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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.09.2007
Aktenzeichen: C-260/04
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 43
EG Art. 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

13. September 2007

"Vertragsverletzung - Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr - Öffentliche Dienstleistungskonzessionen - Erneuerung von 329 Konzessionen für die Annahme und Abwicklung von Pferdewetten, ohne Ausschreibungsverfahren durchzuführen - Publizitäts- und Transparenzgebot"

Parteien:

In der Rechtssache C-260/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 17. Juni 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Wiedner, C. Cattabriga und L. Visaggio als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. de Bellis, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Königreich Spanien, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters E. Juhász, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter) und J. Malenovský,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. März 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag, insbesondere gegen den allgemeinen Transparenzgrundsatz und das Publizitätsgebot gemäß den Art. 43 EG und 49 EG, verstoßen hat, indem sie 329 Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten erneuert hat, ohne Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

Rechtlicher Rahmen

Nationales Recht

2 Die Annahme von Pferdewetten war in Italien ursprünglich der Unione nazionale per l'incremento delle razze equine (Nationalverband zur Verbesserung der Pferderassen, im Folgenden: UNIRE) vorbehalten, die wählen konnte, ob sie die Wettannahmedienstleistungen unmittelbar erbringen oder Dritte damit betrauen wollte. Die UNIRE vergab diese Dienstleistungen an Pferdewettagenturen.

3 Das Gesetz Nr. 662 vom 23. Dezember 1996 (Ordentliche Beilage zum GURI Nr. 303 vom 28. Dezember 1996) erteilte dann die Zuständigkeit für die Veranstaltung und Abwicklung von Spielen und Wetten im Zusammenhang mit Pferderennen dem Finanzministerium und dem Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, die ermächtigt wurden, die entsprechenden Maßnahmen selbst oder durch von ihnen benannte öffentliche Einrichtungen, Gesellschaften oder Buchmacher zu treffen. Nach Art. 3 Abs. 78 dieses Gesetzes sollte das Spiel- und Wettwesen im Zusammenhang mit Pferderennen hinsichtlich der organisatorischen und funktionalen sowie der steuer- und sanktionsrechtlichen Aspekte und hinsichtlich der Verteilung der Einnahmen aus den Wetten im Verordnungsweg umgestaltet werden.

4 Zur Durchführung von Art. 3 des Gesetzes Nr. 662/1996 erließ die italienische Regierung das Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 169 vom 8. April 1998 (GURI Nr. 125 vom 1. Juni 1998, im Folgenden: Dekret Nr. 169/1998), nach dessen Art. 2 das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Agrar- und Forstpolitik die Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten an natürliche Personen und Gesellschaften, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllten, im Wege von gemäß dem Gemeinschaftsrecht durchzuführenden Ausschreibungen vergeben sollte. Übergangshalber sah Art. 25 des Dekrets Nr. 169/1998 eine Verlängerung der von der UNIRE vergebenen Konzessionen bis zum 31. Dezember 1998 oder, falls es sich als unmöglich erweisen sollte, die Ausschreibungen bis dahin durchzuführen, bis zum 31. Dezember 1999 vor.

5 In der Folge wurde mit dem Ministerialdekret vom 7. April 1999 (GURI Nr. 86 vom 14. April 1999) der Plan zur Verstärkung des Netzes für die Annahme von Pferdewetten genehmigt, nach dem die Zahl der Wettannahmestellen im gesamten italienischen Hoheitsgebiet von 329 auf 1 000 erhöht werden sollte. Während 671 Konzessionen neu ausgeschrieben wurden, sah die Verordnung des Finanzministers vom 9. Dezember 1999 die Verlängerung der 329 "alten Konzessionen" der UNIRE vor. Zur Durchführung dieser Verordnung erneuerte der Finanzminister diese Konzessionen mit Entscheidung vom 21. Dezember 1999 (GURI Nr. 300 vom 23. Dezember 1999, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 1. Januar 2000.

6 Das Decreto-legge Nr. 452 vom 28. Dezember 2001 (GURI Nr. 301 vom 29. Dezember 2001), das mit Änderungen in das Gesetz Nr. 16 vom 27. Februar 2002 (GURI Nr. 49 vom 27. Februar 2002) umgewandelt wurde, schrieb dann vor, dass die "alten Konzessionen" gemäß dem Dekret Nr. 169/1998, d. h. im Wege gemeinschaftsweiter Ausschreibungen, neu vergeben werden, jedoch bis zu ihrer endgültigen Neuvergabe gültig bleiben sollten.

7 Schließlich sah das Decreto-legge n. 147 "proroga di termini e disposizioni urgenti ordinamentali" (Decreto-legge Nr. 147 über die Verlängerung von ordnungsrechtlichen Fristen und Dringlichkeitsbestimmungen) vom 24. Juni 2003, das in das Gesetz Nr. 200 vom 1. August 2003 (GURI Nr. 178 vom 2. August 2003, im Folgenden: Gesetz Nr. 200/2003) umgewandelt wurde, in seinem Art. 8 Abs. 1 vor, die finanzielle Lage jedes Konzessionsnehmers festzustellen, um das Problem des "garantierten Mindestbeitrags" zu lösen, bei dem es sich um einen anteiligen Abschöpfungsbetrag handelte, den jeder Konzessionsinhaber unabhängig von der tatsächlichen Höhe seiner Einnahmen für das laufende Jahr an die UNIRE zu entrichten hatte; dieser Betrag hatte sich als überhöht erwiesen und zu einer wirtschaftlichen Krise des Pferdewettensektors geführt. Zur Durchführung dieses Gesetzes erließ der von der UNIRE benannte Sonderbeauftragte die Entscheidung Nr. 107/2003 vom 14. Oktober 2003, mit der die bereits erteilten Konzessionen verlängert wurden, um die Beträge zu ermitteln, die die Konzessionsinhaber bis zum Fälligkeitstag der letzten Zahlung, der auf den 30. Oktober 2011 festgesetzt wurde, jedenfalls aber bis zu dem Tag zu zahlen hatten, an dem die neuen Konzessionen nach durchgeführter Ausschreibung vergeben würden.

Sachverhalt und Vorverfahren

8 Aufgrund einer Beschwerde eines privaten Wirtschaftsteilnehmers des Pferdewettensektors sandte die Kommission am 24. Juli 2001 gemäß Art. 226 EG ein Mahnschreiben an die italienischen Behörden, mit dem sie diese darauf hinwies, dass das italienische System der Vergabe der Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten und insbesondere die in der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Erneuerung der ohne Durchführung einer Ausschreibung an die UNIRE vergebenen 329 alten Konzessionen mit dem allgemeinen Transparenzgrundsatz und dem Publizitätsgebot, die sich aus den Art. 43 EG und 40 EG ergäben, unvereinbar sei. In Beantwortung des Mahnschreibens kündigte die italienische Regierung mit Schreiben vom 30. November 2001 den Entwurf des Gesetzes Nr. 16 vom 27. Februar 2002 und mit Schreiben vom 15. Januar 2002 den Erlass dieses Gesetzes an.

9 Da die Kommission die aufgrund des Gesetzes Nr. 16/2002 getroffenen Maßnahmen für nicht ausreichend hielt, richtete sie am 16. Oktober 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Italienische Republik, in der sie diese aufforderte, die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich seien, um dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 antwortete die italienische Regierung, vor der Einleitung von Ausschreibungsverfahren sei es erforderlich, die finanzielle Lage der Inhaber der noch geltenden Konzessionen genau festzustellen.

10 Da die Kommission keine weiteren Informationen über den Abschluss des genannten Feststellungsverfahrens und die Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens zur Vergabe der fraglichen Konzessionen erhielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

11 Das Königreich Dänemark und das Königreich Spanien sind dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Italienischen Republik beigetreten.

Zur Klage

12 Die Kommission stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund. Sie macht geltend, die Italienische Republik habe dadurch, dass sie die 329 alten Konzessionen der UNIRE für die Annahme von Pferdewetten ohne Ausschreibungsverfahren erneuert habe, gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere den allgemeinen Transparenzgrundsatz und das Publizitätsgebot, die sich aus den Art. 43 EG und 49 EG ergäben, verstoßen.

13 In der Klageschrift führt die Kommission aus, die Vergabe eines Auftrags zur Annahme und Abwicklung von Pferdewetten in Italien sei gemeinschaftsrechtlich als öffentliche Dienstleistungskonzession einzustufen. Diese Vergabe falle als solche nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1). Die nationalen Behörden, die eine solche Vergabe durchführten, seien jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere dem Urteil vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress (C-324/98, Slg. 2000, I-10745), verpflichtet, das Diskriminierungsverbot und das Publizitätsgebot zu beachten, um einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffne und die Nachprüfung ermögliche, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien.

14 Insoweit sei festzustellen, dass die italienische Regierung bei der Erneuerung der bereits erteilten 329 Konzessionen der UNIRE, ohne eine Ausschreibung durchzuführen, die Anforderungen dieser Grundsätze nicht beachtet habe. Ausnahmen von diesen seien nämlich nur in den in den Art. 45 EG und 46 EG vorgesehenen Fällen und aus den dort genannten Gründen zulässig. Die von der italienischen Regierung angeführten Rechtfertigungsgründe zählten aber nicht zu den in diesen Vorschriften ausdrücklich genannten Gründen; jedenfalls habe die italienische Regierung nicht nachgewiesen, dass diese Ausnahmen im Hinblick auf die von ihr angeführten Zwecke erforderlich und verhältnismäßig seien.

15 Die italienische Regierung macht in der Klagebeantwortung geltend, das Gesetz Nr. 200/2003 und die Entscheidung Nr. 107/2003 entsprächen den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der öffentlichen Dienstleistungskonzessionen. Die Verlängerung der alten Konzessionen der UNIRE sei durch die Notwendigkeit gerechtfertigt gewesen, für die Konzessionsinhaber Kontinuität, finanzielle Stabilität und eine angemessene Rendite aus den in der Vergangenheit getätigten Investitionen zu gewährleisten und das Ausweichen auf heimliche Aktivitäten zu verhindern, bis diese Konzessionen durch Ausschreibungen hätten vergeben werden können. Diese Rechtfertigungsgründe seien zwingende Gründe des Allgemeininteresses, aus denen Abweichungen von denjenigen Grundsätzen des Vertrags gerechtfertigt sein könnten, die die Verpflichtung zur Öffnung des Dienstleistungsmarkts für den Wettbewerb begründeten.

16 Die dänische Regierung hält die Auslegung des Urteils Telaustria und Telefonadress durch die Kommission für unzutreffend, soweit es um den Umfang der Verpflichtung zur Transparenz bei einer Sachlage wie der im vorliegenden Verfahren gegebenen geht. Die spanische Regierung beruft sich in ihren Ausführungen auf Besonderheiten der Zulassung und der Veranstaltung von Wetten, die die Kommission ihrer Ansicht nach nicht berücksichtigt hat.

17 Zunächst ist festzustellen, dass die italienische Regierung nicht bestreitet, dass das Gesetz Nr. 200/2003 und die Entscheidung Nr. 107/2003 nach Ablauf der Frist ergangen sind, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden ist.

18 Dazu ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später eingetretene Änderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Urteile vom 2. Juni 2005, Kommission/Irland, C-282/02, Slg. 2005, I-4653, Randnr. 40, und vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-514/03, Slg. 2006, I-963, Randnr. 44).

19 Für eine Beurteilung der der Italienischen Republik zur Last gelegten Vertragsverletzung sind somit die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 200/2003 und der Entscheidung Nr. 107/2003 nicht von Belang. Somit gründet sich die vorliegende Klage allein auf eine Prüfung der angefochtenen Entscheidung.

20 Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, hat die italienische Regierung weder im Vorverfahren noch im vorliegenden Verfahren in Abrede gestellt, dass die Vergabe der Dienstleistungen der Annahme und Abwicklung von Pferdewetten in Italien eine öffentliche Dienstleistungskonzession darstellt. Eine solche Einstufung ist im Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-0000), vorgenommen worden, in dem der Gerichtshof die Art. 43 EG und 49 EG im Hinblick auf dieselben nationalen Rechtsvorschriften ausgelegt hat.

21 Öffentliche Dienstleistungskonzessionen sind aber unstreitig vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 ausgenommen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C-458/03, Slg. 2005, I-8585, Randnr. 42).

22 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind zwar Verträge über öffentliche Dienstleistungskonzessionen beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 ausgenommen, doch müssen die öffentlichen Stellen, die sie schließen, gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil Telaustria und Telefonadress, Randnr. 60, sowie Urteile vom 21. Juli 2005, Coname, C-231/03, Slg. 2005, I-7287, Randnr. 16, und Parking Brixen, Randnr. 46).

23 Der Gerichtshof hat weiter festgestellt, dass die auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen anwendbaren Bestimmungen des Vertrags, insbesondere die Art. 43 EG und 49 EG, sowie das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, Randnr. 48).

24 Insoweit schließen der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein, damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob diese Grundsätze beachtet worden sind. Diese der genannten Stelle obliegende Transparenzpflicht besteht darin, dass zugunsten der potenziellen Bieter ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen ist, der die Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Telaustria und Telefonadress, Randnrn. 61 und 62, sowie Parking Brixen, Randnr. 49).

25 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das völlige Fehlen von Ausschreibungen zur Vergabe von Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten gegen die Art. 43 EG und 49 EG verstößt und insbesondere den allgemeinen Transparenzgrundsatz sowie die Verpflichtung verletzt, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen. Die Erneuerung der 329 alten Konzessionen ohne Ausschreibung verhindert nämlich die Öffnung dieser Konzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind.

26 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob diese Konzessionserneuerung aufgrund der in den Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 60, und Placanica u. a., Randnr. 45).

27 In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt, nämlich den Verbraucherschutz, die Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. Urteil Placanica u. a., Randnr. 46).

28 Den Mitgliedstaaten steht es zwar frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet von Glücksspielen festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen (Urteil Placanica u. a., Randnr. 48).

29 Daher ist zu prüfen, ob die Erneuerung von Konzessionen ohne Ausschreibung geeignet ist, die Verwirklichung des von der Italienischen Republik angestrebten Ziels zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Auf jeden Fall darf diese Konzessionserneuerung nicht diskriminierend angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Gambelli, Randnrn. 64 und 65, sowie Placanica u. a., Randnr. 49).

30 Die italienische Regierung hat unstreitig den Plan zur Verstärkung des Netzes für die Annahme von Pferdewetten genehmigt, nach dem die Zahl der Wettannahmestellen im gesamten italienischen Hoheitsgebiet von 329 auf 1 000 erhöht werden sollte. Zur Ausführung dieses Verstärkungsplans wurden im Anschluss an ein Ausschreibungsverfahren 671 neue Konzessionen vergeben, während die 329 alten, schon bestehenden Konzessionen ohne Ausschreibung erneuert wurden.

31 Für dieses Vorgehen hat sich die italienische Regierung nicht auf Ausnahmeregelungen, wie sie in den Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehen sind, berufen. Vielmehr hat sie die ohne Ausschreibung erfolgte Konzessionserneuerung insbesondere mit der Notwendigkeit begründet, eine Tendenz zum Ausweichen auf heimliche Aktivitäten der Annahme und der Zuteilung von Wetten zu verhindern.

32 In der Klagebeantwortung hat die italienische Regierung jedoch nicht dargelegt, inwieweit es dazu notwendig sei, die Durchführung von Auswahlverfahren zu unterlassen, und sie hat nichts angeführt, was den ihr von der Kommission gemachten Vorwurf einer Vertragsverletzung entkräften könnte. Insbesondere hat sie nicht begründet, inwiefern die Erneuerung der bisherigen Konzessionen ohne Ausschreibungsverfahren der Entwicklung heimlicher Aktivitäten auf dem Pferdewettensektor entgegenwirken könnte, und sich auf den Vortrag beschränkt, das Gesetz Nr. 200/2003 und die Entscheidung Nr. 107/2003 entsprächen den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der öffentlichen Dienstleistungskonzessionen.

33 Insoweit ist jedoch daran zu erinnern, dass es Sache der zuständigen nationalen Behörden ist, nachzuweisen, dass ihre Regelung zum einen einem wesentlichen Interesse im Sinne der Art. 45 EG und 46 EG oder einem durch die Rechtsprechung anerkannten zwingenden Erfordernis des Allgemeininteresses und zum anderen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Dezember 2004, Kommission/Niederlande, C-41/02, Slg. 2004, I-11375, Randnr. 47, vom 13. Januar 2005, Kommission/Belgien, C-38/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20, und vom 15. Juni 2006, Kommission/Frankreich, C-255/04, Slg. 2006, I-5251, Randnr. 29).

34 Es ist daher festzustellen, dass die ohne Ausschreibung erfolgte Erneuerung der alten Konzessionen der UNIRE nicht geeignet ist, die Verwirklichung des von der Italienischen Republik angestrebten Ziels sicherzustellen, und dass sie über das hinausgeht, was erforderlich ist, um zu verhindern, dass die im Pferdewettensektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Aktivitäten verwickelt werden.

35 Im Übrigen genügt zu den von der italienischen Regierung angeführten wirtschaftlichen Gründen, wie dem Umstand, dass für die Inhaber einer Konzession Kontinuität, finanzielle Stabilität und angemessene Renditen aus den in der Vergangenheit getätigten Investitionen gewährleistet werden sollten, der Hinweis, dass diese Gründe nicht als zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten, anerkannt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juni 2000, Verkooijen, C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 48, und vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, C-388/01, Slg. 2003, I-721, Randnr. 22).

36 Infolgedessen greift keiner der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses durch, die die italienische Regierung zur Rechtfertigung des Vorgehens angeführt hat, die 329 alten Konzessionen ohne Ausschreibungsverfahren zu erneuern.

37 Mithin ist festzustellen, dass die Klage der Kommission begründet ist.

38 Aus alledem folgt, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG, insbesondere den allgemeinen Transparenzgrundsatz und die Verpflichtung, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, verstoßen hat, dass sie 329 Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten erneuert hat, ohne Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG, insbesondere den allgemeinen Transparenzgrundsatz und die Verpflichtung, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, verstoßen, dass sie 329 Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten erneuert hat, ohne Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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