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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.1994
Aktenzeichen: C-287/92
Rechtsgebiete: Verordnung 1408/71/EWG, Verordnung 574/72/EWG


Vorschriften:

Verordnung 1408/71/EWG Art. 71 Abs. 1b S. 1
Verordnung 1408/71/EWG Art. 86
Verordnung 574/72/EWG Art. 35
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das für die Anwendung von Artikel 71 der Verordnung Nr. 1408/71 insgesamt bestimmende Merkmal ist die Wohnung des Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dessen Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung galten. Ein Arbeitnehmer, der sich mit seiner Familie in einem Mitgliedstaat niedergelassen hat, in dem er gewohnt und gearbeitet hat und in dem bei ihm Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität eingetreten ist, der sich anschließend in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat, ohne dort zu arbeiten, und der schließlich in einem dritten Mitgliedstaat Wohnung genommen hat, wo er wegen seiner Invalidität weder arbeitet noch als Arbeitsuchender registriert ist, fällt daher nicht in den Geltungsbereich von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71.

Für einen solchen Arbeitnehmer gilt demzufolge nicht Artikel 39 Absatz 5 der Verordnung, sondern es ist die allgemeine Regel des Artikels 39 Absatz 1 anzuwenden, wonach für Leistungen bei Invalidität der Mitgliedstaat zuständig ist, dessen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Eintritts von Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität anzuwenden waren, im vorliegenden Fall der Staat der letzten Beschäftigung.

2. Aus Artikel 86 der Verordnung Nr. 1408/71 und Artikel 35 der Verordnung Nr. 574/72 geht hervor, daß in Fällen, in denen der Betroffene seinen Antrag auf Leistungen bei Invalidität beim Träger seines Wohnstaats einreicht, dieser verpflichtet ist, den Antrag dem Träger des zuständigen Mitgliedstaats, d. h. des Staates zu übermitteln, dessen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität anzuwenden waren.

Hingegen verpflichtet im Unterschied zu der für andere Leistungen geltenden Regelung keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 die Träger des Wohnstaats, dem Antragsteller - und sei es gegen Erstattung durch den zuständigen Staat - die Leistungen bei Invalidität zu gewähren, vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 114 der Verordnung Nr. 574/72 bei Streitigkeiten zwischen den Trägern. Allerdings untersagt es das Gemeinschaftsrecht dem Träger des Wohnstaats keineswegs, dem Antragsteller bei seinen Schritten beim Träger des zuständigen Staates Beistand zu leisten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 27. JANUAR 1994. - ALISON MAITLAND TOOSEY GEGEN CHIEF ADJUDICATION OFFICER. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SOCIAL SECURITY COMMISSIONER - VEREINIGTES KOENIGREICH. - FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER - SOZIALE SICHERHEIT - LEISTUNGEN BEI INVALIDITAET - ZUSTAENDIGER MITGLIEDSTAAT. - RECHTSSACHE C-287/92.

Entscheidungsgründe:

1 Der Social Security Commissioner (Vereinigtes Königreich) hat mit Beschluß vom 5. Juni 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau A. M. Toosey (Klägerin) und dem Chief Adjudication Officer um den Anspruch der Klägerin auf eine Leistung bei Invalidität.

3 Die Klägerin, eine britische Staatsangehörige, arbeitete von 1964 bis 1965 im Vereinigten Königreich. Seitdem hat sie nie mehr in diesem Land gearbeitet. 1973 zog sie bedingt durch die Arbeit ihres Ehemanns mit ihrer Familie nach Belgien, wo sie von Ende 1974 bis zum 18. März 1982 arbeitete.

4 Im März 1982 gab sie wegen einer spastischen Hemiplegie, die sie an den Rollstuhl fesselte, ihre Erwerbstätigkeit auf. Im Oktober 1983 zog die Familie von Belgien nach Frankreich. Im Juli 1985 kehrte sie in das Vereinigte Königreich zurück.

5 Am 19. Dezember 1986 beantragte die Klägerin im Vereinigten Königreich gemäß Section 36 des Social Security Act 1975 "severe disablement allowance" (Schwerbeschädigtengeld, im folgenden: SDA).

6 Dieser Antrag wurde vom King' s Lynn Social Security Appeal Tribunal mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Klägerin zwar die Voraussetzungen in bezug auf die Anwesenheit in Großbritannien erfuelle, nicht jedoch die Voraussetzungen von Regulation 3 der Social Security (Severe Disablement Allowance) Regulations 1984 (Verordnung über die soziale Sicherheit [Schwerbeschädigtengeld] 1984) in bezug auf den Wohnort, denn sie habe in den zwanzig ihrem Antrag auf Schwerbeschädigtengeld vorangegangenen Jahren keine zehn Jahre in diesem Land gewohnt.

7 Die Klägerin macht jedoch geltend, daß sie nach der Verordnung Nr. 1408/71 Anspruch auf SDA habe. Ihr Fall werde durch Artikel 39 Absatz 5 dieser Verordnung - in der Fassung, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 136, S. 7) gegolten habe - geregelt, denn sie gehöre zu dem Personenkreis, auf den Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Anwendung finde. Sie sei keine Grenzgängerin, sondern eine vollarbeitslose Arbeitnehmerin, die in den Mitgliedstaat zurückgekehrt sei, in dem sie wohne, und habe daher Anspruch auf Leistungen im Vereinigten Königreich nach den britischen Rechtsvorschriften.

8 Der Social Security Commissioner, bei dem das Rechtsmittel der Klägerin gegen die Entscheidung des King' s Lynn Social Security Appeal Tribunal anhängig ist, hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 so auszulegen, daß er für einen Arbeitnehmer gilt,

a) der im Mitgliedstaat A (dessen Staatsangehörigkeit er besitzt) wohnt und arbeitet,

b) sodann mit seiner Familie in den Mitgliedstaat B umzieht, wo er zehn Jahre lang wohnt, arbeitet und arbeitsunfähig wird mit anschließender Invalidität,

c) im Anschluß daran mit seiner Familie in den Mitgliedstaat C umzieht, wo er zwei Jahre lang wohnt, aber (wegen seiner Invalidität) nicht arbeitet, und

d) schließlich seinen Wohnort wieder in den Mitgliedstaat A verlegt, wo er (wegen seiner Invalidität) weder arbeitet noch sich arbeitslos meldet?

Falls Frage 1 bejaht wird:

2. Wonach hat ein nationales Gericht zu entscheiden, ob ein Antrag eines Arbeitnehmers auf Leistungen bei Invalidität unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen ("Antragsteller") an den Träger des in Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung bezeichneten Mitgliedstaats zu richten ist oder an den Träger des in Artikel 39 Absatz 5 - in Verbindung mit Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 - der Verordnung bezeichneten Mitgliedstaats?

a) Gilt Artikel 39 Absatz 1 nur dann, wenn der Antragsteller im Gebiet des Mitgliedstaats geblieben ist, in dem er zuletzt beschäftigt war?

b) Unter welchen Umständen kann der Antragsteller bei dem Träger des in Artikel 39 Absatz 5 der Verordnung bezeichneten Mitgliedstaats Leistungen beantragen?

c) Kann der Antragsteller wählen, an welchen Träger er den Antrag richtet?

3. Ist die Wendung "entsprechend den von diesem Träger anzuwendenden Rechtsvorschriften" in Artikel 39 Absatz 5 so auszulegen, daß sie in diesen Rechtsvorschriften enthaltene Anspruchsvoraussetzungen für eine beitragsfreie Leistung, die sich auf Anwesenheit oder Wohnort in einem Mitgliedstaat gründen, mit umfasst?

4. Falls Frage 3 bejaht wird: Ist Artikel 38 der Verordnung Nr. 1408/71 so auszulegen, daß der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Leistungsanspruch von der Zurücklegung einer Wohnzeit abhängig ist, Wohnzeiten des Antragstellers in anderen Mitgliedstaaten so zu behandeln hat, als handelte es sich um in diesem Mitgliedstaat zurückgelegte Wohnzeiten?

Falls Frage 1 verneint wird:

5. Hat der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Leistungsanspruch von der Zurücklegung einer Wohnzeit abhängig ist, Wohnzeiten des Antragstellers in anderen Mitgliedstaaten so zu behandeln, als handelte es sich um in diesem Mitgliedstaat zurückgelegte Wohnzeiten?

Falls die Fragen 1 und 5 verneint werden und der Antragsteller Leistungen gemäß Artikel 39 Absatz 1 beim Mitgliedstaat B zu beantragen hat:

6. Besteht irgendeine Verpflichtung des zuständigen Trägers des Mitgliedstaats A gegenüber dem Antragsteller? Ist der zuständige Träger des Mitgliedstaats A insbesondere verpflichtet,

a) mit dem vom Antragsteller eingereichten Antrag nach Maßgabe des Artikels 35 Absatz 1 der Verordnung Nr. 574/72 zu verfahren und/oder

b) dem Antragsteller Leistungen nach seinen Vorschriften zu gewähren und sich diese später vom Mitgliedstaat B erstatten zu lassen?

Die erste Frage

9 Nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates.

10 In Durchführung dieses Grundsatzes ist nach Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 für Leistungen bei Invalidität der Mitgliedstaat zuständig, "dessen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Eintritts von Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität anzuwenden waren".

11 Nach Artikel 39 Absatz 5 ist jedoch der Wohnstaat zuständig für "de[n] vollarbeitslose[n] Arbeitnehmer, für den Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) oder Buchstabe b) Ziffer ii) erster Satz gilt".

12 Nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 erhalten "Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären; diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnorts zu seinen Lasten...".

13 Sowohl aus der Überschrift des Abschnitts der Verordnung Nr. 1408/71, der als einzige Bestimmung Artikel 71 enthält, als auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, daß das für die Anwendung von Artikel 71 insgesamt bestimmende Merkmal die Wohnung des Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ist, dessen Rechtsvorschriften für ihn bei seiner letzten Beschäftigung gegolten haben (vgl. Urteile vom 17. Februar 1977 in der Rechtssache 76/76, Di Paolo, Slg. 1977, 315, Randnrn. 17 und 21, vom 11. Oktober 1984 in der Rechtssache 128/83, Guyot, Slg. 1984, 3507, Randnr. 9, und vom 22. September 1988 in der Rechtssache 236/87, Bergemann, Slg. 1988, 5125).

14 Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 findet daher keine Anwendung auf einen Arbeitnehmer in der Situation der Klägerin, die, wie aus dem Wortlaut der Vorlagefragen selbst hervorgeht, im Beschäftigungsstaat, nämlich in Belgien, wohnte, als ihre Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität eintrat.

15 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin führt diese Auslegung von Artikel 71 nicht dazu, daß dieser Bestimmung jede Bedeutung für Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind, genommen wird.

16 Nach dem Urteil Di Paolo fallen unter diese Bestimmung nämlich neben Saisonarbeitnehmern auch andere Arbeitnehmer, die, obwohl sie in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt sind, ihren Wohnort im Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts beibehalten, zu dem sie eine enge Bindung aufrechterhalten und in dem sich der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.

17 Die erste Vorlagefrage ist daher zu verneinen.

Die zweite, die dritte, die vierte und die fünfte Frage

18 Da die zweite, die dritte und die vierte Frage nur für den Fall gestellt worden sind, daß die erste Frage bejaht wird, brauchen sie nicht beantwortet zu werden.

19 Die fünfte Frage ist für den Fall gestellt worden, daß die erste Frage verneint wird. Aus dem Inhalt dieser Frage, der mit dem der vierten Frage identisch ist, geht jedoch hervor, daß sie voraussetzt, daß die Frage, ob gegenüber dem Wohnstaat, im vorliegenden Fall dem Vereinigten Königreich, Leistungen bei Invalidität geltend gemacht werden können, von der Auslegung der Rechtsvorschriften dieses Staates abhängt.

20 Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich jedoch, daß nach der Verordnung Nr. 1408/71 für die Gewährung der Leistungen bei Invalidität der Staat zuständig ist, dessen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität anzuwenden waren (im vorliegenden Fall Belgien). Daher braucht die fünfte Frage nicht beantwortet zu werden.

Die sechste Frage

21 Mit der sechsten Frage begehrt das nationale Gericht Auskunft darüber, welche Verpflichtungen die Träger des Wohnstaats gegenüber einem Antragsteller haben, dem der Staat der letzten Beschäftigung Leistungen bei Invalidität schuldet.

22 Aus Artikel 86 der Verordnung Nr. 1408/71 und Artikel 35 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung geht hervor, daß in Fällen, in denen der Betroffene seinen Antrag beim Träger seines Wohnstaats einreicht, dieser verpflichtet ist, den Antrag dem Träger des zuständigen Mitgliedstaats, d. h. des Staates zu übermitteln, dessen Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität anzuwenden waren.

23 Hingegen verpflichtet im Unterschied zu der für andere Leistungen geltenden Regelung (vgl. etwa die Artikel 36 und 63 der Verordnung Nr. 1408/71) keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 die Träger des Wohnstaats, dem Antragsteller - und sei es gegen Erstattung durch den zuständigen Staat - die Leistungen bei Invalidität zu gewähren, vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 114 der Verordnung Nr. 574/72 bei Streitigkeiten zwischen den Trägern.

24 Allerdings untersagt es das Gemeinschaftsrecht dem Träger des Wohnstaats keineswegs, dem Antragsteller bei seinen Schritten beim Träger des zuständigen Staates Beistand zu leisten.

25 Daher ist auf die sechste Frage zu antworten, daß der Träger des Wohnstaats nach Artikel 86 der Verordnung Nr. 1408/71 und Artikel 35 der Verordnung Nr. 574/72 verpflichtet ist, einen bei ihm gestellten Antrag auf Leistungen bei Invalidität dem zuständigen Träger des Staates der letzten Beschäftigung zu übermitteln, daß er jedoch nicht verpflichtet ist, dem Antragsteller die Leistungen zu gewähren.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm vom Social Security Commissioner mit Beschluß vom 5. Juli 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist so auszulegen, daß er nicht für einen Arbeitnehmer gilt, der

a) im Mitgliedstaat A (dessen Staatsangehörigkeit er besitzt) wohnt und arbeitet,

b) sodann mit seiner Familie in den Mitgliedstaat B umzieht, wo er zehn Jahre lang wohnt, arbeitet und arbeitsunfähig wird mit anschließender Invalidität,

c) im Anschluß daran mit seiner Familie in den Mitgliedstaat C umzieht, wo er zwei Jahre lang wohnt, aber (wegen seiner Invalidität) nicht arbeitet, und

d) schließlich seinen Wohnort wieder in den Mitgliedstaat A verlegt, wo er (wegen seiner Invalidität) weder arbeitet noch sich arbeitslos meldet.

2) Nach Artikel 86 der Verordnung Nr. 1408/71 und Artikel 35 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist der Träger des Wohnstaats verpflichtet, einen bei ihm gestellten Antrag auf Leistung bei Invalidität dem zuständigen Träger des Staates der letzten Beschäftigung zu übermitteln, er ist jedoch nicht verpflichtet, dem Antragsteller die Leistungen zu gewähren.

Ende der Entscheidung

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