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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.1992
Aktenzeichen: C-283/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1153/75 vom 30.04.1975


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 1153/75 vom 30.04.1975 Art. 9
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der letzte Satz von Artikel 9 der Verordnung Nr. 1153/75 in ihrer ursprünglichen Fassung, nach dem bestimmte Angaben in den Begleitdokumenten für Erzeugnisse des Weinsektors nicht zwingend vorgeschrieben sind, bezieht sich ausschließlich auf Absatz 3 dieses Artikels und gilt somit nur für die Ausstellung der Begleitdokumente für die dort genannten Erzeugnisse.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 3. DEZEMBER 1992. - PREFETTO DI RAVENNA GEGEN ATTILIO CONTARINI. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CORTE SUPREMA DI CASSAZIONE - ITALIEN. - PFLICHTEN DER ERZEUGER UND HAENDLER IN DER WEINWIRTSCHAFT. - RECHTSSACHE C-283/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Corte suprema di cassazione hat mit Beschluß vom 21. Mai 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 1153/75 der Kommission vom 30. April 1975 zur Ausstellung von Begleitdokumenten und zur Festlegung der Pflichten der Erzeuger und Händler ausser Einzelhändlern in der Weinwirtschaft (ABl. L 113, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Attilio Contarini und dem Prefetto di Ravenna wegen zwei Begleitdokumenten für zwei Partien Jungwein.

3 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß A. Contarini am 13. Oktober 1983 zwei Begleitdokumente für 100 und für 20 Hektoliter Jungwein ausstellte. Am 24. April 1986 verhängte der Prefetto di Ravenna gegen ihn eine Geldbusse, weil er entgegen Artikel 9 der genannten Verordnung die Spalte 14 dieser beiden Begleitdokumente nicht ausgefuellt habe.

4 Artikel 9 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Für

° Traubenmoste,

° teilweise gegorene Traubenmoste oder

° Jungweine

werden die Ziffern 0, 1, 2, 3 oder 4 in der Spalte 14 des Begleitdokuments eingetragen; sie geben wieder, daß:

0: das Erzeugnis weder angereichert, gesäuert noch entsäuert wurde;

1: das Erzeugnis weder angereichert, gesäuert noch entsäuert werden kann;

2: das Erzeugnis angereichert werden kann;

3: das Erzeugnis gesäuert werden kann;

4: das Erzeugnis entsäuert werden kann.

Kann das Erzeugnis angereichert, gesäuert oder entsäuert werden oder handelt es sich um zur Gewinnung von Tafelwein geeignete Weine, so wird die Weinbauzone, in der die verwendeten Weintrauben geerntet worden sind, in der Spalte 15 eingetragen.

(2) Bei Tafelwein wird die Süssung in der Spalte 14 des Begleitdokuments mit Hilfe der Ziffer 5 angegeben.

(3) Bei Erzeugnissen, die nicht unter die in Absatz 1 erster Unterabsatz genannten Erzeugnisse fallen, werden die Ziffern 6, 7, 8 oder 9 in die Spalte 14 des Begleitdokuments eingetragen; sie geben wieder, daß:

6: das Erzeugnis weder angereichert, gesäuert noch entsäuert wurde;

7: das Erzeugnis angereichert wurde;

8: das Erzeugnis gesäuert wurde;

9: das Erzeugnis entsäuert wurde.

Diese Angaben sind nicht zwingend vorgeschrieben."

5 A. Contarini legte gegen die gegen ihn verhängte Geldbusse Widerspruch ein. Diesem Widerspruch wurde vom Pretore di Lugo stattgegeben, der entschied, daß die Ausfuellung von Spalte 14 der Begleitdokumente gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung nicht zwingend vorgeschrieben sei.

6 Der Prefetto di Ravenna legte gegen das Urteil des Pretore di Lugo Kassationsbeschwerde ein. Er machte geltend, der Pretore di Lugo sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß sich die Bestimmung in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung, nach der die Ausfuellung von Spalte 14 der Begleitdokumente nicht zwingend vorgeschrieben sei, auf alle in diesem Artikel genannten Erzeugnisse beziehe.

7 Unter diesen Umständen hat die Corte suprema di cassazione beschlossen, das Verfahren auszusetzen, bis der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über folgende Frage entschieden hat:

Bezieht sich der letzte Satz von Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 1153/75 der Kommission ("Diese Angaben sind nicht zwingend vorgeschrieben.") auf den gesamten Artikel 9 (wie im angefochtenen Urteil entschieden wurde) oder nur auf dessen Absatz 3 (wie der Kassationsbeschwerdeführer meint)?

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Bericht des Berichterstatters verwiesen.

9 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission nach den Geschehnissen, die zum Ausgangsrechtsstreit geführt haben, die Verordnung (EWG) Nr. 418/86 vom 18. Februar 1986 zur Anpassung bestimmter Verordnungen im Weinsektor infolge des Beitritts Spaniens und Portugals (ABl. L 48, S. 8) erlassen hat, durch die Artikel 9 der Verordnung Nr. 1153/75 um einen Absatz 4 ergänzt wurde. Auch wenn dieser Umstand keinen Einfluß auf die Auslegung der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung der Verordnung Nr. 1153/75 hat, ist festzuhalten, daß sich die Worte "der letzte Satz von Artikel 9 der Verordnung" in der Vorlagefrage auf die ursprüngliche Fassung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30. April 1975 beziehen, d. h. auf die vor der Änderung durch die Verordnung Nr. 418/86 geltende Fassung. Auch im folgenden wird stets auf diese ursprüngliche Fassung Bezug genommen.

10 Wie sich aus den Akten ergibt, sind A. Contarini und der Pretore di Lugo der Ansicht, daß sich der letzte Satz von Artikel 9 der Verordnung ("Diese Angaben sind nicht zwingend vorgeschrieben.") auf alle in diesem Artikel genannten Erzeugnisse beziehe und den Erzeuger damit immer von der Verpflichtung befreie, die Spalte 14 des Begleitdokuments auszufuellen. Die italienische Regierung und die Kommission sowie der Prefetto di Ravenna sind dagegen der Ansicht, daß sich dieser Satz nur auf die in Artikel 9 Absatz 3 erwähnten Erzeugnisse beziehe.

11 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, zeigt schon der Aufbau von Artikel 9, daß Absatz 1 Traubenmoste, teilweise gegorene Traubenmoste und Jungweine betrifft, während die Absätze 2 und 3 Tafelwein bzw. die Erzeugnisse betreffen, die nicht unter die in Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Erzeugnisse fallen. Der Satz "Diese Angaben sind nicht zwingend vorgeschrieben" am Ende von Artikel 9 bezieht sich allein auf die in Absatz 3 genannten Erzeugnisse. Wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber gewollt hätte, daß sich dieser Satz auf alle in Artikel 9 der Verordnung genannten Erzeugnisse bezieht, hätte er dies in einem gesonderten Absatz geregelt.

12 Wie die Kommission und die italienische Regierung ausgeführt haben, entspricht diese unterschiedliche Behandlung darüber hinaus dem Zweck der Verordnung. Mit den in Artikel 9 aufgeführten Angaben soll nämlich verhindert werden, daß die Erzeugnisse zweimal derselben Behandlung unterzogen werden. Diese Gefahr ist jedoch bei den in Artikel 9 Absatz 1 genannten unfertigen Erzeugnissen besonders groß. Es war daher folgerichtig, die Angaben über Behandlungen für unfertige Erzeugnisse zwingend vorzuschreiben, nicht aber für Fertigerzeugnisse.

13 Schließlich heisst es in der fünften Begründungserwägung der Verordnung, daß "die Begleitdokumente dazu dienen [sollen], den Empfänger so umfassend wie möglich über die Art des Erzeugnisses, das er erhält, zu unterrichten", und daß deshalb "die zu versendenden Waren in den Dokumenten möglichst genau bezeichnet werden" sollten.

14 Folglich würde eine Auslegung von Artikel 9 der Verordnung, die dazu führen würde, daß der Erzeuger in sämtlichen Fällen von der Verpflichtung zur Ausfuellung von Spalte 14 des Begleitdokuments befreit wird, den Nutzen und damit den in der fünften Begründungserwägung der Verordnung beschriebenen Zweck dieses Dokuments beeinträchtigen.

15 Auf die Frage der Corte suprema di cassazione ist deshalb zu antworten, daß der letzte Satz von Artikel 9 der Verordnung Nr. 1153/75 in ihrer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30. April 1975 veröffentlichten ursprünglichen Fassung dahin auszulegen ist, daß er sich ausschließlich auf Absatz 3 dieses Artikels bezieht.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm von der Corte suprema di cassazione mit Beschluß vom 21. Mai 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Der letzte Satz von Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 1153/75 der Kommission vom 30. April 1975 zur Ausstellung von Begleitdokumenten und zur Festlegung der Pflichten der Erzeuger und Händler ausser Einzelhändlern in der Weinwirtschaft in ihrer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30. April 1975 veröffentlichten ursprünglichen Fassung bezieht sich ausschließlich auf Absatz 3 dieses Artikels.

Ende der Entscheidung

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