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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.03.1992
Aktenzeichen: C-29/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinie 76/768/EWG vom 27.06.1976


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
Richtlinie 76/768/EWG vom 27.06.1976 Art. 7 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bei einer Klage nach Artikel 169 EWG-Vertrag wird der Streitgegenstand durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission bestimmt; für eine Klage ist auch dann, wenn die mit ihr gerügte Vertragsverletzung nach Ablauf der gemäß Artikel 169 Absatz 2 gesetzten Frist abgestellt wird, noch ein Rechtsschutzinteresse insoweit gegeben, als die Grundlage für eine Haftung geschaffen wird, die einen Mitgliedstaat wegen seiner Pflichtverletzung möglicherweise gegenüber anderen Mitgliedstaaten, der Gemeinschaft oder einzelnen trifft.

2. Die Richtlinie 76/768 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel hat eine abschließende Harmonisierung der nationalen Bestimmungen über die Verpackung und Etikettierung solcher Mittel herbeigeführt. Somit verletzt ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus dieser Richtlinie, wenn er für die Vermarktung kosmetischer Mittel die Vorlage einer Erklärung bei der zuständigen nationalen Behörde verlangt, die andere Angaben enthält als diejenigen, die er nach Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 76/768 verlangen kann, und wenn er von jedem Hersteller und jedem für das Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels Verantwortlichen verlangt, für jedes hergestellte oder eingeführte Erzeugnis am Sitz seines Unternehmens in dem betreffenden Mitgliedstaat eine Akte zu führen, in der alle Angaben zur Zusammensetzung, zu den Eigenschaften und zur Beschreibung des Erzeugnisses, zum Protokoll über die Herstellung und die Kontrolle jeder Partie sowie zu der bei dieser Kontrolle angewandten Methode enthalten sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 18. MAERZ 1992. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - ANGLEICHUNG DER RECHTSVORSCHRIFTEN DER MITGLIEDSTAATEN UEBER KOSMETISCHE MITTEL. - RECHTSSACHE C-29/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 26. Januar 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Republik Griechenland ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. L 262, S. 16, im folgenden: Richtlinie) dadurch verletzt hat, daß sie für das Inverkehrbringen kosmetischer Mittel die Abgabe einer Erklärung mit bestimmten Angaben und Belegen sowie die Anlage einer Akte mit Angaben verlangt, die sich auf den Verpackungen, den Behältnissen oder den Etiketten der kosmetischen Mittel finden oder die nicht im Hinblick auf eine schnelle und wirksame ärztliche Behandlung bei Gesundheitsstörungen gerechtfertigt sind.

2 Nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie dürfen kosmetische Mittel nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn ihre Behältnisse und Verpackungen unverwischbar, gut leserlich und deutlich sichtbar bestimmte in dieser Vorschrift aufgezählte Angaben tragen. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln, die den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen, nicht ablehnen, verbieten oder beschränken. Nach Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten aber verlangen, daß der zuständigen Behörde im Interesse einer schnellen und wirksamen ärztlichen Behandlung bei Gesundheitsstörungen angemessene und ausreichende Angaben über die in kosmetischen Mitteln enthaltenen Stoffe zur Verfügung gestellt werden.

3 Artikel 14 der Richtlinie schreibt vor, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Bestimmungen erlassen, um der Richtlinie binnen einer Frist nachzukommen, die für die Republik Griechenland am 1. Januar 1981 abgelaufen ist.

4 Die Republik Griechenland hat die Richtlinie durch das Präsidialdekret Nr. 532 vom 23. Mai 1981 in innerstaatliches Recht umgesetzt. Weil die Kommission der Meinung ist, daß die Artikel 2 Absatz 1 und 5 dieses Dekrets mit den Vorschriften der Richtlinie nicht vereinbar sind, hat sie gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag ein Aufforderungsschreiben und danach eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Griechenland gerichtet. Da diese der Stellungnahme nicht nachgekommen ist, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Die Kommission ist der Auffassung, daß in den Artikeln 2 Absatz 1 und 5 des Präsidialdekrets Nr. 532/81 zusätzliche, über die Richtlinie hinausgehende Verpflichtungen festgelegt seien und daß die Republik Griechenland dadurch das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die den Bestimmungen der Richtlinie entsprächen, behindere, verbiete oder beschränke.

7 Die Richtlinie hat - wie der Gerichtshof schon im Urteil vom 23. November 1989 in der Rechtssache C-150/88 (Provide, Slg. 1989, 3891, Randnr. 28) festgestellt hat - eine abschließende Harmonisierung der nationalen Bestimmungen über die Verpackung und Etikettierung kosmetischer Mittel herbeigeführt.

8 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Präsidialdekrets Nr. 532/81 muß für jedes in Griechenland in Verkehr gebrachte Mittel bei der KEEPH (staatliches Arzneimittelamt) eine Erklärung abgegeben werden mit Angaben und Belegen betreffend

- die Bezeichnung des Erzeugnisses,

- seine Form,

- seine qualitative und quantitative Zusammensetzung,

- Name und Adresse des Labors oder des Betriebs, in dem es hergestellt wurde,

- Name, Vorname und Adresse des für das Inverkehrbringen Verantwortlichen,

- die physikalisch-chemischen Konstanten und eine Beschreibung des Erzeugnisses,

- ein Muster der Beschreibung und

- ein Muster des Textes, den das Etikett enthält oder der auf jedem Behältnis wiedergegeben wird.

9 Einige dieser Angaben und Belege betreffen die in den kosmetischen Mitteln enthaltene Substanzen und können daher von den Mitgliedstaaten im Interesse einer schnellen und wirksamen ärztlichen Behandlung bei Gesundheitsstörungen gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie verlangt werden. Es sind dies:

- die Bezeichnung des Erzeugnisses;

- seine qualitative und quantitative Zusammensetzung;

- seine physikalisch-chemischen Konstanten und seine Beschreibung, sowie

- ein Muster der Beschreibung.

Nach keiner Vorschrift der Richtlinie war es dagegen der Republik Griechenland gestattet, die anderen in Artikel 2 Absatz 1 des Präsidialdekrets Nr. 532/81 erwähnten Angaben zu verlangen.

10 Artikel 5 des Präsidialdekrets Nr. 532/81 schreibt ferner vor, daß jeder Hersteller und jede für das Inverkehrbringen kosmetischer Mittel verantwortliche Person am Sitz des jeweiligen Unternehmens in Griechenland für jedes hergestellte oder eingeführte Erzeugnis eine Akte führen muß, die alle Angaben zur Zusammensetzung, zu den Eigenschaften und zur Beschreibung des Erzeugnisses, zum Protokoll über die Herstellung und die Kontrolle jeder Partie sowie zu der bei dieser Kontrolle angewandten Methode enthält. Keine Bestimmung der Richtlinie gestattet es aber einem Mitgliedstaat, eine solche Vorschrift zu erlassen.

11 In der mündlichen Verhandlung hat die griechische Regierung ausgeführt, das Präsidialdekret Nr. 532/81 sei durch das Dekret Nr. 40 vom 28. Februar 1991 aufgehoben worden. Danach sei das griechische Recht mit der Richtlinie vereinbar.

12 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 30. Mai 1991 in der Rechtssache C-59/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I-2607, Randnr. 35) wird der Streitgegenstand bei einer Klage nach Artikel 169 EWG-Vertrag durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission bestimmt; für eine Klage ist auch dann, wenn die mit ihr gerügte Vertragsverletzung nach Ablauf der gemäß Artikel 169 Absatz 2 gesetzten Frist abgestellt wird, noch ein Rechtsschutzinteresse insoweit gegeben, als die Grundlage für eine Haftung geschaffen wird, die einen Mitgliedstaat wegen seiner Pflichtverletzung möglicherweise gegenüber anderen Mitgliedstaaten, der Gemeinschaft oder einzelnen trifft.

13 Folglich ist festzustellen, daß die Republik Griechenland ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/768 dadurch verletzt hat, daß sie für die Vermarktung kosmetischer Mittel die Vorlage einer Erklärung bei der zuständigen nationalen Behörde verlangt, die andere Angaben enthält als diejenigen, die ein Mitgliedstaat gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel verlangen kann, und daß sie von jedem Hersteller und jedem für das Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels Verantwortlichen verlangt, für jedes hergestellte oder eingeführte Erzeugnis am Sitz seines Unternehmens in Griechenland eine Akte zu führen, in der alle Angaben zur Zusammensetzung, zu den Eigenschaften und zur Beschreibung des Erzeugnisses, zum Protokoll über die Herstellung und die Kontrolle jeder Partie sowie zu der bei dieser Kontrolle angewandten Methode enthalten sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

14 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Griechenland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Republik Griechenland hat ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/768/EWG dadurch verletzt, daß sie für die Vermarktung kosmetischer Mittel die Vorlage einer Erklärung bei der zuständigen nationalen Behörde verlangt, die andere Angaben enthält als diejenigen, die ein Mitgliedstaat nach Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel verlangen kann, und daß sie von jedem Hersteller und jedem für das Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels Verantwortlichen verlangt, für jedes hergestellte oder eingeführte Erzeugnis am Sitz seines Unternehmens in Griechenland eine Akte zu führen, in der alle Angaben zur Zusammensetzung, zu den Eigenschaften und zur Beschreibung des Erzeugnisses, zum Protokoll über die Herstellung und die Kontrolle jeder Partie sowie zu der bei dieser Kontrolle angewandten Methode enthalten sind.

2) Die Republik Griechenland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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