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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.08.1993
Aktenzeichen: C-289/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 823/87 vom 16.03.1987


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 823/87 vom 16.03.1987 Art. 11
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 11 der Verordnung Nr. 823/87 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete ist mit Rücksicht auf den Wortlaut seines Absatzes 2 dahin auszulegen, daß keine Weinmenge, die den vom zuständigen Mitgliedstaat festgesetzten Hektarertrag überschreitet, als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete vermarktet werden kann.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 2. AUGUST 1993. - KLAUS KUHN GEGEN LANDWIRTSCHAFTSKAMMER RHEINLAND-PFALZ. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: VERWALTUNGSGERICHT NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE - DEUTSCHLAND. - BEZEICHNUNG UND AUFMACHUNG DER WEINE - HEKTARERTRAG. - RECHTSSACHE C-289/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse hat mit Beschluß vom 31. Oktober 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 11 der Verordnung (EWG) Nr. 823/87 des Rates vom 16. März 1987 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete (ABl. L 84, S. 59; im folgenden: die Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Klaus Kuhn und der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. In dem Rechtsstreit geht es um die von Herrn Kuhn für eine von ihm erzeugte Weinmenge beantragte Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer, die ihn berechtigen würde, diesen Wein unter der Bezeichnung Qualitätswein als 1989er Heuchelheimer Herrenpfad Kerner Auslese zu vermarkten.

3 Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung bestimmt, daß die Mitgliedstaaten für jeden Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (Qualitätswein b. A.), gegebenenfalls je nach Teilanbaugebiet, Gemeinde oder Teil der Gemeinde oder je nach der Rebsorte, einen Hektarhöchstertrag in Trauben-, Most- oder Weinmengen festsetzen. Nach Artikel 11 Absatz 2 hat die Überschreitung dieses Ertrags zur Folge, daß für die gesamte Ernte die Verwendung der beanspruchten Bezeichnung untersagt wird, es sei denn, daß die Mitgliedstaaten allgemein oder im Einzelfall etwas anderes vorsehen.

4 Artikel 11 der Verordnung ist in Deutschland mit § 2a des Weingesetzes durchgeführt worden. Absatz 1 dieser Bestimmung sieht vor, daß die Landesregierungen den zulässigen Hektarertrag für Qualitätsweine b. A. festsetzen, und definiert diesen Hektarertrag als die Hoechstmenge an Wein und Traubenmost, die je Jahrgang an andere abgegeben, verwendet oder verwertet werden darf. Absatz 2 bestimmt, daß, wenn in einem Weinbaubetrieb die Erntemenge die zulässige Menge übersteigt, die Übermenge nur als Grundwein für Brennwein oder Weinessig oder als Traubensaft an andere abgegeben, verwendet oder verwertet werden darf. Schließlich darf nach Absatz 3 die Übermenge zum Ausgleich einer späteren geringeren Erntemenge über das Erntejahr hinaus gelagert werden; sie darf auch anstelle der zulässigen Erntemenge eines Jahrgangs an andere abgegeben, verwendet oder verwertet werden.

5 Im Rahmen dieser Bestimmungen beantragte Herr Kuhn die Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer für 1 500 Liter 1989er Heuchelheimer Herrenpfad Kerner Auslese. Da die Landwirtschaftskammer der Auffassung war, daß von diesen 1 500 Litern 1 425 Liter unter Überschreitung des zulässigen Ertrags erzeugt worden seien, erteilte sie Herrn Kuhn die Prüfungsnummer nur für 75 Liter. Daraufhin erhob dieser beim Verwaltungsgericht Klage auf Erteilung einer Prüfungsnummer für seine gesamte Erzeugung.

6 Herr Kuhn macht geltend, § 2a des Weingesetzes sei mit Artikel 11 der Verordnung unvereinbar, da das deutsche Gesetz eine Vermarktungsbeschränkung einführe, Artikel 11 aber eine Beschränkung der Erzeugung bezwecke. Während nämlich nach dem Gemeinschaftsrecht der Winzer, der den zulässigen Ertrag überschritten habe, das Recht, die Bezeichnung "Qualitätswein b. A." zu verwenden, für seine gesamte Erzeugung verliere, betreffe der Verlust dieser Berechtigung nach deutschem Recht nur den überschießenden Teil seiner Erzeugung. Eine solche Vorschrift laufe dem Zweck der Gemeinschaftsvorschrift zuwider, der darin bestehe, die Erzeugung der Weine zu beschränken, um deren Qualität zu verbessern. Da das deutsche Gesetz mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei, könne es nicht auf ihn angewandt werden. Man habe es, da Artikel 11 der Verordnung keine unmittelbare Wirkung habe, mit einem rechtsfreien Raum zu tun, so daß dem Antrag auf Verwendung der Bezeichnung "Qualitätswein b. A." keine Rechtsvorschrift entgegengehalten werden könne.

7 Das Verwaltungsgericht, das die Bedenken von Herrn Kuhn teilt, hat das Verfahren ausgesetzt, bis der Gerichtshof über folgende Frage vorab entschieden hat:

Kann Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr. 823/87 dahin ausgelegt werden, daß auf seiner Grundlage eine Regelung nach § 2a Absätze 1 bis 3 des Weingesetzes ° eingeführt durch das 6. Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 11. Juli 1989 (BGBl. I S. 1424), neugefasst durch das Gesetz zur Änderung des Weingesetzes und des Weinwirtschaftsgesetzes vom 30. August 1990 (BGBl. I S. 1863) ° zulässig ist?

8 Das Verwaltungsgericht vertritt in seinem Vorlagebeschluß die Auffassung, daß die Weigerung, Herrn Kuhn eine Prüfungsnummer zu erteilen, nur dann begründet sei, wenn die Festsetzung eines Hektarertrags als Voraussetzung für eine Übermenge im Sinne von § 2a des Weingesetzes in Verbindung mit dem dazu ergangenen rheinland-pfälzischen Landesrecht mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Sei dies nicht der Fall, so müsste Herr Kuhn mit seiner Klage Erfolg haben; da nationale Gesetze, die mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht in Einklang stuenden, unanwendbar seien, könnte § 2a des Weingesetzes in Verbindung mit der einschlägigen Landesverordnung ihm nicht entgegengehalten werden.

9 Aus dieser Sicht hat das Verwaltungsgericht dem Gerichtshof die Frage gestellt, ob § 2a des Weingesetzes zulässig ist.

10 Es ist indessen darauf hinzuweisen, daß es in einem Verfahren nach Artikel 177 EWG-Vertrag nicht Sache des Gerichtshofes ist, über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden. Er ist jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, um diesem die Entscheidung des Ausgangsverfahrens zu ermöglichen.

11 Im vorliegenden Fall betrifft der Antrag von Herrn Kuhn nur die Weigerung der Verwaltung, ihm eine Prüfungsnummer zu erteilen, die es ihm ermöglicht, den Teil seiner Erzeugung, der den in den nationalen Rechtsvorschriften gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung festgesetzten Hektarertrag überschreitet, unter der Bezeichnung "Qualitätswein b. A." zu vermarkten.

12 Aus dem Wortlaut des Artikels 11 Absatz 2 der Verordnung geht jedoch hervor, daß diese Bestimmung es zumindest verbietet, eine Erzeugung, die den in den nationalen Rechtsvorschriften festgesetzten Hektarertrag überschreitet, als Qualitätswein b. A. zu vermarkten.

13 Daher braucht die Vorlagefrage nur in der Weise beantwortet zu werden, daß Artikel 11 der Verordnung dahin auszulegen ist, daß jedenfalls keine Weinmenge, die den vom Mitgliedstaat festgesetzten Hektarertrag überschreitet, als Qualitätswein b. A. vermarktet werden kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

14 Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse mit Beschluß vom 31. Oktober 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr. 823/87 des Rates vom 16. März 1987 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete ist dahin auszulegen, daß jedenfalls keine Weinmenge, die den vom Mitgliedstaat festgesetzten Hektarertrag überschreitet, als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (Qualitätswein b. A.) vermarktet werden kann.

Ende der Entscheidung

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