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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.2001
Aktenzeichen: C-280/99 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Entscheidung Nr. 96/678/EGKS


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Entscheidung Nr. 96/678/EGKS
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag hängt anders als nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) die Unvereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht davon ab, dass sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag verbietet alle Beihilfen ohne jede Einschränkung, um für die Schaffung, Aufrechterhaltung und Beachtung normaler Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, so dass die Beihilfen als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gelten, ohne dass festgestellt oder auch nur nachgeprüft zu werden brauchte, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen gegeben ist oder droht.

( vgl. Randnrn. 32-33 )

2. Der Fünfte Stahlbeihilfenkodex stellt eine Ausnahme von Artikel 4 EGKS-Vertrag dar und ist deshalb eng auszulegen. Dieses Erfordernis einer engen Auslegung ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Begründung des Fünften Kodex, worin die Kommission ihre Absicht klar zum Ausdruck gebracht hat, dass dieser Kodex eng und nur ausgehend von seinem ausdrücklichen Wortlaut auszulegen sei. Das Gericht ist daher rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Zweck des Fünften Kodex darin bestehe, nur die Beihilfegewährung an Unternehmen zuzulassen, die spürbar auf dem Markt vertreten seien und deren Schließung zu einer Verringerung der Stahlerzeugung führe. Somit ist die Würdigung durch das Gericht nicht zu beanstanden, dass die Voraussetzung der regelmäßigen Produktion in Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex aufgestellt worden sei, um die praktische Wirksamkeit der Schließungsbeihilfen zu verstärken, indem sichergestellt werde, dass diese Beihilfen hinreichend spürbare Auswirkungen nicht nur im Hinblick auf den Abbruch von Anlagen, sondern auch in Bezug auf die Herabsetzung des derzeitigen Produktionsniveaus hätten.

( vgl. Randnrn. 40-41, 45 )

3. Aus den Artikeln 225 EG und 51 der Satzung des Gerichtshofes ergibt sich, dass das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Daher ist allein das Gericht dafür zuständig, die Tatsachen festzustellen - sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind - und sie zu würdigen. Die Tatsachenwürdigung stellt, sofern die beim Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die im Rechtsmittelverfahren als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt.

( vgl. Randnr. 78 )

4. Im Rahmen einer Ausnahmeregelung vom strengen Verbot von Beihilfen in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, wie der Fünfte Stahlbeihilfenkodex sie darstellt, dürfen Beihilfevorhaben nur genehmigt werden, wenn sie jede der in dieser Regelung festgelegten Bedingungen erfuellen. Die Kommission hat daher im Laufe des Verfahrens zur Prüfung der Beihilfevorhaben zu untersuchen, ob diese Bedingungen bei der Gewährung einer Beihilfe eingehalten würden. Es bedarf daher keiner anderen Begründung als ihrer Feststellung, dass bestimmte in dieser Regelung genannte Kriterien nicht erfuellt sind.

( vgl. Randnr. 90 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 21. Juni 2001. - Moccia Irme SpA, Ferriera Lamifer SpA und Ferriera Acciaieria Casilina SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie - Umstrukturierung des Stahlsektors. - Verbundene Rechtssachen C-280/99 P bis C-282/99 P.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-280/99 P, C-281/99 P und C-282/99 P

Moccia Irme SpA, Neapel (Italien), Prozessbevollmächtigte: E. Cappelli, P. de Caterini und A. Bandini, avvocati, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Ferriera Lamifer SpA, Travagliato (Italien), Prozessbevollmächtigte: C. Punzi, M. Siragusa und F. Satta, avvocati, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

Ferriera Acciaieria Casilina SpA, Montecomprati (Italien), Prozessbevollmächtigte: C. Punzi, M. Siragusa und F. Satta, avvocati, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerinnen,

betreffend Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Dritte erweiterte Kammer) vom 12. Mai 1999 in den Rechtssachen T-164/96 bis T-167/96, T-122/97 und T-130/97 (Moccia Irme u. a./Kommission, Slg. 1999, II-1477) wegen Aufhebung dieses Urteils,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Pignataro als Bevollmächtigte im Beistand von M. Moretto, avvocato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Prolafer Srl, Bergamo (Italien),

Dora Ferriera Acciaieria Srl, Bergamo,

und

Nuova Sidercamuna SpA, Berzo Inferiore (Italien),

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann, der Richter V. Skouris, J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken (Berichterstatterin),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 16. November 2000, in der die Moccia Irme SpA durch A. Bandini, die Ferriera Lamifer SpA und die Ferriera Acciaieria Casilina SpA durch M. Siragusa und F. Satta sowie durch F. M. Moretti, avvocato, und die Kommission durch L. Pignataro im Beistand von M. Moretto vertreten waren,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Februar 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit Rechtsmittelschriften, die am 28. Juli 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, haben die Moccia Irma SpA (im Folgenden: Moccia) in der Rechtssache C-280/99 P, die Ferriera Lamifer SpA (im Folgenden: Lamifer) in der Rechtssache C-281/99 P und die Ferriera Acciaieria Casilina SpA (im Folgenden: Casilina) in der Rechtssache C-282/99 P gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes jeweils ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 12. Mai 1999 in den Rechtssachen T-164/96 bis T-167/96, T-122/97 und T-130/97 (Moccia Irme u. a./Kommission, Slg. 1999, II-1477, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 96/678/EGKS der Kommission vom 30. Juli 1996 über bestimmte Beihilfevorhaben Italiens im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für den privaten italienischen Stahlsektor (ABl. 1996, L 316, S. 24) und der Entscheidung 97/258/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 über bestimmte Beihilfevorhaben Italiens im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für den privaten italienischen Stahlsektor (ABl. 1997, L 102, S. 42) abgewiesen hat.

2 Die Rechtssachen C-280/99 P, C-281/99 P und C-282/99 P sind mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 1999 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Gemeinschaftsrecht

3 Nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag sind von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht", gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages untersagt.

4 Artikel 95 Absatz 1 EGKS-Vertrag lautet:

In allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen, in denen eine Entscheidung oder Empfehlung der Kommission erforderlich erscheint, um eines der in Artikel 2, 3 und 4 näher bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen, kann diese Entscheidung oder Empfehlung mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses ergehen."

5 Auf der Grundlage dieser Bestimmungen erließ die Kommission die Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 362, S. 57), den sogenannten Fünften Stahlbeihilfenkodex (im Folgenden: Fünfter Kodex).

6 Artikel 1 Absatz 1 des Fünften Kodex lautet:

Alle Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie, gleichgültig ob spezifische oder nichtspezifische Beihilfen, die in jedweder Form von den Mitgliedstaaten bzw. den Gebietskörperschaften oder aus staatlichen Mitteln finanziert werden, können nur dann als Gemeinschaftsbeihilfen und somit als mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar angesehen werden, wenn sie den Bestimmungen der Artikel 2 bis 5 entsprechen."

7 Gemäß den Artikeln 2 bis 5 des Fünften Kodex können Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen, Umweltschutzbeihilfen, Schließungsbeihilfen sowie regionale Beihilfen, die in Griechenland, Portugal und den neuen deutschen Bundesländern in den allgemeinen Regelungen vorgesehen sind, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.

8 Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 erster bis dritter Gedankenstrich des Fünften Kodex bestimmt:

Beihilfen zugunsten der Unternehmen, die ihre Produktionstätigkeit endgültig einstellen, können unter den nachstehenden Voraussetzungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden:

- sie haben ihre Rechtspersönlichkeit vor dem 1. Januar 1991 erlangt;

- sie haben bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der betreffenden Beihilfen regelmäßig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert;

- ihre Produktions- und Anlagenstruktur hat sich seit dem 1. Januar 1991 nicht geändert".

9 Nach Artikel 6 Absatz 1 des Fünften Kodex ist die Kommission von allen Vorhaben zur Gewährung oder Umgestaltung von Beihilfen gemäß den Artikeln 2 bis 5 dieses Kodex so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich hierzu äußern kann. Gemäß Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex ist jeder einzelne Fall einer Anwendung der in den Artikeln 4 und 5 dieses Kodex genannten Beihilfen zuvor der Kommission unter den Bedingungen des Artikels 6 Absatz 1 zu melden.

Nationales Recht

10 Im Februar 1994 unterrichtete die italienische Regierung die Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 1 des Fünften Kodex über das Decreto-legge Nr. 103 vom 14. Februar 1994 mit Dringlichkeitsmaßnahmen zur Durchführung des Umstrukturierungsplans für den Stahlsektor. Dieses wurde durch das Decreto-legge Nr. 234 vom 14. April 1994 und sodann durch das Decreto-legge Nr. 396 vom 20. Juni 1994 erneut erlassen, das dann in das Gesetz Nr. 481 vom 3. August 1994 über die Umstrukturierung des privaten italienischen Stahlsektors (GURI Nr. 183 vom 6. August 1994, S. 12, im Folgenden: Gesetz Nr. 481/94) umgewandelt wurde.

11 Nach Artikel 1 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 481/94 können Schließungsbeihilfen für Stahlanlagen gewährt werden, falls diese binnen einer bestimmten Frist abgebrochen werden. Gemäß Artikel 1 Absatz 4 dieses Gesetzes waren die Modalitäten der Prüfung sowie die Kriterien für die Kontrolle und die Überprüfung der Durchführung der Programme durch Dekret des Ministers für Industrie, Handel und Handwerk festzulegen.

12 Die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 481/94, also das Dekret Nr. 683 des Ministers für Industrie, Handel und Handwerk vom 12. Oktober 1994 (im Folgenden: Durchführungsbestimmungen), wurden der Kommission im August 1994 mitgeteilt. Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Durchführungsbestimmungen können die betreffenden Unternehmen die Beihilfen nach Artikel 1 des Gesetzes Nr. 481/94 nur erhalten, wenn sie u. a.

a) vor dem 1. Januar 1991 in das Handelsregister eingetragen worden sind...;

b) den Gegenstand ihrer Produktion und die Struktur ihrer Anlagen nach dem 1. Januar 1991 nicht geändert haben;

c) die Anlagen vor dem 31. März 1995 beseitigen;

...

e) bis zum Tag des Erlasses des Decreto-legge Nr. 103 vom 14. Februar 1994... eine regelmäßige Produktion aufgewiesen haben, die durch ein beeidigtes Gutachten eines in diesem Sektor erfahrenen Sachverständigen zu belegen ist, der in das Verzeichnis der Sachverständigen aufgenommen und von dem Gericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, bestellt ist".

13 Gemäß Artikel 2 Absatz 4 der Durchführungsbestimmungen teilt der Minister für Industrie, Handel und Handwerk der Kommission der EU die Beihilfen zum Zweck einer vorherigen Genehmigung mit".

Genehmigungsentscheidung

14 Mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 teilte die Kommission ihre Entscheidung über die grundsätzliche Genehmigung der in den Randnummern 11 und 12 des vorliegenden Urteils erwähnten Beihilferegelung mit (ABl. C 390, S. 20, im Folgenden: Genehmigungsentscheidung). Sie verlangte allerdings, dass jede einzelne Beihilfegewährung zuvor bei ihr angemeldet wird. Bezüglich der Voraussetzung der regelmäßigen Produktion nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex wies sie darauf hin, dass ein Unternehmen nur dann eine Beihilfe erhalten könne, wenn es u. a. im gesamten Jahr 1993 und bis Februar 1994 durchschnittlich mindestens eine Schicht, also acht Stunden täglich, an fünf Tagen in der Woche produziert habe. Die italienischen Behörden könnten aber anhand objektiver Gesichtspunkte dartun, dass ein Unternehmen, das dieses Kriterium nicht vollständig erfuelle, in dem genannten Zeitraum regelmäßig EGKS-Stahlerzeugnisse hergestellt habe.

Sachverhalt

15 Am 8. September 1995 und 11. März 1996 meldete die italienische Regierung bei der Kommission verschiedene Fälle der Anwendung des Gesetzes Nr. 481/94 an, darunter Beihilfen für die endgültige Schließung zugunsten von Moccia, Lamifer und Casilina. Diese drei auf die Herstellung von Stahl und/oder Warmband spezialisierten Stahlunternehmen hatten für 1993 folgende Angaben gemacht:

- für Moccia eine Produktionskapazität von 288 000 t Rohstahl pro Jahr und 165 000 t Warmband pro Jahr sowie eine tatsächliche Produktion von 0 t;

- für Lamifer eine Produktionskapazität von 154 560 t pro Jahr und eine tatsächliche Produktion von 23 542 t pro Jahr, also 15,2 % der angegebenen Kapazität;

- für Casilina eine Produktionskapazität von 80 000 t pro Jahr und eine tatsächliche Produktion von 11 356 t, also 14,2 % der angegebenen Kapazität.

16 Mit Schreiben vom 15. Dezember 1995 und 12. Juni 1996 teilte die Kommission den italienischen Behörden ihre Entscheidung mit, in Bezug auf bestimmte Fälle angemeldeter Beihilfen, unter denen sich die Fälle der Rechtsmittelführerinnen befanden, das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex einzuleiten. Die Kommission führte in diesen Schreiben aus, dass die betreffenden Unternehmen, insbesondere die Rechtsmittelführerinnen, während des gesamten Jahres 1993 und bis 28. Februar 1994 keine durchschnittliche Produktionstätigkeit von einer Schicht täglich, d. h. täglich acht Arbeitsstunden, an fünf Tagen in der Woche aufrechterhalten hätten.

17 Mit der Entscheidung 96/678 erklärte die Kommission die Beihilfevorhaben der Italienischen Republik u. a. zugunsten von Moccia und Casilina für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag.

18 Mit der Entscheidung 97/258 erklärte die Kommission die Beihilfevorhaben der Italienischen Republik u. a. zugunsten von Lamifer für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag.

19 Einige der Unternehmen, die die von den Entscheidungen 96/678 und 97/258 erfassten Beihilfen erhalten sollten, erhoben Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidungen. So erhoben mit Klageschriften, die am 19. Oktober 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, Moccia, die Prolafer Srl, Casilina und die Dora Ferriera Acciaieria Srl Klagen, die unter den Aktenzeichen T-164/96, T-165/96, T-166/96 und T-167/96 in das Register eingetragen wurde. Mit Klageschrift, die am 18. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Lamifer Klage, die unter dem Aktenzeichen T-122/97 in das Register eingetragen wurde. Mit Klageschrift, die am 22. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Nuova Sidercamuna SpA (im Folgenden: Sidercamuna) Klage, die unter dem Aktenzeichen T-130/97 eingetragen wurde.

20 Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 18. Dezember 1998 wurden die Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Das angefochtene Urteil

21 Das Gericht wies im angefochtenen Urteil zunächst die Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurück und prüfte sodann jeden einzelnen Klagegrund, auf den die Rechtsmittelführerinnen und die Klägerinnen im ersten Rechtszug ihre Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidungen 96/678 und 97/258 gestützt hatten, bevor es ihn zurückwies.

22 Zu den Klagegründen, mit denen die Unanwendbarkeit des EGKS-Vertrags im vorliegenden Fall geltend gemacht wurde, wies das Gericht in Randnummer 83 des angefochtenen Urteils darauf hin, dass sich die Regelung des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag von der des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) unterscheide. Im Unterschied zur zweitgenannten Regelung untersage die erstgenannte allgemein und unbedingt jede Beihilfe, da diese ihrem Wesen nach den Voraussetzungen für die Schaffung eines gemeinsamen Kohle- und Stahlmarktes zuwiderlaufe. Das Gericht entschied daher in Randnummer 84 des angefochtenen Urteils, dass eine Schließungsbeihilfe, die ein Mitgliedstaat einem Stahlunternehmen gewähre, unter das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag falle, ohne dass eine tatsächliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen festgestellt werden müsste.

23 Das Gericht prüfte sodann die auf die angebliche Rechtswidrigkeit des Artikels 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex gestützten Klagegründe sowie die Klagegründe, mit denen die Auslegung des Erfordernisses einer regelmäßigen Produktion im Sinne dieser Vorschrift durch die Kommission gerügt wurde. In Randnummer 95 des angefochtenen Urteils führte das Gericht aus, dass Ausnahmen vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag wie der Fünfte Kodex eng auszulegen seien. Daraus zog es in Randnummer 96 des angefochtenen Urteils die Schlussfolgerung, dass die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens ohne offensichtlichen Rechtsverstoß oder Ermessensmissbrauch davon habe ausgehen dürfen, dass eine Schließungsbeihilfe spürbare Auswirkungen auf den Markt haben müsse und deshalb nur Unternehmen gewährt werden dürfe, die eine regelmäßige Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex aufwiesen.

24 Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geltend gemacht wurde, führte das Gericht in Randnummer 188 des angefochtenen Urteils aus, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots durch die Kommission voraussetze, dass sie gleiche Situationen ungleich behandelt und dadurch bestimmte Wirtschaftsteilnehmer gegenüber anderen benachteiligt habe, ohne dass diese Ungleichbehandlung durch objektive Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt gewesen wäre. Es sei daher zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung von Unternehmen auf objektiven Unterschieden beruht habe, die im Hinblick auf die Ziele, die die Kommission im Rahmen ihrer Industriepolitik für die europäische Eisen- und Stahlindustrie verfolgen dürfe, von Gewicht seien. Nach Prüfung des Sachverhalts gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dargetan sei.

25 Zu den Klagegründen schließlich, mit denen eine Verletzung der Begründungspflicht geltend gemacht wurde, vertrat das Gericht in Randnummer 263 des angefochtenen Urteils die Ansicht, dass das in den Artikeln 5 und 15 EGKS-Vertrag niedergelegte Begründungserfordernis anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der vorgetragenen Gründe und des Interesses zu beurteilen sei, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt betroffene Personen an Erläuterungen haben könnten. Die Kommission sei bei Rechtsakten, die für eine allgemeine Anwendung bestimmt seien, nach den Artikeln 5 und 15 EGKS-Vertrag verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die Gesamtlage anzugeben, die zu deren Erlass geführt habe, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihnen erreicht werden sollten. Nach Ansicht des Gerichts hatte die Kommission diese Verpflichtung in den ihr vorgelegten Fällen nicht verletzt. Das Gericht wies daher diese Klagegründe zurück.

Die Rechtsmittel

26 Moccia beantragt in ihrer Rechtsmittelschrift, das angefochtene Urteil abzuändern und den von ihr im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben. Lamifer und Casilina beantragen mit ihrem Rechtsmittel, das angefochtene Urteil abzuändern und dementsprechend über die Kosten zu entscheiden.

27 Die Kommission beantragt, die Rechtsmittel vollständig zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zu den von Moccia geltend gemachten Rechtsmittelgründen

28 Moccia macht in ihrer Rechtsmittelschrift drei Rechtsmittelgründe geltend, mit denen sie einen Verstoß gegen Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, einen Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex und einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot rügt.

Erster Rechtsmittelgrund

29 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Moccia geltend, das Gericht habe sich in seiner Begründung in den Randnummern 75 bis 91 des angefochtenen Urteils widersprochen, da es einerseits ausgeführt habe, dass es der Zweck des Artikels 4 EGKS-Vertrag sei, normale Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, und andererseits die Ansicht vertreten habe, dass bei der Auslegung des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag die Wettbewerbssituation nicht zu berücksichtigen sei. Außerdem habe das Gericht nicht die Gründe angegeben, aus denen es eine enge Auslegung vertrete, die dieser Vorschrift in bestimmten Fällen jede Bedeutung nehmen könne. Das Gericht habe insoweit auch einen Ermessensmissbrauch begangen.

30 Die Kommission trägt vor, dass das Gericht mit seiner Bezugnahme in Randnummer 82 des angefochtenen Urteils auf den Zweck des Artikels 4 EGKS-Vertrag nicht habe zum Ausdruck bringen wollen, dass eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs Voraussetzung für die Anwendung des Verbotes von Beihilfen sei. Das Gericht habe vielmehr darauf hinweisen wollen, dass das in Artikel 4 EGKS-Vertrag niedergelegte Verbot außergewöhnlich streng formuliert sei. Die Bezugnahme auf die Aufrechterhaltung normaler" Wettbewerbsbedingungen sei daher so zu verstehen, dass diese Vorschrift den natürlichen" Verlauf des Wettbewerbs gewährleisten solle. Beihilfen an Stahlunternehmen seien daher verboten, ohne dass es erforderlich wäre, festzustellen, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der normalen Wettbewerbsbedingungen gegeben sei oder drohe. Das angefochtene Urteil weise daher keinen Begründungsmangel auf.

31 Zu dem von Moccia im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes angeführten angeblichen Ermessensmissbrauch vertritt die Kommission die Ansicht, dass dieser Teil des Rechtsmittelgrundes offensichtlich unzulässig sei, da das Gericht keinen derartigen Verstoß begehen könne. Jedenfalls sei dieser Aspekt des Rechtsmittelgrundes infolge der Diskrepanz zwischen der Bezeichnung und dem Inhalt dieses Rechtsmittelgrundes unverständlich und daher unzulässig.

32 Insoweit ist festzustellen, dass nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag anders als nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag die Unvereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht davon abhängt, dass sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2001 in der Rechtssache C-111/99 P, Lech-Stahlwerke/Kommission, Slg. 2001, I-727, Randnr. 41).

33 Wie das Gericht in Randnummer 82 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, verbietet Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag alle Beihilfen ohne jede Einschränkung, um für die Schaffung, Aufrechterhaltung und Beachtung normaler Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, so dass die Beihilfen als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gelten, ohne dass festgestellt oder auch nur nachgeprüft zu werden brauchte, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen gegeben ist oder droht.

34 Das Gericht hat somit die in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag enthaltene Rechtsnorm zutreffend angewandt, so dass der erste Rechtsmittelgrund nicht begründet ist, soweit er auf einen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Urteils gestützt ist.

35 Bezüglich des Vorbringens, mit dem ein angeblicher Ermessensmissbrauch geltend gemacht wird, ergibt sich aus den Artikeln 225 EG, 51 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes und 112 § 1 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (Urteil vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I-5291, Randnr. 34).

36 Moccia hat vor dem Gerichtshof nicht die rechtlichen Gesichtspunkte dargelegt, die den von ihr behaupteten Ermessensmissbrauch stützen könnten. Dieser Teil des ersten Rechtsmittelgrundes kann daher im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht zugelassen werden, da der Gerichtshof nicht in die Lage versetzt worden ist, die Begründetheit dieses Teils zu beurteilen.

37 Daher ist der erste von Moccia geltend gemachte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zweiter Rechtsmittelgrund

38 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügt Moccia, das Gericht habe Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex verletzt und falsch angewandt. Anstatt den Rechtsfehler festzustellen, den die Kommission dadurch begangen habe, dass sie für die Beurteilung der technischen Produktionskapazität" keine anderen als die in der Genehmigungsentscheidung genannten objektiven Faktoren berücksichtigt habe, habe sich das Gericht darauf beschränkt, in den Randnummern 147 ff. des angefochtenen Urteils einen Ermessensmissbrauch oder eine offensichtliche Verkennung einer Bestimmung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm zu verneinen. Das Gericht habe damit Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex zu Unrecht eng ausgelegt. Moccia trägt in diesem Zusammenhang weiter vor, dass das angefochtene Urteil einen Begründungsmangel aufweise und das Gericht einen Ermessensmissbrauch begangen habe.

39 Die Kommission ist der Ansicht, die Rechtsmittelführerin wolle erneut das Kriterium der bloßen Fähigkeit" zur Produktion als maßgebliches Kriterium für die Prüfung vorschlagen, ob die Voraussetzung der regelmäßigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex erfuellt sei. Aus dem rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits, insbesondere aus den Artikeln 4 Buchstabe c und 95 Absatz 1 EGKS-Vertrag ergebe sich aber klar, dass die Bestimmungen des Fünften Kodex eng auszulegen seien. Da dieser Rechtsmittelgrund darüber hinaus keine Bezugnahme auf den in seiner Bezeichnung angekündigten angeblichen Begründungsmangel und Ermessensmissbrauch enthalte, sei dieser Teil des Rechtsmittelgrundes offensichtlich unzulässig.

40 Der Fünfte Kodex stellt eine Ausnahme von Artikel 4 EGKS-Vertrag dar und ist deshalb eng auszulegen.

41 Dieses Erfordernis einer engen Auslegung ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Begründung des Fünften Kodex, worin die Kommission ihre Absicht klar zum Ausdruck gebracht hat, dass dieser Kodex eng und nur ausgehend von seinem ausdrücklichen Wortlaut auszulegen sei.

42 So bekräftigt Abschnitt I Absatz 2 der Begründung des Fünften Kodex das Erfordernis einer engen Auslegung: Ab 1. Januar 1986 bestehen aufgrund der Entscheidung der Kommission Nr. 3484/85/EGKS... Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie in einer begrenzten Zahl von Fällen."

43 Die Richtigkeit dieser Auslegung wird auch durch Abschnitt I Absatz 5 der Begründung des Fünften Kodex bestätigt, wonach [d]iese strenge Beihilfedisziplin... in den vergangenen Jahren im EGKS-Sektor gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet [hat]".

44 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen sind die vom Gericht vorgenommene Auslegung des Artikels 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex und dessen Anwendung in den Randnummern 153 bis 158 des angefochtenen Urteils zu prüfen.

45 Das Gericht ist daher in Randnummer 154 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Zweck des Fünften Kodex darin bestehe, nur die Beihilfegewährung an Unternehmen zuzulassen, die spürbar auf dem Markt vertreten seien und deren Schließung zu einer Verringerung der Stahlerzeugung führe. Somit ist die Würdigung durch das Gericht in Randnummer 155 des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden, dass die Voraussetzung der regelmäßigen Produktion in Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex aufgestellt worden sei, um die praktische Wirksamkeit der Schließungsbeihilfen zu verstärken, indem sichergestellt werde, dass diese Beihilfen hinreichend spürbare Auswirkungen nicht nur im Hinblick auf den Abbruch von Anlagen, sondern auch in Bezug auf die Herabsetzung des derzeitigen Produktionsniveaus hätten.

46 Das Gericht hat daher in den Randnummern 157 und 158 des angefochtenen Urteils zu Recht das Vorbringen von Moccia zurückgewiesen, die Kommission hätte als Kriterium die bloße Fähigkeit zur Produktion anwenden müssen.

47 Der Teil des Rechtsmittelgrundes, der sich auf einen angeblichen Begründungsmangel und einen angeblichen Ermessensmissbrauch bezieht, ist aus dem in Randnummer 35 des vorliegenden Urteils genannten Grund zurückzuweisen, da der Gerichtshof nicht in die Lage versetzt worden ist, die Begründetheit dieses Teils zu beurteilen.

48 Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund von Moccia zurückzuweisen ist.

Dritter Rechtsmittelgrund

49 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt Moccia, das Gericht habe die Zurückweisung des Vorbringens nicht begründet, wonach die Kommission durch die Genehmigung der fraglichen Beihilfen implizit Artikel 1 Absatz 2 der Durchführungsbestimmungen gebilligt habe, der gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Diese Diskriminierung sei darin begründet, dass nach dieser Vorschrift einem Unternehmen mit nur einer Anlage eine Beihilfe zur Einstellung der Tätigkeiten nur gewährt werden könne, wenn es dartue, dass im Referenzzeitraum eine regelmäßige Produktion bestanden habe, während diese Voraussetzung für Unternehmen mit mehreren Anlagen nicht gelte. Das Gericht habe in diesem Zusammenhang entschieden, dass im Fall eines Unternehmens mit mehreren Anlagen das Kriterium der regelmäßigen Produktion für die Produktionsstätte gelte, für die eine Einstellung der Tätigkeiten vorgesehen sei. Das Gericht sei somit davon ausgegangen, dass das Kriterium einer regelmäßigen Produktion in Artikel 1 Absatz 1 der Durchführungsbestimmungen keine Ausnahme von Artikel 1 Absatz 4 dieser Verordnung bedeute, in dem der Begriff Produktionsstätte" definiert werde.

50 Die Kommission trägt vor, dass, wie das Gericht entschieden habe, Artikel 1 Absatz 2 der Durchführungsbestimmungen keine Ausnahme von der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e aufgestellten Verpflichtung mache, wonach die Unternehmen nur dann eine Schließungsbeihilfe erhalten könnten, wenn sie bis zum Tag des Erlasses des Decreto-legge Nr. 103 eine regelmäßige Produktion aufgewiesen hätten, was durch einen beeidigten und in diesem Sektor erfahrenen Sachverständigen zu belegen sei. Außerdem sei, wie das Gericht in den Randnummern 229 und 230 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt habe, der Zweck des Artikels 1 Absatz 2 und der des Artikels 4 der Durchführungsbestimmungen verschieden. Das Gericht habe daher die Zurückweisung des Vorbringens, mit dem Moccia eine Diskriminierung geltend gemacht habe, hinreichend begründet.

51 Das Gericht hat das Vorbringen einer Verletzung des Diskriminierungsverbots in den Randnummern 228 bis 233 des angefochtenen Urteils geprüft.

52 In den Randnummern 229 und 230 des angefochtenen Urteils hat es die Zwecke genannt, die mit Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Durchführungsbestimmungen verfolgt werden, und daraus in Randnummer 231 des angefochtenen Urteils die Schlussfolgerung gezogen, dass diese beiden Bestimmungen einen unterschiedlichen Zweck hätten. Daraus hat es gefolgert, dass sich aus dem Wortlaut des Artikels 1 Absatz 2 der Durchführungsbestimmungen nicht ergebe, dass ein Unternehmen, das die Schließung einer seiner Produktionsstätten plane, die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e dieser Bestimmungen aufgestellte Voraussetzung der regelmäßigen Produktion nicht einzuhalten brauche.

53 Schließlich hat das Gericht in den Randnummern 232 und 233 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass Artikel 1 Absatz 2 der Durchführungsbestimmungen nicht etwa eine Ausnahme von der Voraussetzung der regelmäßigen Produktion in Artikel 1 Absatz 1 dieser Bestimmungen darstelle, sondern die Voraussetzungen regeln solle, die ein Unternehmen mit mehreren Produktionsstätten zu erfuellen habe, damit ihm im Fall der Schließung einer dieser Stätten eine Schließungsbeihilfe gewährt werden könne.

54 Wie das Gericht zu Recht entschieden hat, wird das Erfordernis der regelmäßigen Produktion in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Durchführungsbestimmungen durch die Definition in Absatz 2 dieses Artikels weder erweitert noch eingeschränkt.

55 Da die Begründung, auf die das Gericht die Zurückweisung des Vorbringens der Rechtsmittelführerin gestützt hat, vollständig und angemessen ist, ist der dritte Rechtsmittelgrund, mit dem ein Begründungsmangel des angefochtenen Urteils gerügt wird, zurückzuweisen.

56 Da keiner der von Moccia geltend gemachten Rechtsmittelgründe durchgreift, ist ihr Rechtsmittel vollständig zurückzuweisen.

Zu den von Lamifer und Casilina geltend gemachten Rechtsmittelgründen

57 Lamifer und Casilina machen vier Rechtsmittelgründe geltend, die sie erstens auf einen Verstoß gegen Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag sowie einen Verstoß gegen Artikel 95 EGKS-Vertrag und einen Begründungsmangel in Bezug auf dessen Nichtanwendung, zweitens auf einen Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex, drittens auf einen Verstoß gegen die Genehmigungsentscheidung sowie eine falsche und nicht begründete Anwendung dieser Entscheidung und viertens auf einen Ermessensmissbrauch stützen.

Erster Rechtsmittelgrund

58 Der erste Rechtsmittelgrund von Lamifer und Casilina besteht aus zwei Teilen.

59 Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen diese Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die fraglichen Beihilfen die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen könnten und daher nicht unter Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag fielen. Sie seien somit nicht verboten gewesen, so dass der Fünfte Kodex auf sie nicht anwendbar gewesen sei. Daher seien Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Kodex, die Genehmigungsentscheidung sowie die Entscheidungen 96/678 und 97/258 wegen Verstoßes gegen Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag rechtswidrig, da die fraglichen Beihilfen als solche mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien. Die Auslegung durch das Gericht in den Randnummern 75 bis 91 des angefochtenen Urteils sei daher zu eng.

60 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes tragen Lamifer und Casilina vor, dass es durch nichts ausgeschlossen sei, dass für eine staatliche Maßnahme, die die Voraussetzungen des Fünften Kodex nicht erfuelle, im Einzelfall eine Ausnahme nach Artikel 95 EGKS-Vertrag gemacht werden könne. Die Kommission hätte daher prüfen müssen, ob die Schließung der betroffenen Unternehmen es nicht ermöglicht hätte, die in Artikel 2 EGKS-Vertrag festgelegten Ziele zu erreichen, was eine Ausnahme gerechtfertigt hätte. Die streitigen Beihilfen erfuellten als unerlässliche Maßnahmen im Sinne von Artikel 95 EGKS-Vertrag für die Erreichung eines der in den Artikeln 2 bis 4 EGKS-Vertrag näher bezeichneten Ziele die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 95 EGKS-Vertrag. Das Gericht habe daher in den Randnummern 259 und 260 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden, dass diese Voraussetzungen nicht erfuellt seien und dass nicht geprüft zu werden brauche, ob die fragliche Beihilfe durch Einzelfallentscheidung nach Artikel 95 EGKS-Vertrag genehmigt werden könne.

61 Die Kommission macht geltend, dass die im Rahmen des ersten Teils dieses Rechtsmittelgrundes vorgetragenen Argumente neue Angriffsmittel darstellten, die somit unzulässig seien. Lamifer und Casilina hätten sich vor dem Gericht nicht darauf berufen, dass eine Schließungsbeihilfe nicht unter das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag falle, und sie hätten auch nicht die angebliche Rechtswidrigkeit des Fünften Kodex gerügt. Diese Argumente seien nur in den Rechtssachen T-164/96 und T-130/97 vorgetragen worden, in denen Lamifer und Casilina nicht Partei gewesen seien.

62 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes führt die Kommission aus, dass das Vorbringen von Lamifer und Casilina ebenfalls ein neues Angriffsmittel darstelle, das im Rechtsmittelverfahren somit unzulässig sei.

63 Was den ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes angeht, so hat das Gericht, wie sich aus Randnummer 41 des angefochtenen Urteils ergibt, festgestellt, dass Lamifer und Casilina im Rahmen ihrer Klagen nichts unmittelbar gegen den Fünften Kodex vorbrächten; dieser stelle vielmehr das Kriterium dar, anhand dessen die Rechtmäßigkeit der Genehmigungsentscheidung sowie der Entscheidungen 96/678 und 97/258 in Frage gestellt werde. Aus den Randnummern 75 und 76 des angefochtenen Urteils ergibt sich außerdem, dass der Klagegrund, wonach eine Schließungsbeihilfe nicht unter Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag falle, im ersten Rechtszug nur von Moccia und Sidercamuna geltend gemacht worden ist.

64 In Bezug auf den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes ergibt sich klar aus dem angefochtenen Urteil, dass das Argument einer möglichen Genehmigung der Beihilfevorhaben nach Artikel 95 EGKS-Vertrag im ersten Rechtszug nur von Sidercamuna vorgetragen worden ist.

65 Daraus folgt, dass der in den Randnummern 59 und 60 des vorliegenden Urteils dargelegte Rechtsmittelgrund ein Angriffsmittel darstellt, das von Lamifer und Casilina erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht worden ist.

66 Wie aus Artikel 50 der Verfahrensordnung des Gerichts hervorgeht, beeinträchtigt ein Verbindungsbeschluss nicht die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der davon betroffenen Rechtssachen, da die Verbindung jederzeit wieder aufgehoben werden kann.

67 Nach ständiger Rechtsprechung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in der Klageschrift nicht enthalten waren, gemäß den Artikeln 113 § 2 und 116 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren nicht vorgebracht werden (vgl. u. a. Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-153/96 P, De Rijk/Kommission, Slg. 1997, I-2901, Randnr. 18).

68 Daraus folgt, dass der erste Rechtsmittelgrund von Lamifer und Casilina unzulässig ist.

Zweiter Rechtsmittelgrund

69 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund tragen Lamifer und Casilina vor, das Gericht habe in Randnummer 138 des angefochtenen Urteils zu Unrecht gebilligt, dass die Kommission das Kriterium der höchstmöglichen Produktion angewandt habe. Gegen die Anwendung dieses Kriteriums erheben sie drei Rügen.

70 Zunächst sei die Verwendung dieses Kriteriums willkürlich, da im Beihilfenkodex nur die Regelmäßigkeit der Produktion genannt sei. Soweit aber die Produktion, die ein Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum erzielt habe, nicht erheblich von der in den Jahren zuvor und danach beobachteten Tendenz abweiche, sei sie regelmäßig. Im Fall von Lamifer und Casilina sei eine solche Regelmäßigkeit dargetan worden.

71 Sodann sei, da für die anderen Bedingungen des Fünften Kodex als Stichtag der 1. Januar 1991 gelte, die nicht weiter begründete Wahl des Jahres 1993 als einzigen Referenzzeitraums für die Prüfung der Regelmäßigkeit der Produktion mit der im Fünften Kodex enthaltenen Regelung nicht vereinbar.

72 Schließlich könne die Marktpräsenz eines Unternehmen anhand eines objektiv begrenzten Zeitraums, der von einer ungünstigen Konjunktur gekennzeichnet sei, nicht angemessen beurteilt werden. Die Marktpräsenz eines Unternehmens sei spürbar, wenn es dauerhaft einen bestimmten Marktanteil besessen habe, der in einer dynamischen Perspektive betrachtet werden müsse und nicht über einen sehr kurzen, willkürlich festgelegten Zeitraum.

73 Die Kommission trägt vor, das Vorbringen von Lamifer und Casilina im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes sei als unzulässig zurückzuweisen, da es in Wirklichkeit auf eine Überprüfung der vom Gericht vorgenommenen Tatsachenwürdigung durch den Gerichtshof gerichtet sei.

74 Im Übrigen beanstandeten Lamifer und Casilina nicht die Schlussfolgerung des Gerichts in Randnummer 139 des angefochtenen Urteils, wonach sie nicht dargetan hätten, dass die Kommission mit der Heranziehung des Parameters der höchstmöglichen Produktion und dadurch, dass sie das Jahr 1993 als Referenzzeitraum für die Beurteilung der Regelmäßigkeit der Produktion genommen habe, die Vorschriften des Vertrages oder eine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt habe. Der Rechtsmittelgrund sei daher für unzulässig zu erklären.

75 Zur Beanstandung der Begründung in den Randnummern 137 und 138 des angefochtenen Urteils durch Lamifer und Casilina vertritt die Kommission die Ansicht, das Gericht habe ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen das Kriterium der höchstmöglichen Produktion den mit dem Fünften Kodex verfolgten Zielen entspreche. In der Begründung des Gerichts seien somit klar die Gründe angegeben, aus denen das Gericht diese Rüge zurückgewiesen habe.

76 Das Gericht hat in Randnummer 138 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass bei dem von Lamifer und Casilina vorgeschlagenen Kriterium, d. h. der tatsächlichen Produktion des Unternehmens und deren Regelmäßigkeit von einem Jahr zum anderen, die dem Unternehmen mögliche Produktion sowie das Verhältnis zwischen Produktionskapazität und tatsächlicher Produktion außer Acht blieben. Das Gericht hat in derselben Randnummer außerdem festgestellt, dass dieses Kriterium dazu geführt hätte, dass nur eine Herabsetzung der Produktionskapazität gewährleistet gewesen wäre und dass der Vorteil der Beihilfen Unternehmen zugute käme, die ein durchaus marginales und damit für die Verwirklichung der mit diesen Beihilfen verfolgten Ziele nicht erhebliches Produktionsniveau aufwiesen.

77 Lamifer und Casilina versuchen mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung in Frage zu stellen.

78 Aus den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ergibt sich aber, dass das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Daher ist allein das Gericht dafür zuständig, die Tatsachen festzustellen - sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind - und sie zu würdigen. Die Tatsachenwürdigung stellt, sofern die beim Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt (Urteil vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42).

79 Lamifer und Casilina geben nicht an, aus welchen Aktenstücken sich eine offenbare Unrichtigkeit ergeben soll. Sie legen auch nicht dar, welchen Fehler das Gericht bei der Anwendung der Rechtsvorschriften über die Beweislast und die Beweiserhebung begangen haben soll, und führen keine andere Rechtsvorschrift an, gegen die das Gericht verstoßen hätte.

80 Daher ist dieser zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen.

Dritter Rechtsmittelgrund

81 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der aus drei Teilen besteht, rügen Lamifer und Casilina, das Gericht habe in den Randnummern 140 bis 145 sowie 179 ff. des angefochtenen Urteils gegen die Genehmigungsentscheidung verstoßen und sie ohne Grund falsch angewandt.

82 Das Gericht habe zunächst anerkannt, dass die Kommission, obwohl sie sich in der Genehmigungsentscheidung verpflichtet habe, die Beihilfe anhand der spezifischen Umstände der ihr vorgelegten Fälle zu beurteilen, nicht die Entwicklung der Produktion von Lamifer und Casilina in den drei Referenzjahren und die Probleme berücksichtigt habe, die während dieses Zeitraums aufgetreten seien.

83 Sodann habe das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass die Kommission die Entscheidungen 96/678 und 97/258 nicht hinreichend begründet habe, weshalb Lamifer und Casilina keine Beanstandungen hätten vorbringen können. Wenn die Kommission die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit der Wahrung des Wettbewerbs beurteile, müsse nämlich die Festlegung starrer quantitativer Kriterien notwendigerweise durch die Würdigung der für die betroffenen Unternehmen spezifischen Umstände ausgeglichen werden.

84 Schließlich sei die Feststellung des Gerichts in Randnummer 141 des angefochtenen Urteils falsch, dass Walzwerke normalerweise in drei Schichten von acht Stunden pro Tag arbeiteten. Wie aus der Mitteilung zum Fragebogen 2.20 EGKS des Statistischen Amtes der Kommission vom 14. Juli 1993 hervorgehe, hätten Walzanlagen einen geringeren Produktionsrhythmus als Stahlwerke, was bedeute, dass der von der Kommission aufgestellte Index, d. h. eine Produktion von 25 % der höchstmöglichen Produktion, nicht verwendet werden könne, ohne dass Unternehmen, die Walzstahl herstellten, bestraft würden.

85 Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für offensichtlich unbegründet.

86 Was zunächst das Vorbringen angehe, dass eine Berücksichtigung der spezifischen Situation von Lamifer und Casilina abgelehnt worden sei, habe das Gericht in den Randnummern 180 ff. des angefochtenen Urteils die spezifische Situation dieser Unternehmen aufmerksam in Erwägung gezogen, bevor es in den Randnummern 211 und 213 bis 217 ihr auf eine angebliche Diskriminierung gestütztes Vorbringen zurückgewiesen habe.

87 Sodann sei die Kommission in Bezug auf die Begründungspflicht, wie in den Randnummern 262 ff. des angefochtenen Urteils dargelegt worden sei, nicht verpflichtet, konkreter auf die Stellungnahmen einzugehen, die interessierte Dritte während des Verwaltungsverfahrens der italienischen Regierung übermittelt hätten und die diese in ihre eigene Stellungnahme aufgenommen habe.

88 Was schließlich den angeblichen strukturellen Unterschied zwischen dem Produktionsrhythmus von Walzwerken und Stahlwerken betreffe, so ergebe sich aus den Randnummern 140 bis 146 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht sein Urteil insoweit ordnungsgemäß begründet habe. Was den Vorwurf eines Beurteilungsfehlers anbelange, so versuchten Lamifer und Casilina im Wesentlichen, eine Überprüfung der Tatsachen zu erreichen, ohne dass ein Anhaltspunkt dafür vorgelegt werde, dass das Gericht bei seiner Prüfung einen Rechtsfehler begangen habe.

89 Auch wenn im Rahmen des ersten Teils dieses Rechtsmittelgrundes, mit dem Lamifer und Casilina beanstanden, dass das Gericht ihre gegen die Begründung der Entscheidungen 96/678 und 97/258 gerichteten Rügen zurückgewiesen habe, der Teil des angefochtenen Urteils, der damit in Frage gestellt wird, nicht genau bezeichnet wird, ist dieser Teil des Rechtsmittelgrund so zu verstehen, dass er gegen die Begründung in den Randnummern 273 bis 282 des angefochtenen Urteils gerichtet ist, in denen das Gericht den Klagegrund der angeblich unterbliebenen Berücksichtung des Vorbringens von Lamifer und Casilina geprüft hat.

90 Im Rahmen einer Ausnahmeregelung vom strengen Verbot von Beihilfen in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, wie der Fünfte Kodex sie darstellt, dürfen Beihilfevorhaben nur genehmigt werden, wenn sie jede der in dieser Regelung festgelegten Bedingungen erfuellen. Die Kommission hat daher im Laufe des Verfahrens zur Prüfung der Beihilfevorhaben zu untersuchen, ob diese Bedingungen bei der Gewährung einer Beihilfe eingehalten würden. Es bedurfte daher keiner anderen Begründung als ihrer Feststellung, dass bestimmte in dieser Regelung genannte Kriterien vorliegend nicht erfuellt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 1993 in den Rechtssachen C-356/90 und C-180/91, Belgien/Kommission, Slg. 1993, I-2323, Randnr. 36).

91 Daraus folgt, dass das Gericht entgegen dem Vorbringen von Lamifer und Casilina in den Randnummern 276 und 278 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei entschieden hat, dass die Kommission nicht verpflichtet war, zu den ihr gegenüber vorgetragenen Argumenten in Bezug auf die Entwicklung der Produktion von Lamifer und Casilina in den drei Referenzjahren sowie zu den Argumenten in Bezug auf die Probleme, die bei ihnen in diesem Zeitraum aufgetreten seien, Stellung zu nehmen.

92 Der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist daher nicht begründet.

93 Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes von Lamifer und Casilina, wonach die Kommission ihre Entscheidung im Hinblick auf deren Stellungnahmen sowie auf die Ablehnung der von der italienischen Regierung formulierten Ersatzkriterien hätte begründen müssen, ebenfalls nicht durchgreifen kann.

94 Zum dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes, mit dem geltend gemacht wird, dass die Feststellung des Gerichts in Randnummer 141 des angefochtenen Urteils, wonach Walzwerke normalerweise in drei Schichten von acht Stunden pro Tag arbeiteten, falsch sei, ist festzustellen, dass Lamifer und Casilina in keiner Weise dargelegt haben, dass das Gericht die ihm insoweit vorgelegten Beweismittel verfälscht hätte. Wie in Randnummer 78 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, beschränkt sich die Zuständigkeit des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren auf Rechtsfragen, und die Tatsachenwürdigung stellt, sofern keine solche Verfälschung vorliegt, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt.

95 Im Übrigen können die Rechtsmittelführerinnen die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Randnummer 141 des angefochtenen Urteils nicht dadurch in Frage stellen, dass sie sich auf den Fragebogen 2.20 EGKS des Statistischen Amtes der Kommission als zusätzliches Beweismittel berufen. Dieser EGKS-Fragebogen stellt ein neues Beweismittel dar, das, wie sich aus den Artikeln 113 § 2 und 116 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes ergibt, vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden kann.

96 Nach alledem kann der dritte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes nicht durchgreifen.

97 Daraus folgt, dass der dritte Rechtsmittelgrund von Lamifer und Casilina zurückzuweisen ist.

Vierter Rechtsmittelgrund

98 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund werfen Lamifer und Casilina dem Gericht einen Ermessensmissbrauch unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung vor. Die Kommission habe insbesondere die beabsichtigten Beihilfen an die Unternehmen Diano und OLS genehmigt, obwohl deren Produktion im Jahr 1993 21 % ihrer Kapazitäten entsprochen habe. Nach Ansicht von Lamifer und Casilina hätte die Kommission ihre ganz konkrete Situation in gleicher Weise berücksichtigen müssen wie bei diesen Unternehmen. Die vom Gericht in den Randnummern 206 bis 217 des angefochtenen Urteils festgestellten Unterschiede zwischen der Situation der einen und der anderen rechtfertigten nicht die ungünstigere Behandlung, die ihnen zuteil geworden sei.

99 Lamifer trägt vor, das Gericht habe darüber hinaus nicht beachtet, dass auf Unternehmen, deren Produktion 1993 in quantitativer Hinsicht identisch gewesen sei, ungleiche Beurteilungskriterien angewandt worden seien.

100 Die Kommission macht zum angeblichen Ermessensmissbrauch geltend, dass dieser Teil des Rechtsmittelgrundes offensichtlich unzulässig sei, da das Gericht keinen derartigen Verstoß begehen könne. Jedenfalls sei dieser Rechtsmittelgrund nicht begründet. Das Gericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Tatsache, dass die tatsächliche Produktion von Lamifer und Casilina um 9,8 Punkte und 10,8 Punkte unter der Untergrenze von 25 % gelegen habe, einen objektiven Unterschied darstelle, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könne. Die von Lamifer und Casilina angeführten Schwierigkeiten seien, wie sich aus den Randnummern 211 bis 213 des angefochtenen Urteils ergebe, anders als die Schwierigkeiten von Diano und OLS nicht bewiesen worden. Das Gericht sei daher berechtigt gewesen, in Randnummer 214 des angefochtenen Urteils zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass die in Rede stehende unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sei.

101 Mit diesem Rechtsmittelgrund wird die Qualifikation der Umstände beanstandet, die das Gericht in den Randnummern 206 bis 217 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat.

102 Wie aus Randnummer 213 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat das Gericht festgestellt, dass der von Lamifer behauptete Grund für die Aussetzung ihrer Produktion nicht bewiesen sei.

103 Diese Feststellung, die von Lamifer in keiner Weise angegriffen wird, kann jedenfalls nicht Gegenstand eines Rechtsmittels sein, sofern keine Verfälschung der Beweismittel durch das Gericht vorliegt (vgl. Urteil Hilti/Kommission, Randnr. 42).

104 Unter diesen Umständen ist der vierte Rechtsmittelgrund von Lamifer unzulässig.

105 Zum vierten Rechtsmittelgrund von Casilina ergibt sich aus den Randnummern 210 bis 214 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht geprüft hat, ob der von der Klägerin angeführte Grund dafür, dass sie das Kriterium der höchstmöglichen Produktion nicht eingehalten habe, genau wie in den Fällen der Unternehmen Diano und OLS durch das Erfordernis der Fortführung einer Produktion gerechtfertigt war.

106 Wie das Gericht in Randnummer 208 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, gebietet die strenge Regelung des Fünften Kodex, dass sich Schließungsbeihilfen in der Praxis maximal auf den Markt auswirken, damit die Stahlproduktion möglichst effektiv verringert wird.

107 Daher hat das Gericht in den Randnummern 212 bis 214 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei entschieden, dass der von Casilina angeführte Grund für die Produktionsaussetzung, d. h. die Nichtverfügbarkeit von Walzknüppeln zu einem in angemessenem Verhältnis zu den Kosten des Endprodukts stehenden Preis, anders als bei den Unternehmen Diano und OLS nicht auf dem Erfordernis der Fortführung einer Produktion beruht und die ungünstigere Behandlung von Casilina daher gerechtfertigt war.

108 Da keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dargetan ist, ist der vierte Rechtsmittelgrund von Casilina nicht begründet.

109 Nach alledem sind die Rechtsmittel von Lamifer und Casilina vollständig zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

110 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerinnen in die Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen ihre eigenen Kosten sowie als Gesamtschuldnerinnen die Kosten der Kommission in diesem Rechtszug aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

2. Die Moccia Irma SpA, die Ferriera Lamifer SpA und die Ferriera Acciaieria Casilina SpA tragen ihre eigenen Kosten sowie als Gesamtschuldnerinnen die Kosten der Kommission in diesem Rechtszug.

Ende der Entscheidung

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