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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: C-29/04
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 92/50/EWG, Richtlinie 92/50/EWG
Vorschriften:
EG Art. 226 | |
Richtlinie 92/50/EWG Art. 8 | |
Richtlinie 92/50/EWG Art. 11 Abs. 1 | |
Richtlinie 92/50/EWG Art. 15 Abs. 2 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Parteien:
In der Rechtssache C-29/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 28. Januar 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Wiedner als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und M. Ilešic,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. April 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1. Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) verstoßen hat, dass der von der Stadt Mödling abgeschlossene Abfallentsorgungsvertrag ohne Einhaltung der in Artikel 8 in Verbindung mit den Artikeln 11 Absatz 1 und 15 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens- und Bekanntmachungsvorschriften vergeben wurde.
Rechtlicher Rahmen
2. Artikel 1 der Richtlinie 92/50 bestimmt:
"Im Sinne dieser Richtlinie
a) gelten als ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge ' die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge, ...
...
b) gelten als ‚öffentliche Auftraggeber ' (im folgenden ‚Auftraggeber' genannt) der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.
...
c) gelten als ‚Dienstleistungserbringer ' natürliche oder juristische Personen sowie öffentliche Einrichtungen, die Dienstleistungen anbieten. ...
d) sind ‚offene Verfahren ' diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen alle interessierten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können;
e) sind ‚nicht offene Verfahren ' diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen nur die vom Auftraggeber aufgeforderten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können;
f) sind ‚Verhandlungsverfahren' diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen die Auftraggeber ausgewählte Dienstleistungserbringer ansprechen und mit einem oder mehreren von diesen über die Auftragsbedingungen verhandeln.
..."
3. Artikel 8 dieser Richtlinie lautet:
"Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben."
4. Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:
"Für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge haben die Auftraggeber die in Artikel 1 Buchstaben d), e) und f) genannten Verfahren in einer an diese Richtlinie angepassten Form anzuwenden."
5. Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 lautet:
"Die Auftraggeber, die einen Dienstleistungsauftrag im Wege eines offenen, eines nicht offenen oder - in den in Artikel 11 genannten Fällen - eines Verhandlungsverfahrens vergeben wollen, teilen ihre Absicht durch Bekanntmachung mit."
Sachverhalt und Vorverfahren
6. Die Stadtgemeinde Mödling beschloss in der Gemeinderatssitzung vom 21. Mai 1999, zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen aufgrund des Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1992 (LGBl. 8240) eine rechtlich selbständige Einrichtung zu gründen, vor allem zur Erbringung von Dienstleistungen der ökologischen Abfallwirtschaft und damit verbundener Geschäfte, insbesondere auf dem Gebiet der Abfallentsorgung.
7. Am 16. Juni 1999 wurde deshalb die Errichtungserklärung zur Gründung der Stadtgemeinde Mödling Abfallwirtschaftsgesellschaft m. b. H. (im Folgenden: AbfallGmbH) unterfertigt, deren gesamtes Stammkapital von der Stadtgemeinde Mödling gehalten wurde. Am 25. Juni 1999 beschloss der Gemeinderat von Mödling, der AbfallGmbH die Abfallwirtschaft für das Gemeindegebiet als ausschließliches Recht zu übertragen.
8. Am 15. September 1999 übertrug die Stadtgemeinde Mödling der AbfallGmbH mit einer unbefristeten und zum 1. Juli 1999 rückwirkenden Entsorgungsvereinbarung das ausschließliche Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll. Der Vertrag sah ein Entgelt vor, d. h. einen Fixbetrag pro Müllbehälter oder Tonne, den die Stadtgemeinde Mödling der AbfallGmbH zu zahlen hatte.
9. In seiner Sitzung vom 1. Oktober 1999 beschloss der Gemeinderat von Mödling, 49 % der Anteile der AbfallGmbH an die Saubermacher Dienstleistungs-Aktiengesellschaft (im Folgenden: Saubermacher AG) abzutreten. In der Sitzungsvorlage zu dieser Sitzung wurde ausgeführt, dass nach dem Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni 1999 mehrere Gespräche mit Interessenten an einer Partnerschaft mit der AbfallGmbH geführt worden seien, u. a. mit der Saubermacher AG.
10. Am 6. Oktober 1999 wurde die Errichtungserklärung der AbfallGmbH dahin gehend geändert, dass die Generalversammlung die meisten Beschlüsse mit einfacher Mehrheit fassen kann und nur bei Anwesenheit von 51 % des Stammkapitals beschlussfähig ist. Es wurde auch beschlossen, dass die Vertretung der Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis durch zwei Geschäftsführer wahrgenommen wird, die jeweils von einem Gesellschafter ernannt werden und gemeinsam zeichnungsberechtigt sind.
11. Die Abtretung dieser Anteile erfolgte am 13. Oktober 1999. Die AbfallGmbH nahm ihre operative Tätigkeit allerdings erst am 1. Dezember 1999 auf, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Saubermacher AG bereits Gesellschafterin war.
12. Die AbfallGmbH war vom 1. Dezember 1999 bis 31. März 2000 ausschließlich für die Stadtgemeinde Mödling tätig. Nach Inbetriebnahme einer Umladestation wurde sie auch für Dritte, insbesondere andere Gemeinden des Bezirks, tätig.
13. Nachdem die Kommission die Republik Österreich aufgefordert hatte, sich zu äußern, gab sie am 2. April 2003 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie einen Verstoß gegen die Richtlinie 92/50 rügte, der sich daraus ergebe, dass die Stadtgemeinde Mödling den fraglichen Entsorgungsvertrag nicht ausgeschrieben habe, obwohl es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne dieser Richtlinie handele.
14. In ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme machte die Republik Österreich geltend, dass der Abschluss des Vertrages mit der AbfallGmbH nicht in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien falle, weil es sich um ein "In-house"-Geschäft zwischen der Stadtgemeinde Mödling und der AbfallGmbH handele.
15. Da diese Antwort die Kommission nicht überzeugte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
Vorbringen der Parteien
16. Die Kommission trägt vor, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 92/50 erfüllt und die Verfahrensvorschriften in Artikel 11 Absatz 1 sowie die Bekanntmachungsvorschriften in Artikel 15 Absatz 2 dieser Richtlinie daher in vollem Umfang anwendbar seien.
17. Nach Ansicht der Kommission liegen, entgegen der von der österreichischen Regierung im Vorverfahren geäußerten Ansicht, keinerlei Umstände vor, die ein "In-house"-Verhältnis zwischen der Stadtgemeinde Mödling und der AbfallGmbH begründen würden. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache C-107/98 (Teckal, Slg. 1999, I-8121, Randnr. 50), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Ausschreibung dann nicht obligatorisch sei, wenn die öffentliche Stelle, die öffentlicher Auftraggeber sei, über die fragliche von ihr verschiedene Einrichtung eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Einrichtung zugleich im Wesentlichen für die öffentliche Stelle oder die öffentlichen Stellen tätig sei, die ihre Anteile hielten.
18. Das Urteil sei zwar zu Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) ergangen, die Aussagen des Gerichtshofes seien jedoch auf alle Vergaberichtlinien übertragbar. Die Kommission stützt ihre Auffassung, dass die Anwendbarkeit der Vergaberichtlinien nur dann verneint werden könne, wenn der öffentliche Auftraggeber eine uneingeschränkte Kontrolle über den Auftragnehmer ausübe, auf das Urteil Teckal. Sobald jedoch ein Privatunternehmen am Auftragnehmer gesellschaftsrechtlich beteiligt sei, sei nicht mehr davon auszugehen, dass der Auftraggeber im Sinne dieses Urteils "eine Kontrolle ausübt wie über [seine] eigenen Dienststellen". Selbst eine Minderheitsbeteiligung eines Privatunternehmens schließe daher das Vorliegen eines "In-house"-Geschäfts aus.
19. Im vorliegenden Fall sei die Minderheitsbeteiligung der Saubermacher AG außerdem mit Vetorechten und dem Recht auf Ernennung eines der beiden gleichberechtigten Geschäftsführer verbunden, was ausschließe, dass die Stadtgemeinde Mödling über die AbfallGmbH eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen.
20. Die österreichische Regierung wendet erstens ein, dass die Klage der Kommission unzulässig sei.
21. Die Gründung der AbfallGmbH, der Abschluss der Entsorgungsvereinbarung sowie die Abtretung der Anteile seien drei gesonderte Vorgänge, die nicht anhand der Bestimmungen der Richtlinie 92/50, sondern unmittelbar anhand der Bestimmungen des EG-Vertrags hätten geprüft werden müssen. Ein Verstoß gegen die Richtlinie erscheine nur denkbar, wenn diese Schritte gewählt worden wären, um die Anwendung der Richtlinie zu umgehen, oder wenn der Anteilsverkauf einen vergaberechtlich relevanten Vorgang begründen könnte.
22. Im Vertragsverletzungsverfahren habe die Kommission keine Ausführungen zu diesen Hypothesen gemacht. Sie habe weder im Vorverfahren noch in der Klageschrift den Streitgegenstand abgegrenzt und auch nicht nachgewiesen, dass die Entsorgungsvereinbarung unter Verstoß gegen die Richtlinie 92/50 geschlossen worden sei, oder dargelegt, warum sie das Bestehen eines "In-house"-Verhältnisses im vorliegenden Fall für wesentlich erachte.
23. In der Sache wirft die österreichische Regierung der Kommission zweitens vor, zu übersehen, dass bei Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit der AbfallGmbH deren Anteile zu 100 % von der Stadtgemeinde Mödling gehalten worden seien. Da es sich um ein "In-house"-Verhältnis handele, sei eine Ausschreibung nicht erforderlich gewesen.
24. Ferner bedeute die Wendung "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" im Sinne des Urteils Teckal keine identische, sondern eine vergleichbare Kontrolle. Die Stadtgemeinde Mödling habe auch nach der Abtretung von 49 % der Anteile der AbfallGmbH eine solche Kontrolle behalten.
Würdigung durch den Gerichtshof
Zur Zulässigkeit
25. Nach ständiger Rechtsprechung soll das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich gegen die Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen (vgl. u. a. Urteile vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C-152/98, Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I-3463, Randnr. 23, und vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C-439/99, Kommission/Italien, Slg. 2002, I-305, Randnr. 10).
26. Daraus folgt erstens, dass der Gegenstand einer Klage nach Artikel 226 EG durch das dort vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt wird und dass die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage daher auf die gleichen Rügen gestützt sein müssen. Eine Rüge, die in dieser Stellungnahme nicht erhoben wurde, ist also im Verfahren vor dem Gerichtshof unzulässig (vgl. u. a. Urteil Kommission/Italien, Randnr. 11).
27. Zweitens muss die mit Gründen versehene Stellungnahme eine zusammenhängende und ausführliche Darstellung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine seiner Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat (vgl. u. a. Urteile vom 4. Dezember 1997 in der Rechtssache C-207/96, Kommission/Italien, Slg. 1997, I-6869, Randnr. 18, und vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, Randnr. 12).
28. Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randziffer 16 ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme und in Randziffer 13 ihres Mahnschreibens geltend gemacht, dass die zeitliche Abfolge der Ereignisse vom Beschluss des Gemeinderats von Mödling, die AbfallGmbH mit der Bewirtschaftung des Abfalls dieser Gemeinde ausschließlich zu beauftragen, bis zur Abtretung von 49 % der Anteile dieser Gesellschaft an die Saubermacher AG zeige, dass die Phase, in der die Stadtgemeinde Mödling 100 % der Anteile der AbfallGmbH gehalten habe, in Wirklichkeit nur eine Übergangsphase gewesen sei, die zur Beteiligung eines Privatunternehmens an dieser Gesellschaft geführt habe. Die Kommission hat somit im Vorverfahren klar zu erkennen gegeben, dass sie die auf drei gesonderte Vorgänge gestützte These der Stadtgemeinde Mödling zurückweist.
29. Die Kommission hat daher zusammenhängend und ausführlich diejenigen Gründe dargestellt, aus denen - da die Bestimmungen der Richtlinie 92/50 ihrer Ansicht nach anwendbar waren - der Vertrag, mit dem der AbfallGmbH das ausschließliche Recht zur Sammlung und Behandlung des Abfalls der Stadtgemeinde Mödling übertragen wurde, nicht als ein "In-house"-Geschäft angesehen werden konnte und öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen.
30. Der Streitgegenstand war folglich klar abgegrenzt, so dass die von der österreichischen Regierung erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu verwerfen ist.
Zur Begründetheit
31. Mit der vorliegenden Klage wirft die Kommission den österreichischen Behörden im Wesentlichen vor, die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags durch eine Gemeinde an eine Gesellschaft zugelassen zu haben, die sich von dieser Körperschaft rechtlich unterscheidet und zu 49 % von einem privaten Unternehmen gehalten wird, ohne dass das in der Richtlinie 92/50 vorgesehene Ausschreibungsverfahren eingehalten wurde.
32. Vorab ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Richtlinie im vorliegenden Fall erfüllt sind. Die Stadtgemeinde Mödling ist als Gebietskörperschaft ein "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50, der einen entgeltlichen Vertrag mit der AbfallGmbH als Dienstleistungserbringerin im Sinne von Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie abgeschlossen hat. Die Sammlung und Behandlung von Abfällen stellen Dienstleistungen im Sinne von Artikel 8 und Anhang I A der Richtlinie dar. Nach den von der österreichischen Regierung nicht bestrittenen Feststellungen der Kommission war der in Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 92/50 in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. L 328, S. 1) geänderten Fassung festgelegte Schwellenwert im vorliegenden Fall überschritten.
33. Der Auftrag über diese Dienstleistungen hätte daher nach Artikel 8 der Richtlinie 92/50 nur unter Einhaltung der Vorschriften ihrer Titel III bis VI, insbesondere der Artikel 11 und 15 Absatz 2, vergeben werden dürfen. Nach der letztgenannten Bestimmung war der fragliche öffentliche Auftraggeber verpflichtet, eine Bekanntmachung zu veröffentlichen.
34. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist, selbst wenn der Vertragspartner eine Einrichtung ist, die sich vom öffentlichen Auftraggeber rechtlich unterscheidet, eine Ausschreibung allerdings dann nicht zwingend, wenn die öffentliche Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile innehaben (vgl. Urteile Teckal, Randnr. 50, und vom 11. Januar 2005 in der Rechtssache C-26/03, Stadt Halle und RPL Lochau, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 49).
35. Die österreichische Regierung trägt vor, dass dies hier der Fall sei, so dass die in der Richtlinie 92/50 vorgesehenen Verfahren für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nicht anzuwenden seien.
36. Sie macht erstens geltend, dass der Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit der AbfallGmbH, der zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als deren Gesellschaftsanteile sich noch vollständig im Besitz der Stadtgemeinde Mödling befunden hätten, nicht bezweckt habe, eine Beziehung zwischen selbständigen juristischen Personen herzustellen, da diese Körperschaft über die AbfallGmbH eine ähnliche Kontrolle habe ausüben können wie über ihre eigenen Dienststellen. Dieser Vertrag falle daher nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50, und die Stadtgemeinde Mödling sei nicht dazu verpflichtet gewesen, eine öffentliche Ausschreibung vorzunehmen.
37. Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.
38. Ohne weiter darauf einzugehen, ob der Umstand, dass die Gemeinde Mödling zum Zeitpunkt der Vergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags das gesamte Kapital der AbfallGmbH hielt, als Beweis dafür genügt, dass diese Körperschaft über die AbfallGmbH eine ähnliche Kontrolle ausübte wie über ihre eigenen Dienststellen, ist nämlich festzustellen, dass im vorliegenden Fall der für die Beurteilung der Frage, ob die Bestimmungen der Richtlinie 92/50 anzuwenden sind, maßgebliche Zeitpunkt nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Vergabe des öffentlichen Auftrags ist. Zwar ist die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, eine Ausschreibung vorzunehmen, aus Gründen der Rechtssicherheit normalerweise anhand der Bedingungen zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags vorlagen, doch erfordern es die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache hier, später eingetretene Ereignisse zu berücksichtigen.
39. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Abtretung von 49 % der Anteile der AbfallGmbH kurz nach dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem dieser Gesellschaft das ausschließliche und unbefristete Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll übertragen worden war. Darüber hinaus nahm sie ihre operative Tätigkeit erst zu einem Zeitpunkt auf, als die Saubermacher AG einen Teil ihrer Anteile übernommen hatte.
40. Damit steht fest, dass es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handelt, der über eine mehrere gesonderte Schritte umfassende künstliche Konstruktion, nämlich die Gründung der AbfallGmbH, den Abschluss der Entsorgungsvereinbarung mit ihr und die Abtretung von 49 % ihrer Anteile an die Saubermacher AG, an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen vergeben wurde, an dem ein privates Unternehmen 49 % der Anteile hält.
41. Die Vergabe dieses Auftrags ist daher unter Berücksichtigung der Gesamtheit dieser Schritte sowie ihrer Zielsetzung zu prüfen und nicht anhand ihrer rein zeitlichen Abfolge, wie dies die österreichische Regierung vorschlägt.
42. Würde nämlich - wie die österreichische Regierung vorschlägt - die Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags nur mit Blick auf den Zeitpunkt geprüft, zu dem sie erfolgt ist, ohne dass die Wirkungen der kurz darauf erfolgten Abtretung von 49 % der Anteile der AbfallGmbH an die Saubermacher AG berücksichtigt würden, wäre die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 92/50 beeinträchtigt. Das mit dieser verfolgte Ziel, nämlich die Dienstleistungsfreiheit und die Öffnung für den unverfälschten Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten, wäre gefährdet, wenn die öffentlichen Auftraggeber eine Verfahrensgestaltung wählen könnten, die die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge an gemischtwirtschaftliche Unternehmen verschleiern soll.
43. Zweitens macht die österreichische Regierung geltend, die Stadtgemeinde Mödling habe auch nach der Abtretung von 49 % der Anteile der AbfallGmbH an die Saubermacher AG eine Kontrolle behalten, die derjenigen über ihre eigenen Dienststellen entspreche. Aufgrund dieses Umstands sei sie vor dem Hintergrund des Urteils Teckal nicht verpflichtet gewesen, eine öffentliche Ausschreibung vorzunehmen, da der Abschluss der Entsorgungsvereinbarung ein "In-house"-Geschäft gewesen sei.
44. Insoweit ist daran zu erinnern, dass der hier in Rede stehende entgeltliche Vertrag über in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 fallende Dienstleistungen zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einer rechtlich von ihm verschiedenen privatrechtlichen Gesellschaft geschlossen wurde, an der dieser Auftraggeber eine Mehrheitsbeteiligung hält.
45. Schon im Urteil Stadt Halle und RPL Lochau hat der Gerichtshof die Frage geprüft, ob der öffentliche Auftraggeber unter solchen Umständen allein deshalb die in der Richtlinie 92/50 vorgesehenen Ausschreibungsverfahren anwenden muss, weil ein privates Unternehmen am Kapital des Vertragspartners beteiligt ist.
46. Er hat entschieden, dass eine - auch nur minderheitliche - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall ausschließt, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausüben kann wie über seine eigenen Dienststellen (Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnr. 49).
47. Die Beziehung zwischen einer öffentlichen Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, und ihren Dienststellen wird durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen. Die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen beruht dagegen auf Überlegungen, die mit privaten Interessen zusammenhängen, und verfolgt andersartige Ziele (Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnr. 50).
48. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung würde das Ziel eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den in der Richtlinie 92/50 genannten Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten beeinträchtigen, weil ein solches Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen würde (Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnr. 51).
49. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge immer dann anzuwenden sind, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigt, mit einer rechtlich von ihm verschiedenen Gesellschaft, an deren Kapital neben ihm auch ein oder mehrere private Unternehmen beteiligt sind, einen entgeltlichen Vertrag über Dienstleistungen zu schließen, die in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 fallen (Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnr. 52).
50. Nach alledem ist daher festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50 verstoßen hat, dass der von der Stadt Mödling abgeschlossene Abfallentsorgungsvertrag ohne Einhaltung der in Artikel 8 in Verbindung mit den Artikeln 11 Absatz 1 und 15 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens- und Bekanntmachungsvorschriften vergeben wurde.
Kostenentscheidung:
Kosten
51. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, der Republik Österreich die Kosten aufzuerlegen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) verstoßen, dass der von der Stadt Mödling abgeschlossene Abfallentsorgungsvertrag ohne Einhaltung der in Artikel 8 in Verbindung mit den Artikeln 11 Absatz 1 und 15 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens- und Bekanntmachungsvorschriften vergeben wurde.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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