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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: C-26/05
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung, Richtlinie 94/62/EG


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 104 § 3 Abs. 2
Richtlinie 94/62/EG Art. 3 Nr 1
Richtlinie 94/62/EG Art. 3 Nr 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

16. Februar 2006

"Artikel 104 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung - Richtlinie 94/62/EG - Verpackungen und Verpackungsabfälle - Begriffe Verpackungshersteller und Hersteller von Verpackungsmaterialien - Hersteller von Kunststofftragetaschen"

Parteien:

In der Rechtssache C-26/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landesgericht Korneuburg (Österreich) mit Entscheidung vom 13. Januar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar 2005, in dem Verfahren

Plato Plastik Robert Frank GmbH

gegen

Caropack Handelsgesellschaft mbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet, S. von Bahr und U. Lõhmus,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts von der Absicht des Gerichtshofes, gemäß Artikel 104 § 3 Absatz 2 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 365, S. 10) und weiterer Gemeinschaftsvorschriften.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Plato Plastik Robert Frank GmbH (im Folgenden: Plato Plastik), einem Hersteller und Vertreiber von Kunststofftragetaschen, und der Caropack Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: Caropack), die sie in Verkehr bringt, wegen deren Weigerung, eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass sie dem Sammel- und Verwertungssystem für Verpackungsabfälle angeschlossen ist. Dieser Rechtsstreit gab bereits Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen, das dem Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-341/01 (Plato Plastik Robert Frank, Slg. 2004, I-4883) zugrunde liegt.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 In der 29. Begründungserwägung der Richtlinie 94/62 heißt es: "Von größter Wichtigkeit ist, dass allen an der Herstellung, Verwendung, Einfuhr und Verteilung von Verpackungen und verpackten Erzeugnissen Beteiligten stärker bewusst wird, in welchem Maße die Verpackungen zu Abfall werden, und dass sie nach dem Verursacherprinzip die Verantwortung für diesen Abfall übernehmen."

4 Die Richtlinie 94/62 bezweckt nach ihrem Artikel 1 Absatz 1, die Vorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft zu harmonisieren. Sie zielt darauf ab, einerseits Auswirkungen dieser Abfälle in allen Mitgliedstaaten und in dritten Ländern auf die Umwelt zu vermeiden und diese Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und zu verhindern, dass es in der Europäischen Gemeinschaft zu Handelshemmnissen sowie Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen kommt.

5 Artikel 3 Nummer 1 Absatz 1 der Richtlinie definiert den Begriff "Verpackung" als

"aus beliebigen Stoffen hergestellte Produkte zur Aufnahme, zum Schutz, zur Handhabung, zur Lieferung und zur Darbietung von Waren, die vom Rohstoff bis zum Verarbeitungserzeugnis reichen können und vom Hersteller an den Benutzer oder Verbraucher weitergegeben werden. Auch alle zum selben Zweck verwendeten 'Einwegartikel' sind als Verpackungen zu betrachten."

6 Nach Artikel 3 Nummer 11 sind im Sinne der Richtlinie "Marktteilnehmer" im Zusammenhang mit Verpackungen "Lieferanten von Verpackungsmaterialien, Verpackungshersteller und Verwertungsbetriebe, Abfüller und Benutzer, Importeure, Händler und Vertreiber, staatliche Stellen und öffentlich-rechtliche Organisationen".

7 Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 94/62 lautet wie folgt:

"Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für

a) die Rücknahme und/oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher oder jedem anderen Endabnehmer bzw. aus dem Abfallaufkommen mit dem Ziel einer bestmöglichen Entsorgung;

b) die Wiederverwendung oder Verwertung - einschließlich der stofflichen Verwertung - der gesammelten Verpackungen und/oder Verpackungsabfälle,

um die Zielvorgaben dieser Richtlinie zu erfüllen.

An diesen Systemen können sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen. ..."

Nationales Recht

8 Die Richtlinie 94/62 wurde durch die Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten und die Einrichtung von Sammel- und Verwertungssystemen (BGBl. Nr. 648/1996, im Folgenden: Verpackungsverordnung) in österreichisches Recht umgesetzt.

9 Der Verpackungsverordnung unterliegt nach ihrem § 1 u. a., wer im Inland Verpackungen oder Erzeugnisse, aus denen unmittelbar Verpackungen hergestellt werden, herstellt oder in Verkehr bringt oder auch wer Verpackungen, Waren oder Güter in Verpackungen zu ihrem Ge- oder Verbrauch erwirbt oder importiert.

10 § 3 der Verpackungsverordnung betrifft die Pflichten der Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von Transport- und Verkaufsverpackungen im Rahmen der stofflichen Verwertung. Nach § 3 Absätze 1 und 3 sind diese verpflichtet, Verpackungen nach Gebrauch unentgeltlich zurückzunehmen. In § 3 Absatz 5 ist jedoch vorgesehen, dass, wenn diese Verpflichteten an einem Sammel- und Verwertungssystem für Verpackungsabfälle teilnehmen, die Verpflichtungen der Rücknahme auf den Betreiber dieses Systems übergehen. Nach § 3 Absatz 7 kann in dem Fall, dass diese Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von Verpackungen nicht an einem solchen System teilnehmen, auch ein Marktteilnehmer einer vorgelagerten oder nachfolgenden Vertriebsstufe daran teilnehmen. In diesem Fall ist den genannten Verpflichteten ein schriftlicher Nachweis über ihre Teilnahme an diesem System zu übermitteln.

Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfragen

11 Plato Plastik produziert und vertreibt u. a. Kunststofftragetaschen. Sie liefert sie an Caropack, die sie in Verkehr bringt. Ein Teil dieser Tragetaschen wird in Selbstbedienungslebensmittelgeschäften zum Kauf angeboten. In der Nähe der Kassen aufgehängt, werden diese Tragetaschen den Kunden auf Verlangen gegen gesonderte Bezahlung ausgehändigt. Ein anderer Teil dieser Taschen wird in Textilgeschäften verwendet. Ein Angestellter des Geschäfts legt die erworbenen Waren in die betreffende Tragetasche, ohne dass der Kunde für diese ein gesondertes Entgelt bezahlen muss.

12 Nach der Verpackungsverordnung wird Plato Plastik in ihrer Eigenschaft als Herstellerin solcher Taschen als Verpackungshersteller angesehen, der verpflichtet ist, die Verpackungen nach Gebrauch entweder selbst unentgeltlich zurückzunehmen oder sich einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen anzuschließen. Anstatt sich selbst einem derartigen System anzuschließen, hat Plato Plastik diese Verpflichtung vertraglich auf Caropack übertragen.

13 Plato Plastik trägt vor, dass sich Caropack im Rahmen dieses Vertrages dazu verpflichtet habe, ihr eine schriftliche Bestätigung darüber zu erteilen, dass sie hinsichtlich der Kunststofftragetaschen, die ihr geliefert würden, diesem Sammel- und Verwertungssystem angeschlossen sei. Caropack weigerte sich jedoch, das verlangte Schriftstück auszustellen, und machte geltend, dass Kunststofftragetaschen keine Verpackungen im Sinne der Verpackungsverordnung und der Richtlinie 94/62 seien.

14 Plato Plastik beantragte beim Landesgericht Korneuburg, Caropack zu verurteilen, ihr den verlangten Nachweis zu erteilen. Dieses Gericht stellte mit einem ersten Vorabentscheidungsersuchen vom 4. September 2001 dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen nach der Auslegung insbesondere der Richtlinie 94/62. Der Gerichtshof hat im genannten Urteil Plato Plastik Robert Frank einige dieser Fragen für unzulässig erklärt und dann für Recht erkannt, dass Artikel 3 Nummer 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass den Kunden in einem Geschäft unentgeltlich oder gegen Entgelt überlassene Kunststofftragetaschen Verpackungen im Sinne dieser Richtlinie sind und dass der Begriff Hersteller im Kontext des Artikels 3 Nummer 1 Absatz 1 der Richtlinie den Hersteller der Waren, nicht aber den Hersteller der Verpackungserzeugnisse erfasst.

15 Da das Landesgericht Korneuburg der Auffassung ist, durch diese Antworten keine ausreichenden Erklärungen erhalten zu haben, hat es das Verfahren erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist im Sinne der Richtlinie 94/62 der Hersteller einer Verkaufs-, Um- oder Transportverpackung, also Verpackungshersteller, stets derjenige, der im Rahmen der Ausübung seiner Berufstätigkeit Waren mit dem zur Verpackung bestimmten Produkt mittelbar oder unmittelbar in Verbindung bringt oder bringen lässt, und trifft dies auch auf Tragetaschen zu? Ist also der Hersteller (Lieferant) der im Artikel 3 Nummer 1 Absatz 1 bezeichneten Produkte, also von Produkten, die zur Aufnahme, zum Schutz, zur Handhabung, zur Lieferung und zur Darbietung von Waren verwendet werden, und von zum selben Zweck verwendeten Einwegartikeln Hersteller (Lieferant) von Verpackungsmaterialien (Verpackungserzeugnissen) und nicht der Hersteller einer Verkaufs-, Um- oder Transportverpackung (Verpackungshersteller: vergleiche die entsprechenden Begriffe im Artikel 3 Nummer 11 der Richtlinie)?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 bejaht wird: Ist demnach der Hersteller einer Tragetasche nicht Hersteller einer Verkaufs-, Um- oder Transportverpackung, sondern Hersteller von Verpackungsmaterialien (Verpackungserzeugnissen)?

3. Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird: Widerspricht es dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz, dem Verbot einer sachlich nicht gerechtfertigten Einschränkung der Erwerbsfreiheit und dem Verbot der Schaffung von Wettbewerbsverzerrungen, wenn in der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats unter Androhung von Strafen vorgesehen ist, dass der Hersteller von Verpackungsmaterialien, insbesondere von Tragetaschen, diese entweder zurücknehmen oder diesbezüglich an einem Sammel- und Verwertungssystem teilnehmen muss, es sei denn, dass ein Marktteilnehmer einer nachgelagerten Vertriebsstufe diese Verpflichtung übernimmt und dem Hersteller der Verpackungsmaterialien hierüber eine rechtswirksame Erklärung übermittelt?

Zu den Vorabentscheidungsfragen

16 Mit seinen Fragen ersucht das vorlegende Gericht um Erläuterungen zur Auslegung der Begriffe "Verpackungshersteller" und "Hersteller von Verpackungsmaterialien" im Sinne der Richtlinie 94/62, um feststellen zu können, ob ein Hersteller von Kunststofftragetaschen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verpflichtet werden kann, entweder die betreffenden Taschen nach Gebrauch zurückzunehmen oder an einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen teilzunehmen.

17 Das vorlegende Gericht geht von der Prämisse aus, dass der Gerichtshof in seinem genannten Urteil Plato Plastik Robert Frank über die Verpflichtungen der Verpackungshersteller im Rahmen der Verwertung, nicht aber über die Verpflichtungen der Hersteller von Verpackungsmaterialien befunden hat. Sei Plato Plastik als Hersteller von Verpackungsmaterialien und nicht als Verpackungshersteller anzusehen, so sei fraglich, ob sie verpflichtet werden dürfe, entweder die Kunststofftragetaschen, die sie geliefert habe, nach Gebrauch zurückzunehmen oder an einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen teilzunehmen.

18 Das genannte Urteil Plato Plastik Robert Frank betrifft die Auslegung von Artikel 3 Nummer 1 der Richtlinie 94/62, die den Begriff Verpackung definiert. Daher hat sich der Gerichtshof in diesem Urteil darauf beschränkt, diesen Begriff auszulegen, indem er festgestellt hat, dass er die den Kunden in einem Geschäft unentgeltlich oder gegen Entgelt überlassenen Kunststofftragetaschen umfasst. Er hat außerdem für Recht erkannt, dass der Begriff Hersteller im Kontext des Artikels 3 Nummer 1 Absatz 1 der Richtlinie 94/62 den Hersteller der Waren, nicht aber den Hersteller der Verpackungserzeugnisse erfasst. Der Gerichtshof hat sich weder zu den Verpflichtungen der Verpackungshersteller im Rahmen der stofflichen Verwertung noch zu denen der Hersteller von Verpackungsmaterialien und erst recht nicht zu einer Unterscheidung ihrer jeweiligen Verpflichtungen geäußert.

19 Dem vorlegenden Gericht kann jedoch eine nützliche Antwort gegeben werden, indem der Wortlaut der Richtlinie 94/62 und die Definition des Begriffes Verpackung, wie er sich aus dem genannten Urteil ergibt, zugrunde gelegt werden.

20 Da der Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Beantwortung der vorgelegten Fragen keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, hat er das vorlegende Gericht nach Artikel 104 § 3 Absatz 2 seiner Verfahrensordnung von seiner Absicht, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, unterrichtet und den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

21 Die belgische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben angegeben, insoweit keine Einwände zu haben. Die übrigen Beteiligten haben innerhalb der Fristen keine Erklärungen eingereicht.

Zu den ersten beiden Fragen

22 Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Hersteller von Kunststofftragetaschen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als Verpackungshersteller im Sinne von Artikel 3 Nummer 11 der Richtlinie 94/62 oder als Hersteller von Verpackungsmaterialien anzusehen ist. Es fragt sich nämlich, ob der Begriff Verpackungshersteller im Zusammenhang dieser Richtlinie denjenigen erfasst, der im Rahmen der Ausübung seiner Berufstätigkeit Waren mit dem zur Verpackung bestimmten Produkt in Verbindung bringt oder bringen lässt, nicht aber denjenigen, der die Verpackungsmaterialien herstellt oder liefert.

23 Vorab ist festzustellen, dass die Richtlinie 94/62 keinen Unterschied zwischen der Rechtsstellung der Verpackungshersteller und derjenigen der Hersteller von Verpackungsmaterialien macht. Sie sieht in ihrem Artikel 7 Absatz 1 vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für die Rücknahme, die Sammlung und die Verwertung von Verpackungen und Verpackungsabfällen ergreifen, an denen "sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige beteiligen [können]". Nach Artikel 3 Nummer 11 der Richtlinie sind solche Marktteilnehmer die Lieferanten von Verpackungsmaterialien wie auch die Hersteller.

24 Der Begriff Verpackungshersteller im Sinne des Artikels 3 Nummer 11 der Richtlinie umfasst denjenigen, der ein Produkt herstellt, das als Verpackung betrachtet wird. Nach dem genannten Urteil Plato Plastik Robert Frank sind den Kunden in einem Geschäft unentgeltlich oder gegen Entgelt überlassene Kunststofftragetaschen Verpackungen im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 der Richtlinie.

25 Der von den Parteien des Ausgangsverfahrens in diesem Zusammenhang vertretenen Ansicht, dass Verpackungshersteller derjenige sei, der Waren mit dem zur Verpackung bestimmten Produkt in Verbindung bringe oder bringen lasse, kann nicht gefolgt werden.

26 Dieser Ansicht liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, dass ein Verpackungserzeugnis oder ein Verpackungsmaterial erst dann zu einer "fertigen" Verpackung werde, wenn es mit den Waren, für die es bestimmt sei, in Verbindung gebracht werde. In seinem Urteil Plato Plastik Robert Frank hat der Gerichtshof aber in keiner Weise eine Unterscheidung nach dem Verwendungsstadium der Verpackung vorgenommen. Mit der Feststellung, dass die Kunststofftragetaschen den Kunden in Geschäften überlassen würden, hat der Gerichtshof nur verdeutlicht, um welche Art von Taschen es im Ausgangsverfahren ging.

27 Es wäre nämlich gekünstelt, Verpackungserzeugnisse und "fertige" Verpackungen unterschiedlich zu behandeln, wenn es sich um Erzeugnisse wie Kunststofftragetaschen handelt, für die bei ihrer Befüllung mit den Waren, für die sie bestimmt sind, keine ergänzende Maßnahme der Herstellung oder Handhabung erforderlich ist. Die Ansicht der Parteien des Ausgangsverfahrens liefe außerdem der in den Randnummern 56 und 57 des Urteils Plato Plastik Robert Frank in Erinnerung gerufenen weiten Auslegung des Begriffes Verpackung zuwider, die durch das Ziel der Richtlinie 94/62, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, gerechtfertigt ist.

28 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass derjenige, der Waren mit dem zur Verpackung bestimmten Produkt in Verbindung bringt oder bringen lässt, in vielen Fällen als Abfüller im Sinne des Artikels 3 Nummer 11 der Richtlinie 94/62 anzusehen ist.

29 Angesichts des Vorstehenden ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Artikel 3 Nummern 1 und 11 der Richtlinie 94/62 dahin auszulegen ist, dass Verpackungshersteller nicht notwendigerweise derjenige ist, der Waren mit dem zur Verpackung bestimmten Produkt in Verbindung bringt oder bringen lässt. Der Hersteller von Kunststofftragetaschen, die den Kunden in Geschäften unentgeltlich oder gegen Entgelt überlassen werden, ist als Verpackungshersteller anzusehen.

Zur dritten Frage

30 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Gleichheitsgrundsatz, das Verbot einer sachlich nicht gerechtfertigten Einschränkung der Erwerbsfreiheit und das Verbot von Wettbewerbsverzerrungen einer nationalen Regelung wie der Verpackungsverordnung entgegensteht, die vorsieht, dass der Hersteller von Verpackungsmaterialien, insbesondere von Kunststofftragetaschen, entweder diese Taschen nach Gebrauch zurücknehmen oder an einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen teilnehmen muss, es sei denn, ein Marktteilnehmer einer nachgelagerten Vertriebsstufe übernimmt die letztgenannte Verpflichtung und übermittelt diesem Hersteller hierüber eine rechtswirksame Erklärung.

31 Das vorlegende Gericht hat diese Frage hilfsweise für den Fall gestellt, dass die Frage, ob der Hersteller von Kunststofftragetaschen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden kein Verpackungshersteller, sondern ein Hersteller von Verpackungsmaterialien ist, bejaht wird. Unter Berücksichtigung der Antwort auf die ersten beiden Fragen brauchte daher über die dritte Frage an sich nicht entschieden zu werden.

32 Da die Formulierung dieser Frage jedoch teilweise auf die in Randnummer 17 des vorliegenden Beschlusses angeführte Prämisse hinsichtlich der jeweiligen Verpflichtungen der Verpackungshersteller und der Hersteller von Verpackungsmaterialien gegründet ist, ist diese Frage, um dem vorliegenden Gericht eine nützliche Antwort zu erteilen und im Licht der Beantwortung der ersten beiden Fragen, dahin auszulegen, dass sie sich auf die Verpflichtungen zur Rücknahme, zur Sammlung und zur Verwertung von Verpackungsabfällen eines Herstellers von Kunststofftragetaschen in seiner Eigenschaft als Verpackungshersteller bezieht.

33 Insoweit ist es nach Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 94/62 Sache der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für die Rücknahme, die Sammlung und die Verwertung von Verpackungen und Verpackungsabfällen zu ergreifen. "An diesen Systemen können sich" nach dieser Bestimmung "alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen." Daher verfügen die Mitgliedstaaten über ein Ermessen bei der Bestimmung darüber, welche Wirtschaftsteilnehmer sich an diese Systeme anschließen müssen.

34 Außerdem ist es nach der 29. Begründungserwägung der Richtlinie 94/62 von größter Wichtigkeit, dass alle insbesondere an der Herstellung der Verpackungen Beteiligten ihre Verantwortung nach dem Verursacherprinzip übernehmen.

35 Daraus kann abgeleitet werden, dass eine nationale Regelung, die einen Hersteller von Kunststofftragetaschen verpflichtet, entweder diese Taschen nach Gebrauch zurückzunehmen oder an einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen teilzunehmen, es sei denn, ein Marktteilnehmer einer nachgelagerten Vertriebsstufe übernimmt die letztgenannte Verpflichtung, mit den Zielen der Richtlinie 94/62 in Einklang steht.

36 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen braucht über die übrigen vom vorlegenden Gericht angeführten Aspekte des Gemeinschaftsrechts nicht entschieden zu werden.

37 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 94/62 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der Verpackungsverordnung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass der Verpackungshersteller, insbesondere der Hersteller von Kunststofftragetaschen, entweder diese Taschen nach Gebrauch zurücknehmen oder an einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen teilnehmen muss, es sei denn, ein Marktteilnehmer einer nachgelagerten Vertriebsstufe übernimmt die letztgenannte Verpflichtung und übermittelt diesem Hersteller hierüber eine rechtswirksame Erklärung.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) beschlossen:

1. Artikel 3 Nummern 1 und 11 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle ist dahin auszulegen, dass Verpackungshersteller nicht notwendigerweise derjenige ist, der Waren mit dem zur Verpackung bestimmten Produkt in Verbindung bringt oder bringen lässt. Der Hersteller von Kunststofftragetaschen, die den Kunden in Geschäften unentgeltlich oder gegen Entgelt überlassen werden, ist als Verpackungshersteller anzusehen.

2. Die Richtlinie 94/62 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten und die Einrichtung von Sammel- und Verwertungssystemen nicht entgegensteht, die vorsieht, dass der Verpackungshersteller, insbesondere der Hersteller von Kunststofftragetaschen, entweder diese Taschen nach Gebrauch zurücknehmen oder an einem System der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen teilnehmen muss, es sei denn, ein Marktteilnehmer einer nachgelagerten Vertriebsstufe übernimmt diese Verpflichtung und übermittelt diesem Hersteller hierüber eine rechtswirksame Erklärung.



Ende der Entscheidung

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