen Erklärungen zu dem Rechtsmittel dessen Zurückweisung.

12 Nach Artikel 119 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes kann der Gerichtshof das Rechtsmittel jederzeit ohne mündliche Verhandlung zurückweisen, wenn es offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

13 Der Rechtsmittelführer bezieht sich im Rahmen seines ersten Rechtsmittelgrundes offensichtlich weder auf die Beförderungsentscheidungen für das Jahr 1992 noch auf die Weigerung der Anstellungsbehörde, ihn in das am 17. Juli 1992 veröffentlichte Verzeichnis der aufgrund ihrer Verdienste in Betracht kommenden Bewerber aufzunehmen, sondern auf eine diesen Entscheidungen vorausgehende Handlung, nämlich die vom Paritätischen Ausschuß, nicht der Anstellungsbehörde, bei der Aufstellung des fraglichen Verzeichnisses getroffene Entscheidung, keine Abwägung seiner Verdienste vorzunehmen.

14 Aus der ständigen Rechtsprechung auf dem Gebiet der Beförderungsverfahren ergibt sich, daß derartige Entscheidungen nur Maßnahmen zur Vorbereitung der Beförderungsentscheidungen sind, die als solche nicht Gegenstand einer Klage sein können (in diesem Sinn Urteil vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 346/87, Bossi/Kommission, Slg. 1989, 303, Randnr. 23).

15 Das Gericht hat jedoch in Randnummer 24 seines Beschlusses zunächst ausdrücklich festgestellt:

"Zunächst ist zu klären, durch welche Maßnahme der Kläger beschwert ist... Zum einen handelt es sich nicht, wie vom Kläger ausgeführt, um eine einzige Maßnahme, sondern um eine Folge von Maßnahmen, die zu den Beförderungsentscheidungen, die den Kläger beschweren könnten, geführt haben."

16 In den Randnummern 25 und 26 hat es sodann festgestellt, daß die erste, vom 6. Januar 1993 stammende Beschwerde im Hinblick auf die sämtlich vor dem 4. September 1992 veröffentlichten "Beförderungsentscheidungen für das Jahr 1992" verspätet und die Klage daher offensichtlich unzulässig sei.

17 Das Gericht hat, indem es so bestimmt hat, welche im Rahmen des Beförderungsverfahrens getroffenen Maßnahmen Gegenstand einer Klage sein könnten (nämlich die Beförderungsentscheidungen), und indem es anschließend festgestellt hat, daß die erste Beschwerde im Hinblick auf diese Maßnahmen verspätet sei, das Vorbringen des Rechtsmittelführers zum "dritten Grund für die Zulässigkeit" eindeutig beantwortet.

18 Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

19 Auch der zweite Rechtsmittelgrund greift nicht durch, da er auf der unzutreffenden Prämisse beruht, daß die vom Rechtsmittelführer in seinem ersten Rechtsmittelgrund angeführte Maßnahme (die Entscheidung, ihn von der Abwägung der Verdienste auszuschließen) eine beschwerende Maßnahme darstellt, so daß die Beschwerdefrist an dem Tag begonnen hätte, an dem der Rechtsmittelführer von ihr Kenntnis erlangte.

20 Gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung ist das Rechtsmittel daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

21 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen in Beamtensachen die Organe ihre Kosten selbst. Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung findet Artikel 70 jedoch keine Anwendung auf Rechtsmittel, die von einem Beamten oder einem sonstigen Bediensteten eines Organs eingelegt werden. Da der Rechtsmittelführer mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist, sind ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

beschlossen:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Der Rechtsmittelführer trägt die Kosten.

Luxemburg, den 28. Juni 1995

Ende der Entscheidung

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