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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.11.1992
Aktenzeichen: C-286/90
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein in einem Drittstaat registriertes Schiff kann bei der Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3094/86, der es im Rahmen von technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände verbietet, Lachs, der in bestimmten nicht der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehenden Regionen gefangen wird, an Bord zu befördern oder zu lagern, nicht deshalb als ein Schiff mit der Staatszugehörigkeit eines Mitgliedstaats behandelt werden, weil es eine wesentliche Verbindung zu diesem Mitgliedstaat aufweist.

2. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3094/86, der es im Rahmen von technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände verbietet, Lachs, der in bestimmten nicht der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehenden Regionen gefangen wird, an Bord zu befördern oder zu lagern, kann nicht deshalb auf den Schiffsführer oder andere Besatzungsmitglieder eines in einem Drittstaat registrierten Schiffes ohne Rücksicht auf den Staat der Registrierung oder die Gewässerzone, in der das Schiff sich befindet, angewandt werden, weil sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind.

3. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3094/86, der es im Rahmen von technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände verbietet, Lachs, der in bestimmten nicht der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehenden Regionen gefangen wird, an Bord zu befördern oder zu lagern, kann nicht auf ein in einem Drittstaat ° der das Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik nicht unterzeichnet hat ° registriertes Schiff angewandt werden, das sich auf hoher See befindet. Diese Vorschrift kann auch nicht auf ein solches Schiff angewandt werden, das in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Mitgliedstaats verkehrt oder die Küstengewässer eines Mitgliedstaats durchquert, soweit dieses Schiff in diesen Gewässern von seinem Recht auf friedliche Durchfahrt Gebrauch macht. Indessen kann sie grundsätzlich auf ein solches Schiff angewandt werden, wenn es sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet.

4. Das nationale Gericht eines Mitgliedstaats darf grundsätzlich die Beschlagnahme einer Schiffsladung Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3094/86, der es im Rahmen von technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände verbietet, Lachs, der in bestimmten nicht der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehenden Regionen gefangen wird, an Bord zu befördern oder zu lagern, genannten Regionen gefangen und vorübergehend in den der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft unterstehenden Gewässern befördert und an Bord eines Schiffes behalten wurde, das in einem Drittstaat registriert ist und einer Gesellschaft mit Sitz in diesem Staat gehört, nur dann anordnen, wenn das Schiff sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet.

5. Das Gemeinschaftsrecht kennt keine Vorschrift über die Beachtung des Verbots nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3094/86, der es im Rahmen von technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände verbietet, Lachs, der in bestimmten nicht der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehenden Regionen gefangen wird, an Bord zu befördern oder zu lagern, durch Schiffe von Drittstaaten, die wegen einer Notlage den Hafen eines Mitgliedstaats angelaufen haben. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die sich angesichts einer solchen Lage ergebenden Rechtsfolgen nach Maßgabe des Völkerrechts zu prüfen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 24. NOVEMBER 1992. - ANKLAGEMYNDIGHEDEN GEGEN PETER MICHAEL POULSEN UND DIVA NAVIGATION CORP.. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: KRIMINAL- OG SKIFTERETTEN I HJOERRING - DAENEMARK. - ERHALTUNG DER FISCHBESTAENDE - LACHSFANG IM NORDATLANTIK AUSSERHALB DER GEWAESSER UNTER DER HOHEITSGEWALT ODER DER GERICHTSBARKEIT DER MITGLIEDSTAATEN - VERBOT DER BEFOERDERUNG UND DER LAGERUNG IN GEWAESSERN UNTER DER HOHEITSGEWALT ODER GERICHTSBARKEIT DER MITGLIEDSTAATEN - ANWENDBARKEIT DES VERBOTS AUF EIN SCHIFF, DAS DIE FLAGGE EINES DRITTSTAATES FUEHRT. - RECHTSSACHE C-286/90.

Entscheidungsgründe:

1 Das Kriminal- og Skifteret Hjörring hat mit Beschluß vom 10. August 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag fünf Fragen nach der Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände (ABl. L 288, S. 1, nachstehend: Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren gegen Peter Michäl Poulsen (Angeklagter) und die Diva Navigation Corp., die angeklagt sind, weil die Mannschaft des Schiffes Onkel Sam, dessen Schiffsführer der Angeklagte und dessen Eigner die Diva Navigation Corp. ist, unter Verstoß gegen die Verordnung im Nordatlantik gefangenen Lachs an Bord behalten, befördert und gelagert haben soll.

3 Die Onkel Sam ist in Panama registriert und führt die panamaische Flagge. Sie gehört der Diva Navigation, einer Gesellschaft panamaischen Rechts, deren Aktien sich sämtlich in der Hand eines dänischen Staatsangehörigen befinden. Der Angeklagte ist der Kapitän dieses Schiffes; er ist wie die übrige Mannschaft Däne und erhält seine Heuer in Dänemark. Zwischen den Fahrten liegt das Schiff normalerweise in einem dänischen Hafen.

4 Zu Beginn des Jahres 1990 fing die Onkel Sam im Nordatlantik ausserhalb der Gewässer, die der Hoheitsgewalt oder der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehen, 22 332 kg Lachs. Auf ihrer Fahrt nach Polen, wo ihre Ladung verkauft werden sollte, verölte ihr Vergaser, so daß ihr Schiffsführer angesichts der schwierigen Witterungsbedingungen beschloß, einen dänischen Hafen anzulaufen, um dort die notwendigen Reparaturen durchführen zu lassen. Während die Onkel Sam in diesem Hafen vor Anker lag, wurde sie vom dänischen Fischereikontrolldienst inspiziert. Nach Beschlagnahme und Verkauf ihrer Ladung auf dem dänischen Markt wurden ihr Schiffsführer und der Eigner beim vorlegenden Gericht wegen Verstosses gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung angeklagt.

5 Die Verordnung gilt nach ihrem Artikel 1 für den Fang und das Anlanden von Fischereiressourcen in sämtlichen Meeresgewässern, die der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehen und in einer der in der Verordnung festgelegten Regionen 1 bis 8 liegen.

6 Abweichend hiervon bestimmt Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung, daß Lachs und Meeresforelle nicht an Bord behalten, umgeladen, angelandet, befördert, gelagert, verkauft, feilgehalten oder zum Verkauf angeboten werden dürfen, sondern unverzueglich über Bord zu werfen sind, selbst wenn sie ausserhalb der der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehenden Gewässer in den in Artikel 1 Absatz 1 festgelegten Regionen 1, 2, 3 und 4 gefangen worden sind.

7 Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Ausgangsverfahren. Es hat dem Gerichtshof die fünf folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist das Verbot des Artikels 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 dahin auszulegen, daß es alle Schiffsführer und eventuell andere Besatzungsmitglieder, die Gemeinschaftsbürger sind, unabhängig davon erfasst, in welchem Staat das betreffende Fischereifahrzeug registriert ist und wessen Flagge es führt und wo es sich befindet?

2) Ist das Verbot des Artikels 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 dahin auszulegen, daß es Eigentümer aus Drittstaaten erfasst, deren Fänge nur vorübergehend in das Gebiet der Gemeinschaft verbracht werden?

Wenn Frage 1 dahin beantwortet wird, daß das Verbot des Artikels 6 nicht den Fischfang von Gemeinschaftsbürgern auf offener See an Bord von Fahrzeugen, die in einem Drittstaat registriert sind, erfasst, wird der Gerichtshof um Beantwortung folgender Fragen ersucht.

3) Ist eine Registrierung eines Fischereifahrzeugs, an Bord dessen Handlungen vorgenommen werden, die gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 verstossen, in bezug auf das Verbot des Artikels 6 zu beachten, wenn man berücksichtigt, daß

° das Fahrzeug einer panamaischen Gesellschaft gehört, deren sämtliche Aktien ein Gemeinschaftsbürger innehat,

° der Schiffsführer und die übrigen Besatzungsmitglieder an Bord alle Gemeinschaftsbürger sind,

° das Fahrzeug von einem Mitgliedstaat der EG aus verwaltet wird und

° das Fahrzeug zwischen den Fangzuegen normalerweise in einem Hafen eines Mitgliedstaats der EG liegt?

4) Wenn die Registrierung des Schiffs zu beachten ist, wird um Auskunft gebeten, in welchem Gebiet Fahrzeuge, die in einem Drittstaat registriert sind, von dem Verbot der Beförderung und Lagerung von im Nordatlantik gefangenem Lachs erfasst werden:

Gilt das Verbot,

a) wenn sich das Fahrzeug in Fischereigewässern der Gemeinschaft befindet,

b) wenn sich das Fahrzeug in den Küstengewässern eines Mitgliedstaats befindet,

c) wenn sich das Fahrzeug in den inneren Meeresgewässern eines Mitgliedstaats befindet,

oder

d) überhaupt nicht?

5) Wenn die Registrierung des Schiffs zu beachten ist und das Verbot der Beförderung und Lagerung von im Nordatlantik gefangenem Lachs Anwendung findet, wird um Auskunft gebeten, inwieweit das Gemeinschaftsrecht Bestimmungen über die Handhabung des Verbots gegenüber Fahrzeugen aus Drittstaaten enthält, die aufgrund einer Notlage einen Hafen in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft angelaufen haben?

Ist es in diesem Zusammenhang von Bedeutung, ob die Notlage innerhalb oder ausserhalb des räumlichen Anwendungsbereichs des Verbotes entstanden ist?

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Sachverhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Die Befugnisse der Gemeinschaft sind unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben; infolgedessen haben die Auslegung des Artikels 6 und die Festlegung seines Anwendungsbereichs im Lichte des einschlägigen Seevölkerrechts zu erfolgen.

10 In dieser Hinsicht sind insbesondere zu berücksichtigen die Genfer Übereinkommen vom 29. April 1958 über das Küstenmeer und die Anschlußzone (United Nations Treaties Series, Band 516, S. 205), über die Hohe See (United Nations Treaties Series, Band 450, S. 11) und über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See (United Nations Treaties Series, Band 559, S. 285), da sie das geltende Völkergewohnheitsrecht kodifizieren, sowie die Seerechts-Konvention der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen ° Official Documents, Band XVII, 1984, Document A/Conf. 62/122 mit Berichtigungen, S. 157°231, nachstehend: UN-Seerechtskonvention), die noch nicht in Kraft getreten ist, jedoch zu einem grossen Teil den gegenwärtigen Stand des Seevölkergewohnheitsrechts wiedergibt (vgl. die Urteile des Internationalen Gerichtshofes vom 12. Oktober 1984, Abgrenzung der Gewässergrenze in der Bucht von Maine, Kanada/Vereinigte Staaten, ICJ-Reports 1984, S. 294, Randnr. 94; vom 3. Juni 1985, Festlandsockel, Arabische libysche Jamahiriya/Malta, ICJ-Reports 1985, S. 30, Randnr. 27; vom 27. Juni 1986, Militärische und paramilitärische Tätigkeiten in und gegen Nicaragua, Nicaragua/Vereinigte Staaten, ICJ-Reports 1986, S. 111°112, Randnrn. 212 und 214).

11 Das betreffende Verbot bezweckt die Erhaltung der unter Schutz gestellten Arten. Seine Rechtsgrundlage ist insbesondere eine im Jahre 1982 von der Gemeinschaft unterzeichnete multilaterale Übereinkunft, nämlich das Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik (ABl. L 378, S. 25), das den Fang dieses Fisches ausserhalb der Fischereihoheitsgebiete der Küstenstaaten verbietet. Dieses Übereinkommen geht auf die in Artikel 118 der UN-Seerechtskonvention verankerte Verpflichtung aller Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft zurück, bei der Erhaltung und Verwaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See mitzuwirken. Ferner wird in Artikel 6 des Genfer Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See das Interesse der Küstenstaaten an den biologischen Reichtümern in den an ihre Küstengewässer angrenzenden Teilen der Hohen See anerkannt. Im Hinblick auf die Ziele des in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung ausgesprochenen Verbots ist diese Vorschrift so auszulegen, daß sie in den Grenzen des Völkerrechts die grösstmögliche Wirksamkeit erlangt.

Zur Staatszugehörigkeit des Fischereifahrzeugs

12 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein in einem Drittstaat registriertes Schiff bei der Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung mit der Begründung wie ein Schiff mit der Staatszugehörigkeit eines Mitgliedstaats behandelt werden kann, weil es eine wesentliche Verbindung zu diesem Mitgliedstaat aufweist.

13 Völkerrechtlich hat ein Schiff grundsätzlich nur eine Staatszugehörigkeit, nämlich die des Staates seiner Registrierung (vgl. insbesondere die Artikel 5 und 6 des Genfer Übereinkommens vom 29. April 1958 über die Hohe See sowie die Artikel 91 und 92 der UN-Seerechtskonvention).

14 Aus diesem Grundsatz ergibt sich, daß ein Mitgliedstaat ein Schiff, das bereits in einem Drittstaat registriert ist und daher die Staatszugehörigkeit dieses Staates aufweist, nicht als ein unter seiner Flagge fahrendes Schiff behandeln kann.

15 Daran ändert sich nichts, wenn die einzige Verbindung, die das Fahrzeug zu dem Staat aufweist, dessen Staatszugehörigkeit es hat, die Verwaltungsförmlichkeit der Registrierung darstellt. Es oblag nämlich dem Staat, der zunächst seine Staatszugehörigkeit verliehen hat, hierbei souverän die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatszugehörigkeit festzulegen (vgl. insbesondere Artikel 5 des Genfer Übereinkommens vom 29. April 1958 über die Hohe See sowie Artikel 91 der UN-Seerechtskonvention).

16 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, daß ein in einem Drittstaat registriertes Schiff bei der Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände nicht deshalb als ein Schiff mit der Staatszugehörigkeit eines Mitgliedstaats behandelt werden kann, weil es eine wesentliche Verbindung zu diesem Mitgliedstaat aufweist.

Zur Anwendbarkeit des Artikels 6 auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats an Bord eines Schiffes, das unter der Flagge eines Drittstaats fährt

17 Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung auf den Schiffsführer und andere Besatzungsmitglieder ohne Rücksicht auf den Staat der Registrierung oder die Gewässerzone, in der das Schiff sich befindet, anzuwenden ist, wenn sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind.

18 Das Recht, das auf die Tätigkeit der Besatzung anzuwenden ist, richtet sich nicht nach der Staatsangehörigkeit der Besatzungsmitglieder, sondern nach dem Staat der Registrierung des Schiffes und gegebenfalls der Gewässerzone, in der sich das Schiff aufhält.

19 Im übrigen lässt weder der Wortlaut noch die Begründung der Verordnung die Annahme zu, die Gemeinschaft habe aufgrund ihrer Hoheitsgewalt gegenüber Personen den Gemeinschaftsbürgern Pflichten auferlegen wollen.

20 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände nicht deshalb auf den Schiffsführer und andere Besatzungsmitglieder ohne Rücksicht auf den Staat der Registrierung oder die Gewässerzone, in der das Schiff sich befindet, angewandt werden kann, weil sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind.

Zur Anwendbarkeit des Artikels 6 in den verschiedenen Meereszonen

21 Mit seiner vierten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Festlegung der Meereszonen, in denen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung auf ein in einem Drittstaat registriertes Schiff anzuwenden ist.

22 Die genannte Vorschrift kann nicht auf ein in einem Drittstaat registriertes Schiff angewandt werden, das sich auf hoher See befindet, weil ein solches Schiff dort grundsätzlich ausschließlich dem Recht des Flaggenstaats unterliegt.

23 Zwar hat die Gemeinschaft im Jahre 1982 das erwähnte Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik vereinbart. Dieses Übereinkommen kann indessen Staaten, die es nicht gezeichnet haben, nicht entgegengehalten und mithin auf in diesen Staaten registrierte Schiffe nicht angewandt werden.

24 Was die anderen Meereszonen angeht, so ist die Gemeinschaft befugt, die Beförderung und die Lagerung von Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung genannten Zonen gefangen wurde, in der ausschließlichen Wirtschaftszone, den Küstengewässern, den inneren Meeresgewässern und den Häfen der Mitgliedstaaten als rechtswidrig zu behandeln.

25 Die Hoheitsgewalt des Küstenstaats ist jedoch in einigen dieser Zonen nicht umfassend. Obwohl etwa die Küstengewässer unter die Hoheitsgewalt des Küstenstaats fallen, hat dieser das Recht auf friedliche Durchfahrt von Schiffen unter der Flagge anderer Staaten zu achten (Artikel 14 bis 23 des Genfer Übereinkommens vom 29. April 1958 über die Küstengewässer und die Anschlußzone; Artikel 17 bis 32 der UN-Seerechtskonvention). In der ausschließlichen Wirtschaftszone sind die Rechte des Küstenstaats unter Beachtung insbesondere der Freiheit der Schiffahrt auszuüben (vgl. Artikel 58 Absatz 1 der UN-Seerechtskonvention).

26 Hieraus folgt, daß die Gemeinschaftsregelung nicht gegenüber einem Schiff zur Anwendung gebracht werden kann, das in einem Drittstaat registriert ist und in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Mitgliedstaats verkehrt, da dieses Schiff in dieser Zone das Recht freier Schiffahrt genießt.

27 Gleiches gilt für ein solches Schiff, das die Küstengewässer eines Mitgliedstaats durchquert, soweit dieses Schiff in diesen Gewässern von seinem Recht auf friedliche Durchfahrt Gebrauch macht.

28 Die Gemeinschaftsregelung kann indessen auf ein solches Schiff angewandt werden, wenn es sich in den inneren Meeresgewässern oder insbesondere im Hafen eines Mitgliedstaats befindet, wo es dem Grundsatz nach der uneingeschränkten Hoheitsgewalt dieses Staates untersteht.

29 Aus diesen Gründen ist auf die vierte Frage zu antworten, daß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände grundsätzlich nur dann auf ein in einem Drittstaat registriertes Schiff angewandt werden kann, wenn dieses Schiff sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet.

Zur Möglichkeit der Beschlagnahme der Ladung

30 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage wissen möchte, ob es eine Ladung Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung genannten Regionen gefangen und an Bord eines Schiffes behalten worden ist, das in einem Drittstaat registriert ist und einer Gesellschaft mit Sitz in diesem Staat gehört, beschlagnahmen darf, wenn die Ladung vorübergehend in Gewässer verbracht worden ist, die der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft unterstehen.

31 Die Beschlagnahme einer Ladung Fisch gehört zu den Maßnahmen, zu deren Durchführung die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, um die Einhaltung der Gemeinschaftsregelung sicherzustellen und denjenigen, die ihr zuwiderhandeln, den wirtschaftlichen Vorteil aus einer solchen Zuwiderhandlung zu entziehen. Die Beschlagnahme ist mithin eine ergänzende Maßnahme, die nur dann getroffen werden darf, wenn eine Zuwiderhandlung gegen die Gemeinschaftsregelung begangen worden ist.

32 Nach der obigen Antwort auf die Vorlagefragen haben weder die Staatsangehörigkeit des Schiffseigners noch die vorübergehende Anwesenheit der Schiffsladung in den der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft unterstehenden Gewässern Einfluß auf die Frage der Rechtmässigkeit der Beförderung.

33 Da das Verbot der Beförderung und Lagerung von Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung genannten Regionen gefangen worden ist, grundsätzlich auf ein in einem Drittstaat registriertes Schiff nur angewandt werden kann, wenn dieses Schiff sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet, darf die Beschlagnahme einer nur vorübergehend in den Hoheitsgewässern der Gemeinschaft beförderten Ladung eben auch nur in dieser Situation angeordnet werden.

34 Auf die zweite Frage ist mithin zu antworten, daß das nationale Gericht grundsätzlich die Beschlagnahme einer Schiffsladung Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände genannten Regionen gefangen und vorübergehend in den der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft unterstehenden Gewässern befördert und an Bord eines Schiffes behalten wurde, das in einem Drittstaat registriert ist und einer Gesellschaft mit Sitz in diesem Staat gehört, nur dann anordnen darf, wenn das Schiff sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet.

Zur Frage von Gemeinschaftsvorschriften für Notfälle

35 Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegenden Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht Vorschriften über die Einhaltung des Verbots des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung gegenüber Schiffen von Drittstaaten kennt, die wegen einer Notlage den Hafen eines Mitgliedstaats angelaufen haben.

36 Keine der vom Rat erlassenen Verordnungen zur Schaffung oder Durchführung einer Gemeinschaftsregelung der Erhaltung und Verwaltung von Fischereiressourcen enthält eine Vorschrift, die es einem Schiff in einer Notlage gestattet, dieses Verbot unbeachtet zu lassen.

37 Im übrigen betrifft die Frage nach den Rechtsfolgen einer Notlage nicht die Ermittlung des Anwendungsbereichs der Gemeinschaftsregelung, sondern die Durchführung dieser Verordnung seitens der Behörden der Mitgliedstaaten.

38 Unter diesen Umständen ist es Sache des nationalen Gerichts, nach Maßgabe des Völkerrechts die Rechtsfolgen zu prüfen, die sich bei der Anwendung des Artikels 6 der Verordnung aus der Notlage ergeben, in der sich das Schiff eines Drittstaats befunden hat.

39 Auf die fünfte Frage ist daher zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht keine Vorschrift über die Beachtung des Verbots nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände durch Schiffe von Drittstaaten kennt, die wegen einer Notlage den Hafen eines Mitgliedstaats angelaufen haben. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die sich angesichts einer solchen Lage ergebenden Rechtsfolgen nach Maßgabe des Völkerrechts zu prüfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Strafverfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Kriminal- og Skifteret Hjörring mit Beschluß vom 10. August 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Ein in einem Drittstaat registriertes Schiff kann bei der Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände nicht deshalb als ein Schiff mit der Staatszugehörigkeit eines Mitgliedstaats behandelt werden, weil es eine wesentliche Verbindung zu diesem Mitgliedstaat aufweist.

2) Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände kann nicht deshalb auf den Schiffsführer und andere Besatzungsmitglieder ohne Rücksicht auf den Staat der Registrierung oder die Gewässerzone, in der das Schiff sich befindet, angewandt werden, weil sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind.

3) Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände kann grundsätzlich nur dann auf ein in einem Drittstaat registriertes Schiff angewandt werden, wenn dieses Schiff sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet.

4) Das nationale Gericht darf grundsätzlich die Beschlagnahme bei einer Schiffsladung Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände genannten Regionen gefangen und vorübergehend in den der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft unterstehenden Gewässern befördert und an Bord eines Schiffes behalten wurde, das in einem Drittstaat registriert ist und einer Gesellschaft mit Sitz in diesem Staat gehört, nur dann anordnen, wenn das Schiff sich in den inneren Meeresgewässern oder im Hafen eines Mitgliedstaats befindet.

5) Das Gemeinschaftsrecht kennt keine Vorschrift über die Beachtung des Verbots nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände durch Schiffe von Drittstaaten, die wegen einer Notlage den Hafen eines Mitgliedstaats angelaufen haben. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die sich angesichts einer solchen Lage ergebenden Rechtsfolgen nach Maßgabe des Völkerrechts zu prüfen.

Ende der Entscheidung

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