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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.12.1995
Aktenzeichen: C-267/94
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 1641/94, Verordnung (EWG) Nr. 2658/87


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 1641/94
Verordnung (EWG) Nr. 2658/87
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Indem sie durch Artikel 1 ihrer Verordnung Nr. 1641/94 Rückstände vom Sichten von Mais aus dem naßmüllerischen Verfahren bis zu einer Menge von 15 GHT sowie Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol und anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, als Rückstände aus der Maisstärkegewinnung im Sinne der zolltariflichen Unterposition 2303 10 in dieselbe einbezogen hat, hat die Kommission diese Unterposition geändert. Sie hat damit die ihr durch Artikel 9 der Verordnung Nr. 2658/87 eingeräumten Befugnisse zur Klarstellung der Tarifposition überschritten mit der Folge, daß ihre Verordnung insoweit nichtig ist.

Zu den Rückständen aus der Maisstärkegewinnung gehören nämlich nur Erzeugnisse, die unmittelbar beim Vorgang der Gewinnung von Stärke aus Mais zurückbleiben, und nicht Erzeugnisse, die wie Rückstände vom Sichten von Mais bereits im losen Mais enthalten waren und während des Vorgangs der Stärkegewinnung nicht verändert werden, oder Erzeugnisse, die wie Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol oder anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, nach einem anderen, sich an das Verfahren zur Herstellung von Stärke anschließenden Verarbeitungsverfahren zurückbleiben.


Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1995. - Französische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rückstände aus der Stärkegewinnung - 'Corn gluten feed' - Zolltarifliche Einreihung. - Rechtssache C-267/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 26. September 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 1641/94 der Kommission vom 6. Juli 1994 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 172, S. 12; nachstehend: streitige Verordnung).

2 Die genannte Verordnung Nr. 2658/87 vom 23. Juli 1987 (ABl. L 256, S. 1) enthält in ihrem Anhang I ein Kapitel 23 mit dem Titel "Rückstände und Abfälle der Lebensmittelindustrie; Zubereitetes Futter", das u. a. folgende Nomenklaturcodes enthält:

"23 03 Rückstände von der Stärkegewinnung und ähnliche Rückstände, ausgelaugte Rübenschnitzel, Bagasse und andere Abfälle von der Zuckergewinnung, Treber, Schlempen und Abfälle aus Brauereien oder Brennereien, auch in Form von Pellets:

23 03 10 ° Rückstände von der Stärkegewinnung und ähnliche Rückstände:

° ° Rückstände von der Maisstärkegewinnung (ausgenommen eingedicktes Maisquellwasser) mit einem auf den Trockenstoff bezogenen Proteingehalt von:

23 03 10 11 ° ° ° mehr als 40 GHT

23 03 10 19 ° ° ° 40 GHT oder weniger

23 03 10 90 ° ° andere

...

23 09 Zubereitungen von der zur Fütterung verwendeten Art."

3 Gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a, b, d und e der Verordnung Nr. 2658/87 ist die Kommission befugt, nach dem in Artikel 10 festgelegten Verfahren alle Maßnahmen zu erlassen, die nachstehende Fragen betreffen:

"a) Anwendung der Kombinierten Nomenklatur und des Taric, insbesondere in bezug auf:

° die Einreihung von Waren in die in Artikel 8 genannten Nomenklaturen;

° die Erläuterungen;

b) Änderungen der Kombinierten Nomenklatur, um Veränderungen der statistischen und handelspolitischen Anforderungen Rechnung zu tragen;

...

d) Änderungen der Kombinierten Nomenklatur und Anpassungen der Zollsätze aufgrund von Beschlüssen des Rates oder der Kommission;

e) Änderungen der Kombinierten Nomenklatur mit dem Ziel, sie der Entwicklung der Technik oder des Handels anzupassen oder mit dem Ziel einer Angleichung oder Klärung der sprachlichen Fassungen;

..."

4 Durch Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3492/91 der Kommission vom 29. November 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 2658/87 (ABl. L 328, S. 80), die aufgrund von Artikel 9 der letztgenannten Verordnung erlassen wurde, wurde in Kapitel 23 der Kombinierten Nomenklatur folgende Zusätzliche Anmerkung 1 eingefügt:

"1. Zu den Unterpositionen 2303 10 11 und 2303 10 19 gehören nur Rückstände aus der Maisstärkegewinnung. Ausgenommen sind Mischungen aus Rückständen der Maisstärkegewinnung mit Erzeugnissen von anderen Pflanzen oder mit Erzeugnissen aus Mais, die mit anderen Verfahren als der Naßmüllerei zur Herstellung von Maisstärke herrühren. Die Erzeugnisse dieser Unterpositionen können jedoch Rückstände aus der Maiskeimölgewinnung enthalten, wobei die Maiskeime durch Naßmüllerei gewonnen sein müssen.

Ihr Stärkegehalt, bestimmt nach der Methode gemäß Anhang I, Ziffer 1 der Richtlinie 72/199/EWG der Kommission und bezogen auf die Trockenmasse, darf 28 GHT nicht übersteigen. Der Fettgehalt, bestimmt nach der Methode A in Anhang I der Richtlinie 84/4/EWG der Kommission und bezogen auf die Trockenmasse, darf 4,5 GHT nicht übersteigen."

5 Ebenfalls aufgrund von Artikel 9 der Verordnung Nr. 2658/87 erließ die Kommission die streitige Verordnung, in deren erster und fünfter Begründungserwägung es heisst, daß zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung der Kombinierten Nomenklatur Bestimmungen über die Einreihung von Rückständen der Stärkegewinnung festgelegt werden müssen und daß es angebracht ist, den Anwendungsbereich der Unterposition 2303 10 19 festzulegen, indem die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 23 ersetzt wird.

6 Die neue Zusätzliche Anmerkung 1 in Artikel 1 der streitigen Verordnung bestimmt:

"1. Zu der Unterposition 2303 10 19 gehören nur Rückstände aus der Maisstärkegewinnung. Ausgenommen sind Mischungen aus Rückständen der Maisstärkegewinnung mit Erzeugnissen von anderen Pflanzen oder mit Erzeugnissen aus Mais, die mit anderen Verfahren als der Naßmüllerei zur Herstellung von Maisstärke gewonnen wurden.

Diese Rückstände können jedoch Rückstände aus der Maiskeimölgewinnung mittels naßmüllerischem Verfahren sowie vom Sichten von Mais aus dem naßmüllerischen Verfahren bis zu einer Menge von 15 GHT und Rückstände aus Maisquellwasser aus dem naßmüllerischen Verfahren einschließlich der Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol oder anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, enthalten.

Ihr Stärkegehalt, bestimmt nach der Methode gemäß Anhang I Ziffer 1 der Richtlinie 72/199/EWG der Kommission und bezogen auf die Trockenmasse, darf 28 GHT nicht übersteigen. Der Fettgehalt, bestimmt nach der Methode A in Anhang I der Richtlinie 84/4/EWG der Kommission und bezogen auf die Trockenmasse, darf 4,5 GHT nicht übersteigen."

7 In der letzten Begründungserwägung der streitigen Verordnung heisst es, daß der Ausschuß für die Kombinierte Nomenklatur nicht innerhalb der ihm von seinem Vorsitzenden gesetzten Frist Stellung genommen hat.

8 Aus den Akten geht hervor, daß sowohl die Verordnung Nr. 3492/91 als auch die streitige Verordnung von der Kommission im Rahmen der Verhandlungen erlassen wurden, die sie seit 1991 im Namen der Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Einfuhr von Maiskleberfutter ("Corn gluten feed") aus diesem Land in die Gemeinschaft geführt hatte.

9 Unstreitig handelt es sich bei Maiskleberfutter um natürliche Nebenerzeugnisse aus der Maisstärkegewinnung aus dem naßmüllerischen Verfahren, die der Unterposition 2303 10 der Kombinierten Nomenklatur zugewiesen sind. Ausserdem geht aus den Akten hervor, daß diese Erzeugnisse seit 1967 zur zoll- und abgabenfreien Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet zugelassen sind.

10 Die Verordnung Nr. 3492/91 sah vor, daß Rückstände aus der Maisstärkegewinnung Rückstände aus der Maiskeimölgewinnung mittels naßmüllerischem Verfahren enthalten können, und gab ihren Hoechststärke- und Hoechstfettgehalt an.

11 Wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, unterstellt die streitige Verordnung diejenigen Rückstände aus der Maisstärkegewinnung der Unterposition 2303 10 19, die zum einen Rückstände vom Sichten von Mais aus dem naßmüllerischen Verfahren bis zu einer Menge von 15 GHT und zum anderen Rückstände aus Maisquellwasser aus dem naßmüllerischen Verfahren einschließlich der Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol oder anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, enthalten.

12 Mit dieser Verordnung wurde daher deutlich gemacht, daß Maiskleberfutter, das Rückstände vom Sichten von Mais bis zu einem gewissen Prozentsatz und Rückstände aus der Verwendung von Maisquellwasser, das im Rahmen eines solchen Herstellungsverfahrens gebraucht wurde, enthält, zur Unterposition 2303 10 19 der Kombinierten Nomenklatur gehört.

13 Die französische Regierung ist dagegen der Auffassung, daß diese Erzeugnisse aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht in die Unterposition 2303 10 19, sondern in die Position 2309 gehörten, so daß ihre Einfuhr in die Gemeinschaft zollpflichtig wäre.

14 Sie stützt ihre Klage gegen die streitige Verordnung auf vier Klagegründe, nämlich Unzuständigkeit der Kommission für den Erlaß der streitigen Verordnung, Verstoß gegen das am 14. Juni 1983 geschlossene und durch den Beschluß 87/369/EWG des Rates am 7. April 1987 im Namen der Gemeinschaft genehmigte Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (ABl. L 198, S. 1; nachstehend: Übereinkommen) sowie unzureichende Begründung und Ermessensmißbrauch.

15 Zunächst ist der Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission zu prüfen.

16 Dazu trägt die französische Regierung vor, daß die Kommission gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 2658/87 befugt sei, Klarstellungen zur Kombinierten Nomenklatur zu geben und gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung Erläuterungen zu erlassen. Dagegen sei sie nicht dafür zuständig, die Tragweite einer Tarifposition zu ändern, die sich im übrigen aus dem durch das Übereinkommen geschaffenenen Harmonisierten System ergebe. Die Kommission habe im vorliegenden Fall mit der streitigen Verordnung die Tarifposition 2303 geändert und damit Drittländern indirekt neue Zollzugeständnisse eingeräumt, wozu aber nur der Rat befugt sei.

17 Die Kommission erwidert, daß sie sich bei der Ergänzung der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 23 der Kombinierten Nomenklatur durch die streitige Verordnung darauf beschränkt habe, die betreffende Tarifposition zu klären, und diese Befugnis sei ihr durch Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b, d und e der Verordnung Nr. 2658/87 eingeräumt worden. Sie ist daher der Ansicht, sie habe Drittländern keine neuen Zollzugeständnisse eingeräumt.

18 Mit der streitigen Verordnung sollen ihren Begründungserwägungen zufolge Bestimmungen über die Einreihung von Rückständen aus der Maisstärkegewinnung und den Anwendungsbereich der Unterposition 2303 10 19 festgelegt werden.

19 Der Rat hat der Kommission, die mit den Zollsachverständigen der Mitgliedstaaten zusammenarbeitet, auf diesem Gebiet ein weites Ermessen bei der näheren Angabe des Inhalts der Tarifpositionen, die für die Einreihung einer bestimmten Ware in Frage kommen, eingeräumt (vgl. Urteile vom 18. September 1990 in der Rechtssache C-265/89, Vismans Nederland, Slg. 1990, I-3411, Randnr. 13, und vom 13. Dezember 1994 in der Rechtssache C-401/93, GoldStar Europe, Slg. 1994, I-5587, Randnr. 19).

20 Dennoch hat die Kommission aufgrund ihrer Befugnis zum Erlaß der Maßnahmen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a, b, d und e der Verordnung Nr. 2658/87 nicht das Recht, den Inhalt der Tarifpositionen zu ändern, die auf der Grundlage des durch das Übereinkommen eingeführten Harmonisierten Systems geschaffen worden sind, denn die Gemeinschaft hat sich gemäß Artikel 3 dieses Übereinkommens verpflichtet, die Tragweite dieser Tarifpositionen nicht zu verändern.

21 Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission entgegen dem Wortlaut der Begründungserwägungen der streitigen Verordnung die Position 2303 der Kombinierten Nomenklatur tatsächlich geändert und damit die Grenzen der ihr durch Artikel 9 der Verordnung Nr. 2658/87 eingeräumten Befugnisse überschritten hat.

22 Die französische Regierung macht dazu geltend, daß sowohl Rückstände vom Sichten von Mais als auch Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Äthanol oder anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht worden sei, nicht als "Rückstände aus der Maisstärkegewinnung" betrachtet werden könnten, die in die Position 2303 gehörten.

23 Ihrer Ansicht nach ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache 268/87, Cargill, Slg. 1988, 5151), daß sich der Begriff "Rückstände" nur auf Erzeugnisse beziehe, die unmittelbar aus dem Vorgang der Gewinnung zurückblieben, mit Ausnahme solcher Erzeugnisse, die sich ° wie Rückstände vom Sichten von Mais ° bereits im Grunderzeugnis fänden und während dieses Vorgangs nicht verändert würden. Ebenso beziehe sich dieser Begriff nicht auf Erzeugnisse, die ° wie Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Äthanol oder anderen Erzeugnissen gebraucht worden sei ° aus einem späteren Verarbeitungsvorgang stammten, der mit dem Vorgang der Gewinnung nichts zu tun habe.

24 Die Kommission ist dagegen der Auffassung, daß der Begriff "Maisstärkegewinnung" im Sinne der Position 2303 weiter sei als der Begriff der Stärkeextraktion, so daß er den gesamten Vorgang der Herstellung von Stärke und Nebenerzeugnissen umfasse, in dem Mais als Grundstoff diene. Daraus folge, daß der Begriff der Rückstände der Stärkegewinnung sämtliche Erzeugnisse umfasse, die aus den verschiedenen Stufen des Verfahrens der Stärkeherstellung stammten, und nicht nur diejenigen, die direkt aus dem Gewinnungsvorgang hervorgingen. Die Rechtsprechung zum Begriff "Rückstände", auf die sich die französische Regierung berufe, gelte nur für Tätigkeiten, die sich auf die Gewinnung beschränkten.

25 Die Kommission führt aus, daß Rückstände vom Sichten von Mais, die aus einem Sichtvorgang stammten, der Bestandteil des Verfahrens zur Herstellung von Stärke sei, als Rückstände der Stärkegewinnung zu betrachten seien. Dasselbe gelte für Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Äthanol oder anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht worden sei, da die Produktionsbereiche Stärke- und Alkoholherstellung zusammenhingen und dieses Maisquellwasser tatsächlich aus dem Verfahren zur Herstellung von Stärke stamme.

26 Der Gerichtshof hat die Position 23.04, die Rückstände aus der Gewinnung pflanzlicher Öle betrifft, dahin ausgelegt, daß der Begriff "Rückstände" nicht mit "Abfällen" verwechselt werden darf. Deshalb deckt diese Position nicht alle Erzeugnisse ab, die nach der Gewinnung eines pflanzlichen Öls zurückbleiben. Vielmehr ist erforderlich, daß es sich um Erzeugnisse handelt, die unmittelbar beim Vorgang der Ölgewinnung zurückbleiben, und nicht um Erzeugnisse, die sich bereits im Grunderzeugnis finden und während des Vorgangs der Ölgewinnung nicht verändert werden (vgl. Urteil Cargill, a. a. O., Randnr. 11).

27 Ferner sind, wie auch der Generalanwalt in Nummer 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, "Rückstände aus der Maisstärkegewinnung" im Sinne der Unterposition 2303 10 gerade Rückstände aus dem Vorgang der Gewinnung von Stärke aus Mais.

28 Daher können Erzeugnisse, die bereits im losen Mais enthalten waren und während des Vorgangs der Stärkegewinnung nicht verändert werden, nicht als Rückstände aus der Stärkegewinnung betrachtet werden.

29 Eben dies gilt für Rückstände vom Sichten von Mais.

30 Wie sich aus den Schriftsätzen der Parteien und den Schlussanträgen des Generalanwalts (Nummern 46 bis 52) ergibt, besteht die erste Stufe des naßmüllerischen Verfahrens zur Herstellung von Stärke aus Rohmais nämlich aus einer Trockenreinigung des losen Mais, der gleich nach Anlieferung in der Fabrik gesichtet wird mit dem Ziel, zerstossene Körner, Verunreinigungen und Staub zu entfernen. Diese Rückstände vom Sichten von Mais, die schon im losen Mais enthalten sind und durch die Gewinnung von Stärke aus Mais keinerlei Veränderung erfahren, stellen also keine Rückstände aus der Maisstärkegewinnung dar.

31 Im übrigen können Rückstände vom Sichten, wie die französische Regierung zutreffend ausgeführt hat, auch nicht als blosse Verunreinigungen betrachtet werden, die neben den Rückständen aus der Stärkegewinnung im Maiskleberfutter enthalten wären.

32 Im Urteil vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-194/91 (Krohn, Slg. 1992, I-6661), in dem es um die Frage ging, ob Nebenerzeugnisse der Maisölgewinnung auch dann unter die Unterposition 2304 B des Gemeinsamen Zolltarifs fallen, wenn darin neben Rückständen aus dem Maiskorn selbst auch andere Bestandteile enthalten sind, die namentlich von der Maispflanze, anderen Getreidearten oder Soja stammen, hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß solche Nebenerzeugnisse unter diese Unterposition fallen, sofern die Fremdbestandteile in sehr geringen Mengen vorhanden sind und es nachweislich technisch unmöglich ist, ihr Auftreten unter normalen Bedingungen der Herstellung, der Verarbeitung, der Beförderung, des Umladens und der Lagerung zu vermeiden, ohne daß Kosten entstehen, die ausser Verhältnis zum Handelswert der fraglichen Rückstände stehen.

33 Bei Rückständen vom Sichten von Mais bis zu einer Menge von 15 GHT handelt es sich aber offensichtlich nicht um sehr geringe Mengen.

34 Was die Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol oder anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, angeht, kann, wie der Generalanwalt in den Nummern 50 und 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die nach dem abgeschlossenen Herstellungsverfahren gewonnene Stärke erneut einem Verarbeitungsprozeß unterzogen werden, um daraus Alkohol oder andere organische Erzeugnisse zu gewinnen, und zwar mittels eines Hydrolysevorgangs, durch den Glukose entsteht, aus der Äthanol oder diese anderen Erzeugnisse hergestellt werden. Das Maisquellwasser wird in diesem Verfahren zur Herstellung von Äthanol oder anderen Erzeugnissen aus Glukose gebraucht.

35 Da sich das Verfahren zur Herstellung von Alkohol oder anderen Erzeugnissen von dem Verfahren zur Herstellung von Stärke unterscheidet und sich an dieses anschließt, können Rückstände aus Maisquellwasser, die nach diesem anderen, anschließenden Verfahren zurückbleiben, auch dann nicht als Rückstände aus der Maisstärkegewinnung betrachtet werden, wenn das dabei gebrauchte Maisquellwasser aus dem Verfahren zur Herstellung von Stärke stammt.

36 Wenn sich die Kommission auf den Umstand beruft, daß das Verfahren zur Herstellung von Äthanol infolge der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung nunmehr in vielen Produktionsanlagen mit dem Verfahren zur Herstellung von Stärke zusammenhänge, so ändert das nichts daran, daß es sich um zwei verschiedene Verfahren handelt, bei denen jeweils eigene Rückstände zurückbleiben.

37 Diese Auslegung wird im übrigen auch durch die Auffassung des Nomenklatur-Ausschusses bestätigt, auf die der Generalanwalt in den Nummern 54 und 55 seiner Schlussanträge verwiesen hat, wonach ein Erzeugnis, das zu etwa einem Drittel aus Rückständen aus der Stärkegewinnung, zu einem weiteren Drittel aus Rückständen aus der Maiskeimölgewinnung mittels naßmüllerischem Verfahren und zu einem letzten Drittel aus Äthanolquellwasserlösungen besteht, nicht der Position 2303 zugewiesen werden kann. Da solche Lösungen in einem ganz anderen Verfahren, insbesondere bei der Herstellung von Alkohol aus Getreide, gewonnen werden, hielt es der Ausschuß für sachgerechter, diese Erzeugnisse, die eine spezielle, geeignete Zusammensetzung aus Fetten und Proteinen zur Verfütterung an bestimmte Tierarten aufweisen, der Position 2309 zuzuweisen.

38 Soweit die Kommission geltend macht, daß das seit 1967 von Einfuhrzöllen befreite "Corn gluten feed" in seinen wesentlichen Bestandteilen, auch im Hinblick auf die Zugabe von Rückständen vom Sichten von Mais und aus Maisquellwasser, im wesentlichen gleich geblieben sei, daß aber vor allem die Untersuchungsmethoden verbessert worden seien, so daß die Zusammensetzung des Erzeugnisses besser bestimmt werden könne und eine Klärung der Tarifposition für die Einreihung des Erzeugnisses unbedingt erforderlich geworden sei, ist lediglich festzustellen, daß, wie die französische Regierung zutreffend ausführt, "Corn gluten feed" als zur Position 2303 gehörender Rückstand aus der Maisstärkegewinnung vom Zoll befreit war und daß eine bessere Bestimmung der Zusammensetzung von "Corn gluten feed" die Tragweite dieser Position nicht verändern kann.

39 Schließlich trägt die Kommission vor, daß Rückstände aus der Maiskeimölgewinnung ° wenn der Begriff "Rückstände aus der Maisstärkegewinnung" nur Erzeugnisse umfasste, die unmittelbar aus dem Vorgang der Gewinnung stammten ° in der Verordnung Nr. 3492/91 und der streitigen Verordnung, die diese ersetzt habe, ebenfalls zu Unrecht mit diesem Begriff erfasst würden; die französische Regierung hat jedoch keine Rüge gegen diesen Teil der Zusätzlichen Anmerkung erhoben. Diese Frage ist daher nicht zu prüfen.

40 Aus alledem folgt, daß die Kommission, indem sie Rückstände vom Sichten von Mais aus dem naßmüllerischen Verfahren bis zu einer Menge von 15 GHT sowie Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol und anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, als Rückstände aus der Maisstärkegewinnung in die Position 2303 einbezogen hat, diese Position geändert und damit ihre Befugnisse überschritten hat.

41 Folglich ist die streitige Verordnung der Kommission insoweit für nichtig zu erklären, als danach Rückstände aus der Maisstärkegewinnung Rückstände vom Sichten von Mais aus dem naßmüllerischen Verfahren bis zu einer Menge von 15 GHT und Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol und anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, enthalten können.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Verordnung (EG) Nr. 1641/94 der Kommission vom 6. Juli 1994 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif wird insoweit für nichtig erklärt, als danach Rückstände aus der Maisstärkegewinnung Rückstände vom Sichten von Mais aus dem naßmüllerischen Verfahren bis zu einer Menge von 15 GHT und Rückstände aus Maisquellwasser, das zur Herstellung von Alkohol und anderen Erzeugnissen aus Stärke gebraucht wurde, enthalten können.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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