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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.05.1998
Aktenzeichen: C-259/96 P
Rechtsgebiete: EGKS-Satzung, EWG/EAGBeamtStat


Vorschriften:

EGKS-Satzung
EWG/EAGBeamtStat Art. 90 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

6 Gemäß Artikel 45 Absatz 2 des Statuts ist der Übergang eines Beamten von einer Laufbahngruppe in eine höhere Laufbahngruppe nur aufgrund eines Auswahlverfahrens zulässig. Die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren ist somit eine unerläßliche Voraussetzung für die Ernennung eines Beamten in einer höheren Laufbahngruppe, die zum tatsächlichen Zeitpunkt der Ernennung erfuellt sein muß. Artikel 45 Absatz 2 des Statuts steht folglich einer Ernennung entgegen, die zu einem Zeitpunkt wirksam wird, der vor der erfolgreichen Teilnahme am Auswahlverfahren liegt.

7 Artikel 176 des Vertrages erlegt der Verwaltung neben der Verpflichtung, die sich aus dem Urteil des Gemeinschaftsrichters ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, die Verpflichtung auf, den durch die für nichtig erklärte rechtswidrige Handlung möglicherweise bewirkten zusätzlichen Schaden zu ersetzen, sofern die Voraussetzungen des Artikels 215 Absatz 2 des Vertrages erfuellt sind. Artikel 176 des Vertrages macht den Ersatz des Schadens somit nicht davon abhängig, daß ein neuer, sich von der ursprünglichen rechtswidrigen und aufgehobenen Handlung unterscheidender Fehler vorliegt, sondern ordnet den Ersatz des Schadens an, der Folge dieser Handlung ist und nach ihrer Aufhebung und der Durchführung des Aufhebungsurteils durch die Verwaltung fortbesteht.

8 Bei einer Schadensersatzklage eines Beamten ist die Haftung der Gemeinschaft an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Die den Organen vorgeworfene Handlung muß rechtswidrig sein, es muß ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, und zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden muß ein Kausalzusammenhang bestehen.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein immaterieller Schaden vorliegt, ist zu berücksichtigen, ob die besondere Situation durch erschwerende Umstände gekennzeichnet war.

9 Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts verbietet es, im Laufe des Verfahrens neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

Die Berücksichtigung der Antworten einer Partei auf Fragen, die nach Artikel 64 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts als prozeßleitende Maßnahmen gestellt wurden, wobei die Gegenpartei gegebenenfalls die Möglichkeit hatte, in der mündlichen Verhandlung zu den gemachten Angaben Stellung zu nehmen, durch das Gericht verstösst nicht gegen Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung.

10 Allein das Gericht ist dazu befugt, im Rahmen eines Schadensersatzantrags über Art und Umfang des Schadensersatzes zu befinden. Die Urteile des Gerichts müssen jedoch ausreichend begründet sein, damit der Gerichtshof sie nachprüfen kann. Dies ist nicht der Fall bei einem Urteil des Gerichts, in dem nicht dargelegt wird, anhand welcher Kriterien der Betrag des zugesprochenen Ersatzes für den erlittenen Schaden festgesetzt worden ist.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 14. Mai 1998. - Rat der Europäischen Union gegen Lieve de Nil und Christiane Impens. - Rechtsmittel - Beamte - Internes Auswahlverfahren - Maßnahmen zur Durchführung eines Aufhebungsurteils - Übergang in eine höhere Laufbahngruppe nach einem Auswahlverfahren ohne Rückwirkung - Materieller und immaterieller Schaden. - Rechtssache C-259/96 P.

Entscheidungsgründe:

1 Der Rat der Europäischen Union hat mit Rechtsmittelschrift, die am 23. Juli 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und der entsprechenden Bestimmungen der EGKS-Satzung und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 26. Juni 1996 in der Rechtssache T-91/95 (De Nil und Impens/Rat, Slg. ÖD 1996, II-959; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem dieses die Entscheidungen des Rates vom 9. und 15. Juni 1994 über die Ablehnung der Schadensersatzanträge der anderen Verfahrensbeteiligten (im folgenden: Klägerinnen) vom 9. Februar 1994 und die Entscheidung vom 4. Januar 1995 über die Zurückweisung der Beschwerde der Klägerinnen vom 6. September 1994 aufgehoben und den Rat verurteilt hatte, an jede Klägerin als Ersatz für den materiellen und immateriellen Schaden insgesamt 500 000 BFR zu zahlen.

2 Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, daß die Klägerinnen am 4. Dezember 1990 zu den Prüfungen des internen Auswahlverfahrens B/228 zur Besetzung von 15 Dienstposten eines stellvertretenden Assistenten der Besoldungsgruppe B 5 zugelassen wurden, mit dem es Beamten der Besoldungsgruppe C 1 ermöglicht werden sollte, durch eine "Neubewertung" ihrer Dienstposten in diese Besoldungsgruppe zu gelangen. Da der Prüfungsausschuß die Klägerinnen nicht in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber dieses Auswahlverfahrens aufgenommen hatte, erhoben sie zusammen mit sieben anderen Betroffenen Klage beim Gericht, das die "Maßnahmen, die in dem... internen Auswahlverfahren B/228 nach der Zulassung der Bewerber zu den Prüfungen getroffen wurden", aufhob (Urteil vom 11. Februar 1993 in der Rechtssache T-22/91, Raiola-Denti u. a./Rat, Slg. 1993, II-69).

3 Nachdem dieses Urteil rechtskräftig geworden war, beschloß der Rat, die Entscheidungen zur Neueinstufung der 15 erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 aufrechtzuerhalten und ein internes Auswahlverfahren B/228a zur Besetzung von sechs Dienstposten eines stellvertretenden Assistenten der Besoldungsgruppe B 5 durch Neubewertung von Dienstposten der Besoldungsgruppe C 1 auszuschreiben. Die Prüfungen des Auswahlverfahrens B/228a entsprachen in ihrer Art und in den Modalitäten ihrer Bewertung denen des Auswahlverfahrens B/228. Gemäß der Ausschreibung des Auswahlverfahrens B/228a konnten zur Teilnahme an den Prüfungen die Bewerber zugelassen werden, die bereits zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens B/228 zugelassen worden waren.

4 Die Klägerinnen wurden nach ihrer Teilnahme an den Prüfungen in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufgenommen. Die Stellen beider Klägerinnen wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1994 in die Besoldungsgruppe B 5 neueingestuft. Die Klägerinnen waren gleichwohl der Auffassung, daß der Rat trotz dieser Neueinstufung tatsächlich nicht die geeigneten Maßnahmen zum Ersatz des Schadens ergriffen habe, der ihnen durch die Weigerung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahrens B/228, sie in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber dieses Auswahlverfahrens aufzunehmen, entstanden sei, da ihnen durch diese Weigerung eine Neueinstufung mit Wirkung vom 1. Januar 1991 vorenthalten worden sei.

5 Deshalb stellten sie am 9. Februar 1994 gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) einen Antrag auf Ersatz des ihnen durch den Erlaß der rechtswidrigen Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren B/228 angeblich entstandenen Schadens.

6 Nachdem dieser Antrag und eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts durch Entscheidungen des Rates vom 9. und 15. Juni 1994 sowie vom 4. Januar 1995 zurückgewiesen worden waren, erhoben die Klägerinnen am 29. März 1995 beim Gericht eine Klage auf Aufhebung dieser Entscheidungen sowie auf die Verurteilung des Rates zur Zahlung von 500 000 BFR an jede Klägerin als Ersatz des erlittenen materiellen Schadens und auf Zahlung von 1 symbolischen ECU an jede von ihnen als Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens.

7 Das Gericht hat in Randnummer 44 entschieden, daß die Weigerung des Rates, konkrete Maßnahmen zur Gleichstellung der Klägerinnen mit ihren im Auswahlverfahren B/228 erfolgreichen Kollegen hinsichtlich des Zeitpunkts des Wirksamwerdens ihrer Neueinstufung zu ergreifen, gegen Artikel 176 EG-Vertrag verstösst.

8 Es hat dazu ausgeführt:

"38 Durch die Weigerung, die Klägerinnen ebenso wie die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 rückwirkend zum 1. Januar 1991 neueinzustufen, hat der Rat ihnen eine Aussicht darauf genommen, innerhalb der im Statut vorgesehenen Zeiträume früher nach Besoldungsgruppe B 4 und sodann nach Besoldungsgruppe B 3 befördert und damit in der Entwicklung ihrer Laufbahn den erfolgreichen Teilnehmern des Auswahlverfahrens B/228 gleichgestellt zu werden. Wie die Klägerinnen nämlich vom Rat unwidersprochen ausgeführt haben, sind elf der fünfzehn erfolgreichen Bewerber des Auswahlverfahrens B/228, die 1991 neueingestuft wurden, bereits am 1. Januar 1996 nach Besoldungsgruppe B 3 befördert worden; drei von ihnen können 1996 nach Besoldungsgruppe B 2 befördert werden, während die übrigen vier erfolgreichen Bewerber zum selben Zeitpunkt nach Besoldungsgruppe B 4 befördert worden sind; drei von ihnen können 1996 nach Besoldungsgruppe B 3 befördert werden. Der Rat hat auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt, daß auch die Klägerinnen, wären sie im Januar 1991 in die Besoldungsgruppe B 5 neueingestuft worden, eventuell gemäß Artikel 45 Absatz 2 des Status im Juli 1991 nach Besoldungsgruppe B 4 und am 1. Juli 1993 nach Besoldungsgruppe B 3 hätten befördert werden können; in diesem Fall hätten ihre Nettobezuege zu diesem Zeitpunkt die Bezuege überstiegen, die sie damals tatsächlich erhalten hätten.

39 Die Klägerinnen haben somit schlechtere Karriereaussichten als die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228, weil der Rat es unterlassen hat, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Bewerber, die bereits am Auswahlverfahren B/228 teilgenommen hatten und schließlich erfolgreich aus dem Auswahlverfahren B/228a hervorgegangen waren, den erfolgreichen Teilnehmern des Auswahlverfahrens B/228 insbesondere hinsichtlich der Bedingungen ihrer Neueinstufung gleichzustellen, auf die sie ebenso wie jene Anspruch hatten. Schon bei der Durchführung des Auswahlverfahrens B/228a, das auch nach dem Vorbringen des Rates veranstaltet wurde, um die durch die Fehler des Verfahrens B/228 verletzten Rechte wiederherzustellen, hätte der Rat vorsehen können, daß die erfolgreichen Teilnehmer mit Wirkung vom selben Zeitpunkt eingestuft werden sollten wie die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228. Nachdem er dies nicht von vornherein vorgesehen hatte, hätte er auf die dahin gehenden Anträge der Klägerinnen die Entscheidungen über die Neueinstufung zum 1. Januar 1994 zurücknehmen und aus Gründen der Gleichbehandlung die Laufbahn der Betroffenen wiederherstellen müssen, um zu gewährleisten, daß sie in der Laufbahngruppe B dasselbe Dienstalter haben wie die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228..."

9 Das Gericht hat in Randnummer 42 ausgeführt, daß die erfolgreichen Teilnehmer der Prüfungen der Auswahlverfahren B/228 und B/228a als erfolgreiche Teilnehmer ein und desselben Auswahlverfahrens anzusehen seien, und daraus geschlossen, daß der Rat deshalb verpflichtet gewesen sei, die Bewerber, die erfolgreich an den Prüfungen des Auswahlverfahrens B/228a teilgenommen hätten, genauso zu behandeln wie die erfolgreichen Teilnehmer der Prüfungen des Auswahlverfahrens B/228, indem er erstere mit Wirkung vom selben Zeitpunkt hätte neueinstufen müssen wie letztere.

10 Zu dem tatsächlich aufgrund der festgestellten Rechtsverletzung eingetretenen Schaden hat das Gericht entschieden:

"46 Die Klägerinnen erbringen nicht den Beweis für das Vorliegen des von ihnen behaupteten Schadens, der in dem Unterschied zwischen der Vergütung, die sie vom 1. Januar 1991 bis zum 1. Januar 1994 erhalten haben, und der Vergütung bestehen soll, die sie während dieses Zeitraums erhalten hätten, wenn sie am 1. Januar 1991 nach Besoldungsgruppe B 5 neueingestuft worden wären. Wie sich nämlich aus den von den Klägerinnen unbestrittenen Angaben des Rates in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts ergibt, haben die Klägerinnen insbesondere aufgrund des Verlustes der als Sekretariatszulage bezeichneten Pauschalzulage, auf die sie vor ihrer Neueinstufung Anspruch hatten, hinsichtlich ihrer Nettovergütung keine Einbusse erlitten.

47 Die Klägerinnen haben dagegen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der sich daraus ergibt, daß sie nicht zur gleichen Zeit wie die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 in die Laufbahngruppe B neueingestuft wurden, denn sie haben jedenfalls eine Aussicht darauf eingebüsst, daß sich ihre Laufbahn künftig ähnlich entwickelt wie die der erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228.

48 Die Klägerinnen machen weiter einen immateriellen Schaden geltend, den sie mit 1 symbolischen ECU beziffern.

49 Hinsichtlich dieses Schadens ist das Gericht der Auffassung, daß grundsätzlich weder das Scheitern in einem Auswahlverfahren noch die Vorbereitung auf spätere Prüfungen einen automatisch zu ersetzenden immateriellen Schaden darstellt, zumal die Klägerinnen im vorliegenden Fall keinen Beweis dafür erbringen, daß ihre Nichtaufnahme in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber des Auswahlverfahrens B/228 auf den Fehlern beruhe, die zu dessen Aufhebung geführt haben. Soweit es um den Schaden geht, der den Klägerinnen dadurch entstanden sein soll, daß der Rat es ablehnte, ihrem Antrag auf Schadensersatz und ihrer nachfolgenden Beschwerde stattzugeben, so ist dieser nichts anderes als der Schaden selbst, dessen Ersatz der Rat abgelehnt hat. Deshalb kann er keinen gesonderten, zusätzlich zu ersetzenden Schaden darstellen.

50 Der den Klägerinnen tatsächlich entstandene immaterielle Schaden besteht vielmehr darin, daß sie für längere Zeit im Ungewissen über die Entwicklung ihrer Laufbahn waren. Insoweit waren die spezifischen Umstände des vorliegenden Falles geprägt durch erhebliche Fehler im Ablauf der aufgrund des Auswahlverfahrens B/228 durchgeführten Prüfungen, durch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Rechts der Klägerinnen auf einen ordnungsgemässen Ablauf dieser Prüfungen und dadurch, daß der Rat die Gleichstellung der Klägerinnen mit ihren zum 1. Januar 1991 neueingestuften Kollegen zu einem Zeitpunkt ablehnte, als sie die aufgrund des Auswahlverfahrens B/228a durchgeführten Prüfungen bereits bestanden hatten.

51 Das Gericht bewertet den jeder Klägerin entstandenen materiellen und immateriellen Schaden nach billigem Ermessen mit insgesamt 500 000 BFR (vgl. die Urteile des Gerichts vom 9. Februar 1994 in der Rechtssache T-82/91, Latham/Kommission, Slg. ÖD 1991, II-61, und in der Rechtssache T-3/92, Slg. ÖD 1994, II-83). Der Rat ist somit zur Zahlung dieser Summe an jede Klägerin zu verurteilen."

11 Der Rat stützt das vorliegende Rechtsmittel auf folgende sechs Gründe:

- Verletzung des Artikels 176 des Vertrages;

- Verletzung des Artikels 30 des Statuts;

- Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes;

- Verletzung des Artikels 45 Absatz 2 des Statuts;

- Verletzung des Artikels 48 der Verfahrensordnung des Gerichts und

- Fehlen der gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen und Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes.

Zu den ersten vier Rechtsmittelgründen

12 Mit seinen ersten vier Rechtsmittelgründen, die zusammen zu prüfen sind, beanstandet der Rat im wesentlichen, daß das Gericht ihm vorgeworfen habe, mit dem Beschluß, ein zweites Auswahlverfahren zu veranstalten und die erfolgreichen Teilnehmer mit Wirkung vom 1. Januar 1994 nach Besoldungsgruppe B 5 neueinzustufen, das Urteil Raiola-Denti u. a./Rat nicht richtig durchgeführt zu haben.

13 Der Rat trägt dazu vor, daß es zur Wiederherstellung der Rechte der Bewerber, die durch Fehler bei einem Auswahlverfahren beeinträchtigt worden seien, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 144/82, Detti/Gerichtshof, Slg. 1983, 2421, vom 6. Juli 1993 in der Rechtssache C-242/90 P, Kommission/Albani u. a., Slg. 1993, I-3839, und vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-412/92 P, Parlament/Meskens, Slg. 1994, I-3757) genüge, daß die Anstellungsbehörde des betreffenden Organs ein neues Auswahlverfahren auf einem dem ersten Auswahlverfahren gleichwertigen Niveau veranstalte. Die Maßnahmen, die der Rat getroffen habe, um dem Urteil Raiola-Denti u. a./Rat nachzukommen, entsprächen dieser Rechtsprechung in allen Punkten.

14 In diesem Zusammenhang wendet sich der Rat insbesondere gegen die Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 38 und 39 des angefochtenen Urteils, daß die Neueinstufung der Klägerinnen rückwirkend zum gleichen Zeitpunkt hätte erfolgen müssen wie die Neueinstufung aufgrund des Auswahlverfahrens B/228, d. h. zum 1. Januar 1991. Mit diesem Vorbringen greife das Gericht in die Befugnisse des Rates aus Artikel 176 des Vertrages ein, wonach das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last falle, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen habe; der Rat weist darauf hin, daß er insoweit über ein Ermessen verfüge.

15 Weiterhin führt der Rat aus, eine rückwirkende Neueinstufung zum 1. Januar 1991 stehe im Widerspruch zu Artikel 45 Absatz 2 des Statuts, der laute: "Der Übergang eines Beamten von einer Sonderlaufbahn oder einer Laufbahngruppe in eine andere Sonderlaufbahn oder eine höhere Laufbahngruppe ist nur auf Grund eines Auswahlverfahrens zulässig"; sie verletze auch den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die sechs erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228a ohne Erfolg am Auswahlverfahren B/228 teilgenommen hätten.

16 Der Gerichtshof hat entschieden, daß nach Artikel 176 des Vertrages das zuständige Organ dem Betroffenen gegenüber unter Beachtung der Prinzipien der anwendbaren Gemeinschaftsregelung alle Maßnahmen erlassen muß, die geeignet sind, den Nachteil, der dem Betroffenen aus der für nichtig erklärten Handlung entstanden ist, in angemessener Weise auszugleichen (vgl. Urteil vom 5. März 1980 in der Rechtssache 76/79, Könecke/Kommission, Slg. 1980, 665, Randnr. 15).

17 Wie sich aus den Randnummern 3 und 4 des angefochtenen Urteils ergibt, beschloß der Rat aufgrund des Urteils Raiola-Denti u. a./Rat, durch das die Maßnahmen, die in dem internen Auswahlverfahren B/228 nach der Zulassung der Bewerber zu den Prüfungen getroffen worden waren, aufgehoben wurden, zum einen die Entscheidungen über die Neueinstufung der 15 erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 aufrechtzuerhalten und zum anderen ein internes Auswahlverfahren B/228a für die Bewerber zu veranstalten, die die Prüfungen des Auswahlverfahrens B/228 nicht bestanden hatten. Die Prüfungen des Auswahlverfahrens B/228a entsprachen in ihrer Art und in den Modalitäten ihrer Bewertung denen des Auswahlverfahrens B/228. Im Dezember 1993 wurden die Klägerinnen, die die Prüfungen bestanden hatten, in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufgenommen. Beide Stellen wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1994 in die Besoldungsgruppe B 5 neueingestuft.

18 Was zunächst das Datum der Neueinstufung betrifft, so ist gemäß Artikel 45 Absatz 2 des Statuts der Übergang eines Beamten von einer Laufbahngruppe in eine höhere Laufbahngruppe nur aufgrund eines Auswahlverfahrens zulässig. Die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren ist somit eine unerläßliche Voraussetzung für die Ernennung eines Beamten in einer höheren Laufbahngruppe (vgl. Urteil vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 28/72, Tontodonati/Kommission, Slg. 1973, 779, Randnr. 8), die zum tatsächlichen Zeitpunkt der Ernennung erfuellt sein muß. Artikel 45 Absatz 2 des Statuts steht folglich einer Ernennung entgegen, die zu einem Zeitpunkt wirksam wird, der vor der erfolgreichen Teilnahme am Auswahlverfahren liegt.

19 Deshalb war im vorliegenden Fall, in dem die Klägerinnen erst Ende 1993 erfolgreich aus dem Auswahlverfahren hervorgegangen sind, ihre Neueinstufung mit Wirkung vom 1. Januar 1991 ausgeschlossen. Die in den Randnummern 38 bis 44 des angefochtenen Urteils enthaltene gegenteilige Feststellung ist somit unrichtig. Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils allein aus diesem Grund kommt jedoch nicht in Betracht.

20 Was sodann das Vorbringen des Rates betrifft, die Veranstaltung eines zweiten Auswahlverfahrens und die Neueinstufung der erfolgreichen Teilnehmer in die Besoldungsgruppe B 5 mit Wirkung vom 1. Januar 1994 genügten den Verpflichtungen aus Artikel 176 des Vertrages, so geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Parlament/Meskens, Randnr. 24) hervor, daß Artikel 176 des Vertrages der Verwaltung neben der Verpflichtung, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, die Verpflichtung auferlegt, den durch die für nichtig erklärte rechtswidrige Handlung möglicherweise bewirkten zusätzlichen Schaden zu ersetzen, sofern die Voraussetzungen des Artikels 215 Absatz 2 des Vertrages erfuellt sind. Artikel 176 des Vertrages macht den Ersatz des Schadens somit nicht davon abhängig, daß ein neuer, sich von der ursprünglichen rechtswidrigen und aufgehobenen Handlung unterscheidender Fehler vorliegt, sondern ordnet den Ersatz des Schadens an, der Folge dieser Handlung ist und nach ihrer Aufhebung und der Durchführung des Aufhebungsurteils durch die Verwaltung fortbesteht.

21 Da das Begehren der Klägerinnen auf den Ersatz eben des Schadens gerichtet ist, der sich aus der aufgehobenen rechtswidrigen Handlung ergibt, sind die ersten vier Rechtsmittelgründe zurückzuweisen.

Zum ersten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes

22 Mit dem ersten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes macht der Rat geltend, daß die Voraussetzungen für seine Haftung nicht erfuellt seien. Er habe bei der Durchführung des Urteils Raiola-Denti u. a./Rat nicht rechtswidrig gehandelt, so daß zwei der Haftungsvoraussetzungen, nämlich Schaden und Kausalitätszusammenhang, nicht erfuellt seien. Der Rat führt dazu aus, zwar hätten die Fehler die 71 Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 in gleicher Weise beeinträchtigt, doch ergebe sich daraus kein automatischer Anspruch auf Ersatz eines angeblichen Schadens, da ein Kausalzusammenhang zwischen dem genannten Fehler und dem Misserfolg in diesem ersten Auswahlverfahren nicht nachgewiesen sei.

23 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I-1981, Randnr. 42) ist bei einer Schadensersatzklage eines Beamten die Haftung der Gemeinschaft an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Die den Organen vorgeworfene Handlung muß rechtswidrig sein, es muß ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, und zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden muß ein Kausalzusammenhang bestehen.

24 Hinsichtlich der ersten Voraussetzung ergibt sich aus Randnummer 19 des vorliegenden Urteils, daß entgegen den Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 38 bis 44 des angefochtenen Urteils das rechtswidrige Verhalten nicht in der Weigerung des Rates besteht, die Klägerinnen mit Wirkung vom 1. Januar 1991 neueinzustufen, sondern in dem aufgehobenen ursprünglichen Rechtsakt, d. h. den Maßnahmen, die im internen Auswahlverfahren B/228 nach der Zulassung der Bewerber zu den Prüfungen getroffen wurden (vgl. Urteil Raiola-Denti u. a./Rat). Der nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts gestellte Antrag der Klägerinnen betrifft im übrigen nach den Feststellungen des Gerichts in Randnummer 6 des angefochtenen Urteils eben diesen Rechtsakt.

25 Hinsichtlich des Schadens ist sodann festzustellen, daß ein immaterieller Schaden, der darin bestehen soll, daß die Klägerinnen für längere Zeit über die Entwicklung ihrer Laufbahn im Ungewissen waren (Randnr. 50 des angefochtenen Urteils), jedenfalls nicht anerkannt werden kann. Denn zum einen betreffen die vom Gericht hierfür angeführten Gründe - "erhebliche Fehler im Ablauf der aufgrund des Auswahlverfahrens B/228 durchgeführten Prüfungen,... eine ernsthafte Beeinträchtigung des Rechts der Klägerinnen auf einen ordnungsgemässen Ablauf dieser Prüfungen und [der Umstand], daß der Rat die Gleichstellung der Klägerinnen mit ihren zum 1. Januar 1991 neueingestuften Kollegen zu einem Zeitpunkt ablehnte, als sie die aufgrund der Auswahlverfahren B/228a durchgeführten Prüfungen bereits bestanden hatten" - eher die Schwere der Fehler, die bereits zur Aufhebung der angefochtenen Handlungen durch das Urteil Raiola-Denti u. a./Rat geführt hat, nicht aber einen länger andauernden Zustand der Ungewißheit der Klägerinnen hinsichtlich der Entwicklung ihrer Laufbahn. Zum anderen hätte das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob ein immaterieller Schaden vorliegt, neben der Berücksichtigung der Dauer der Ungewißheit, in der sich die Klägerinnen befanden, auch prüfen müssen, ob ihre besondere Situation durch andere erschwerende Umstände gekennzeichnet war.

26 Da das Gericht dies nicht getan hat und die Klägerinnen sich im übrigen auch nicht auf derartige Umstände berufen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es ihnen einen Anspruch auf Ersatz des angeblich erlittenen immateriellen Schadens zuspricht.

27 Da der Rechtsstreit in diesem Punkt zur Entscheidung reif ist, ist der Antrag der Klägerinnen auf Ersatz eines immateriellen Schadens gemäß Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes zurückzuweisen.

28 Dagegen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die Beamten, die im ersten Auswahlverfahren B/228 nicht erfolgreich waren und wie die Klägerinnen am Auswahlverfahren B/228a mit Erfolg teilgenommen haben, dadurch einen materiellen Schaden erlitten haben, daß sie nicht mit Wirkung vom 1. Januar 1991 neueingestuft werden können und daß sich ihre Laufbahn künftig nicht ähnlich entwickeln wird wie die der erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 (vgl. Randnr. 47 des angefochtenen Urteils).

29 Was den insoweit erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem materiellen Schaden angeht, hat der Rat zu beweisen, daß der Misserfolg der Klägerinnen im ersten Auswahlverfahren und der sich daraus ergebende Schaden nicht auf den festgestellten Fehlern beruhen. Da dieser Beweis hier nicht erbracht worden ist, ist der erste Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes insoweit zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund und zum zweiten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes

30 Der Rat beanstandet schließlich mit seinem fünften Rechtsmittelgrund und dem zweiten Teil seines sechsten Rechtsmittelgrundes, daß das Gericht bei der Festlegung der zugesprochenen Beträge Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung verletzt habe, indem es einen neuen Umstand - die Entwicklung der Laufbahn der 15 erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens B/228 zwischen dem Tag der Klageerhebung und dem Tag der mündlichen Verhandlung - berücksichtigt habe. Ferner habe das Gericht den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt.

31 Zunächst ist der Rechtsmittelgrund einer Verletzung des Artikels 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts, der es verbietet, im Laufe des Verfahrens neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, ohne weiteres zurückzuweisen. Aus den Akten geht nämlich hervor, daß das Gericht die Klägerinnen am 26. Januar 1996 aufgefordert hat, den Differenzbetrag zwischen ihren Bezuegen bis zu ihrer Neueinstufung am 1. Januar 1994 und den Bezuegen, die sie erhalten hätten, wenn sie zusammen mit den erfolgreichen Teilnehmern des Auswahlverfahrens B/228 zum 1. Januar 1991 in die Besoldungsgruppe B 5 eingestuft worden wären, anzugeben. Da diese Aufforderung nach Artikel 64 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangen war, konnte sich dieses ohne Verletzung von Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung auf die Antworten stützen, zumal der Rat die Möglichkeit hatte, in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt Stellung zu nehmen.

32 Was den Rechtsmittelgrund einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., a. a. O., Randnr. 81) allein das Gericht dazu befugt, im Rahmen des Klageantrags über Art und Umfang des Schadensersatzes zu befinden. Die Urteile des Gerichts müssen jedoch ausreichend begründet sein, damit der Gerichtshof sie nachprüfen kann.

33 Im vorliegenden Fall kann der Gerichtshof den Ausführungen des Gerichts in Randnummer 51 des angefochtenen Urteils, der Schaden der Klägerinnen belaufe sich nach billigem Ermessen auf jeweils 500 000 BFR, nicht entnehmen, anhand welcher Kriterien dieser Betrag festgesetzt worden ist. Deshalb ist der Gerichtshof nicht in der Lage, zu beurteilen, ob das angefochtene Urteil in diesem Punkt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt.

34 Unter diesen Umständen ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als mit ihm die Entscheidungen des Rates vom 9. und 15. Juni 1994 und vom 4. Januar 1995 aufgehoben wurden und der Rat zur Zahlung von 500 000 BFR an jede Klägerin als Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens verurteilt wurde.

Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

35 Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes bestimmt: "Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen."

36 Da der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags der Klägerinnen auf Ersatz eines materiellen Schadens nicht zur Entscheidung reif ist, ist die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Nummern 1, 2 und 4 des Tenors des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juni 1996 in der Rechtssache T-91/95 (De Nil und Impens/Rat) werden aufgehoben.

2. Der Antrag der Klägerinnen auf Ersatz eines immateriellen Schadens wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtssache wird zur Entscheidung über den Antrag der Klägerinnen auf Ersatz eines materiellen Schadens an das Gericht zurückverwiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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