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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.11.1992
Aktenzeichen: C-271/90
Rechtsgebiete: Richtlinie 90/388/EWG, EWGV


Vorschriften:

Richtlinie 90/388/EWG Art. 8
EWGV Art. 59
EWGV Art. 87
EWGV Art. 90 Abs. 3
EWGV Art. 100a
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die der Kommission durch Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag übertragene Aufsichtsbefugnis umfasst die Möglichkeit, die die Mitgliedstaaten treffenden Verpflichtungen zu konkretisieren. Der Umfang dieser Befugnis hängt von der Tragweite der Vorschriften ab, deren Beachtung sichergestellt werden soll.

Was den unmittelbar anwendbaren Artikel 59 EWG-Vertrag anbelangt, so konnte die Kommission zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen die sich aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen durch ihre Richtlinie 90/388 konkretisieren, ohne daß zuvor eine Rechtsetzung durch den Rat erforderlich gewesen wäre.

Was Artikel 86 EWG-Vertrag anbelangt, so konnte sie den Mitgliedstaaten in derselben Richtlinie vorschreiben, die Unabhängigkeit der zur Genehmigung und zur Überwachung von Telekommunikationsdiensten befugten Stelle von den Fernmeldeorganisationen zu gewährleisten, ohne ihre Befugnisse zu überschreiten, da den Mitgliedstaaten die Wahl der Mittel zur Umsetzung freisteht.

2. Artikel 90 EWG-Vertrag verleiht der Kommission eine Befugnis nur im Hinblick auf staatliche Maßnahmen; wettbewerbswidrige Verhaltensweisen der Unternehmen selbst können nur mit Einzelentscheidungen auf der Grundlage der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag gerügt werden.

Demgemäß ist der auf der Grundlage von Artikel 90 erlassene Artikel 8 der Richtlinie 90/388, mit dem die Kommission die Mitgliedstaaten verpflichten wollte, die Kündigung von Verträgen zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, für die bei Vertragsabschluß bestimmten Unternehmen übertragene besondere oder ausschließliche Rechte bestanden, innerhalb einer Frist von höchstens einem Jahr zu ermöglichen, für nichtig zu erklären, da nicht festgestellt worden ist, daß der als wettbewerbswidrig angesehene Abschluß von Verträgen mit langer Laufzeit auf von staatlichen Stellen ausgehende Anregungen oder Zwänge zurückzuführen ist.

3. Da die Kommission die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der ihr gemäß Artikel 90 EWG-Vertrag zustehenden Befugnisse verpflichten wollte, die bestimmten Unternehmen im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen übertragenen besonderen Rechte zu beseitigen, oblag es ihr zum einen, festzulegen, welche Art von Rechten konkret gemeint ist, und zum anderen, aufzuzeigen, inwiefern die Ausübung dieser Rechte den verschiedenen Vertragsvorschriften zuwiderlaufen soll. Mangels derartiger Angaben ist die Richtlinie 90/388 über die Telekommunikationsdienste für nichtig zu erklären, soweit sie die besonderen Rechte regeln soll.

4. Die ohne objektive Rechtfertigung erfolgende Ausdehnung des Monopols für die Einrichtung und den Betrieb des Fernsprechnetzes auf den Markt für Telekommunikationsdienstleistungen ist als solche nach den Artikeln 86 und 90 Absatz 1 EWG-Vertrag verboten, wenn diese Ausdehnung auf eine staatliche Maßnahme zurückgeht, durch die so der Wettbewerb beseitigt wird. Dies ist bei der Verleihung ausschließlicher Rechte zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen an Fernmeldeorganisationen, die dadurch dazu veranlasst werden, Wettbewerber vom Markt für diese Leistungen auszuschließen oder zumindest deren Zugang zu diesem Markt zu behindern, der Fall. Die Kommission war daher berechtigt, in ihrer Richtlinie 90/388 die Beseitigung dieser Rechte zu verlangen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. NOVEMBER 1992. - KOENIGREICH SPANIEN, KOENIGREICH BELGIEN UND ITALIENISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB AUF DEM MARKT FUER TELEKOMMUNIKATIONSDIENSTE. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-271/90, C-281/90 UND C-289/90.

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich Spanien, das Königreich Belgien und die Italienische Republik haben mit Klageschriften, die am 7., 14. und 20. September 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (ABl. L 192, S. 10; im folgenden: die Richtlinie). Die Französische Republik ist dem Verfahren in der Rechtssache C-271/90 zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien als Streithelferin beigetreten.

2 Die Richtlinie ist auf der Grundlage von Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag erlassen worden. Artikel 1 enthält eine Definition verschiedener in der Richtlinie verwendeter Begriffe wie zum Beispiel "Fernmeldeorganisationen", "besondere oder ausschließliche Rechte", "öffentliches Telekommunikationsnetz", "Telekommunikationsdienste", "Netzabschlusspunkt" und "grundlegende Anforderungen". Ausserdem bestimmt er, daß die Richtlinie für den Telexdienst, den Funktelefondienst, den Funkrufdienst und die Satellitenkommunikation nicht gilt.

3 Nach Artikel 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die Beseitigung der besonderen oder ausschließlichen Rechte bei der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen mit Ausnahme des Sprach-Telefondienstes zu gewährleisten; sie haben die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um allen interessierten Betreibern das Recht auf Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten.

4 Artikel 4 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Publizität, die Objektivität und die Gleichheit der Bedingungen für den Zugang zu den Netzen sicherzustellen, und der Kommission bei jeder Gebührenerhöhung für Mietleitungen die Unterlagen vorzulegen, anhand deren die Begründetheit der Erhöhung beurteilt werden kann.

5 Nach Artikel 6 haben die Mitgliedstaaten unter anderem alle bestehenden Einschränkungen bezueglich der Verarbeitung von Signalen vor der Übertragung über das öffentliche Netz oder nach dem Empfang zu beseitigen; sie sind verpflichtet, der Kommission die hierzu erlassenen Maßnahmen mitzuteilen.

6 Nach Artikel 7 haben die Mitgliedstaaten bestimmte administrative, technische und Überwachungsaufgaben ab 1. Juli 1991 einer von den Fernmeldeorganisationen unabhängigen Einrichtung zu übertragen.

7 Artikel 8 räumt den Benutzern, die durch einen Vertrag zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen gebunden sind, das Recht ein, den Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist zu kündigen, sofern bei seinem Abschluß für diese Dienstleistungen ausschließliche oder besondere Rechte bestanden.

8 Schließlich haben die Mitgliedstaaten nach Artikel 9 der Kommission die erforderlichen Informationen zu übermitteln, damit sie während drei Jahren jeweils zum Jahresende einen Bericht über die Durchführung der Richtlinie erstellen kann.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, der Bestimmungen der Richtlinie, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

10 Zur Begründung ihrer Klagen machen die Mitgliedstaaten verschiedene Klagegründe geltend, mit denen sie im wesentlichen die Unzuständigkeit der Kommission, mangelnde Begründung und die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit rügen.

Zur Zuständigkeit der Kommission

11 In ihren schriftlichen Erklärungen macht die belgische Regierung erstens geltend, Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag räume der Kommission keine Rechtsetzungsbefugnis ein, sondern weise ihr lediglich die Aufgabe zu, die Anwendung der bereits bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zu überwachen. Die Kommission hätte auf der Grundlage von Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag keine neuen Vorschriften erlassen dürfen, wie es in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 der Richtlinie geschehen sei.

12 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88 (Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnr. 14) entschieden hat, erlaubt Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag der Kommission den Erlaß von Richtlinien und räumt ihr damit die Befugnis ein, allgemeine Regeln zu erlassen, durch die die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen konkretisiert werden und die für die Mitgliedstaaten hinsichtlich der in den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels genannten Unternehmen gelten. Die Befugnis der Kommission beschränkt sich also nicht auf eine einfache Überwachung der Anwendung bereits bestehender gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften.

13 Die belgische Regierung macht zweitens geltend, die Kommission habe dadurch, daß sie die Beseitigung von besonderen und ausschließlichen Rechten vorschreibe, in die dem Rat durch die Artikel 87 und 100a EWG-Vertrag eingeräumten Befugnisse eingegriffen.

14 Insoweit genügt der Hinweis, daß die der Kommission in Artikel 90 Absatz 3 verliehene Zuständigkeit einen anderen und spezifischeren Inhalt hat als die Zuständigkeiten des Rates nach Artikel 100a einerseits und nach Artikel 87 andererseits und daß der etwaige Erlaß einer Regelung durch den Rat aufgrund einer allgemeinen Zuständigkeit nach anderen Vorschriften des Vertrages, in der Bestimmungen enthalten wären, die den besonderen Bereich von Artikel 90 berühren, der Ausübung der der Kommission in diesem Artikel verliehenen Zuständigkeit nicht entgegensteht (Urteil vom 19. März 1991, Frankreich/Kommission, a. a. O., Randnrn. 25 und 26).

15 In der mündlichen Verhandlung hat die belgische Regierung darüber hinaus folgendes vorgebracht.

16 Zwar habe die Kommission in der Richtlinie 88/301/EWG vom 16. Mai 1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (ABl. L 131, S. 73), der sogenannten "Endgeräte-Richtlinie", die sich aus Artikel 30 EWG-Vertrag ergebenden Verpflichtungen rechtswirksam festlegen können, da dieser Artikel zuvor durch Vorschriften des abgeleiteten Rechts hinreichend konkretisiert worden sei; sie habe aber in der streitigen Richtlinie die Verpflichtungen, die sich aus Artikel 59 EWG-Vertrag ergäben, dessen Anwendung im Bereich der Telekommunikation vielschichtige Probleme aufwerfe, nicht rechtswirksam festlegen können, ohne daß zuvor eine Richtlinie des Rates ergangen sei, durch die die Tragweite dieses Artikels konkretisiert worden wäre.

17 Ausserdem hat die belgische Regierung vorgetragen, da man sich mehrere Möglichkeiten vorstellen könne, wie die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus Artikel 86 EWG-Vertrag im Bereich der Telekommunikationsdienste erfuellen könnten, sei die Kommission nicht berechtigt gewesen, den Mitgliedstaaten ein besonderes Mittel vorzuschreiben, um zu einem Ergebnis zu gelangen.

18 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 19. März 1991 (Frankreich/Kommission, a. a. O., Randnr. 21) entschieden hat, umfasst die der Kommission übertragene Aufsichtsbefugnis die auf Artikel 90 Absatz 3 gestützte Möglichkeit, die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu konkretisieren; der Umfang dieser Befugnis hängt folglich von der Tragweite der Vorschriften ab, deren Beachtung sichergestellt werden soll.

19 Gemäß Artikel 59 EWG-Vertrag mussten die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, bis zum Ende der Übergangszeit aufgehoben sein. Diese Bestimmung gebietet insbesondere die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen eines Leistungserbringers, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht wird.

20 Nach ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere Urteil vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 279/80, Webb, Slg. 1981, 3305, Randnr. 13) begründet Artikel 59 eine genau bestimmte Verpflichtung zur Herbeiführung eines bestimmten Ergebnisses, wobei die Durchführung eines Programms fortschreitender Maßnahmen die Erfuellung dieser Verpflichtung lediglich erleichtern, nicht aber eine Bedingung für sie darstellen sollte. Daher hat Artikel 59 EWG-Vertrag bei Ablauf der Übergangszeit unbedingte Geltung erlangt (Urteil vom 3. Dezember 1974 in der Rechtssache 33/74, Van Binsbergen, Slg. 1974, 1299, Randnr. 24).

21 Da Artikel 59 somit wie Artikel 30 eine unmittelbar anwendbare Bestimmung ist, konnte die Kommission zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr die sich aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen konkretisieren, ohne daß zuvor eine Rechtsetzung durch den Rat erforderlich gewesen wäre. Angesichts dessen würde eine Beschränkung der Befugnis der Kommission, wie sie die belgische Regierung ins Auge fasst, dazu führen, daß Artikel 90 Absatz 3 seine praktische Wirksamkeit genommen würde. Das erste Argument der belgischen Regierung ist folglich zurückzuweisen.

22 Was Artikel 86 EWG-Vertrag angeht, genügt die Feststellung, daß die Richtlinie entgegen dem Vorbringen der belgischen Regierung die Mittel, über die die Mitgliedstaaten verfügen, um ihre Verpflichtungen aus dieser Bestimmung zu erfuellen, nicht abschließend festlegt. So schreibt Artikel 7 der Richtlinie, den die belgische Regierung in der mündlichen Verhandlung als Beispiel für die den Mitgliedstaaten auferlegten Beschränkungen angeführt hat, gemäß den Erfordernissen des in Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag vorgesehenen Systems unverfälschten Wettbewerbs (siehe insbesondere Urteil vom 19. März 1991, Frankreich/Kommission, a. a. O., Randnrn. 51 und 52) lediglich vor, daß die zur Genehmigung und zur Überwachung von Telekommunikationsdiensten befugte Stelle von den Fernmeldeorganisationen unabhängig sein muß. Diese Bestimmung enthält eine Rechtsvorschrift und lässt den nationalen Stellen einen weiten Spielraum bei der Wahl der Mittel zu ihrer Umsetzung. Das Vorbringen, die Kommission habe ihre Befugnisse aus Artikel 90 Absatz 3 dadurch überschritten, daß sie für die Abstellung von Verstössen gegen Artikel 86 einen zu starren Rahmen festgelegt habe, ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

23 Die spanische und die italienische Regierung machen geltend, Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag räume der Kommission nicht die Befugnis ein, die Mitgliedstaaten, wie es Artikel 8 der Richtlinie vorsehe, zu verpflichten, die Änderung von Verträgen vorzuschreiben, die zwischen Betreibern und Benutzern von Telekommunikationsdiensten frei geschlossen worden seien.

24 Wie der Gerichtshof im oben angeführten Urteil Frankreich/Kommission (Randnr. 55) ausgeführt hat, verleiht Artikel 90 EWG-Vertrag der Kommission eine Befugnis nur im Hinblick auf staatliche Maßnahmen; wettbewerbswidrige Verhaltensweisen der Unternehmen selbst können nur mit Einzelentscheidungen auf der Grundlage der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag gerügt werden.

25 Ebenso wie die "Endgeräte"-Richtlinie lässt die Richtlinie, gegen die sich die vorliegenden Klagen richten, in keiner Weise erkennen, daß die Inhaber besonderer oder ausschließlicher Rechte durch staatliche Regelungen gezwungen oder dazu angeregt worden wären, Verträge mit langer Laufzeit zu schließen.

26 Artikel 90 kann daher nicht als geeignete Grundlage für die Beseitigung der durch die Richtlinie erfassten Wettbewerbshindernisse angesehen werden, die sich eventuell aus Verträgen mit langer Laufzeit ergeben.

27 Artikel 8 der Richtlinie ist folglich für nichtig zu erklären.

Zum Begründungsmangel

28 Die spanische Regierung macht geltend, die streitige Richtlinie enthalte, soweit sie die besonderen Rechte betreffe, keine ausreichende Begründung.

29 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 19. März 1991 (Frankreich/Kommission, a. a. O., Randnr. 45) in bezug auf die "Endgeräte"-Richtlinie entschieden hat, ist eine Richtlinie als nicht ausreichend begründet anzusehen, wenn sie auf die Beseitigung von besonderen Rechten in einem bestimmten Bereich abzielt, aber weder in ihren Bestimmungen noch in ihren Begründungserwägungen angegeben wird, welche Art von besonderen Rechten konkret gemeint ist und inwiefern das Bestehen dieser Rechte den verschiedenen Vertragsvorschriften zuwiderlaufen soll.

30 Die Richtlinie enthält aber keine solchen Angaben.

31 Insbesondere lässt sich anhand der Definition in Artikel 1, wonach "besondere oder ausschließliche Rechte" die "Rechte [sind], die von einem Mitgliedstaat oder einer Behörde einer oder mehreren öffentlichen oder privaten Einrichtungen auf dem Gesetzes- oder Verwaltungswege gewährt werden und diesen die Erbringung einer Dienstleistung oder die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit vorbehalten", nicht bestimmen, welche Art von besonderen Rechten mit der Richtlinie gemeint ist und inwiefern das Bestehen dieser Rechte den verschiedenen Vertragsvorschriften zuwiderlaufen soll.

32 Infolgedessen ist die Richtlinie für nichtig zu erklären, soweit sie die besonderen Rechte regeln soll.

Zur Rechtfertigung des generellen Verbots ausschließlicher Rechte

33 Die italienische Regierung ist der Auffassung, da die Einräumung von besonderen oder ausschließlichen Rechten als solche nicht im Widerspruch zum EWG-Vertrag stehe, habe die Kommission die generelle Verpflichtung zur Beseitigung dieser Rechte in dem betroffenen Bereich nicht aussprechen dürfen, ohne zuvor eine eingehende Untersuchung der verschiedenen Verhaltensweisen bei der Ausübung dieser Rechte vorzunehmen. Ein generelles Verbot hätte nur gerechtfertigt sein können, wenn aufgrund einer Untersuchung festgestellt worden wäre, daß die Einräumung von besonderen oder ausschließlichen Rechten jede Wettbewerbsmöglichkeit in dem betreffenden Bereich ausschließe. Eine Untersuchung hätte jedoch gezeigt, daß nur punktülle Einschränkungen beim Marktzugang bestuenden, die zum Beispiel auf übermässige finanzielle Belastungen zurückzuführen seien. Angesichts dessen hätte die Kommission nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Maßnahmen ergreifen müssen, die ausschließlich auf die Beseitigung von Mißbräuchen in konkreten Fällen gerichtet gewesen wären.

34 Vorab ist festzustellen, daß diese Rüge nur insoweit geprüft wird, als sie sich auf die ausschließlichen Rechte bezieht, da die Richtlinie für nichtig zu erklären ist, soweit sie die besonderen Rechte regeln soll (siehe Randnr. 32 dieses Urteils).

35 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die blosse Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag als solche nicht mit Artikel 86 EWG-Vertrag unvereinbar (siehe insbesondere das Urteil vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90, Merci Convenzionali Porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 16).

36 Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, daß die ohne objektive Rechtfertigung erfolgende Ausdehnung des Monopols für die Einrichtung und den Betrieb des Fernsprechnetzes auf den Markt für Fernsprechgeräte als solche nach Artikel 86 oder, wenn diese Ausdehnung auf eine staatliche Maßnahme zurückgeht, durch die so der Wettbewerb beseitigt wird, nach Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 verboten ist (Urteil vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88, GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5941, Randnr. 24). Die gleiche Schlußfolgerung ist geboten, wenn sich das Einrichtungs- und Betriebsmonopol auf den Markt für Telekommunikationsdienste erstreckt.

37 In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der sechzehnten Begründungserwägung der Richtlinie, deren Inhalt die italienische Regierung in keiner Weise bestritten hat, daß die Verleihung von ausschließlichen Rechten an Fernmeldeorganisationen diese dazu veranlasst, Wettbewerber vom Markt für Telekommunikationsdienstleistungen auszuschließen oder zumindest deren Zugang zu diesem Markt zu behindern. Nach derselben Begründungserwägung können aber alle genannten Dienstleistungen grundsätzlich auch von Anbietern anderer Mitgliedstaaten erbracht werden.

38 Die Kommission war daher berechtigt, die Beseitigung der ausschließlichen Rechte in bezug auf die Erbringung bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen zu verlangen. Die dagegen gerichtete Rüge ist somit zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Kläger nur teilweise obsiegt haben, haben die Beteiligten, einschließlich der Streithelferin, jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste wird für nichtig erklärt, soweit sie die besonderen Rechte regeln soll.

2) Artikel 8 der Richtlinie wird für nichtig erklärt.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4) Jeder Beteiligte trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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