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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.07.1991
Aktenzeichen: C-288/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Mediawet


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 56
EWG-Vertrag Art. 59
Mediawet Art. 66
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft gemäß Artikel 59 Absatz 1 EWG-Vertrag verlangt in erster Linie die Beseitigung jeglicher Diskriminierung des Erbringers von Dienstleistungen aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, daß er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll.

Innerstaatliche Vorschriften, die nicht unterschiedslos auf alle Dienstleistungen ohne Rücksicht auf deren Ursprung anwendbar sind, lassen sich mit dem Gemeinschaftsrecht nur dann vereinbaren, wenn sie unter eine ausdrücklich abweichende Bestimmung, wie zum Beispiel Artikel 56 EWG-Vertrag, fallen; dieser darf nicht herangezogen werden, um wirtschaftliche Ziele zu verfolgen.

Solange die für Dienstleistungen geltenden Vorschriften nicht harmonisiert sind und noch nicht einmal eine Gleichwertigkeitsregelung erlassen worden ist, können Behinderungen des freien Dienstleistungsverkehrs zweitens daher rühren, daß innerstaatliche Vorschriften, die alle im Inland ansässigen Personen erfassen, auf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässige Erbringer von Dienstleistungen angewandt werden, die bereits den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats genügen müssen. Derartige Hemmnisse fallen unter Artikel 59, sofern die Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf ausländische Erbringer von Dienstleistungen nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist oder den Erfordernissen, die diesen Rechtsvorschriften zugrunde liegen, bereits durch die Vorschriften Genüge getan ist, die für diese Erbringer von Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat gelten, in dem sie ansässig sind.

Schließlich muß die Anwendung von innerstaatlichen Vorschriften auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Erbringer von Dienstleistungen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen; das gleiche Ergebnis darf also nicht durch weniger einschneidende Regelungen erreichbar sein.

2. Voraussetzungen, die ein Mitgliedstaat für die Übertragung von - speziell für das einheimische Publikum bestimmte Werbemitteilungen enthaltenden und von einer im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats niedergelassenen Rundfunkanstalt angebotenen - Hörfunk- oder Fernsehprogrammen durch die in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Betreiber von Kabelrundfunkeinrichtungen aufstellt und die sich sowohl auf die Struktur dieser Anstalten als auch auf die in den Programmen enthaltenen Werbemitteilungen beziehen, stellen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Artikel 59 EWG-Vertrag dar.

3. Eine Kulturpolitik, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und geistigen Strömungen in einem Mitgliedstaat schützen soll, kann einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigt.

4. Voraussetzungen, die sich auf die Struktur von im Rundfunksektor tätigen ausländischen Anstalten beziehen, sind nicht als objektiv dafür erforderlich zu sehen, das allgemeine Interesse an der Erhaltung eines pluralistischen nationalen Rundfunkwesens zu wahren.

5. Beschränkungen der Sendung von Werbemitteilungen können im Allgemeininteresse vorgeschrieben werden, nämlich um die Verbraucher gegen ein Übermaß an kommerzieller Werbung zu schützen oder um im Rahmen der Kulturpolitik eine bestimmte Programmqualität zu erhalten. Wenn solche Beschränkungen sich jedoch nur auf speziell für das inländische Publikum bestimmte Werbemitteilungen beziehen, sind sie nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, denn sie sollen den eventuellen Wettbewerb ausländischer Sendeanstalten mit einer inländischen Anstalt beschränken, die das Monopol für die Sendung dieser Werbemitteilungen innehat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 25. JULI 1991. - STICHTING COLLECTIEVE ANTENNEVOORZIENING GOUDA UND ANDERE GEGEN COMMISSARIAAT VOOR DE MEDIA. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RAAD VAN STATE - NIEDERLANDE. - FREIER DIENSTLEISTUNGSVERKEHR - VORAUSSETZUNGEN FUER DIE UEBERTRAGUNG VON WERBEMITTEILUNGEN IN RUNDFUNK- UND FERNSEHPROGRAMMEN, DIE VON ANDEREN MITGLIEDSTAATEN AUS GESENDET WERDEN. - RECHTSSACHE C-288/89.

Entscheidungsgründe:

1 Der niederländische Raad van State, Streitsachenabteilung, hat mit Entscheidung vom 30. August 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 1989, drei Fragen nach der Auslegung der Vorschriften des EWG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob eine nationale Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, die Voraussetzungen dafür aufstellt, daß von anderen Mitgliedstaaten aus gesendete Hörfunk- und Fernsehprogramme, die speziell für das niederländische Publikum bestimmte Werbung enthalten, per Kabel übertragen werden dürfen.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen zehn Betreibern von Kabelrundfunkeinrichtungen und der mit der Aufsicht über die Nutzung von Kabelsystemen betrauten Einrichtung, dem Commissariaat voor de Media, in dem es um die Voraussetzungen geht, die das niederländische Gesetz vom 21. April 1987 zur Regelung der Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen, der Hörfunk- und Fernsehgebühren und der Beihilfen für Presseorgane (Staatsblad Nr. 249 vom 4. Juni 1987, im folgenden: Mediawet) für die Ausstrahlung von Werbemitteilungen aufstellt, die in vom Ausland aus gesendeten Hörfunk- oder Fernsehprogrammen enthalten sind. Nach Auffassung der Betreiber der Kabelrundfunkeinrichtungen verstossen diese Voraussetzungen gegen die Artikel 59 ff. EWG-Vertrag.

3 Die streitigen Voraussetzungen ergeben sich aus Artikel 66 der Mediawet. Dieser bestimmt:

"1. Der Betreiber einer Kabelrundfunkeinrichtung kann

a) die Programme senden, die von einer ausländischen Sendeanstalt mit Hilfe eines Rundfunksenders ausgestrahlt werden und am Ort der Kabelrundfunkeinrichtung mit einer dort gebräuchlichen Einzelantenne meistens in ausreichender Qualität unmittelbar empfangen werden können;

b) andere als die unter Buchstabe a genannten Programme senden, die in Übereinstimmung mit den dort geltenden Rechtsvorschriften von einer ausländischen Sendeanstalt oder einer Gruppe solcher Anstalten als Rundfunkprogramme gesendet werden. Enthalten diese Programme Werbemitteilungen, so ist deren Sendung nur zulässig, wenn sie von einer besonderen juristischen Person erstellt werden, eindeutig als Werbemitteilungen erkennbar sind, sich deutlich von den anderen Teilen des Programms unterscheiden und nicht an Sonntagen gesendet werden und wenn ferner die für die Sendung von Werbemitteilungen verwendete Sendezeit höchstens 5 % der gesamten Sendezeit beträgt, die Sendeanstalt den Erfordernissen des Artikels 55 Absatz 1 entspricht und die Erträge in vollem Umfang für die Durchführung des Programms verwendet werden. Ist den vorstehend genannten Erfordernissen jedoch nicht Genüge getan, so ist die Sendung eines solchen Programms auch zulässig, wenn die darin enthaltenen Werbemitteilungen nicht speziell für das niederländische Publikum bestimmt sind;

...

2. Für die Anwendung von Absatz 1 Buchstabe b wird eine Werbemitteilung auf jeden Fall als speziell für das niederländische Publikum bestimmt angesehen, wenn sie in oder unmittelbar nach einem Programmteil oder zusammenhängenden Ganzen von Programmteilen gesendet wird, in dem niederländische Untertitel oder ein Teil in niederländischer Sprache vorkommen.

3. Der zuständige Minister kann eine Befreiung von dem in Absatz 1 Buchstabe b niedergelegten Verbot in bezug auf Rundfunkprogramme erteilen, die in Belgien gesendet werden und für das niederländischsprachige Publikum in Belgien bestimmt sind."

4 Nach Artikel 55 Absatz 1 der Mediawet dürfen "Anstalten, die Sendezeit erhalten haben", grundsätzlich "nicht Dritten zur Gewinnerzielung dienen".

5 Mit Bescheiden vom 6. Januar 1989 verhängte das Commissariaat voor de Media gegen jeden der zehn Kläger des Ausgangsverfahrens, die Kabelrundfunkeinrichtungen betreiben, eine Geldbusse, weil sie von ausländischen Sendeanstalten gesendete Programme übertragen hatten, die ganz oder teilweise in niederländischer Sprache abgefasste Werbemitteilungen enthielten, die den Voraussetzungen des Artikels 66 Absatz 1 Buchstabe b der Mediawet nicht entsprachen.

6 Die betroffenen Betreiber von Kabelrundfunkeinrichtungen erhoben gegen diese Bescheide Klage beim Raad van State, Streitsachenabteilung, und machten geltend, Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b der Mediawet stehe im Widerspruch zu den Artikeln 56 und 59 EWG-Vertrag.

7 Der Raad van State hielt es daraufhin für erforderlich, drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 59 ff. EWG-Vertrag vorzulegen. Diese Fragen lauten wie folgt:

1) Ist Artikel 59 des Vertrages dahin auszulegen, daß eine verbotene Beschränkung einer Dienstleistung, wie sie das Verbreiten von den Betreibern von Kabelrundfunkeinrichtungen per Kabel-, Funk- oder Satellitenverbindungen vom Ausland her angebotenen Programmen - mit oder ohne Werbemitteilungen - über Kabelnetze durch diese Betreiber darstellt, dann vorliegt, wenn eine nationale Regelung diese Art der Verbreitung beschränkenden Vorschriften wie Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Mediawet unterwirft, die in gleicher Weise für entsprechende Programme gelten, die vom Inland her angeboten werden?

2) Ist bei der Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr von der obengenannten nationalen Regelung, abgesehen davon, daß sie nicht diskriminierend sein darf, auch zu verlangen, daß sie aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und nicht ausser Verhältnis zu dem mit ihr angestrebten Ziel steht?

3) Bei Bejahung der zweiten Frage: Können kulturpolitische Zielsetzungen, die auf die Aufrechterhaltung eines pluralistischen und nichtkommerziellen Rundfunkwesens und/oder auf den Schutz der Meinungsvielfalt in Rundfunk und Presse gerichtet sind, einen solchen Rechtfertigungsgrund darstellen?

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und der Erklärungen der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zum Anwendungsbereich des Artikels 59 EWG-Vertrag

9 Diese Fragen des vorlegenden Gerichts gehen dahin, ob Voraussetzungen, wie sie die Mediawet dafür aufstellt, daß Betreiber von Kabelrundfunkeinrichtungen von anderen Mitgliedstaaten aus gesendete Hörfunk- und Fernsehprogramme übertragen dürfen, durch Artikel 59 EWG-Vertrag erfasst werden und, wenn ja, ob sie gerechtfertigt sein können.

10 In diesem Zusammenhang ist es ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe zuletzt Urteile vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-154/89, Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-659, Randnr. 12, in der Rechtssache C-180/89, Kommission/Italien, Slg. 1991, I-709, Randnr. 15, und in der Rechtssache C-198/89, Kommission/Griechenland, Randnr. 16, Slg. 1991, I-727), daß Artikel 59 EWG-Vertrag in erster Linie die Beseitigung jeglicher Diskriminierung des Erbringers von Dienstleistungen aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands verlangt, daß er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll.

11 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85 (Bond van Adverteerders, Slg. 1988, 2085, Randnrn. 32 und 33) festgestellt hat, lassen sich innerstaatliche Vorschriften, die nicht unterschiedslos auf alle Dienstleistungen ohne Rücksicht auf deren Ursprung anwendbar sind, mit dem Gemeinschaftsrecht nur dann vereinbaren, wenn sie unter eine ausdrücklich abweichende Bestimmung, wie zum Beispiel Artikel 56 EWG-Vertrag, fallen. Aus diesem Urteil (Randnr. 34) geht ausserdem hervor, daß wirtschaftliche Ziele keine Gründe der öffentlichen Ordnung im Sinne dieses Artikels sein können.

12 Solange die für Dienstleistungen geltenden Vorschriften nicht harmonisiert sind und noch nicht einmal eine Gleichwertigkeitsregelung erlassen worden ist, können Behinderungen der vom EWG-Vertrag in diesem Bereich garantierten Freiheit zweitens daher rühren, daß innerstaatliche Vorschriften, die alle im Inland ansässigen Personen erfassen, auf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässige Erbringer von Dienstleistungen angewandt werden, die bereits den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats genügen müssen.

13 Nach ständiger Rechtsprechung (siehe zuletzt die bereits angeführten Urteile vom 26. Februar 1991, Kommission/Frankreich, Randnr. 15, Kommission/Italien, Randnr. 18, und Kommission/Griechenland, Randnr. 18) fallen derartige Hemmnisse unter Artikel 59, sofern die Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf ausländische Erbringer von Dienstleistungen nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist oder den Erfordernissen, die diesen Rechtsvorschriften zugrunde liegen, bereits durch die Vorschriften Genüge getan ist, die für diese Erbringer von Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat gelten, in dem sie ansässig sind.

14 In diesem Zusammenhang gehören zu den vom Gerichtshof bereits anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses die zum Schutz der Empfänger von Dienstleistungen bestimmten Berufsregeln (Urteil vom 18. Januar 1979 in den verbundenen Rechtssachen 110/78 und 111/78, Van Wesemäl, Slg. 1979, 35, Randnr. 28), der Schutz des geistigen Eigentums (Urteil vom 18. März 1980 in der Rechtssache 62/79, Coditel, Slg. 1980, 881), der Schutz der Arbeitnehmer (Urteil vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 179/80, Webb, Slg. 1981, 3305, Randnr. 19; Urteil vom 3. Februar 1982 in den verbundenen Rechtssachen 62/81 und 63/81, Seco, Slg. 1982, 223, Randnr. 14; Urteil vom 27. März 1990 in der Rechtssache C-113/89, Rush Portugüsa, Slg. 1990, I-1417, Randnr. 18), der Schutz der Verbraucher (Urteile vom 4. Dezember 1986 in den Rechtssachen 220/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 3663, Randnr. 20, 252/83, Kommission/Dänemark, Slg. 1986, 3713, Randnr. 20, 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Randnr. 30, 206/84, Kommission/Irland, Slg. 1986, 3817, Randnr. 20; Urteile vom 26. Februar 1991, Kommission/Italien, a. a. O., Randnr. 20, und Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnr. 21), die Erhaltung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes (Urteil vom 26. Februar 1991, Kommission/Italien, a. a. O., Randnr. 20), die Aufwertung der archäologischen, historischen und künstlerischen Reichtümer und die bestmögliche Verbreitung von Kenntnissen über das künstlerische und kulturelle Erbe eines Landes (Urteile vom 26. Februar 1991, Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnr. 17, und Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnr. 21).

15 Schließlich muß die Anwendung von innerstaatlichen Vorschriften auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Erbringer von Dienstleistungen nach ständiger Rechtsprechung geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen; das gleiche Ergebnis darf mit anderen Worten nicht durch weniger einschneidende Regelungen erreichbar sein (siehe zuletzt die Urteile vom 26. Februar 1991, Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnrn. 14 und 15, Kommission/Italien, a. a. O., Randnrn. 17 und 18, und Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnrn. 18 und 19).

16 Anhand der genannten Grundsätze ist zu prüfen, ob eine Bestimmung wie Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b der Mediawet, die nach Auffassung des vorliegenden Gerichts nicht diskriminierend ist, Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs enthält und, wenn ja, ob diese Beschränkungen gerechtfertigt sein können.

Zum Vorliegen von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs

17 Es ist sogleich festzustellen, daß Voraussetzungen, wie sie Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Mediawet aufstellt, eine doppelte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs beinhalten. Zum einen hindern sie die in einem Mitgliedstaat ansässigen Betreiber von Kabelrundfunkeinrichtungen daran, Hörfunk- oder Fernsehprogramme zu übertragen, die von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Sendeanstalten angeboten werden und diesen Voraussetzungen nicht entsprechen. Zum andern beschränken sie die Möglichkeiten dieser Sendeanstalten, insbesondere für im Empfangsmitgliedstaat niedergelassene Unternehmen speziell für das Publikum dieses Staates bestimmte Werbemitteilungen in ihr Programm aufzunehmen.

18 Auf die erste Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, daß Voraussetzungen wie die in Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Mediawet genannten Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Artikel 59 EWG-Vertrag darstellen.

Zur Möglichkeit, diese Beschränkungen zu rechtfertigen

19 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, gehören diese Voraussetzungen zu zwei verschiedenen Gruppen. Es gibt zunächst Voraussetzungen, die sich auf die Struktur der Sendeanstalten beziehen: Diese müssen die Werbung einer von den Programmanbietern unabhängigen juristischen Person übertragen; sie müssen ihre Werbeeinnahmen in vollem Umfang zur Durchführung des Programms verwenden; sie dürfen Dritten nicht zur Gewinnerzielung dienen. Es gibt sodann Voraussetzungen, die sich auf die Werbung selbst beziehen: Sie muß eindeutig als solche erkennbar und von den anderen Programmteilen getrennt sein; sie darf nicht mehr als 5 % der Sendezeit in Anspruch nehmen; sie darf nicht sonntags ausgestrahlt werden.

20 Für die Beantwortung der zweiten und der dritten Frage des vorlegenden Gerichts, die im wesentlichen dahingehen, ob derartige Beschränkungen gerechtfertigt sein können, sind diese Voraussetzungen getrennt zu prüfen.

A - Zu den Voraussetzungen, die die Struktur der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Sendeanstalten betreffen

21 Zu den Voraussetzungen, die sich auf die Struktur der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Sendeanstalten beziehen, führt die niederländische Regierung aus, sie stimmten mit denen überein, die die niederländischen Sendeanstalten zu erfuellen hätten. So entspreche das Erfordernis, daß die Werbemitteilungen von einer von den Programmherstellern getrennten juristischen Person durchgeführt werden müssten, dem nach der Mediawet für inländische Anstalten bestehenden Verbot, kommerzielle Werbung zu senden; die Ausstrahlung dieser Werbung sei der Stiftung für Hörfunk-und Fernsehwerbung (Stichting Etherreclame; im folgenden: STER) vorbehalten. Die den Sendeanstalten der anderen Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung, Dritten nicht zur Gewinnerzielung zu dienen, solle den nichtkommerziellen Charakter des Rundfunks garantieren, den die Mediawet für die inländischen Sendeanstalten aufrechterhalten wolle. Schließlich bezwecke das Erfordernis, daß die Werbeeinnahmen zur Durchführung der Programme eingesetzt werden müssten, den Sendern der anderen Mitgliedstaaten Möglichkeiten zu bieten, die denen des niederländischen Systems, in dem der grösste Teil der Werbeeinnahmen der STER die Betriebskosten von Hörfunk und Fernsehen decke, mindestens gleichkämen.

22 Die niederländische Regierung macht ferner geltend, diese Beschränkungen seien durch zwingende Erfordernisse ihrer Kulturpolitik im Rundfunksektor gerechtfertigt. Diese Politik solle die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und geistigen Strömungen in den Niederlanden schützen, wie sie sich in der Presse, im Hörfunk oder im Fernsehen müsse entfalten können. Die Erreichung dieses Ziels könne aber gefährdet sein, wenn die Unternehmen, die Werbeaufträge erteilten, einen zu grossen Einfluß auf die Programmgestaltung bekämen.

23 Zwar kann eine so verstandene Kulturpolitik einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs rechtfertigt. Die Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens, die diese niederländische Politik gewährleisten soll, steht nämlich in einem Zusammenhang mit der durch Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Meinungsfreiheit, die zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört (Urteil vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, Randnr. 13).

24 Es ist jedoch festzustellen, daß es keinen notwendigen Zusammenhang zwischen einer solchen Kulturpolitik und den die Struktur der ausländischen Sendeanstalten betreffenden Voraussetzungen gibt. Um ein pluralistisches Rundfunkwesen zu sichern, ist es nämlich keineswegs unerläßlich, daß das innerstaatliche Recht den in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Sendeanstalten vorschreibt, sich dem niederländischen Modell anzupassen, wenn sie Programme ausstrahlen wollen, die für das niederländische Publikum bestimmte Werbemitteilungen enthalten. Wenn die niederländische Regierung diese Vielfalt erhalten will, kann sie sich durchaus darauf beschränken, die Regelung für ihre eigenen Anstalten entsprechend auszugestalten.

25 Voraussetzungen, die sich auf die Struktur von ausländischen Sendeanstalten beziehen, sind daher nicht als objektiv dafür erforderlich anzusehen, das allgemeine Interesse an der Erhaltung eines pluralistischen nationalen Rundfunkwesens zu wahren.

B - Zu den die Werbemitteilungen betreffenden Voraussetzungen

26 Nach Meinung der niederländischen Regierung hat entgegen der von der Kommission vertretenen Auffassung weder das Verbot, an bestimmten Tagen Werbemitteilungen zu übertragen, noch die Beschränkung von deren Dauer, noch die Verpflichtung, sie als solche kenntlich zu machen und sie von anderen Programmteilen zu trennen, diskriminierenden Charakter. Die von der STER erbrachten Dienstleistungen seien den gleichen Beschränkungen unterworfen. Die niederländische Regierung verweist in diesem Zusammenhang auf Artikel 39 der Mediawet. Daraus gehe hervor, daß das Commissariaat voor de Media der STER im inländischen Netz verfügbare Sendezeit zuteile und daß diese Zuteilung in der Weise erfolgen müsse, daß die Programme der inländischen Sendeanstalten nicht unterbrochen würden. Ausserdem werde nach dem gleichen Artikel keine Sendezeit an Sonntagen zugeteilt.

27 In diesem Zusammenhang ist zunächst hervorzuheben, daß Beschränkungen der Sendung von Werbemitteilungen, wie zum Beispiel das Verbot der Werbung für bestimmte Erzeugnisse oder an bestimmten Tagen, die Beschränkung der Dauer oder der Häufigkeit dieser Mitteilungen oder Beschränkungen, die verhindern sollen, daß die Rundfunkhörer oder die Fernsehzuschauer die kommerzielle Werbung mit anderen Programmteilen verwechseln, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können. Derartige Beschränkungen können vorgeschrieben werden, um die Verbraucher gegen ein Übermaß an kommerzieller Werbung zu schützen oder um im Rahmen der Kulturpolitik eine bestimmte Programmqualität zu erhalten.

28 Sodann ist festzustellen, daß die streitigen Beschränkungen sich nur auf den Markt der speziell für das niederländische Publikum bestimmten Werbemitteilungen beziehen. Dieser Markt war der einzige, der vom Werbeverbot in der Kabelregeling erfasst wurde, das den Anlaß zu den Vorabentscheidungsfragen im Rahmen der Rechtssache Bond van Adverteerders bildete (siehe das Urteil vom 26. April 1988, a. a. O.). Selbst wenn die Werbemitteilungen sich auf Erzeugnisse beziehen, die in den Niederlanden verbraucht werden können, gelten diese Beschränkungen nur dann, wenn diese Mitteilungen in Verbindung mit Programmen in niederländischer Sprache oder mit Programmen mit niederländischen Untertiteln gesendet werden. Diese Beschränkungen können bei Programmen in niederländischer Sprache, die in Belgien für das niederländischsprachige belgische Publikum ausgestrahlt werden, aufgehoben werden.

29 Anders als die Kabelregeling behalten die vom vorlegenden Gericht genannten Bestimmungen der Mediawet der STER nicht mehr die Gesamtheit der Einnahmen aus den Werbemitteilungen vor, die speziell für das niederländische Publikum bestimmt sind. Sie beschränken jedoch dadurch, daß sie die Übertragung dieser Mitteilungen reglementieren, den eventuellen Wettbewerb ausländischer Sendeanstalten mit der STER auf diesem Markt. Sie haben damit - sei es auch in geringerem Maß als die Kabelregeling - zur Folge, daß die Einnahmen der STER geschützt werden, und sind daher auf das gleiche Ziel gerichtet wie die frühere Regelung. Wie im Urteil vom 26. April 1988 (Bond van Adverteerders, a. a. O., Randnr. 34) entschieden worden ist, kann dieses Ziel aber keine Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen.

30 Auf die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, daß Beschränkungen wie die hier streitigen nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Die Auslagen der niederländischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom niederländischen Raad van State, Streitsachenabteilung, mit Entscheidung vom 30. August 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Voraussetzungen wie die in Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Mediawet genannten stellen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Artikel 59 EWG-Vertrag dar.

2) Beschränkungen wie die hier streitigen sind nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

Ende der Entscheidung

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