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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: C-26/04
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 76/160/EWG vom 8. Dezember 1975, Richtlinie 79/923/EWG Art. 5 vom 30. Oktober 1979


Vorschriften:

EG Art. 226
Richtlinie 76/160/EWG vom 8. Dezember 1975 Art. 1 Abs. 2 Buchst. a
Richtlinie 76/160/EWG vom 8. Dezember 1975 Art. 4 Abs. 1
Richtlinie 79/923/EWG Art. 5 vom 30. Oktober 1979
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C-26/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 27. Januar 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch G. Valero Jordana als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien , vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juli 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. 1976, L 31, S. 1) bzw. Artikel 5 der Richtlinie 79/923/EWG des Rates vom 30. Oktober 1979 über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer (ABl. L 281, S. 47) verstoßen hat, dass es zum einen die Strände "Vilela/A Videira", "Niño do Corvo" und "Canabal" in der Gemeinde Moaña, Provinz Pontevedra, Autonome Region Galicien, nicht als Badegewässer amtlich ausgewiesen und zum anderen für die Ría de Vigo kein Programm zur Verringerung der Verschmutzung aufgestellt hat.

Rechtlicher Rahmen

2. Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 76/160 definiert "Badegewässer" als

"die fließenden oder stehenden Binnengewässer oder Teile dieser Gewässer sowie Meerwasser, in denen das Baden

- von den zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats ausdrücklich gestattet ist oder

- nicht untersagt ist und in denen üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet".

3. Nach Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie legen die Mitgliedstaaten für alle Badegebiete oder für jedes einzelne Badegebiet die auf Badegewässer anwendbaren Werte für die im Anhang der Richtlinie aufgeführten Parameter fest.

4. Artikel 4 Absatz 1 der genannten Richtlinie sieht vor:

"Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie den gemäß Artikel 3 festgelegten Grenzwerten entspricht."

5. Artikel 1 der Richtlinie 79/923 lautet:

"Diese Richtlinie betrifft die Qualität von Muschelgewässern und ist auf Küstengewässer und Gewässer mit Brackwasser anzuwenden, die von den Mitgliedstaaten als schutz- oder verbesserungsbedürftig bezeichnet werden, um Muscheln und Schnecken (Bivalvia und Gastropoda) Lebens- und Wachstumsmöglichkeiten zu bieten und auf diese Weise zur Qualität der vom Menschen unmittelbar verzehrbaren Muschelerzeugnisse beizutragen."

6. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/923 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten bezeichnen Muschelgewässer erstmals binnen zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie."

7. Artikel 5 der Richtlinie 79/923 sieht vor:

"Die Mitgliedstaaten stellen Programme auf, um die Verschmutzung zu verringern und sicherzustellen, dass die bezeichneten Gewässer binnen sechs Jahren nach der entsprechend Artikel 4 vorgenommenen Bezeichnung den von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 festgelegten Werten sowie den Bemerkungen in den Spalten G und I des Anhangs entsprechen."

8. Unter Parameter 10 des Anhangs ("Fäkalcoliforme 100 ml") der Richtlinie 79/923 wird ein Referenzwert von "= 300 im Muschelfleisch und in der Flüssigkeit zwischen den Schalen" angegeben. Dieser Wert findet sich in der Spalte "G" des genannten Anhangs, wodurch ihm nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie gegenüber den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Bedeutung eines Richtwerts und nicht eines imperativen Wertes zukommt.

9. Allerdings sieht Fußnote 1, die sich auf den genannten Parameter 10 bezieht, vor: "Bis zur Verabschiedung einer Richtlinie über den Schutz der Verbraucher von Muschelerzeugnissen müsste dieser Wert jedoch in den Gewässern zwingend eingehalten werden, in denen vom Menschen unmittelbar verzehrbare Muscheln leben."

10. Da Artikel 395 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23) in Bezug auf die Richtlinien 76/160 und 79/923 keine Abweichung zugunsten des Königreichs Spanien vorsieht, musste die Qualität der spanischen Badegewässer vom 1. Januar 1986 an den durch die Richtlinie 76/160 festgesetzten Grenzwerten entsprechen und mussten die in Artikel 5 der Richtlinie 79/923 aufgeführten Programme bis spätestens 30. Oktober 1987 aufgestellt sein.

Vorverfahren

11. Da die Kommission der Auffassung war, das Königreich Spanien habe gegen seine Verpflichtungen aus den Richtlinien 76/160 und 79/923 verstoßen, leitete sie gegen diesen Mitgliedstaat das in Artikel 226 EG vorgesehene Vertragsverletzungsverfahren ein, indem sie am 25. Januar 2001 ein Mahnschreiben an ihn richtete.

12. Nachdem die Kommission die von der spanischen Regierung in ihrer Antwort auf dieses Schreiben vorgebrachten Argumente verworfen hatte, forderte sie das Königreich Spanien in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 1. Juli 2002 auf, dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten ab Zugang nachzukommen.

13. Da die spanische Regierung auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme nicht reagierte, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Erste Rüge: Verletzung der Richtlinie 76/160

14. Wie die Kommission in ihrer Erwiderung ausführt, besteht die dem Königreich Spanien mit dieser ersten Rüge vorgeworfene Vertragsverletzung darin, dass es drei Strände der galicischen Küste nicht als Badegewässer ausgewiesen habe, und nicht in der Nichteinhaltung der in der Richtlinie 76/160 festgelegten imperativen Grenzwerte.

15. Nun verpflichtet Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 die Mitgliedstaaten aber nicht ausdrücklich, Strände oder andere Orte amtlich als Badegebiete auszuweisen.

16. Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 76/160 definiert vielmehr "Badegewässer" als Gewässer, in denen das Baden entweder von den zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats ausdrücklich gestattet ist oder in denen es nicht untersagt ist und üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet. Aus dem zweiten Teil dieser Definition ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten das Baden in einigen Gewässern tolerieren dürfen, ohne diese notwendigerweise als Badegebiete auszuweisen.

17. Wie der Generalanwalt in Nummer 14 seiner Schlussanträge ausführt, wird das Fehlen einer Verpflichtung zur amtlichen Ausweisung der betreffenden Gewässer in der Richtlinie 76/160 durch die Tatsache bekräftigt, dass andere Richtlinien zum Schutz von Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung sehr wohl ausdrückliche Bestimmungen enthalten, die die Mitgliedstaaten zur amtlichen Ausweisung oder zur Erfassung bestimmter Gebiete oder Gewässer bis zu einem bestimmten Datum verpflichten.

18. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 verpflichtet die Mitgliedstaaten demnach nicht - wie von der Kommission behauptet - zur amtlichen Ausweisung von Badegebieten.

19. Folglich ist die erste Rüge unbegründet und daher zurückzuweisen.

Zweite Rüge: Verletzung von Artikel 5 der Richtlinie 79/923

20. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Gewässer der Ría de Vigo vom Königreich Spanien nach Artikel 4 der Richtlinie 79/923 als Muschelgewässer ausgewiesen worden sind.

21. In seiner Klagebeantwortung weist das Königreich Spanien in erster Linie darauf hin, dass der Geltungsbereich der genannten Richtlinie, wie in ihrem Artikel 1 festgelegt, auf Gewässer beschränkt sei, in denen "vom Menschen unmittelbar verzehrbare" Muscheln und Schnecken lebten. Einziges Ziel der Richtlinie sei die Verbesserung der Qualität von Gewässern, die zur Zucht von vom Menschen unmittelbar verzehrbaren Muscheln und Schnecken bestimmt seien. Nach Ansicht des Königreichs Spanien ist kein Gebiet der Ría de Vigo Erzeugungsgebiet für zum unmittelbaren Verzehr durch den Menschen bestimmte Muscheln und Schnecken. In der Ría de Vigo würden nämlich ausschließlich Muscheln und Schnecken erzeugt, die einer reinigenden Behandlung unterzogen würden oder vor Verzehr umgesetzt würden. Die Nichteinhaltung des in der Richtlinie 79/923 vorgesehenen Referenzwerts stelle daher keinen Verstoß gegen Artikel 5 dieser Richtlinie dar.

22. Diesem Argument kann nicht gefolgt werden. Artikel 1 der Richtlinie 79/923 sieht nämlich vor, dass diese auf Küstengewässer und Gewässer mit Brackwasser anzuwenden ist, die von den Mitgliedstaaten als schutz- oder verbesserungsbedürftig bezeichnet werden, um Muscheln und Schnecken Lebens- und Wachstumsmöglichkeiten zu bieten "und auf diese Weise zur Qualität der vom Menschen unmittelbar verzehrbaren Muschelerzeugnisse beizutragen". Mit dem Satzteil "und auf diese Weise zur Qualität der vom Menschen unmittelbar verzehrbaren Muschelerzeugnisse beizutragen" wird, wie der Generalanwalt in Nummer 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Geltungsbereich der Richtlinie nicht auf dieses Ziel beschränkt, sondern es wird vielmehr auf ein weiteres Ziel hingewiesen, das mit denselben Mitteln erreicht werden kann, wobei die Formulierung "auf diese Weise" in diesem Zusammenhang entscheidend ist. Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass die Richtlinie auf alle Muschelgewässer anwendbar ist, unabhängig davon, ob die darin lebenden Muscheln oder Schnecken zum unmittelbaren Verzehr durch den Menschen oder zum Verzehr nach einer Behandlung bestimmt sind.

23. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Fußnote 1, die sich auf den in Anhang II der Richtlinie 79/923 genannten Parameter 10 bezieht, bestätigt. Diese Fußnote besagt, dass der Richtwert für Coliforme "in den Gewässern ..., in denen vom Menschen unmittelbar verzehrbare Muscheln leben", für gewisse Zeit als imperativer Wert zu betrachten ist. Daraus ergibt sich, dass der festgelegte Wert im Hinblick auf die Gewässer, in denen vom Menschen nicht unmittelbar verzehrbare Muscheln leben, den Charakter eines Richtwerts behält, was darauf hinweist, dass diese Richtlinie sehr wohl auf solche Gewässer anwendbar ist.

24. Diese Auslegung steht auch mit dem Ziel der Richtlinie 79/923, wie es aus deren Präambel hervorgeht, im Einklang. Insbesondere aus der ersten, der dritten, der siebten und der zehnten Begründungserwägung dieser Richtlinie ergibt sich nämlich, dass diese den Schutz der Qualität von Muschelgewässern allgemein bezweckt, unabhängig davon, ob die darin lebenden Muscheln und Schnecken zum unmittelbaren Verzehr durch den Menschen bestimmt sind oder nicht.

25. Daraus folgt, dass die Richtlinie 79/923 gemäß ihrem Artikel 1 auf die Gewässer der Ría de Vigo anwendbar ist.

26. Das Königreich Spanien macht hilfsweise geltend, dass es ein umfassendes Programm zur Verringerung der Verschmutzung in der Ría de Vigo aufgestellt habe und dass ein Programm für Maßnahmen zur schrittweisen Verringerung der Verschmutzung festgelegt worden sei. Daher hätten sich die spanischen Behörden entsprechend Artikel 5 der Richtlinie 79/923 verhalten.

27. Die Kommission bestreitet nicht, dass es diese Programme gibt, ist jedoch der Ansicht, dass es sich um allgemeine Programme zur Behandlung von Abwasser handle, die die Kriterien für besonders auf Muschelgewässer abzielende Programme zur Verringerung der Verschmutzung im Sinne von Artikel 5 der Richtlinie 79/923 nicht erfüllten.

28. Aus dem Urteil vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-298/95 (Kommission/Deutschland, Slg. 1996, I-6747, Randnr. 24) ergibt sich, dass Artikel 5 der Richtlinie 79/923 die Mitgliedstaaten zur Aufstellung besonderer Programme verpflichtet, die darauf abzielen, die Verschmutzung von Muschelgewässern zu verringern.

29. Da die vom Königreich Spanien in seiner Klagebeantwortung erwähnten Programme zur Verringerung der Verschmutzung keine besonderen Programme waren, die darauf abzielen, die Verschmutzung von Muschelgewässern zu verringern, liegt die vorgeworfene Vertragsverletzung vor.

30. Die zweite von der Kommission erhobene Rüge ist daher begründet.

31. Folglich hat das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 5 der Richtlinie 79/923 verstoßen, dass es kein Programm zur Verringerung der Verschmutzung der Muschelgewässer der Ría de Vigo aufgestellt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

32. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Kommission und das Königreich Spanien mit ihrem Vorbringen teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, haben sie jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 5 der Richtlinie 79/923/EWG des Rates vom 30. Oktober 1979 über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer verstoßen, dass es kein Programm zur Verringerung der Verschmutzung der Muschelgewässer der Ría de Vigo aufgestellt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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