Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: C-262/07 P
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2658/87, Verordnung (EG) Nr. 384/2004


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 Art. 9 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 384/2004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

19. Februar 2008

"Rechtsmittel - Verordnung (EG) Nr. 384/2004 - Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur - Nicht individuell betroffene Person - Teils offensichtlich unzulässiges, teils offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel"

Parteien:

In der Rechtssache C-262/07 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 31. Mai 2007,

Tokai Europe GmbH mit Sitz in Mönchengladbach (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Kroemer,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Schønberg und B. Schima als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten U. Lõhmus sowie der Richter J. Klucka (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Tokai Europe GmbH (im Folgenden: Tokai Europe) die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 19. März 2007, Tokai Europe/Kommission (T-183/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem zum einen ihre Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 384/2004 der Kommission vom 1. März 2004 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 64, S. 21) (im Folgenden: streitige Verordnung) abgewiesen und zum anderen ihr die Kosten auferlegt wurden.

Rechtlicher Rahmen

2 Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2344/2003 der Kommission vom 30. Dezember 2003 (ABl. L 346, S. 38) geänderten Fassung führte eine vollständige Nomenklatur der zum Außenhandel der Europäischen Gemeinschaft gehörenden Waren ein. Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung ermächtigt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit der Unterstützung eines Ausschusses aus Vertretern der Mitgliedstaaten Regelungen zur Einreihung der Waren in die Kombinierte Nomenklatur (im Folgenden: KN) zu erlassen, um deren einheitliche Anwendung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen.

3 Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung (EWG) Nr. 693/88 der Kommission vom 4. März 1988 über die Begriffsbestimmung des Warenursprungs bei der Anwendung der von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für bestimmte Waren aus Entwicklungsländern gewährten Zollpräferenzen (ABl. L 77, S. 1) bestimmt, dass Waren, die vollständig in einem präferenzbegünstigten Land erzeugt worden sind, sowie Waren, die in diesem Land unter Verwendung anderer als der vollständig in diesem Land erzeugten Waren hergestellt worden sind, soweit sie im Sinne des Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung in ausreichendem Maß be- oder verarbeitet worden sind, als Ursprungswaren dieses Landes gelten.

4 Gemäß dieser letztgenannten Bestimmung gelten Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft als ausreichend be- oder verarbeitet, wenn die hergestellte Ware in eine andere Position als die einzureihen ist, in die jedes einzelne bei der Herstellung verwendete Vormaterial ohne Ursprungseigenschaft einzureihen ist.

5 In Nr. 4 des Anhangs der streitigen Verordnung werden die in Rede stehenden Metallrädchen wie folgt eingereiht:

Ein Rädchen aus unedlem Metall mit einem Durchmesser von 6,74 mm, einem Loch in der Mitte von 3 mm und einer Dicke von 3,54 mm, mit Zähnen versehen.

Bei der Ware handelt es sich um einen Bauteil, der in den Zündmechanismus eines Zigarettenanzünders eingebaut wird.

...

9613 90 00

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur und dem Wortlaut der KN-Codes 9613 und 9613 90 00.

Das Rädchen ist hauptsächlich für die Herstellung von Funkengebern für Zigarettenanzünder der Position 9613 bestimmt

Sachverhalt

6 Zum Sachverhalt der Klage vor dem Gericht ergibt sich aus den Randnrn. 7 bis 20 des angefochtenen Beschlusses Folgendes:

"7 Die Tokai Europe GmbH führt aus Hongkong nicht nachfüllbare Gasfeuerzeuge mit Reibrad-Zündung sowie Feuerzeugköpfe (Middle Case Assy) in die Gemeinschaft ein.

8 Den eingeführten Waren, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, waren Ursprungszeugnisse beigefügt, wonach sie aus Hongkong stammen. Aufgrund dieser Zeugnisse wurden sie im Rahmen des auf Hongkong anwendbaren Systems der Allgemeinen Zollpräferenzen zollfrei zum freien Verkehr in der Gemeinschaft abgefertigt.

9 Eine von den deutschen Finanzbehörden angeordnete Betriebsprüfung ergab, dass beim Zusammenbau der streitigen Waren in Hongkong von der Muttergesellschaft der Klägerin in Japan hergestellte und nach Hongkong gelieferte Metallrädchen verwendet wurden. Die deutschen Behörden reihten die Metallrädchen daraufhin als 'Teile' in die Unterposition 9613 90 00 KN ein und verneinten damit den Wechsel der KN-Position für sie durch den Einbau.

10 Im Hinblick auf diese Einreihung erfüllten die eingeführten Waren nicht die Voraussetzung der ausreichenden Be- oder Verarbeitung in Hongkong, die sie hätten erfüllen müssen, um als Ursprungswaren zu gelten. Daher wurden die Ursprungszeugnisse nicht anerkannt und nachträglich Einfuhrzölle erhoben.

11 Gemäß einem Gutachten des Technischen Überwachungsvereins - Sicherheit und Umweltschutz (im Folgenden: TÜV) sind die Metallrädchen zum Einbau in verschiedene Waren, etwa in Spielzeug oder in Bohrmaschinen zur Bearbeitung von Metall, Holz, Kunststoff oder sonstigen Werkstoffen, geeignet und können erst als Teil einer Zündeinrichtung für Feuerzeuge dienen, wenn zwei gezahnte Seitenräder angebracht worden sind. Erst dann würden die Rädchen Teil eines Reibrädchens oder eines Feuerzeugs, das unter die Position 9613 90 00 KN falle. Der TÜV kam daher zu dem Ergebnis, dass die Rädchen in die Position 8207 70 90 KN als 'Fräswerkzeuge' einzureihen seien.

12 Auf Antrag der Klägerin wurde ihr von der Oberfinanzdirektion Berlin eine verbindliche Zolltarifauskunft erteilt, die die Metallrädchen in die Unterposition 9613 90 00 KN einreihte.

13 Die Klägerin legte bei den deutschen Gerichten Rechtsmittel gegen diese verbindliche Zolltarifauskunft ein und berief sich dabei auf ein von dieser abweichendes Gutachten der französischen Commission de conciliation et d'expertise douanière (Schlichtungs- und Gutachterkommission für das Zollwesen, im Folgenden: CCED). Dieses war in einem Rechtsstreit zwischen der französischen Zollverwaltung und der Firma Popint abgegeben worden, die aus Mexiko stammende Feuerzeuge der Marke Tokai nach Frankreich einführte, bei deren Herstellung in Japan hergestellte Rädchen eingebaut worden waren.

14 Mit letztinstanzlichem Urteil hob der Bundesfinanzhof die genannte verbindliche Zolltarifauskunft auf.

15 Mit Schreiben an das Bundesfinanzministerium vom 19. April 2002 empfahl die Klägerin die Einreihung der Rädchen in die Position 8207 KN als 'Fräswerkzeuge' und fügte hierzu das Gutachten des TÜV und die Entscheidung der CCED bei.

16 Mit Schreiben vom 21. Juni 2002 bat das Bundesfinanzministerium die Kommission, den Ausschuss für den Zollkodex (im Folgenden: Ausschuss) mit der Frage nach der Einreihung der streitigen Metallrädchen zu befassen.

17 Am 16. Oktober 2002 leitete die Kommission das Ersuchen der deutschen Behörden an den Ausschuss weiter.

18 Mit Schreiben vom 21. Februar 2003 wies die Klägerin die Kommission darauf hin, dass sie durch die Einreihung unmittelbar und individuell betroffen sei, und bat erfolglos darum, angehört zu werden, um ihre Sicht des Problems schildern zu können.

19 Der Ausschuss befasste sich in mehreren Sitzungen mit dem Antrag der deutschen Behörden, und es wurden ihm ein Ansichtsexemplar der streitigen Ware und die Schreiben der Klägerin vorgelegt.

20 Nach der Annahme eines Vorschlags durch den Ausschuss erließ die Kommission die [streitige Verordnung], in der sie in Nr. 4 des Anhangs die streitigen Rädchen [in die Unterposition 9613 90 00] einreihte."

Verfahren vor dem Gericht

7 Mit Klageschrift, die am 25. Mai 2004 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage gegen die streitige Verordnung.

8 Am 12. Oktober 2004 erhob die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts.

9 Die Rechtsmittelführerin nahm zu dieser Einrede mit am 29. November 2004 eingereichtem Schriftsatz Stellung.

10 Mit Beschluss vom 10. Juni 2005 entschied das Gericht, dass das Verfahren fortzusetzen ist, und behielt die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vor.

11 Nachdem die Kommission ihre Klagebeantwortung am 16. September 2005 eingereicht hatte, entschied das Gericht nach Art. 47 § 1 der Verfahrensordnung, dass im vorliegenden Fall kein zweiter Schriftsatzwechsel erforderlich ist.

Der angefochtene Beschluss

12 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Gericht die Nichtigkeitsklage als unzulässig abgewiesen und Tokai Europe die Kosten auferlegt.

13 In den Randnrn. 28 und 29 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht darauf hingewiesen, dass, wenn eine Partei beantrage, vorab eine Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit herbeizuführen, gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts mündlich über den Antrag verhandelt werde, sofern das Gericht nichts anderes bestimme. Die Kommission habe mit besonderem Schriftsatz eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben, mit der das Gericht befasst bleibe, auch wenn es die Entscheidung darüber dem Endurteil vorbehalten habe. Es sei in dieser Hinsicht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über den Antrag zu entscheiden.

14 In den Randnrn. 48 und 49 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht an die Rechtsprechung erinnert, wonach natürliche und juristische Personen grundsätzlich keine Klagebefugnis dafür besäßen, nach Art. 230 Abs. 4 EG eine Klage auf Nichtigerklärung einer Einreihungsverordnung zu erheben. Selbst ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung könne jedoch unter bestimmten Umständen einzelne Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffen, so dass diese ihn aufgrund von Art. 230 Abs. 4 EG anfechten könnten. Dies setze voraus, dass er sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berühre und sie daher wie den Adressaten einer Entscheidung individualisiere.

15 Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Randnrn. 50 bis 60 dieses Beschlusses entschieden, dass weder der Umstand, dass das Verfahren, das zum Erlass der streitigen Verordnung geführt habe, durch einen die Frage der Einreihung der streitigen Rädchen betreffenden Antrag der deutschen Behörden in Gang gesetzt worden sei, noch die marginale und mittelbare Beteiligung von Tokai Europe am Verfahren, das zum Erlass dieser Verordnung geführt habe, noch die Eigenschaft des in Rede stehenden Produkts für eine Individualisierung als Betroffener im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG geeignet seien.

16 Das Gericht wies außerdem das Vorbringen der Tokai Europe zurück, dass kein wirksamer Rechtsschutz bestehe, da es keine innerstaatlichen Klagemöglichkeiten gebe, die gegebenenfalls eine Überprüfung der Gültigkeit der Verordnung anhand eines Vorabentscheidungsersuchens der nationalen Gerichte nach Art. 234 EG zur Beurteilung der Gültigkeit ermöglichen würden.

17 Es hat dazu in Randnr. 63 des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass einer Auslegung des Rechtsschutzsystems, nach der eine Direktklage mit dem Ziel der Nichtigerklärung beim Gemeinschaftsrichter möglich sein solle, soweit nach einer konkreten Prüfung der nationalen Verfahrensvorschriften durch diesen Richter dargetan werden könne, dass diese Vorschriften es den natürlichen und den juristischen Personen nicht gestatteten, eine Klage zu erheben, mit der sie die Gültigkeit der Gemeinschaftshandlung, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werde, in Frage stellen könnten, nicht gefolgt werden könne. Denn dies würde es in jedem Einzelfall erforderlich machen, dass der Gemeinschaftsrichter das nationale Verfahrensrecht prüft und auslegt, was seine Zuständigkeit im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftshandlungen überschreiten würde.

Anträge der Parteien

18 Tokai Europe beantragt,

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Klage für zulässig zu erklären;

- hilfsweise, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19 Die Kommission beantragt,

- das Rechtsmittel zurückzuweisen;

- der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

20 Mit ihrem Rechtsmittel macht Tokai Europe zwei Rechtsmittelgründe wegen Verfahrensstöße geltend; der Erste betrifft die Gewährung rechtlichen Gehörs, der Zweite das Beweisverfahren.

21 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Tokai Europe geltend, dass das Gericht ihr durch den angefochtenen Beschluss die Möglichkeit genommen habe, ihre Angriffsmittel und Argumente im Rahmen einer mündlichen Verhandlung darzulegen, und dadurch gegen die Satzung des Gerichtshofs und die Verfahrensordnung des Gerichts verstoßen habe. Aus Art. 20 der Satzung des Gerichtshofs ergebe sich, dass sich das Verfahren vor dem Gerichtshof in ein schriftliches und ein mündliches Verfahren gliedere und dass die Verfahrensordnung des Gerichts eine Ausnahme von der Durchführung eines mündlichen Verfahrens nur im Rahmen eines Zwischenstreits vorsehe. Diese Ausnahme finde jedoch keine Anwendung, wenn das Gericht wie im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten habe. Tokai Europe führt weiter aus, dass sie aufgrund des Schreibens des Kanzlers des Gerichts vom 29. September 2005, wonach "[d]er Termin für die mündliche Verhandlung ... später mitgeteilt [wird]", habe davon ausgehen können, dass auf alle Fälle eine mündliche Verhandlung anberaumt werde.

22 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügt Tokai Europe, dass das Gericht nicht entsprechend seiner Verpflichtung den Sachverhalt aufgeklärt habe, da es die Parteien nicht aufgefordert habe, entscheidende Dokumente vorzulegen. Das Gericht sei nicht darauf beschränkt, bei der Ermittlung des Sachverhalts in bei ihm rechtshängigen Verfahren die Aufklärung allein nach den Beweisanträgen der Parteien durchzuführen und allein aufgrund der angebotenen Beweismittel zu entscheiden. Das Gericht wäre somit nach Auffassung von Tokai Europe verpflichtet gewesen, die ihren Schriftsätzen vom 24. Mai und 26. November 2004 zugrunde liegenden Tatsachen aufzuklären und die Parteien zur Vorlage maßgeblicher Dokumente und Unterlagen aufzufordern. Da dies nicht geschehen sei, habe das Gericht gegen Art. 64 § 3 Buchst. d seiner Verfahrensordnung verstoßen, der eine solche Möglichkeit als prozessleitende Maßnahme vorsehe.

Würdigung durch den Gerichtshof

23 Der Gerichtshof kann nach Art. 119 der Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts das Rechtsmittel ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückweisen, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist (Beschlüsse vom 29. Oktober 2004, Ripa di Meana/Parlament, C-360/02 P, Slg. 2004, I-10339, Randnr. 18, und vom 21. November 2005, SNF/Kommission, C-482/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26).

Zum ersten Rechtsmittelgrund

24 Erstens ist darauf hinzuweisen, dass es entgegen der Auffassung von Tokai Europe mehrere Ausnahmen von dem in Art. 20 der Satzung des Gerichtshofs genannten Grundsatz gibt, dass sich das Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht in ein schriftliches und ein mündliches Verfahren gliedert. Die Möglichkeit, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, ergibt sich u. a. aus Art. 59 der Satzung des Gerichtshofs, den Art. 44a, 104 § 4 und Art. 120 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs sowie aus den Art. 111 bis 114 der Verfahrensordnung des Gerichts.

25 Der Gerichtshof hat in Bezug auf Art. 111 der Verfahrensordnung des Gerichts, wonach dieses unter bestimmten Voraussetzungen ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden kann, der mit Gründen zu versehen ist, festgestellt, dass sich aus dem Wortlaut dieses Artikels selbst ergibt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keinesfalls ein Recht des Klägers darstellt, von dem es keine Ausnahmen geben kann (Beschluss vom 8. Juli 1999, Goldstein/Kommission, C-199/98 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 18). Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass die Anwendung von Art. 113 nicht die Durchführung eines mündlichen Verfahrens gewährleistet, da das Gericht gemäß Art. 114 § 3 der Verfahrensordnung, auf den Art. 113 verweist, nach einem bloß schriftlichen Verfahren entscheiden kann (Urteile vom 19. Januar 2006, AIT/Kommission, C-547/03 P, Slg. 2006, I-845, Randnr. 35, und vom 2. Mai 2006, Regione Siciliana/Kommission, C-417/04 P, Slg. 2006, I-3881, Randnr. 37).

26 Zweitens kann keine Bestimmung der Verfahrensordnung des Gerichts dahin ausgelegt werden, dass das Gericht, wenn es gemäß Art. 114 § 4 der Verfahrensordnung die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehält, damit die Möglichkeit verliert, die Klage ohne mündliches Verfahren durch einen mit Gründen versehenen Beschluss als unzulässig abzuweisen. Gleiches gilt ebenfalls für das Schreiben des Kanzlers, nach dem der Termin für die mündliche Verhandlung später mitgeteilt werde.

27 Vielmehr ergibt sich aus den Art. 111 bis 114 der Verfahrensordnung des Gerichts, dass dieses in jedem Verfahrensstadium ohne mündliches Verfahren durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, entscheiden kann. Nach Art. 111 dieser Verfahrensordnung kann das Gericht ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, entscheiden, wenn es für eine Klage offensichtlich unzuständig ist oder eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt. Nach Art. 113 dieser Verfahrensordnung kann das Gericht jederzeit von Amts wegen nach Anhörung der Parteien über unverzichtbare Prozessvoraussetzungen entscheiden, zu denen nach ständiger Rechtsprechung die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage nach Art. 230 Abs. 4 EG gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil Regione Siciliana/Kommission, Randnr. 36). Schließlich sieht Art. 114 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts vor, dass bei einer Einrede der Unzulässigkeit oder der Unzuständigkeit über die Einrede mündlich verhandelt wird, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

28 Infolgedessen hat das Gericht seine Verfahrensordnung zutreffend angewandt, als es im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung, weil es sich hierzu aufgrund des Akteninhalts in der Lage gesehen hat, durch mit Gründen versehenen Beschluss entschieden hat.

29 Der erste Rechtsmittelgrund ist deshalb als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

30 Nach Art. 225 Abs. 1 EG und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und kann nur auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden (vgl. u. a. Beschlüsse vom 17. September 1996, San Marco/Kommission, C-19/95 P, Slg. 1996, I-4435, Randnr. 36, und Goldstein/Kommission, Randnr. 16).

31 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof daher weder für die Feststellung der Tatsachen zuständig noch grundsätzlich befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht diese Feststellung gestützt hat. Sofern diese Beweise nämlich ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden sind, ist es allein Sache des Gerichts, den Beweiswert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen (vgl. u. a. Beschluss San Marco/Kommission, Randnr. 40). Diese Beurteilung ist, sofern diese Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteil vom 2. März 1994, Hilti/Kommission, C-53/92 P, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42).

32 Zum einen wurden im vorliegenden Fall von Tokai Europe weder unzutreffende Tatsachenfeststellungen noch eine Verfälschung der dem Gericht vorgelegten Beweise dargetan. Zum anderen trägt Tokai Europe - abgesehen davon, dass es sich bei der Möglichkeit, die Parteien zur Vorlage der maßgeblichen Unterlagen und Beweise aufzufordern, um eine interne Organisationsmaßnahme des Gerichts handelt, die als solche nicht der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. Beschluss vom 14. Dezember 1995, Hogan/Gerichtshof, C-173/95 P, Slg. 1995, I-4905, Randnr. 15) -, nicht vor, wie sich der behauptete Verstoß auf den angefochtenen Beschluss ausgewirkt haben soll.

33 Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

34 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rechtsmittelgründe, auf die Tokai Europe ihr Rechtsmittel stützt, teilweise offensichtlich unbegründet und teilweise offensichtlich unzulässig sind. Das Rechtsmittel ist somit gemäß Art. 119 der Verfahrensordnung insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) beschlossen:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Tokai Europe GmbH trägt die Kosten.



Ende der Entscheidung

Zurück