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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: C-278/03
Rechtsgebiete: EG, Verordnung Nr. 1612/68


Vorschriften:

EG Art. 39
Verordnung Nr. 1612/68 Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 12. Mai 2005. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen - Fehlende oder unzureichende Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Berufserfahrung - Artikel 39 EG - Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68. - Rechtssache C-278/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-278/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 26. Juni 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M.J. Jonczy als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen, G. Arestis und J. Kluka,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) verstoßen hat, dass sie die von Gemeinschaftsbürgern im öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaats erworbene Berufserfahrung für deren Teilnahme an den Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen nicht berücksichtigt.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2. Nach Artikel 39 Absatz 1 EG ist [i]nnerhalb der Gemeinschaft... die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Sie umfasst nach Absatz 2 dieses Artikels die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

3. Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68 erläutert die in Artikel 39 EG aufgestellten Grundsätze insbesondere im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung finden im Rahmen dieser Verordnung die Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines Mitgliedstaats,

- die das Stellenangebot und das Arbeitsgesuch, den Zugang zur Beschäftigung und deren Ausübung durch Ausländer einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, die für Inländer nicht gelten,

- oder die, ohne auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, ausschließlich oder hauptsächlich bezwecken oder bewirken, dass Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten von der angebotenen Stelle ferngehalten werden,

... keine Anwendung.

Nationales Recht

4. In seiner auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache anwendbaren Fassung bestimmte Artikel 37 des Gesetzesdekrets Nr. 29 vom 3. Februar 1993 über die Rationalisierung der Organisation der öffentlichen Verwaltung und die Überprüfung der Regelung des öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 2 des Gesetzes Nr. 421 vom 23. Oktober 1992 (decreto legistlativo n° 29, recante razionalizzazione dell'organizzazione delle amministrazioni pubbliche e revisione della disciplina in materia di pubblico impiego, a norma dell'articolo 2 della legge n° 421, 23 ottobre 1992) (GURI Nr. 30 vom 6. Februar 1993, supplemento ordinario, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 29/1993):

1. Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhalten Zugang zu den Stellen der öffentlichen Verwaltung, die nicht die unmittelbare oder mittelbare Ausübung öffentlicher Gewalt mit sich bringen und sich nicht auf den Schutz des nationalen Interesses beziehen.

2. Die Stellen und Funktionen, für die nicht vom Besitz der italienischen Staatsbürgerschaft abgesehen werden kann, sowie die unverzichtbaren Voraussetzungen für den Zugang der in Absatz 1 genannten Staatsangehörigen werden durch Dekret des Präsidenten des Ministerrats gemäß Artikel 17 des Gesetzes Nr. 400 vom 23. August 1988 festgelegt.

3. Falls noch keine Gemeinschaftsregelung erlassen worden ist, wird die Gleichwertigkeit der Studien- und Berufsabschlüsse durch ein auf Vorschlag der zuständigen Minister erlassenes Dekret des Präsidenten des Ministerrats anerkannt. Die Gleichwertigkeit von Hochschulabschlüssen und Dienstzeugnissen, die für die Zulassung zum Auswahlverfahren und die Ernennung maßgeblich sind, wird nach einem entsprechenden Verfahren festgelegt.

Das Vorverfahren und die Klage

5. Nachdem die Kommission davon unterrichtet worden war, dass mehrere Gemeinschaftsbürger bei der Teilnahme an Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen auf Schwierigkeiten gestoßen waren, die sich im Wesentlichen daraus ergaben, dass die früher von diesen Staatsangehörigen in anderen Mitgliedstaaten erworbene Berufserfahrung von den italienischen Behörden nicht berücksichtigt wurde, richtete sie am 24. November 1999 ein Schreiben an die Italienische Republik, in dem sie diese aufforderte, zu dieser Situation Stellung zu nehmen und sie sowohl über die in diesem Bereich geltenden Vorschriften als auch über die Art und Weise in Kenntnis zu setzen, in der sie konkret beabsichtige, diese Schwierigkeiten zu beseitigen.

6. Zunächst verneinten die italienischen Behörden jede Verpflichtung, die von Gemeinschaftsbürgern außerhalb Italiens erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen. Mit Schreiben des Schulministeriums vom 28. März 2000 machten sie geltend, es sei im Hinblick auf die jedem nationalen Schulsystem eigenen Regeln und Merkmale zwingend, dass diese Erfahrung in Einrichtungen des italienischen Schulsystems erworben werde. Eine vorherige Harmonisierung der in jedem Mitgliedstaat anwendbaren Kriterien sei somit unerlässlich, damit die von Gemeinschaftsbürgern in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik ausgeübten Unterrichtstätigkeiten für deren Teilnahme an Auswahlverfahren für die Einstellung in den italienischen öffentlichen Dienst berücksichtigt werden könnten.

7. Nach der Übersendung eines Mahnschreibens am 6. April 2001, mit dem die italienischen Behörden auf die Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof, insbesondere im Urteil vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C419/92 (Scholz, Slg. 1994, I505), aufmerksam gemacht wurden, räumte die italienische Regierung ein, dass die im vorliegenden Fall vom Schulministerium vertretene Position in Widerspruch zu den Bestimmungen der nationalen Regelung zu stehen scheine, die in Artikel 37 des Gesetzesdekrets Nr. 29/1993 die Verpflichtung vorsähen, die im öffentlichen Dienst anderer Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen zu berücksichtigen. Die Anerkennung der Erfahrung und des Dienstalters, die von Gemeinschaftsbürgern außerhalb des Inlands erworben worden seien, bereite jedoch noch immer eine Reihe von Schwierigkeiten, da es an einer Umsetzung des in Artikel 37 Absatz 3 dieses Gesetzesdekrets vorgesehenen Verfahrens durch das Ministerium fehle. Nach Auffassung der italienischen Regierung stellt die fehlende Übermittlung der Dokumente, die für den Erlass des Dekrets zur Festlegung der Gleichwertigkeit der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Diplome, Zeugnisse und Qualifikationen erforderlich seien, an den Präsidenten des Ministerrats zweifellos einen Verstoß gegen die Verpflichtungen des Schulministeriums dar; dieser Verstoß führe jedoch nur zu einer Verletzung des internen Rechts, da die nationale Regelung als solche mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehe.

8. Da die Kommission unter diesen Umständen der Auffassung war, dass die Vertragsverletzung andauere, weil nicht alle Maßnahmen ergriffen worden seien, um der Verpflichtung der italienischen Behörden Wirksamkeit zu verschaffen, die Berufserfahrung und das Dienstalter, das Gemeinschaftsbürger durch außerhalb Italiens ausgeübte Unterrichtstätigkeiten erworben hätten, zu berücksichtigen, gab sie am 26. Juni 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie die Italienische Republik aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen. Da die Kommission auf diese Stellungnahme keine Antwort erhielt, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

9. In ihrer Klagebeantwortung bestreitet die italienische Regierung die Begründetheit des Vorwurfs der Vertragsverletzung. Sie beruft sich insbesondere auf Artikel 38 des Gesetzesdekrets Nr. 165 vom 30. März 2001 zur Festlegung der allgemeinen Vorschriften, die für die Beschäftigung der Angestellten in der öffentlichen Verwaltung gelten (decreto legislativo n° 165, recante le norme generali sull'ordinamento del lavoro alle dipendenze delle amministrazioni pubbliche) (GURI Nr. 106 vom 9. Mai 2001, Supplemento ordinario), - der im Wesentlichen Artikel 37 des Gesetzesdekrets Nr. 29/1993 entspricht -, sowie auf das Dekret Nr. 174 des Präsidenten des Ministerrats vom 7. Februar 1994 über die Regeln für den Zugang der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Stellen in der öffentlichen Verwaltung (decreto del presidente del Consiglio dei ministri n° 174, recante le norme sull'accesso dei cittadini degli Stati membri dell'Unione europea ai posti di lavoro presso le amministrazioni pubbliche) (GURI Nr. 61 vom 15. März 1994) und macht geltend, dass die Rechtsvorschriften ebenso wie die Praxis der italienischen Behörden den Gemeinschaftsanforderungen entsprächen.

10. Was insbesondere den Bereich des Unterrichtswesens betrifft, führt die italienische Regierung aus, dass die Einstellung von Lehrern in Italien in drei unterschiedlichen Verfahren erfolge, und zwar für 50 % der für das Schuljahr zur Verfügung stehenden Stellen über Auswahlverfahren nach Zeugnissen und Prüfungen gemäß Artikel 400 des Gesetzesdekrets Nr. 297 vom 16. April 1994 über die Annahme des Testo unico der für das Unterrichtswesen und alle Schulformen und stufen geltenden gesetzlichen Vorschriften (decreto legislativo n° 297, recante approvazione del testo unico delle disposizioni legislative vigenti in materia di istruzione, relative alle scuole di ogni ordine e grado) (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 115 vom 19. Mai 1994, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 297/1994) und für die übrigen 50 % über ständige Eignungslisten nach Artikel 401 dieses Gesetzesdekrets; besondere Vertretungslisten, die die Namen der Lehrer enthielten, die zu Vertretungen befähigt seien, würden schließlich verwendet, um vorübergehend freie, verfügbare Stellen zu besetzen.

11. Nach Ansicht der italienischen Regierung werden Angehörige der anderen Mitgliedstaaten gegenüber italienischen Staatsangehörigen in Bezug auf die erste und die dritte Form der Einstellung des Lehrpersonals nicht diskriminiert, da im ersten Fall, also dem des Auswahlverfahrens nach Zeugnissen und Prüfungen, die Berufserfahrung im Rahmen des Einstellungsverfahrens keine Rolle spiele, während im dritten Fall für die Konstellation der Vertretung oder Ersetzung das Ministerialdekret Nr. 201 vom 25. Mai 2000 über die Vorschriften betreffend die Verfahren der Zuweisung der Vertretungen an die Dozenten und das Lehrpersonal gemäß Artikel 4 des Gesetzes Nr. 124 vom 3. Mai 1999 (decreto ministeriale n°201, relativo al regolamento recante le norme sulle modalità di conferimento delle supplenze al personale docente ed educativo ai sensi dell'articolo 4 della legge 3 maggio 1999, n°124) (GURI Nr. 168 vom 20. Juli 2000, im Folgenden: Ministerialdekret Nr. 201/2000) ausdrücklich die Vergabe einer bestimmten Punktzahl entsprechend den in den Schulen oder Universitätseinrichtungen der anderen Mitgliedstaaten ausgeübten Unterrichtstätigkeiten vorsehe. Die italienische Regierung verweist insoweit insbesondere auf Anhang A dieses Dekrets, der in Punkt E, Anmerkung 9, solche Tätigkeiten den Dienstleistungen der dritten Kategorie gleichstelle, die in Italien Anspruch auf die Vergabe eines halben Punktes pro Monat des in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Unterrichts und von maximal drei Punkten pro Jahr gäben.

12. Was dagegen die zweite Form der Einstellung der Lehrer in Italien angeht, also die Einstellung aufgrund ständiger Eignungslisten, so bestreitet die italienische Regierung nicht, dass eine Ungleichbehandlung bestehe je nachdem, ob die betreffenden Unterrichtstätigkeiten in Italien oder in anderen Mitgliedstaaten ausgeübt worden seien. Ein derartiger Unterschied sei jedoch gerechtfertigt, da dem im Ausland erteilten Unterricht Texte, Programme und Inhalte zugrunde lägen, die sich von den in Italien vorgesehenen unterschieden, und er daher nicht das Kriterium der Spezifizität aufweise, das das italienische Gesetz verlange und das nach dem Ministerialdekret Nr. 123 vom 27. März 2000 über die Regelung der Modalitäten für die Vervollständigung und Aktualisierung der in den Artikeln 1, 2, 6 und 11 Absatz 9 des Gesetzes Nr. 124 vom 3. Mai 1999 vorgesehenen ständigen Listen (decreto ministeriale n°123, relativo al regolamento recante le norme sulle modalità di integrazione e aggiornamento delle graduatorie permanenti previste dagli articole 1, 2, 6 und 11, comma 9, della legge 3 maggio 1999, n° 124) (GURI Nr. 113 vom 17. Mai 2000, im Folgenden: Ministerialdekret Nr. 123/2000) Anspruch auf die Vergabe von zusätzlichen Punkten im Rahmen des Einstellungsverfahrens gebe.

Würdigung durch den Gerichtshof

13. Zunächst ist das Argument der italienischen Regierung zurückzuweisen, dass der Italienischen Republik keine Verletzung des Gemeinschaftsrechts vorgeworfen werden könne, da ihre Rechtsvorschriften mit diesem Recht in Einklang stünden und sich die Vertragsverletzung im vorliegenden Fall aus einer bloßen Praxis der zuständigen Behörden oder der Verspätung dieser Behörden beim Erlass der Maßnahmen ergebe, die für die Anerkennung der von den Gemeinschaftsbürgern bei außerhalb des Inlands ausgeübten Unterrichtstätigkeiten erworbenen Erfahrung erforderlich seien. Eine Vertragsverletzung kann sich nämlich aus dem Bestehen einer Verwaltungspraxis ergeben, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, auch wenn die anwendbare nationale Regelung als solche mit diesem Recht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 26. Juni 2001 in der Rechtssache C212/99, Kommission/Italien, Slg. 2001, I4923, Randnr. 31).

14. Was im Übrigen das Vorliegen der vorgeworfenen Zuwiderhandlung wegen Verletzung des Artikels 39 EG und des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1612/68 angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 39 EG in seiner Auslegung durch den Gerichtshof dann, wenn eine öffentliche Einrichtung eines Mitgliedstaats bei der Einstellung von Personal für Stellen, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 39 Absatz 4 EG fallen, die Berücksichtigung der früheren Berufstätigkeiten der Bewerber in einer öffentlichen Verwaltung vorsieht, diese Einrichtung gegenüber den Gemeinschaftsbürgern nicht danach unterscheiden darf, ob diese Tätigkeiten im öffentlichen Dienst dieses oder in dem eines anderen Mitgliedstaats ausgeübt wurden (vgl. u. a. Urteil Scholz, Randnr. 12).

15. Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68 erläutert die in Artikel 39 EG genannten Rechte insbesondere im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung und ist daher in der gleichen Art und Weise auszulegen wie Artikel 39 EG.

16. Im vorliegenden Fall lässt sich nicht bestreiten, dass die Italienische Republik diese Rechte in Bezug auf den Zugang von Gemeinschaftsbürgern zu den Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrpersonal an öffentlichen Schulen in diesem Mitgliedstaat missachtet.

17. Was nämlich die Einstellung des Lehrpersonals aufgrund ständiger Eignungslisten angeht, die sich, wie in Randnummer 10 des vorliegenden Urteils ausgeführt, auf die Hälfte der für das Schuljahr zur Verfügung stehenden Posten beziehen, hat die italienische Regierung in ihrer Klagebeantwortung eingeräumt, dass die Gemeinschaftsbürger unterschiedlich behandelt würden je nachdem, ob die für die Aufnahme in diese Listen berücksichtigte Berufserfahrung im Inland oder in anderen Mitgliedstaaten erworben worden sei, wobei dieser Unterschied ihrer Auffassung nach durch die fehlende Gleichwertigkeit der Inhalte und Programme des italienischen Unterrichts und der des außerhalb Italiens erteilten Unterrichts gerechtfertigt ist.

18. Der in Randnummer 14 des vorliegenden Urteils zitierten Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die umfassende Weigerung, die aufgrund der in anderen Mitgliedstaaten ausgeübten Unterrichtstätigkeiten erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen, die mit dem Bestehen von Unterschieden in den Unterrichtsprogrammen dieser Staaten begründet wird, nicht gerechtfertigt werden kann. Es lässt sich nämlich nicht bestreiten, dass eine spezifische Berufserfahrung wie die von der italienischen Regelung verlangte, insbesondere im Bereich der Kunsterziehung oder im Unterricht für Behinderte, auch in anderen Mitgliedstaaten erworben werden kann.

19. Die dritte in Randnummer 10 dieses Urteils dargestellte Form der Einstellung auf der Grundlage besonderer Ersatzlisten kann die in Artikel 39 EG und Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68 geforderte Gleichbehandlung ebenfalls nicht vollständig gewährleisten. Denn die Untersuchung der von der italienischen Regierung im Laufe des vorliegenden Verfahrens übermittelten Regelungen ergibt, dass die Berufserfahrung je nachdem, ob sie im Inland oder in anderen Mitgliedstaaten erworben wurde, in unterschiedlichem Maß berücksichtigt wird.

20. Wie die Kommission in ihrer Erwiderung festgestellt hat, geht nämlich aus dem Ministerialdekret Nr. 201/2000 und insbesondere seinem Anhang A, Punkt E, Anmerkung 9, hervor, dass die in den Schulen oder Universitätseinric htungen der anderen Mitgliedstaaten erbrachten Dienstleistungen stets als solche der dritten Kategorie nach Punkt E anzusehen sind, die sich auf sonstige Unterrichtstätigkeiten bezieht, die Anspruch auf die Vergabe eines halben Punktes pro Monat erteilten Unterrichts bei maximal drei Punkten pro Schuljahr geben. Aus diesem Dekret ergibt sich jedoch auch, dass in Italien nur die in Internaten oder in Vorschulen, Grundschulen, weiterführenden oder künstlerisch ausgerichteten Schulen ausgeübten Unterrichtstätigkeiten - unabhängig davon, ob es sich um öffentliche oder private, aber vom italienischen Staat anerkannte oder geförderte Schulen handelt - als unter die beiden ersten Kategorien des Punktes E fallend angesehen werden; diese Kategorien beziehen sich jeweils auf spezifische oder nicht spezifische Unterrichtstätigkeiten, die Anspruch auf die Vergabe von zwei Punkten pro Unterrichtsmonat bei maximal 12 Punkten pro Schuljahr bei der ersten und einem Punkt pro Monat bei maximal sechs Punkten pro Schuljahr bei der zweiten Kategorie geben.

21. Unter diesen Umständen wird die von Gemeinschaftsbürgern außerhalb Italiens erworbene Berufserfahrung zwar im Rahmen der Einstellung aufgrund der Ersatzlisten, jedoch nicht immer in gleicher Weise wie eine im Inland erworbene Berufserfahrung berücksichtigt, ohne dass die italienische Regierung hierfür irgendeine Rechtfertigung gegeben hätte.

22. Nach alledem ist daher festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßen hat, dass sie für die Teilnahme von Gemeinschaftsbürgern an den Auswahlverfahren für das Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen die von diesen Bürgern bei Unterrichtstätigkeiten erworbene Berufserfahrung je nachdem, ob diese Tätigkeiten in Italien oder in anderen Mitgliedstaten ausgeübt wurden, nicht oder zumindest nicht in gleicher Weise berücksichtigt.

Kosten

23. Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, die Italienische Republik zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstoßen, dass sie für die Teilnahme von Gemeinschaftsbürgern an den Auswahlverfahren für das Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen die von diesen Bürgern bei Unterrichtstätigkeiten erworbene Berufserfahrung je nachdem, ob diese Tätigkeiten in Italien oder in anderen Mitgliedstaten ausgeübt wurden, nicht oder zumindest nicht in gleicher Weise berücksichtigt.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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